Spruch:
Die Wiederaufnahmsklage wird zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Begründung
Im wiederaufzunehmenden Verfahren hatte die klagende Partei gegen die beklagte Verlassenschaft das Mietverhältnis über die Wohnung Wien 1., S*****, unter Geltendmachung des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs.2 Z 5 MRG für den 31. März 1989 aufgekündigt. Dem Verfahren hatte sich das Enkelkind der Verstorbenen als Nebenintervenientin angeschlossen. Sie behauptete, eintrittsberechtigt zu sein. Während die Vorinstanzen die Aufkündigung für rechtswirksam erklärten, gab der erkennende Senat mit Urteil vom 12. 9. 1990, 1 Ob 108/90, der Revision der Nebenintervenientin Folge und änderte die Urteile der Vorinstanzen dahin ab, daß die Aufkündigung aufgehoben und das Räumungsbegehren abgewiesen wurde. Dieses Urteil wurde der klagenden Partei am 5. 11. 1990 zugestellt.
Das Enkelkind hatte auch selbst die hier klagende Partei zu 48 C 126/89 des Erstgerichtes auf Feststellung geklagt, sie sei (kraft Eintrittsrechtes) Mieterin der aufgekündigten Wohnung. Dieses Begehren wurde in zwei Instanzen abgewiesen. Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluß vom 5. 9. 1990, 2 Ob 569/90, die ordentliche Revision des Enkelkindes zurückgewiesen. Die Zustellung dieses Beschlusses an die hier klagende Partei erfolgte am 8. 10. 1990.
Gestützt auf diesen Sachverhalt brachte die klagende Partei zu 48 C 710/90 des BG Innere Stadt Wien am 3. 12. 1990 unter Geltendmachung des Wiederaufnahmsgrundes nach § 530 Abs.1 Z 6 ZPO eine Wiederaufnahmsklage unter anderem mit dem Begehren ein, das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 12. 9. 1990, 1 Ob 608/90, zu beseitigen und im wiederaufgenommenen Verfahren die Aufkündigung für rechtswirksam zu erklären. Durch den Zurückweisungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes stehe rechtskräftig fest, daß Eva H***** nicht Hauptmieterin der Wohnung S***** sei, da sie mangels Eintrittsrechtes nicht in die Mietrechte der verstorbenen Theresia H***** eingetreten sei. Die rechtskräftige Entscheidung im Feststellungsverfahren habe über das Eintrittsrecht von Eva H***** abschließend abgesprochen. Es liege sohin eine präjudizielle Entscheidung über die Vorfrage im Kündigungsverfahren, ob Eva H***** eintrittsberechtigt sei, vor. Die Rechtsunwirksamerklärung der Aufkündigung wegen des Eintrittsrechtes von Eva H***** widerspreche eindeutig dem Feststellungsurteil, mit dem ausgesprochen worden sei, daß Eva H***** mangels Eintrittsrechtes nicht Hauptmieterin sei. Es lägen daher zwei sich widersprechende Entscheidungen vor. Auch die Parteienidentität sei gegeben, da das Eintrittsrecht eine Form der Sonderrechtsnachfolge darstelle.
Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage mit Beschluß zurück.
Die klagende Partei beantragte daraufhin, gemäß § 230 a ZPO die Klage an den nicht offenbar unzuständigen Obersten Gerichtshof zu überweisen.
Diesen Antrag wies das Erstgericht zwar ab, das Rekursgericht behob aber über Rekurs der klagenden Partei diesen Beschluß und überwies die Klage an den nicht offenbar unzuständigen Obersten Gerichtshof.
Der Oberste Gerichtshof ist zwar, weil die klagende Partei behauptet, nur die vom Obersten Gerichtshof erlassene Entscheidung sei vom geltend gemachten Anfechtungsgrund betroffen, nach§ 532 Abs.2 ZPO zur Entscheidung zuständig. Die Wiederaufnahmsklage ist aber nicht statthaft.
Nach § 530 Abs.1 Z 6 ZPO kann ein Verfahren wieder aufgenommen werden, wenn die Partei eine über denselben Anspruch oder über dasselbe Rechtsverhältnis früher ergangene bereits rechtskräftig gewordene Entscheidung auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, welche zwischen den Parteien des wiederaufzunehmenden Verfahrens Recht schafft. Dieser Wiederaufnahmsgrund dient somit dem Schutz der Rechtskraft (Fasching, Lehrbuch2 Rz 2059). Zwischen den Parteien des wieder aufzunehmenden Verfahrens schafft eine Entscheidung daher nur dann Recht, wenn entweder die Parteien in beiden Verfahren ident sind oder sich die Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidung auf Personen, die am Verfahren nicht beteiligt waren, erstreckt (vgl. Fasching aaO Rz 1524 ff; Hartmann in Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann ZPO48 § 580 4 B dZPO; Grunsky in Stein-Jonas19 § 580 IV 1 dZPO). Eine solche Rechtskrafterstreckung des Ergebnisses des Verfahrens 48 C 126/89 des Erstgerichtes auf die Parteien des wieder aufzunehmenden Verfahrens liegt hier nicht vor. Während des Revisionsverfahrens im wiederaufzunehmenden Verfahren wurde über ein Begehren der Nebenintervenientin im Kündigungsprozeß in einem zwischen ihr und der klagenden Partei angestrengten Feststellungsverfahren, an dem die beklagte Verlassenschaft aber nicht beteiligt war und in dem ihr daher auch kein rechtliches Gehör zukam, rechtskräftig entschieden, daß der Nebenintervenientin kein Mietrecht an der aufgekündigten Wohnung kraft Eintrittsrechtes zukomme. Die beklagte Partei des wiederaufzunehmenden Verfahrens ist weder Einzel- noch Gesamtrechtsnachfolger der im Feststellungsprozeß beklagten Partei, so daß eine Rechtskrafterstreckung der im Feststellungsprozeß ergangenen Entscheidung (auf den Rechtsnachfolger) ausscheidet. Ob und wie diese zwischen der Nebenintervenientin und der klagenden Partei rechtskräftig geklärte Rechtslage als juristische Tatsache gegen jeden Dritten, für dessen Rechte der Nichtbestand des festgestellten Rechtes Voraussetzung ist, wirkte, ist für das wieder aufzunehmende Verfahren nicht relevant, weil es sich hier nicht um den Ausfluß dessen, was zwischen den Parteien rechtens ist, handelt, sondern nur um die Beurteilung, ob diese Rechtstatsache für ein anderes Rechtsverhältnis von Tatbestandswirkung ist. Es liegt demnach kein Ausfluß der der materiellen Rechtskraft eigenen Bindungswirkung vor (JBl. 1976, 90; die dogmatische Kritik Kraliks aaO 93 betrifft gerade nicht den Fall, daß der Dritte am anderen Verfahren nicht beteiligt war; vgl. ganz allgemein zur Negierung einer Bindungswirkung auf Grund von Verfahren, an denen man nicht beteiligt war, JBl. 1990, 662 mwN und Musger in JBl. 1991, 420 ff, 499 ff). Fallen aber allfällige Wirkungen des Ergebnisses des vom Enkelkind gegen die klagende Partei angestrengten Feststellungsverfahrens in den Tatsachenbereich, dann durfte, weil der Oberste Gerichtshof grundsätzlich nicht Tatsacheninstanz ist (Fasching aaO Rz 1902, 1927, 1959), der erkennende Senat auf diese neue Tatsache weder im Revisionsverfahren Bedacht nehmen noch kann die Nichtbeachtung dieser erst während des Revisionsverfahrens entstandenen Tatsache den Wiederaufnahmsgrund nach § 530 Abs.1 Z 6 ZPO bilden. Ob eine für die beklagte Verlassenschaft negative Entscheidung im Kündigungsprozeß für die Enkelin, die dem Verfahren als Nebenintervenientin beigetreten war, Bindungswirkung für ein allfälliges Exszindierungsverfahren (oder wie hier ein Feststellungsverfahren) gehabt hätte (so EvBl. 1990/95 gegen SZ 18/33), steht in diesem Verfahren nicht zur Entscheidung.
Liegt der geltend gemachte Wiederaufnahmsgrund nicht vor, erweist sich die Klage als nicht statthaft. Sie ist gemäß § 538 Abs.1 ZPO durch Beschluß zurückzuweisen.
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