Normen
HGB §377
HGB §377
Spruch:
In der Kaufvertragsklausel "Für den menschlichen Genuß nicht geeignet" ist kein echter Garantievertrag, sondern nur eine Gewährleistungsabrede zu erblicken. Es besteht Anzeigepflicht nach § 377 HGB; ist diese nicht handelsüblich, sind nicht auf Verschulden gestützte Ansprüche innerhalb der gesetzlichen Frist mit Klage geltend zu machen
Bei der Bestimmung des § 377 HGB handelt es sich um nachgiebiges Recht, so daß die Unterlassung der Mängelrüge einzuwenden ist
OGH 22. Juni 1977, 1 Ob 617/77 (OLG Wien 1 R 27/77; KG Wiener Neustadt 1 Cg 276/75)
Text
Die beklagte Partei stand mit der Firma U (Hamburg) in einem Lieferverhältnis wegen Lacksojaöl, das sie zur Verarbeitung in Kunstharzen benötigt. Für den unmittelbaren menschlichen Genuß ungeeignete oder unter Zollaufsicht ungenießbar gemachte pflanzliche fette Öle dürfen zollfrei eingeführt werden; sind sie für den menschlichen Genuß geeignet, beträgt der Zollsatz 12%. Auf Grund der jeweiligen Angaben der beklagten Partei (Jodfarbzahl maximal 3, Säurezahl maximal 0.2) erfolgte durch das Zollamt Wiener Neustadt nie eine Zollvorschreibung; Probeziehungen und Untersuchungen durch die Technische Untersuchungsanstalt der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland ergaben auch, daß das der beklagten Partei gelieferte Lacksojaöl tatsächlich für den unmittelbaren menschlichen Genuß ungeeignet war.
Die Nebenintervenientin auf Seite der beklagten Partei handelt mit Ölen und tritt teilweise als Vermittlerin auf. Wird Öl sofort weiterverkauft, wird es nicht dahin chemisch untersucht, ob es zum menschlichen Genuß geeignet ist oder nicht; der Lieferant behält ein Muster der gelieferten Ware zurück, um später eine Kontrolle der Ware zu ermöglichen. Die Verzollung führt der Käufer durch. Gibt es Schwierigkeiten bei der Verzollung, kann das Öl noch vor den Augen des Zollbeamten durch Vergällung für den menschlichen Genuß ungeeignet und damit zollfrei gemacht werden; welche Art von Vergällung vorgenommen wird, hängt vom Verwendungszweck des Öles ab.
Da die beklagte Partei nicht in der Lage war, die gesamte ihr zu liefernde Ölmenge zu verbrauchen, ersuchte sie die Nebenintervenientin, die Repräsentantin der Firma U in Österreich, andere Abnehmer ausfindig zu machen. Über Vermittlung der Nebenintervenientin kaufte die klagende Partei auf Grund eines von der Nebenintervenientin entworfenen Kaufvertrages am 23. September 1974 von der beklagten Partei zirka 50 t Lacksojaöl, für den menschlichen Genuß nicht geeignet, Jodfarbzahl maximal 3, Säurezahl maximal 0.2, Preis 228.50 DM/100 kg netto, lose, verladen in des Käufers Straßentankzug, ab Werk Mannheim der Firma U. Die erste am 27. September 1974 durchgeführte Lieferung von 25 t verkaufte die klagende Partei noch im September 1974 an die Firma M um 19.60 S je Kilogramm, die zweite Lieferung vom 31. Oktober 1974 an die Firma W um 17.40 S je Kilogramm, jeweils verzollt und versteuert franko Werk des
Abzüglich der Frachtspesen und der Provision der Nebenintervenientin betrug der Gewinn der klagenden Partei beim ersten Geschäft 61 722 S, beim z nur 7076 S. Die Zollfreiheit war jeweils von den Streitteilen und der Nebenintervenientin angenommen und auch der Preiserstellung der klagenden Partei für die Weiterverkäufe zugrunde gelegt worden; die Nebenintervenientin hatte der klagenden Partei garantiert, daß das gekaufte Öl zum menschlichen Genuß ungeeignet sei. Die Nebenintervenientin hatte bis dahin auch jährlich hunderte Tonnen Lacksojaöl von der Firma U nach Österreich eingeführt, ohne Schwierigkeiten mit der Zollfreiheit gehabt zu haben; ihr Geschäftsführer wußte,daß das Öl nach Österreich gebracht würde.
Über Auftrag der klagenden Partei erfolgte die Verzollung beider Öltransporte durch die Firma T. Die Frachtpapiere und Fakturen lauteten auf die beklagte Partei, die der Firma U gegenüber als Käuferin galt. Die Firma T deklarierte Zollfreiheit und lieferte die Ware nach Ziehen von zwei Warenmustern durch das Zollamt Wels über Auftrag der klagenden Partei an die Firma M bzw. die Firma W. Die Rechnungen vom 17. Oktober und 28. November 1974 sandte die Firma T zunächst an die beklagte Partei, die dadurch erstmals erfuhr, daß das Lacksojaöl von der klagenden Partei nach Österreich eingeführt worden war; die beklagte Partei verlangte die Verrechnung mit der klagenden Partei.
Die Technische Untersuchungsanstalt für Wien, Niederösterreich und Burgenland in Wien gelangte zum Ergebnis, daß das Sojabohnenöl für den unmittelbaren menschlichen Genuß geeignet sei; sie schlug daher eine Verzollung mit 12% des Warenwertes vor. Am 19. Dezember 1974 teilte die Firma T unter Verständigung der beklagten Partei und der Nebenintervenientin und Bekanntgabe des Untersuchungsergebnisses über die erste Lieferung der klagenden Partei mit sodann unbeantwortet gebliebenen Einschreibebriefen mit, daß das Zollamt Wels das Lacksojaöl zu einem Zollsatz von 12% umtarifieren werde. Am gleichen Tage richtete die Firma T an das Zollamt Wels auch ein Schreiben, mit der Abweichung von der Warenerklärung (der Zollfreiheit) nicht einverstanden zu sein; nach Mitteilung der beklagten Partei werde das Öl zur Firniserzeugung verwendet; ob das Öl unmittelbar für den menschlichen Genuß geeignet sei, habe der Warenempfänger nicht angeben können; die klagende Partei meine, daß ein zum menschlichen Genuß geeignetes Öl wesentlich teurer sein müsse und es keinen Sinn hätte, den teuren Rohstoff zur Firniserzeugung zu verwenden, wenn der billigere Rohstoff denselben Zweck erfülle. Auch der Vertreter der Lieferfirma, der Nebenintervenientin habe bestätigt, daß es sich bei dem Lacksojaöl um ein nicht desodorisiertes Öl handle, welches für den unmittelbaren menschlichen Genuß nicht geeignet sei. Es werde daher ersucht, nochmals mit der Technischen Untersuchungsanstalt Wien in Verbindung zu treten und von der abweichenden Festsetzung Abstand zu nehmen. Sollte die Technische Untersuchungsanstalt Wien wider Erwarten die derzeitige Tarifempfehlung aufrecht erhalten, werde gebeten, den Laborbefund zur Verfügung zu stellen und die Untersuchungsart bekanntzugeben.
Die neuerliche Untersuchung führte zu keinem anderen Ergebnis, wovon die Firma T die klagende Partei verständigte. Die klagende Partei antwortete, die Ware wäre ihr verzollt zu übergeben gewesen, so daß die Abwicklung der Verzollung Sache der beklagten Partei gewesen wäre; die beklagte Partei antwortete hingegen, daß die Ware ab Mannheim der klagenden Partei unverzollt verkauft worden sei. Mit Fernschreiben vom 3. September 1975 erkundigte sich die beklagte Partei bei der Firma U über die Genußtauglichkeit des gelieferten Öls; diese antwortete mit Fernschreiben vom 11. und 26. September 1975, daß es sich bei dem in ihren Werken hergestellten Lacksojaöl um ein Pflanzenöl handle, das für die Kunstharzerzeugung bestimmt und daher nicht für den menschlichen Genuß geeignet sei. Die beklagte Partei verlangte jedoch keine Maßnahmen gegen den Untersuchungsbefund. Ob das Öl zum unmittelbaren menschlichen Genuß tatsächlich geeignet war, hätte nur durch Kosten und eine lebensmittelchemische Untersuchung festgestellt werden können. Von der Nebenintervenientin war der Firma T nicht der Rat erteilt worden, eine Vergällung des Öles vorzunehmen.
Am 11. Juni 1975 wurde der Zollbehörde gegenüber richtiggestellt, daß die klagende Partei Importeur war. Mit Bescheiden vom 23. Juli 1975 setzte das Zollamt Wels unter Hinweis auf das Ergebnis der Untersuchung durch die Technische Untersuchungsanstalt Wien den von der klagenden Partei zu bezahlenden Zoll für beide Lieferungen einschließlich eines Außenhandelsförderungsbeitrages von 211 S mit dem Klagsbetrag fest. Die Bescheide wurden rechtskräftig; die Abgabennachforderung wurde von der Firma T bezahlt und dieser am 25. August 1975 von der klagenden Partei refundiert.
Die klagende Partei behauptete in der am 25. Oktober 1975 überreichten Klage, die Spezifikation "zum menschlichen Genuß ungeeignet" sei unbedingte Voraussetzung der Abnahmebereitschaft der klagenden Partei gewesen. Die beklagte Partei habe der klagenden Partei Ware geliefert, die nicht die ausdrücklich vereinbarte Eigenschaft aufgewiesen habe, wodurch ihr ein erheblicher Schaden durch die Zollvorschreibung entstanden sei, den die beklagte Partei zu ersetzen habe. Wenn sich die beklagte Partei ausschließlich auf Erklärungen der Nebenintervenientin verlassen habe, sei dies kein Grund, der klagenden Partei die Mehraufwendungen durch den zweifellos von ihr nicht herbeigeführten Mangel nicht zu ersetzen.
Die beklagte Partei erwiderte, sie habe sich auf den jahrelang anstandslos zollfrei erfolgten Direktimport aus der Bundesrepublik Deutschland und die Erklärung der Nebenintervenientin als Vermittlerin, daß das gegenständliche Öl zum menschlichen Genuß nicht geeignet sei, verlassen können. Pflicht der klagenden Partei wäre es gewesen, für eine Vergällung der Öle vor der Zollbehörde Sorge zu tragen. Die klagende Partei habe die Ware zum Zwecke der Verarbeitung für den menschlichen Genuß weiterveräußert. Sie sei daher verpflichtet gewesen, allfällige Zölle auf den Käufer zu überwälzen. Die klagende Partei entgegnete, sie habe wegen des bereits erfolgten Weiterverkaufes des Öles keine Vergällung durchführen können; sie habe die Öle als für den menschlichen Genuß ungeeignet weiterverkauft.
Außer Streit gestellt wurde, daß es nicht üblich ist, Waren wie Lacksojaöl, die man kauft, um sie sofort weiterzuverkaufen, auf ihre Eignung zu untersuchen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die klagende Partei mache einen Schadenersatzanspruch aus einem Mängelfolgeschaden geltend. Die beklagte Partei müsse rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Die in der Zusage der Genußuntauglichkeit liegende Eigenschaft der Zollfreiheit des Lacksojaöls sei nicht gegeben gewesen, so daß auf Seite der beklagten Partei eine Vertragsverletzung angenommen werden müsse. Die klagende Partei habe voraussetzen können, daß die beklagte Partei bei Abgabe der Zusage der Genußuntauglichkeit = Zollfreiheit die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes (§ 347 HGB) angewendet habe. Die beklagte Partei habe den Mangel eines Verschuldens nachzuweisen. Sie sei dieser Beweispflicht nachgekommen, da sie nachgewiesen habe, schon immer Lacksojaöl von der Firma U für den eigenen Bedarf gekauft zu haben, ohne daß trotz Probenziehungen durch das Zollamt Wiener Neustadt jemals Zoll vorgeschrieben worden wäre. Daß die beklagte Partei auf Grund dieses Umstandes beim vorliegenden Kaufgeschäft von der Genußuntauglichkeit und damit von der Zollfreiheit ausgegangen sei, könne ihr deshalb nicht als Verletzung der ihr nach § 347 HGB obliegenden Sorgfaltspflicht angelastet werden. Die 211 S an restlichem Außenhandelsförderungsbeitrag wären auf jeden Fall von der klagenden Partei zu bezahlen, da sie die Ware franko ab Werk Mannheim übernommen hatte. Die Abweisung des Klagebegehrens müsse auch aus anderen Erwägungen erfolgen. Die klagende Partei habe sich bei der Verzollung eines Spediteurs, der Firma T, bedient. Dieser habe die erforderlichen Zollformalitäten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Spediteurs zu erledigen gehabt, habe für die Kenntnis der Zollvorschriften einzustehen und hätte alle zollrechtlich zulässigen Vorteile für die klagende Partei ausnützen müssen. Die Firma T hätte die klagende Partei schon anläßlich der ersten Lieferung von den Zollschwierigkeiten am 28. September 1974 verständigen müssen. Zu diesem Zeitpunkt wäre es, da das Öl noch nicht an den Letztverbraucher geliefert worden sei, möglich gewesen, eine Zollfreiheit des Öles durch Vergällung zu erwirken. Das Versäumnis des Spediteurs habe die klagende Partei zu vertreten. Sie wäre auf Grund des Vertragsverhältnisses zur beklagten Partei auch verpflichtet gewesen, den eventuell drohenden Schaden infolge der Zollpflichtigkeit des Öles durch Vergällung zu verhindern. Die beklagte Partei habe zu jener Zeit, als die Zollpflichtigkeit der Ware ihr erstmals bekannt geworden sei, keine Möglichkeit der Vergällung mehr gehabt.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Die Beweislast für eine rechtswidrige und schuldhafte Schadensverursachung treffe die klagende Partei. Eine Ausnahme wäre nur dann vertretbar, wenn die beklagte Partei eine ausdrückliche Erklärung über die Haftungsübernahme für bestimmte zugesicherte Eigenschaften der veräußerten Sache, die sie dann nicht besessen hätte, abgegeben hätte. Die festgestellte vertragliche Vereinbarung könne jedoch mit der Übernahme einer Garantie (Gewähr) für das Vorhandensein der Eigenschaft nicht gleichgesetzt werden. Die Übernahme einer Garantie durch die beklagte Partei könne nicht angenommen werden. Die beklagte Partei habe im vorliegenden Fall nur als Zwischenhändler fungiert, weil sie keine Verwendung für die vom Erzeuger abzunehmende Ware gehabt habe. Da sie bei wiederholtem Kauf gleichartiger Produkte von demselben Erzeuger niemals Zweifel an der mangelnden Eignung des Produktes zum menschlichen Genuß haben mußte und die verkaufte Ware überdies durch die klagende Partei unmittelbar von einem Werk des Erzeugers abgeholt wurde und nie in die Gewahrsame der beklagten Partei kam, könne nicht gesagt werden, die beklagte Partei hätte gegen die ihr obliegende Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes verstoßen. Die Meinung der klagenden Partei, die beklagte Partei hätte sich noch vor dem Eintreffen der Lieferung in Österreich eine Probe von der Erzeugerfirma schicken und diese untersuchen lassen müssen, sei als überspitzt und verkehrsfeindlich abzulehnen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Auszugehen ist davon, daß sich die beklagte Partei der klagenden Partei gegenüber im Kaufvertrag u. a. verpflichtete, ihr für den Genuß nicht geeignetes Lacksojaöl zu verkaufen. Die Revision erblickt darin anscheinend einen (echten) Garantievertrag.
Darunter versteht man einen Vertrag, durch den sich jemand einem anderen gegenüber (beschränkt oder umbeschränkt) verpflichtet, für den Erfolg eines Unternehmens einzustehen oder für den Schaden, der durch ein Unternehmen entsteht, aufzukommen; der Garantievertrag ist in der Regel ein einseitiger Vertrag und verpflichtet nur den Gewährsübernehmer, der im Zweifel für den ganzen Ausfall oder Schaden einzutreten hat (SZ 46/39 u. a.; Koziol - Welser[4], 211; Ohmeyer - Klang in Klang[2] VI, 203; vgl. auch Ehrenzweig[2] II/1, 113 f.; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 222 und in Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 143). Der (echte) Garantievertrag bewirkt die Begründung einer selbständigen Schuld, welche von der Verbindlichkeit des ursprünglichen Schuldverhältnisses unabhängig ist (EvBl. 1975/183). Von diesem "echten" Garantievertrag zu unterscheiden ist die besonders in Kaufverträgen häufig vorkommende sogenannte Garantiezusage (der "unechte" Garantievertrag), worunter bloße Gewährleistungsabreden verstanden werden, die Teile des Hauptvertrages sind; der Verkäufer sichert damit dem Käufer bestimmte Eigenschaften der Kaufsache zu und wird dadurch verpflichtet, für alle Folgen ihres Fehlens einzustehen, auch wenn ihn kein Verschulden trifft; es handelt sich jedoch um eine gewöhnliche Zusicherung vertragsgemäßer Leistung, für die das Recht des Hauptvertrages gilt, den sie ausgestaltet (EvBl. 1975/183;
Koziol Welser[4], 211; Schlegelberger - Hefermehl[5] IV, 171 Anm.25;
vgl. Ratz in Großkomm HGB[3] III, 332 Anm. 92). Es handelt sich gewöhnlich um nicht mehr als die ausdrückliche Übernahme der an sich wirksamen Gewährleistungspflichten oder deren Erweiterung oder Verlängerung (Ohmeyer - Klang a. a. O.). Im vorliegenden Fall wurde die Qualifikation "für den menschlichen Genuß nicht geeignet" nur als Teil der im Vertrag erwähnten besonderen Eigenschaften der verkauften Ware angeführt, ohne daß irgendeine besondere Erklärung dazu abgegeben worden wäre, aus der erkannt werden könnte, daß dadurch eine vom Kaufvertrag unabhängige Schuld begrundet werden sollte. In der Vertragsklausel kann daher kein echter Garantievertrag, sondern nur eine Gewährfeistungsabrede erblickt werden.
Ist ein Kaufvertrag für beide Teile ein Handelsgeschäft, trifft den Käufer in der Regel die Verpflichtung, die Ware unverzüglich nach der Ablieferung, soweit dies nach ordnungsgemäßigem Geschäftsgang tunlich ist, zu untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich Anzeige zu machen (§ 377 Abs. 1 HGB). Unterläßt er dies, gilt die Ware als genehmigt (§ 377 Abs. 2 und 3 HGB). Die gesetzliche Fiktion der Genehmigung tritt ohne Rücksicht auf den Parteiwillen in Kraft (Brüggemann in Großkomm HGB[3] IV, 404 Anm. 38) und bedeutet nicht nur den Verlust von Gewährleistungsansprüchen, sondern aller aus dem Mangel der Ware abgeleiteten Rechte (Brüggemann a. a. O., 406 Anm. 38), insbesondere also auch von Schadenersatzansprüchen (EvBl. 1957/43 u. a.; Hämmerle, Handelsrecht[2] III, 70 Fußnote 16), die sich auf die Verletzung des Vertrages und die Beschaffenheit der Ware grunden (Schlegelberger - Hefermehl, HGB[4], 2101 Anm. 78). Die Rügepflicht entfällt nicht allein dadurch, daß eine bestimmte Eigenschaft der Sache im Vertrag zugesichert war (EvBl. 1975/183; Ratz a. a. O., 334 Anm. 93; Schlegelberger - Hefermehl[4], 2090 Anm. 37). Bei der Bestimmung des § 377 HGB handelt es sich allerdings um nachgiebiges Recht, so daß auch die Verspätung (oder Unterlassung) der Mängelrüge einzuwenden ist (EvBl. 1957/43). Die beklagte Partei hat dies nicht nur nicht getan, sondern außer Streit gestellt, es sei nicht handelsüblich, Waren wie die streitgegenständlichen, die man kaufe, um sie sofort weiterzuverkaufen, auf ihre Eignung zu untersuchen. Diese Außerstreitstellung kann nur dahin verstanden werden, daß die klagende Partei in Abweichung von der Bestimmung des § 377 HGB nicht verpflichtet war, die von der beklagten Partei gekaufte Ware sofort zu untersuchen und zu prüfen, ob die zugesagte Eigenschaft der Nichteignung für den menschlichen Genuß gegeben war. Es muß dann im Zweifel angenommen werden, daß der klagenden Partei die volle Gewährleistungsfrist von sechs Monaten (§ 933 Abs. 1 ABGB) zur Verfügung stand, die mit der Ablieferung der Ware, im konkreten Fall also mit der Abholung durch die klagende Partei beim Erzeuger bzw. mit deren Einlangen am Bestimmungsort (Hämmerle a. a. O., 69), zu laufen begann. Da dies im September bzw. Oktober 1974 geschah, die gegenständliche Klage aber erst am 25. Oktober 1975 überreicht wurde, war die Gewährungspflicht mit der Klagserhebung bereits abgelaufen, so daß es sich im vorliegenden Fall, wie auch die Untergerichte ohne Widerspruch der klagenden Partei annahmen, nur um Schadenersatzansprüche handeln kann. Diese setzen, da der Schlußsatz des ersten Absatzes des § 932 ABGB dem Erwerber nicht einen eigenen Schadenersatzanspruch gewährt, sondern nur einen bereits aus der allgemeinen Regel des § 1295 ABGB sich ergebenden und an die allgemeinen Voraussetzungen einer Schadenersatzpflicht gebundenen Schadenersatzanspruch neben den Gewährleistungsansprüchen vorbehält, ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Veräußerers voraus (SZ 46/39; SZ 29/76 u. a.; Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 545); dieser handelt rechtswidrig, wenn er eine nicht vorhandene Eigenschaft behauptet; er handelt aber nur dann schuldhaft, wenn ihm das Nichtvorhandensein der behaupteten Eigenschaft bekannt ist oder bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt sein kann (SZ 46/39). Bei der beklagten Partei war dabei vorauszusetzen, daß sie die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes anwendete (§ 347 HGB). Die klagende Partei konnte darauf vertrauen, daß die beklagte Partei ihre Zusage nur deshalb abgegeben hatte, weil sie sich schon vorher Gewißheit darüber verschafft hatte, daß die verkaufte Ware auch tatsächlich die zugesagte Eigenschaft hat (JBl. 1961, 228; SZ 29/76). Das, was für die klagende Partei recht ist, muß aber auch für die beklagte Partei billig sein. Auch ihr muß demnach zugute kommen, daß Lacksojaöl, das zum sofortigen Weiterverkauf gekauft wird, üblicherweise nicht auf seine Eignung (hier zum menschlichen Genuß) untersucht wird. Mit einer Untersuchung durch die beklagte Partei konnte bei dieser Übung die klagende Partei umsoweniger rechnen, als ihr schon nach dem Vertragsinhalt bekannt war, daß die beklagte Partei, die ihren Sitz in Wiener Neustadt hat, Ware verkaufte, die die klagende Partei selbst unmittelbar beim Erzeuger in der Bundesrepublik und damit ohne tatsächliche Einschaltung von Organen der beklagten Partei abzuholen hatte. War die beklagte Partei aber zu einer vorherigen konkreten Untersuchung der verkauften Ware auf ihre Nichteignung zum menschlichen Genuß nicht verpflichtet, kann es ihr nicht als Verschulden angerechnet werden, daß sie sich auf die Behauptung des Erzeugerunternehmens und seiner österreichischen Repräsentantin, der Nebenintervenientin, verließ, wenn ihr aus eigener vielfacher Erfahrung mit Käufen von der Erzeugerfirma bekannt war, daß das gelieferte Lacksojaöl auch nach den eingeholten Gutachten der Technischen Untersuchungsanstalt der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland in Wien tatsächlich jeweils als für den menschlichen Genuß ungeeignet befunden worden war. Mit dem Beweis dieser Tatsache hat die beklagte Partei der ihr obliegenden Beweispflicht genügt. Die Haftung aus ihrer Vertragserklärung hätte die klagende Partei dann aber nur durch rechtzeitige Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen in Anspruch nehmen können. Die Entbindung von der sofortigen Rügepflicht nach § 377 HGB enthob nämlich die klagende Partei, wenn sie Ansprüche gegen die beklagte Partei ohne deren Verschulden erheben wollte, nicht von der Verpflichtung, wenigstens innerhalb der Gewährleistungsfrist des § 933 Abs. 1 ABGB ihre Rechte durch Klageerhebung zu wahren. Es war ihre Sache, die erforderlichen Unterlagen rechtzeitig zu beschaffen. Das war weder undurchführbar noch unzumutbar, weil sie z. B., wenn sie schon selbst trotz Probenziehung durch das zuständige Zollamt und der damit entstandenen Möglichkeit, daß wegen Eignung der Ware für den menschlichen Genuß ein Zollsatz von 12% erhoben wird, keine Prüfung der Ware veranlaßte, zumindest ihren Käufern durchaus die Verpflichtung überbinden hätte können, die Prüfung der Ware auf ihre Nichteignung für den menschlichen Genuß vor ihrer Verarbeitung durchzuführen und ihr vom Ergebnis unverzüglich Mitteilung zu machen. Wenn sie solche Maßnahmen nicht traf, muß sie den ihr durch die sodann erfolgte Zollvorschreibung entstandenen Schaden selbst tragen, wenn der beklagten Partei, wie im vorliegenden Fall, der Beweis
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