OGH 1Ob605/93

OGH1Ob605/9319.10.1993

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth W*****, vertreten durch Dr. Georg Huber und Dr. Thomas Zelger, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei Gerhard S*****, vertreten durch Dr. Christoph Schneider, Rechtsanwalt in Kufstein, wegen Unterlassung (Streitwert S 180.000,- -) infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 2. April 1993, GZ 2a R 178, 189/93-13, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Kufstein vom 26. Jänner 1993, GZ 2 C 1944/92-7, und vom 2. Februar 1993, GZ 2 C 1944/92-9, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verworfen wird; dem Erstgericht wird die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung, 1. den Gästen seines Gasthauses zu gestatten, einen näher bezeichneten Weg mit Fahrzeugen zu befahren, 2. selbst Gäste mit Fahrzeugen über diesen Weg zu befördern, und 3. Gäste von dritten Personen mit Fahrzeugen über diesen Weg befördern zu lassen, und zwar jeweils, soweit dieser Weg über ihre - im Begehren angeführten - Grundstücke führt. Sie brachte hiezu vor, sie sei Eigentümerin eines geschlossenen Hofs, zu dessen Gutsbestand die genannten Grundstücke gehören, mit welchen sie Mitglied einer mit Bescheid der Agrarbehörde erster Instanz vom 22.12.1977 begründeten Bringungsgemeinschaft sei. Nach der Satzung dieser Bringungsgemeinschaft stehe deren Mitgliedern die Benützung des Wegs im näher beschriebenen Umfang zu, soweit es sich nicht um Gäste von Gast- und Schankgewerbebetrieben handle. Dennoch gestatte der Beklagte den Besuchern der von ihm betriebenen Gaststätten die Zufahrt über diesen Weg, bringe Gäste selbst dorthin bzw. lasse sie von Familienangehörigen dorthin bringen.

Der Beklagte erhob unter anderem die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, weil die Agrarbehörden gemäß § 19 TirGSLG unter Ausschluß des Rechtswegs zur Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten berufen seien, die Bestand, Inhalt, Umfang und Ausübung eines Bringungsrechts betreffen oder zwischen der Bringungsgemeinschaft und ihren Mitgliedern oder den Mitgliedern untereinander aus dem Gemeinschaftsverhältnis entstehen. Gegenstand des Rechtsstreits seien aber gerade Umfang und Ausübung des Bringungsrechts des Beklagten. Da der Klägerin an jenen Grundflächen, auf welchen der Weg angelegt wurde, nur mehr das „nackte Eigentum“ zustehe und durch die beanstandete Benützung des Wegs nicht die Klägerin, sondern nur die Bringungsanlage beeinträchtigt werden könne, sei der Klägerin ein selbständiges Klagerecht nicht zuzubilligen; gegen die bescheid- und satzungswidrige Benützung könne sich deshalb nur mehr die Bringungsgemeinschaft wehren.

Das Erstgericht wies die Klage zurück.

Es stellte fest, die zur Errichtung, Erhaltung und Verwaltung des Bringungswegs gebildete Bringungsgemeinschaft bestehe aus 13 Mitgliedern, zu denen auch die Streitteile gehörten. Mit Bescheid der Agrarbehörde I.Instanz wurde für die Bringungsgemeinschaft eine Satzung erlassen, nach deren § 3 Abs. 1 das Recht der Benützung der Bringungsanlage den Eigentümern, Pächtern und Fruchtnießern der an der Bringungsgemeinschaft beteiligten Liegenschaften, sonstigen Nutzungsberechtigten, Hausangehörigen und Arbeitskräften dieser Personen sowie allen jenen Personen zustehe, welche die Vorangeführten zu sich kommen lassen, soweit es sich nicht um Gäste von Gast- und Schankgewerbebetrieben handelt.

Rechtlich meinte das Erstgericht, die Klägerin behaupte, daß der Beklagte satzungswidrig Besucher über den Weg zu seinem Gasthaus bringe oder bringen lasse; soweit sie sich dagegen zur Wehr setze, bedeutet dies einen Streit über Inhalt, Umfang und Ausübung des Bringungsrechts; überdies seien die Streitteile aber auch Mitglieder der Bringungsgemeinschaft. Die Zulässigkeit des Rechtswegs sei daher zu verneinen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar 50.000,- - S übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs aber unzulässig sei. Es führte aus, die Zulässigkeit des Rechtswegs sei allein aufgrund des Klagebegehrens und des Vorbringens in der Klage zu prüfen. Die Klägerin habe selbst vorgebracht, der Beklagte gehöre dem Kreis der Benützungsberechtigten an, er überschreite jedoch die diesen eingeräumten Rechte; es sei aber auch erkennbar, daß sie sich auf das Eigentum an Grundstücken berufe, über die der Weg verlaufe. Wohl sei das Bringungsrecht das zugunsten land- und forstwirtschaftlichen Zwecken gewidmeten Grundstücken eingeräumte Recht, Personen und Sachen über fremden Grund zu bringen, dennoch sei aber nicht jede andere Art der Benützung von vornherein ausgeschlossen, weil gemäß § 14 Abs. 2 TirGSLG unter bestimmten Voraussetzungen auch Eigentümer anderer als land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke in die Bringungsgemeinschaft einbezogen werden könnten und im konkreten Fall durch § 3 Abs. 1 der Satzung nur „reine Gästefahrten zu den Gast- und Schankbetrieben“ untersagt seien. Im Vordergrund stünden als Klagsgrund die behauptete umfängliche Überschreitung bzw. die Art der Ausübung des Bringungsrechts durch den Beklagten. Naturgemäß bedeute jede umfängliche Überschreitung des Rechts die Verletzung des Eigentums jener Person, über deren Grund und Boden der Weg verlaufe. Daß § 19 TirGSLG die ausschließliche Zuständigkeit der Agrarbehörden für bestimmte privatrechtliche Angelegenheiten vorsehe, ergebe sich unzweifelhaft aus dessen Wortlaut. Diese Zuständigkeit erstrecke sich unter anderem auch auf Fälle wie den vorliegenden, in dem die Verletzung des Eigentums eines Mitglieds der Bringungsgemeinschaft lediglich aus der Überschreitung des Bringungsrechts abzuleiten sei.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Klägerin dagegen erhobene Revisionsrekurs ist berechtigt.

Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs sind in erster Linie das Klagebegehren und darüber hinaus die Klagsbehauptungen von Bedeutung (RZ 1993/93; SZ 63/96 ua); auf die Einwendungen des Beklagten ist erst in der Sachentscheidung Bedacht zu nehmen. Dabei hängt die Rechtswegzulässigkeit davon ab, ob der Kläger seinen Anspruch auf einen Privatrechtstitel stützt (EvBl. 1987/168; SZ 51/183 ua).

Aus dem Eigentum entspringende Unterlassungsansprüche sind bürgerliche Rechtssachen, die im Zweifel vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sind (§ 1 JN). Ausnahmen von diesem Grundsatz müssen in den solches bezweckenden Gesetzen klar und unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden (SZ 59/107 ua); die Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden darf in bürgerlichen Rechtssachen mit Rücksicht auf § 1 JN schon dann nicht angenommen werden, wenn sie sich nur bei ausdehnender Auslegung des Gesetzes rechtfertigen ließe (JBl. 1990, 450 ua).

Die Klägerin gründet ihr Begehren erkennbar auf ihr Eigentum an Grundstücken, über welche der vom Beklagten ihren Behauptungen zufolge satzungs- und damit rechtswidrig benützte Weg führt. Gegenstand des Klagebegehrens und damit auch des darüber abzuführenden Verfahrens ist demnach nicht - wie bei bloß oberflächlicher Beurteilung des Klagsvorbringens zunächst angenommen werden könnte - der Umfang des Bringungsrechts, der, wie einem Vergleich des beiderseitigen Vorbringens unschwer entnommen werden kann, zwischen den Streitteilen gar nicht strittig ist, sondern allein die Frage, ob der Beklagte die der Klägerin gehörigen Grundstücke auf die von der Klägerin behauptete Art benützt, die unstrittigerweise durch das den Mitgliedern der Bringungsgemeinschaft eingeräumte Bringungsrecht dessen bescheidmäßigen Umschreibung zufolge nicht gedeckt ist, bzw. ob er sie auf diese Art benützen darf. Ein solcher Rechtsstreit hat nicht den Bestand, den Inhalt, den Umfang oder die Ausübung des Bringungsrechts (§ 19 Abs. 1 lit. a TirGSLG) zum Gegenstand, weil die Klägerin begehrt, daß der Beklagte die Wegbenützung als dabei nicht Bringungsberechtigter unterlasse. Aber auch von einem Streit zwischen Mitgliedern der Bringungsgemeinschaft aus dem Gemeinschaftsverhältnis (§ 19 Abs. 1 lit. c TirGSLG) kann im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden, weil der Beklagte mit dem Unterlassungsbegehren nicht in seiner Eigenschaft als Bringungsberechtigter in Anspruch genommen wird (vgl. 4 Ob 505/91).

Zu Recht zeigt die Rechtsmittelwerberin aber auch die Bedenken gegen die von den Vorinstanzen bejahte Unzulässigkeit des Rechtswegs aus verfassungsrechtlicher Sicht auf. Der Kompetenztatbestand „Bodenreform“ (Art. 12 Abs. 1 Z 3 B-VG), zu dem auch das landwirtschaftliche Bringungswesen zu rechnen ist (VfSlg. 1390/1931; 4897/1964), umfaßt zwar nach der Versteinerungstheorie auch die damit notwendigerweise verknüpften zivilrechtlichen Fragen (VfSlg 5741/1968; 8151/1977), doch sind unter diesem Begriff nur Vorkehrungen auf dem Gebiet der Landeskultur zu verstehen (VfSlg. 1390/1931; 3504/1959 ua) und somit keineswegs auch Maßnahmen zur Förderung des Gewerbes. Die Übertragung zivilrechtlicher Belange in die Ausführungsgesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz der Länder außerhalb des Bereichs der Bodenreform (vor allem auch die Übertragung der Zuständigkeit zur Entscheidung an die Agrarbehörden durch § 13 GSGG bzw. § 19 TirGSLG) wäre dann insoweit ein Verstoß gegen die ausschließliche Bundeskompetenz gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 6 B-VG. Eine verfassungskonform enge Auslegung dieser der Bodenreform zuzurechnenden Bestimmungen des landwirtschaftlichen Bringungsrechts gebietet es daher, Rechtsstreitigkeiten wie das vorliegende Verfahren, die ausschließlich die gewerbliche Nutzung eines Bringungswegs zum Gegenstand haben, von der Sonderkompetenz nach § 13 GSGG bzw. § 19 TirGSLG auszunehmen.

Da die Vorinstanzen die Unzulässigkeit des Rechtswegs zu Unrecht bejaht haben, war in Stattgebung des Revisionsrekurses die vom Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs zu verwerfen; das Erstgericht wird daher das Verfahren fortzusetzen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 51 ZPO.

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