Spruch:
Mit der Scheidungsklage können nur jene Ansprüche aus den Eheverhältnis verbunden werden, die sich aus dessen mit den Scheidungsbegehren angestrebten Auflösung ergeben, demnach nicht Unterhaltsansprüche für die Zeit des noch aufrechten Bestehens der Ehe
OGH 19. Mai 1976, 1 Ob 615/76 (OLG Graz 6 R 54/76; LG Klagenfurt 19 Cg 255/75)
Text
Die Streitteile sind österreichische Staatsbürger und seit 26. Mai 1953 verheiratet; ihr letzter gemeinsamer Wohnsitz war Villach. Seit 1957 leben die Ehegatten getrennt. Mit der am 23. Mai 1975 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Scheidung der mit dem Beklagten am 26. Mai 1953 vor dem Standesamt L geschlossenen Ehe aus dem Verschulden des Beklagten, dessen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland liegt. Mit der Ehescheidungsklageverband die Klägerin das Begehren auf Bezahlung eines monatlichen Unterhalte von 2500 S ab dem Klagstage. Der Unterhaltsanspruch bis zur Rechtskraft der Scheidung wurde auf § 91 ABGB gestützt. Noch vor Durchführung eine Tagsatzung erklärte die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Juni 1975, daß da Scheidungsbegehren ohne Anspruchsverzicht zurückgenommen werde, da sich der Gesundheitszustand der Klägerin verschlechtert habe; sie erklärte jedoch, da das Unterhaltsbegehren aufrecht erhalten werde. In der (ersten) Tagsatzung vom 2. Juli 1975 wendete der Beklagte örtliche und sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes ein. Die Klägerin habe kein Interesse an einer Scheidung der Ehe gehabt und das Unterhaltsbegehren zur Umgehung der gesetzlichen Zuständigkeitsvorschriften mit der Scheidungsklage verbunden.
Das Erstgericht sprach aus, es sei für die Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache unzuständig, erklärte das bisherige Verfahren für nichtig und wies die Klage zurück. Über eine Scheidung der Ehe seien zwischen den Parteien Besprechungen geführt worden eine Feststellung, daß die Klägerin nur zur Umgehung der Zuständigkeit des Bezirksgerichtes im Unterhaltsstreit absichtlich auch eine Scheidungsklage erhoben habe, könne nicht mit hinlänglicher Sicherheit getroffen werden, doch sei mit dem Wegfall des Scheidungsanspruches auch die inländische Gerichtsbarkeit nicht mehr gegeben. Das Erstgericht sei daher auch nicht nach § 29 Satz 1 JN weiterhin zuständig geblieben (§ 29 Satz 2 JN).
Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es die vom Beklagten erhobene Einrede der örtliche und sachlichen Unzuständigkeit des Landesgerichtes Klagenfurt zurückwies.
Gemäß § 29 JN bleibe jedes Gericht in einer Rechtssache, die rechtmäßig anhängig gemacht worden sei, bis zu Beendigung der Sache zuständig auch wenn sich die Umstände, die bei Einleitung des Verfahrens für die Zuständigkeit maßgebend gewesen seien, während des Verfahren ändern, es sei denn, daß durch die Änderung die Rechtssache der inländischen Gerichtsbarkeit überhaupt oder doch dem Wirkungskreis der ordentlichen Gerichte entzogen werde. Daß die gegenständliche Rechtssache beim Erstgericht zum Zeitpunkt der Zurücknahme des Scheidungsbegehrens rechtmäßig anhängig gemacht gewesen sei,sei nicht strittig; dies ergebe sich auch aus der Aktenlage, zumal Gerichtsanhängigkeit genüge und im vorliegenden Fall sogar bereits Streitanhängigkeit eingetreten gewesen sei. Damit aber sei das Erstgericht zur Verhandlung über das aufrecht erhaltene Unterhaltsbegehren zuständig geblieben.
Die Bestimmung des § 29 Satz 2 JN gelte nicht für bloße Veränderungen der Voraussetzungen der örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit, sondern nur für Fälle, in denen die Sache ihrem Gegenstand nach der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen werde. Daß ein Begehren auf Leistung des Unterhaltes seinem Gegenstand nach durchaus vor die inländischen ordentlichen Gerichte gehöre, könne nicht bezweifelt werden. Der gegenständliche Fall könne nicht anders behandelt werden als ein solcher, in dem das Scheidungsbegehren erst in einem späteren Verfahrensstadium aus irgendeinem Grund seine Erledigung gefunden hat und nur mehr das Unterhaltsbegehren anhängig verblieben ist. Hier wie dort komme die Bestimmung des § 29 Satz 1 JN zum Tragen, wonach die Änderung von lediglich für die Zuständigkeit relevanten Umständen an der Zuständigkeit des einmal rechtmäßig angerufenen Gerichtes nichts ändere.
Der Oberste Gerichtshof stellte über den Revisionsrekurs des Beklagten den Beschluß des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Gemäß § 76 Abs. 1 JN ist für Klagen auf Scheidung einer Ehe das Kreis- oder Landesgericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die Ehegatten ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben oder zuletzt gehabt haben. Da die beiden Streitteile ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Villach hatten, ist für eine Ehescheidungsklage das Landesgericht Klagenfurt ausschließlich zuständig. Nach § 100 Abs. 1 JN ist dieses Gericht auch für die mit der Klage auf Ehescheidung zulässigerweise verbundenen vermögensrechtlichen Klagen aus dem Eheverhältnis sowie für andere Klagen wegen nicht rein vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus dem Eheverhältnis zuständig. Aus dem Wort "zulässigerweise" ergibt sich, daß nicht alle unter die erwähnte Definition fallenden Klagen mit der Scheidungsklage verbunden werden können, sondern nur zugelassene. Für welche dies gilt und für welche nicht, ist der genannten Bestimmung nicht zu entnehmen. Daß Streitigkeiten wegen Leistung des aus dem Gesetz gebührenden Unterhaltes dazu gehören, ergibt sich aus der Bestimmung des § 49 Abs. 2 Z. 2 a JN, weil solche Klagen vor das Bezirksgericht gehören, soweit sie nicht mit Streitigkeiten wegen Scheidung einer Ehe verbunden sind. Auch die letztgenannte Bestimmung gibt aber keinen Hinweis, welche Verbindung zulässig ist oder nicht; sie wäre auch im § 49 Abs. 2 JN nicht am Platz, so daß auch gar nicht der Versuch unternommen werden darf, aus dieser Bestimmung Schlüsse in der einen oder anderen Richtung ziehen zu wollen. Die Bestimmung des § 49 Abs. 2 Z. 2 a JN verweist an ihrem Ende auf § 7a Abs.3 JN, welche Regelung dahin lautet, daß der Einzelrichter beim Gerichtshof auch in Streitigkeiten über die Scheidung einer Ehe einschließlich der damit verbundenen Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche aus dem Eheverhältnis zu entscheiden hat. Diese Bestimmung enthält allerdings nur eine Wiederholung des Wortlautes des § 100 Abs. 1 JN ohne Hinweis auf die Zulässigkeit und gibt damit, abgesehen davon, daß sie keine Zuständigkeitsvorschrift enthält, sondern lediglich eine Vorschrift über die Besetzung des Gerichtes (EvBl. 1966/34 u. a.), abermals keine Aufklärung darüber, für welche der erwähnten Streitigkeiten eine Verbindung mit der Ehescheidungsklage zulässig ist und für welche nicht. Das Gesetz regelt demnach die Frage, für welche der oben erwähnten Klagen aus dem Eheverhältnis die Verbindung mit der Klage auf Scheidung der Ehe zugelassen ist, überhaupt nicht. Durch die Judikatur klargestellt erscheint nur, daß § 227 ZPO allein einer Verbindung nicht im Wege steht (EvBl. 1952/200). Warum das Gesetz über die Zulässigkeit der Verbindung der erwähnten Klagen aus dem Eheverhältnis mit der Ehescheidungsklage nichts sagt, mag darin liegen, daß die zweite Gerichtsentlastungsnovelle, StGBl. 1920/116, mit der der § 7a Abs. 3 JN in das Gesetz aufgenommen wurde, nur der bestehenden Rechtslage, wie sie sich auf Grund der Entscheidung des OGH GlUNF 5620 darstellte, Rechnung tragen und die Entscheidung der im Sinne dieses Erkenntnisses verbindbaren Ansprüche ebenso wie die Ehescheidungssachen dem Einzelrichter beim Gerichtshof übertragen wollte (755 der Beilagen zu den stenographischen Protokollen der konstituierenden Nationalversammlung). Welche Unterhaltsansprüche mit der Klage auf Ehescheidung verbunden werden können, ist der Entscheidung GlUNF 5620 deutlich zu entnehmen. Die Berechtigung für die Verbindung eines Unterhaltsanspruches mit der Scheidungsklage wurde als gerechtfertigt angesehen, "weil dieser Anspruch insofern mit dem Scheidungsbegehren in einem tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang steht, als er nichts anderes als eine durch die Scheidung veranlaßte Auseinandersetzung in der Unterhaltsfrage darstellt, somit die Leistung des Unterhaltes nur eine unmittelbare gesetzliche Folge der Scheidung ist". Mit der Ehescheidungsklage verbunden werden können also, wie dies allein auch dem Sinne einer solchen Verbindungen entspricht, nur jene Ansprüche aus dem Eheverhältnis werden, die sich aus dessen mit dem Scheidungsbegehren angestrebten Auflösung ergeben, die Entscheidung über Ansprüche hingegen, die sich aus der aufrechten Ehe ableiten, ist hingegen mit einem Begehren, das gerade das Gegenteil herbeiführen will, nicht verbindbar. Die Verbindung von Ansprüchen aus dem (beendeten) Eheverhältnis mit der Scheidungsklage hat den Sinn zu erreichen, daß möglichst gleichzeitig mit der Scheidung der Ehe auch über deren zum Gegenstand der Verbindung gemachten Folgen entschieden wird; der Gerichtshof, der für die Entscheidung zuständig ist, die eine Änderung des Status der Parteien als Ehegatten zur Folge hat, soll auch über sich daraus ergebende andere Konsequenzen erkennen können. Wenn mehrere Ansprüche miteinander verbunden werden, wird in der Regel auch nur ein einziges Urteil angestrebt; jedenfalls besteht aber kein gesetzlicher Anspruch auf Fällung eines Teilurteiles (EvBl. 1971/10 u. a.), so daß es auch nicht sinnvoll erscheint, ein Begehren auf laufenden Unterhalt aus dem bestehenden Eheverhältnis, auch wenn er dann ab dem Zeitpunkt der Klagseinbringung gewährt werden könnte, mit einer Klage, deren Folge gerade einen solchen Anspruch für die Zukunft beendet, verbinden zu lassen. Daß auch Fasching in seinem Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, selbst wenn er sich - wie offenbar auch die übrige Literatur - mit dem Problem nicht näher befaßt, von dieser Auffassung ausgeht, ergibt sich aus seinem Satz, daß der Ausgang der vermögensrechtlichen Streitigkeiten, die mit Ehescheidungsklagen verbunden werden können, immer unmittelbar vom Ausgang des Ehestreites selbst abhängen (I, 179), weshalb er bei Unterhaltsansprüchen auch nur von solchen auf Unterhaltsleistung nach Auflösung der Ehe spricht (I, 485). Abgesehen davon, daß ohnehin selbständige Klagen beim Bezirksgericht möglich sind (EvBl. 1966/34), zumindest soweit ein inländisches Bezirksgericht örtlich zuständig ist, besteht auch kein ins Gewicht fallendes tatsächliches Bedürfnis, die Verbindung von Klagen auf Leistung des Unterhaltes während der noch aufrecht bestehenden Ehe mit der Ehescheidungsklage zuzulassen, weil für die Auferlegung einer Unterhaltsleistung mittels einstweiliger Verfügung während des Ehescheidungsstreites die Erhebung einer eigenen Klage auf Unterhaltsleistung nicht erforderlich ist. Gemäß § 382 Z. 8 EO (seit 1. Jänner 1976 § 382 Z. 8 lit. a letzter Halbsatz EO i. d. F. BGBl. 1975/412) kann nämlich die Bestimmung eines einstweilen von einem Ehegatten dem anderen zu leistenden Unterhaltes im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung der Ehe ohnehin mittels einstweiliger Verfügung erfolgen, ohne daß es einer Unterhaltsklage bedarf. Damit ist dem Bedürfnis des auf Scheidung der Ehe klagenden Ehegatten auf Deckung des laufenden Unterhaltes voll Rechnung getragen, handelt es sich doch um eine ganz besonders geartete einstweilige Verfügung, durch die nicht ein Leistungsanspruch gesichert werden soll, sondern dem Berechtigten ein in der Regel endgültig zustehender einstweiliger Unterhalt zugebilligt wird (SZ 43/182 u. a.).
Für die Entscheidung über den von der Klägerin erhobenen Anspruch auf Bezahlung von Unterhalt bei aufrechter Ehe, der nach Zurückziehung der Ehescheidungsklage allein als aufrecht erhalten gelten kann, war damit das Erstgericht, dessen sachliche und örtliche Zuständigkeit nur,aus der Verbindung mit der Ehescheidungsklage abgeleitet werden konnte, weder sachlich noch örtlich zuständig. Die Rechtssache war damit, soweit sie den Unterhaltsanspruch aus aufrechter Ehe betrifft, beim Erstgericht nicht rechtmäßigerweise anhängig gemacht worden. Die Bestimmung des § 29 Satz 1 JN über die Fortdauer der rechtmäßigerweise in Anspruch genommenen Zuständigkeit trotz Änderung der Umstände während des Verfahrens kommt damit im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes nicht zur Anwendung. Dem Gesetz kann auch wohl kaum unterstellt werden, es habe dulden wollen, daß der nur für die Durchführung von Statusprozessen und damit zusammenhängender Ansprüche zuständige Gerichtshof letztlich einen einfachen Unterhaltsprozeß unter Ehegatte führen können sollte. Die Frage, ob mangels eines für die Entscheidung eines Unterhaltsstreites örtlich zuständigen Gerichtes die inländische Gerichtsbarkeit fehlte, wie es das Erstgericht annahm, muß unter diesen Umständen nicht mehr zusätzlich geprüft werden.
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