OGH 1Ob618/92

OGH1Ob618/9211.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller 1.) Marianne K*****, 2.) Erich K*****, 3.) Ruth K*****, sämtliche *****, vertreten durch Dr. Karl G. Aschaber ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die Antragsgegnerin Agrargemeinschaft W*****, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 25. Oktober 1991, GZ 2 b R 149/91-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schwaz vom 24. Juli 1991, GZ 1 Nc 123/91-15, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragsteller sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Antragsgegnerin die mit S 5.858,10 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten S 976,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung

Im Verfahren 1 Nc 87/76 des Erstgerichtes begehrte die Verlassenschaft nach dem am 31.8.1974 verstorbenen Erich K*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Marianne K***** gegen die Agrargemeinschaft W***** ihr zur Bewirtschaftung der Liegenschaft EZ 256 II KG Jenbach ein Notwegerecht des Gehens und Fahrens auf dem von der Antragsgegnerin neu errichteten Weg laut angeschlossenem Plan einzuräumen.

Die Antragsgegnerin wendete ein, bei diesem Weg handle es sich um einen Güterweg nach dem Güter- und Seilwegegesetz. Auf diesem Weg sei ihr vom Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde erster Instanz ein landwirtschaftliches Bringungsrecht eingeräumt worden. Das Verfahren vor dem Gericht sei daher unzulässig, weil der Antragstellerin die Möglichkeit der Einbeziehung in diese Bringungsgemeinschaft offenstehe.

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 2.2.1978, 1 Nc 87/76-11, wurde der Antrag auf Einräumung eines Notweges zurückgewiesen. Es stellte fest, der Weißenbachalpweg verlaufe unter anderem über das Grundstück 1279, eingetragen in EZ 130 II KG Jenbach der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin sei Eigentümerin der nur aus dem Bauplatz 385 Schihütte bestehenden Liegenschaft EZ 256 II KG Jenbach. Diese Bauparzelle liege nahe des Weißenbachalpweges und werde rings von der der Antragsgegnerin gehörigen Grundparzelle 1279, zugehörig zur EZ 130 II KG Jenbach umschlossen. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Meinung, daß das Begehren um Einräumung eines Notweges unzulässig sei. Beim Weißenbachalpweg handle es sich um einen Güterweg im Sinne des Güter- und Seilwegelandesgesetzes vom 3.4.1970, LGBl. Nr. 40. Die Entscheidung über die Benützung dieses Weges komme nach § 19 Abs 1 lit.a dieses Gesetzes der Agrarbehörde unter Ausschluß des Rechtsweges zu. Um die von ihr angestrebte Benützung des Weißenbachalpweges zu erreichen, müßte die Antragstellerin richtigerweise ihre Einbeziehung in den Kreis der Benützungsberechtigten in die Wege leiten (§ 14 Abs 2 des Gesetzes). Die hiefür gegebene ausschließliche Zuständigkeit der Agrarbehörde könne nicht durch die Einräumung eines Notweges umgangen werden.

Die Antragsteller, die aufgrund der Einantwortungsurkunde vom 23.12.1977 Eigentümer der EZ 256 II KG Jenbach mit dem Grundstück 385 sind, begehren von der Antragsgegnerin als Eigentümerin der EZ 130 II KG Jenbach unter anderem mit dem Grundstück 1279 für sich und ihre Rechtsnachfolger einen Notweg als Fahrweg mit Transportfahrzeugen zur Versorgung der auf ihrer Liegenschaft befindlichen Jausenstation Weißenbachhütte und Zufahrt des Betreibers dieser Hütte mit eigenem PKW über die Liegenschaft auf der bestehenden Trasse des Bringungsweges zur Weißenbachalpe wie im Lageplan des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 20.3.1970 rot ausgewiesen einzuräumen.

Diesen Antrag wies das Erstgericht wegen rechtskräftig entschiedener Sache zurück.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 50.000,-- übersteige, den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Auch in dem unter Anwendung der Grundsätze des Verfahrens außer Streitsachen zu führenden Verfahren über die Einräumung eines Notweges gelte das Verfahrenshindernis der entschiedenen Sache. Nicht nur materielle Sachentscheidungen, sondern auch prozeßbeendende Beschlüsse, mit denen die Zurückweisung einer Klage (eines Antrages) wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges ausgesprochen worden sei, seien der Rechtskraft fähig. Eine neuerliche Entscheidung zwischen denselben Parteien über dasselbe Begehren aufgrund derselben anspruchsbegründenden Behauptungen sei daher unzulässig. Verfahrensgegnerin sei auch im Vorverfahren schon die Agrargemeinschaft W***** gewesen. Daß die Antragsteller Rechtsnachfolger der Verlassenschaft nach Erich K***** sind, werde von ihnen nicht bestritten. Damit wirke aber die Rechtskraft des am 2.2.1978 im Verfahren 1 Nc 87/76 ergangenen zurückweisenden Beschlusses auch gegen die Antragsteller. Zu Unrecht bestritten die Rekurswerber auch die Identität des Begehrens, weil im Verfahren 1 Nc 87/76 des Erstgerichtes die Einräumung eines Notweges auf dem neuen Weg laut dem angeschlossenen Plan begehrt gewesen sei, während jetzt beantragt worden sei, einen Notweg über die Liegenschaft der Antragsgegner in EZ 130 KG Jenbach auf der bestehenden Trasse des Bringungsweges zur Weißenbachalpe, welcher oberhalb der Liegenschaft der Antragsteller vorbeiführe, einzuräumen. Ein essentieller qualitativer Unterschied zwischen den beiden Begehren sei nicht zu erkennen. Unbestreitbar sei, daß in beiden Verfahren auf denselben Bringungsweg Bezug genommen worden sei und die Einräumung eines Notweges in Form einer Dienstbarkeit begehrt werde. Daß im Verfahren 1 Nc 87/76 des Erstgerichtes das Begehren nicht nur auf die Liegenschaft der Antragsgegnerin beschränkt worden sei, hätte zweifellos deren Sachlegitimation überschritten, habe aber an der Identität des Begehrens nichts zu ändern vermocht. Ebensowenig habe sich an den rechtserheblichen Tatsachenbehauptungen etwas geändert. Aus welchen Gründen es schließlich unterblieben sei, gegen den Zurückweisungsbeschluß vom 2.2.1978 Rekurs zu erheben, sei unerheblich.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragsteller ist nicht berechtigt.

Gemäß § 18 AußStrG sind auch Entscheidungen im Außerstreitverfahren der materiellen Rechtskraft fähig (EFSlg. 58.498; MietSlg. 38.057 mwN; NZ 1982, 77 ua). Für das streitige Verfahren ist anerkannt, daß prozeßbeendende Beschlüsse, mit denen über Rechtsschutzansprüche erkannt wurde, materiell in Rechtskraft erwachsen (GH 1934, 95, ZBl. 1931/175; SZ 9/113 ua, zuletzt 1 Ob 548/80 mwN). Dazu zählen auch Zurückweisungsbeschlüsse (Fasching, LB2 Rz 1599; Rechberger-Simotta, Zivilprozeßrecht3 Rz 333). Die Rechtskraft erstreckt sich dabei auf den maßgeblichen Zurückweisungsgrund (Fasching aaO).

Entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs sind die subjektiven und objektiven Grenzen der Rechtskraft der Entscheidung des Erstgerichtes vom 2.2.1978, 1 Nc 87/76-11, nicht überschritten. Die materielle Rechtskraft bindet auch die Gesamtrechtsnachfolger (SZ 59/116; SZ 53/42 ua; Fasching aaO Rz 1526). Die Antragsteller sind daher als eingeantwortete Erben an den gegen die Verlassenschaft ergangenen Zurückweisungsbeschluß gebunden. Der Sache nach war auch schon im Vorverfahren die Einräumung eines Notweges auf den bestehenden, auch über das Grundstück der Antragsgegnerin laufenden Weg begehrt worden. Gleichgültig ist es, ob die rechtskräftige Entscheidung in der Sache richtig ist und, wäre die Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges gegeben, eine Sachverhaltsänderung in der Person der Erstantragstellerin eingetreten wäre. Ebenso ist es nicht von Bedeutung, ob nunmehr zwischen Gericht und Verwaltungsbehörden ein negativer Kompetenzkonflikt besteht, über den allein der Verfassungsgerichtshof zu befinden hätte (Art. 138 Abs 1 lit.a B-VG).

Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf § 25 Abs 1 NotwegeG (EvBl. 1985/127).

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