Normen
ABGB §158
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §74
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §83
Italienischer codice civile Art120
Italienischer codice di procedura civile Art797
JN ArtIX EinfG
JN §28
JN §29
JN §42
JN §50
JN §76
JN §104
ProkG §1
ZPO §14
ABGB §158
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §74
Erste Durchführungsverordnung zum Ehegesetz §83
Italienischer codice civile Art120
Italienischer codice di procedura civile Art797
JN ArtIX EinfG
JN §28
JN §29
JN §42
JN §50
JN §76
JN §104
ProkG §1
ZPO §14
Spruch:
Zu den Begriffen "inländische Gerichtsbarkeit" und "inländische Jurisdiktion".
Keine Beseitigung des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit durch Prorogation.
Keine inländische Gerichtsbarkeit für Klagen auf Nichtigerklärung der Transkription einer italienischen Konkordatsehe wegen Geisteskrankheit, die zu keiner Entmündigung geführt hat.
Auch Eheklagen nach ausländischem Recht, die keiner der in § 50 Abs. 2 JN. angeführten Klagen entsprechen, gehören vor den Gerichtshof.
Selbständiges Anfechtungsrecht des Staatsanwaltes, der vom Bestreitungsrecht des § 83 der 1. DVzEheG. Gebrauch macht.
Entscheidung vom 18. Oktober 1950, 1 Ob 579/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Mürzzuschlag; II. Instanz: Kreisgericht Leoben.
Text
Die Streitparteien haben am 4. Oktober 1931 in der Pfarrkirche in M. (Italien) nach röm.-kath. Ritus geheiratet. Die Ehe wurde in den standesamtlichen Registern des Standesamtes der Gemeinde Montebelluna sub N 69 II Serie A/1931 eingetragen. Beide Streitteile sind italienische Staatsbürger; angeblich wohnt der Beklagte in Spital am Semmering. Klägerin begehrt beim Bezirksgericht Mürzzuschlag mit der Behauptung, sie sei im Zeitpunkt der Eheschließung geisteskrank gewesen, die Feststellung, daß die im Register des Standesamtes M. befindliche Eintragung der von den Streitteilen nach röm.-kath. Ritus in der Pfarrkirche von M. am 4. Oktober 1931 geschlossenen Ehe nach Art. 120 ital. bürgerl. Gesetzbuch und Art. 12, 16 ital. Gesetz vom 27. Mai 1929, N. 847, nichtig sei. Überdies begehrt sie Herausgabe eines Brillantringes; dieses Begehren ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.
In der Klage beantragte Klägerin, die Klage dem Beklagtenanwalt, dessen Vollmacht sie vorlegte, zuzustellen. Es befindet sich wohl auf der Klage ein Ausschreibungsvermerk, doch ist ein Abfertigungsvermerk nicht vorhanden; auch liegen keine Rückscheine vor. Tatsache ist, daß die Klage am 22. Mai 1950 eingebracht worden ist und daß bereits am 24. Mai 1950 ohne vorangegangene erste Tagsatzung eine mündliche Streitverhandlung stattfand, bei der nach "Vorlage der in der Klage bezogenen Urkunden" - was das für Urkunden waren, ist aus dem Akte nicht ersichtlich - Beklagter das Klagebegehren außer Streit stellte, worauf das Erstgericht auf Grund der Außerstreitstellung des Klagebegehrens und des darin enthaltenen Anerkenntnisses das Urteil im Sinne der Klage verkundete und beide Teile sofort auf ein Rechtsmittel verzichteten.
Am 12. Juli 1950 hat die Staatsanwaltschaft Leoben Berufung gegen dieses Urteil erhoben. Das Kreisgericht Leoben gab ihr statt, hob das angefochtene Urteil und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf und wies die Klage wegen absoluter Unzuständigkeit zurück, weil es sich um eine Ehenichtigkeitsklage handle, die nur vor dem Gerichtshof hätte geltend gemacht werden können.
Der Aufhebungsbeschluß wird von beiden Streitteilen mit Rekurs angefochten.
Der Oberste Gerichtshof bestätigte den angefochtenen Beschluß mit der Maßgabe, daß die Klage nicht nur wegen absoluter Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes, sondern auch wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit zurückgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Rekurs der Klägerin bekämpft die Legitimation der Staatsanwaltschaft zur Erhebung der Berufung, weil es sich 1. um kein Ehenichtigkeitsverfahren handle und 2. sich aus dem Ausdruck "Volksgemeinschaft" in § 74 der 1. DVzEheG. ergebe, daß in Eheangelegenheiten von Ausländern, die das Interesse der inländischen Volksgemeinschaft nicht berühren, der Staatsanwaltschaft die Legitimation zum Einschreiten fehle.
Richtig ist, daß eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Transkription einer kirchlichen Ehe nicht unter die Klagen auf Nichtigerklärung einer Ehe subsumiert werden kann. Das schließt aber die Mitwirkung des Staatsanwaltes nicht aus, da es nicht darauf ankommt, ob das Begehren auf Nichtigerklärung einer Ehe lautet, wie dies §§ 74, 83 der 1. DVzEheG. voraussetzen, sondern darauf, daß es sich um ein Verfahren handelt, dessen Endergebnis die ex tunc-Beseitigung einer staatlich anerkannten Ehe bezweckt. Ob die Ehe unmittelbar durch Nichtigerklärung beseitigt wird oder ihr mittelbar die staatsrechtlichen Wirkungen durch Beseitigung der Transkription entzogen werden, ist gleichgültig; in keinem der beiden Fälle existiert die Ehe für den Staat. Der Unterschied ist nur der, daß in dem einen Fall das Urteil die Frage, ob neben der staatlichen Ehe auch eine kirchlich wirksame Ehe abgeschlossen wurde, überhaupt nicht erörtert, im anderen zum Ausdrucke bringt, daß die Beseitigung der staatlichen Ehe der Wirksamkeit der kirchlichen Ehe, die transkribiert wurde, nicht präjudiziert. Ob aber die kirchliche Ehe überhaupt ignoriert oder die Stellungnahme zu ihrem Bestand abgelehnt wurde, ist praktisch dasselbe; nur die juristische Konstruktion und Formulierung ist eine andere. Diese subtilen Unterschiede können aber nicht bewirken, daß in dem einen Fall der Staatsanwalt beizuziehen ist, in dem anderen aber nicht, zumal wenn man bedenkt, daß von der Staatsbürgerfrage abgesehen werden muß, weil auch Ehenichtigkeitsklagen nach dem Typus des österreichischen Rechtes, die die Ehe zwischen Ausländern betreffen, vor den österreichischen Gerichten geltend gemacht werden können, wenn die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist. Läßt man in dem einen Fall die Staatsanwaltschaft zu, so muß man es auch in dem anderen tun.
Das Problem, ob in Prozessen auf Feststellung der Nichtigkeit einer Transkription die Staatsanwaltschaft intervenieren darf, spitzt sich daher auf die Frage zu, ob die Staatsanwaltschaft in Eheprozessen von Ausländern zur Mitwirkung berufen ist. Die Klägerin will das nicht gelten lassen, weil in § 74 der 1. DVzEheG. der Staatsanwalt zur Mitwirkung in Ehesachen berufen ist, "um die vom Standpunkt der Volksgemeinschaft für die Aufrechterhaltung oder die Auflösung der Ehe sprechenden Umstände geltend zu machen". Daraus soll folgen, daß die Gerichte die Staatsanwaltschaft in Ausländerehesachen nicht zulassen dürfen, weil hier die Belange der Volksgemeinschaft nicht in Frage kommen.
Diese Rechtsauffassung ist irrig. Der Oberste Gerichtshof hat bereits hinsichtlich der rechtsähnlichen Bestimmung des § 158 ABGB. (Fassung nach Art. 2 § 5 der Verordnung DRGBl. 1943 I S. 80) - es handelt sich dort um die Bestreitung der Ehelichkeit eines Kindes durch den Staatsanwalt, "wenn er dies im öffentlichen Interesse .... für geboten erachtet" - erkannt, daß es sich hier um eine bloß instruktionelle Vorschrift für das Vorgehen der Staatsanwaltschaft handle, deren Einhaltung das Gericht nicht überprüfen dürfe (SZ. XXI/92 und 137). Das muß auch im Falle des § 74 der 1. DVzEheG. gelten. Auch in Ehenichtigkeitsprozessen von Inländern kann sich der Fall ereignen, daß es vom Standpunkte der Volksgemeinschaft offenkundig bedeutungslos ist, ob eine Ehe für nichtig erklärt wird oder nicht. Nichtsdestoweniger kann das Gericht Anträge des Staatsanwaltes nicht zurückweisen, weil ihm mit Rücksicht auf diese Sachlage die Legitimation fehle. Dem Gerichte kann nicht die Beurteilung zukommen, ob es ein Vorbringen als vom Standpunkte der Volksgemeinschaft aus bedeutsam zulassen will oder nicht, es hat nur zu beurteilen, ob es für die Entscheidung wichtig ist. Ob eine Tatsache vom Standpunkte der Volksgemeinschaft aus vorgebracht werden soll, hat der Staatsanwalt allein zu beurteilen. Dem Gericht ist die Kognition darüber entzogen, daher kann es auch dem Staatsanwalt das Einschreiten in sogenannten Ausländerehesachen nicht verwehren.
Endlich beschweren sich beide Streitteile darüber, daß die Berufung des Staatsanwaltes, obwohl verspätet überreicht, der Behandlung unterzogen wurde. Die Berufung sei aber verspätet, weil sie nach dem Ablauf der Berufungsfrist erstattet wurde, die den Parteien zu Gebote stand.
Auch diese Rechtsauffassung ist nicht richtig. Das Berufungsrecht des Staatsanwaltes ist von den Eheparteien unabhängig, andernfalls hätten es diese in der Hand, durch sofortigen Rechtsmittel- und Zustellungsverzicht, wie diesmal, den Staatsanwalt um das Anfechtungsrecht zu bringen. Ist aber die Zulässigkeit der ihm zustehenden Rechtsmittel nicht davon abhängig, ob einem oder dem anderen Eheteil noch ein Rechtsmittel zusteht, so kann auch die Rechtsmittelfrist, die dem Staatsanwalt offensteht, nicht davon abhängig sein, ob sie bereits für die Streitparteien selbst abgelaufen ist. Dagegen kann auch nicht eingewendet werden, daß nach der Praxis des Obersten Gerichtshofes die der Finanzprokuratur offenstehenden Rechtsmittelfristen davon abhängig sind, daß die den Parteien eröffneten Rechtsmittelfristen nicht bereits abgelaufen sind, weil dem Staatsanwalt, der vom Betreibungsrecht des § 83 der
1. DVzEheG. Gebrauch macht, die Rechtsstellung eines einheitlichen Streitgenossen nach § 14 ZPO. zukommt, was rücksichtlich der Finanzprokuratur nach § 1 Abs. 3 Prokuraturgesetz, StGBl. Nr. 172/45, nicht der Fall ist. Dem Staatsanwalt steht ein selbständiges Anfechtungsrecht zu, das er auch im Fall der Abweisung der Ehenichtigkeitsklage eines der Ehegatten geltend machen kann; die Finanzprokuratur hat nach § 1 Abs. 3 ProkuraturG. keine selbständige Anfechtungsbefugnis. Da demnach dem Staatsanwalt ein selbständiges Anfechtungsrecht zusteht, so kann auch die Frist zur Einlegung von Rechtsmitteln nicht davon abhängig sein, ob den Parteien noch eine Berufungsfrist offensteht, weil sonst das selbständige Prozeßführungsrecht des Staatsanwaltes durch die Parteien, die eine ihnen gegenüber rechtskräftige Nichtigerklärung der Ehe unter Ausschaltung des Staatsanwaltes erschlichen haben, frustriert werden könnte. Die Rechtsmittelfrist des Staatsanwaltes läuft daher erst von der Zustellung des Urteiles an die Staatsanwaltschaft. Da im vorliegenden Fall das Urteil der Staatsanwaltschaft nicht zugestellt worden ist, war die Berufung rechtzeitig.
Aber auch soweit sich der Rekurs gegen die Entscheidung selbst richtet, ist er nicht begrundet. Dies aus nachfolgenden Erwägungen:
Eine Sachentscheidung kann nur dann ergehen, wenn 1. die inländische Jurisdiktion gegeben ist, 2. der Rechtsweg zulässig ist und 3. das angerufene Gericht sachlich und örtlich zuständig ist. Wird auch nur eine der angeführten Prozeßvoraussetzungen verneint, so ist die Sache mit Beschluß zurückzuweisen. Die Prozeßvoraussetzungen ad 1. und 2. sind jederzeit, auch im Rechtsmittelstadium, von Amts wegen wahrzunehmen, die ad 3. nur, wenn eine sogenannte unheilbare Unzuständigkeit vorliegt.
Inländische Jurisdiktion und örtliche Zuständigkeit sind selbständige Prozeßvoraussetzungen; die Voraussetzungen der inländischen Jurisdiktion dürfen mit denen der örtlichen Zuständigkeit nicht identifiziert werden, so wenig dies mit denen der Zulässigkeit des Rechtsweges der Fall ist. Sie sind nur insofern von einander abhängig, als die Frage, ob die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gegeben ist, davon abhängig ist, ob die Gerichte überhaupt zuständig, d. h. der Rechtsweg zulässig ist, und die Frage, welcher Behördentypus zur Entscheidung berufen ist, von der Vorfrage abhängt, ob überhaupt eine inländische Behörde zuständig ist, ob die inländische Jurisdiktion gegeben ist.
Daß die inländische Jurisdiktion die primäre Vorfrage ist, kommt in den österreichischen Prozeßgesetzen nicht klar zum Ausdruck, weil sie immer nur von der inländischen Gerichtsbarkeit sprechen, dabei anscheinend von dem Gedanken ausgehend, daß Gerichtsbarkeit und Verwaltungsjurisdiktion in allen Staaten gleich abgegrenzt sind; sie übersehen dabei, daß es Angelegenheiten gibt, die im Inland unter die Gerichtszuständigkeit fallen, im Ausland aber vor die Verwaltungsbehörden gehören und umgekehrt. Eine Sache, die nicht unter die inländische Gerichtsbarkeit fällt, aber nach unserem internationalen Verfahrensrecht vor die Kompetenz einer ausländischen Behörde gehört, die nach dem internen Recht des nach unserem Verfahrensrecht zuständigen Staates keine Gerichts-, sondern eine Verwaltungsbehörde ist oder überhaupt keine staatliche Behörde, sondern z. B. eine autonome Schiedsstelle oder eine kirchliche Behörde ist, fällt daher weder unter die inländische noch unter die ausländische Gerichtsbarkeit, wohl aber unter die ausländische Entscheidungsbefugnis (Jurisdiktion in diesem weiteren Sinne), weshalb in einem solchen Fall auch nicht die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges zu erheben ist, sondern die der mangelnden inländischen Jurisdiktion, vom Gesetz zu eng als Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit bezeichnet.
Die Prozeßvoraussetzung der inländischen Gerichtsbarkeit wird in dem Artikel IX EGzJN., §§ 28, 29 und 42 JN. geregelt. Aus § 28 JN. ergibt sich, daß die inländische Gerichtsbarkeit nicht daran gebunden ist, daß eine inländische örtliche Zuständigkeit gegeben ist, vielmehr setzt die Ordinationsbefugnis des Obersten Gerichtshofes nach § 28 JN. gerade das Fehlen eines örtlich zuständigen Gerichtes voraus. Daß umgekehrt die Zuständigkeit von dem Bestehen und Fortbestehen der inländischen Gerichtsbarkeit abhängig ist, beweist § 29 JN., der die Fortsetzung eines Rechtsstreites untersagt, wenn im Verlaufe des Prozesses die inländische Gerichtsbarkeit aus was immer für einem Grund erlischt, z. B. im Ehescheidungsprozeß, weil die Prozeßparteien im Zuge des Verfahrens die italienische Staatsbürgerschaft erworben haben und sie daher in Scheidungsstreitigkeiten, die ihrem Heimatrecht unbekannt sind, der österreichischen Gerichtsbarkeit nicht mehr unterworfen sind (E. v. 21. September 1949, 3 Ob 308/49; SZ. XXII/137).
Aus §§ 28 und 29 JN. muß daher die völlige Unabhängigkeit der Prozeßvoraussetzung der inländischen Jurisdiktion von der Zuständigkeit erschlossen werden, die gerade umgekehrt von dem Bestand der inländischen Gerichtsbarkeit abhängt.
Die inländische Gerichtsbarkeit ist die Erlaubnis des österreichischen Staates, eine Rechtssache im Inland geltend zu machen, die Möglichkeit der Rechtsverfolgung vor den inländischen Gerichten, wofern a) der Rechtsweg zulässig ist, b) ein Gericht örtlich zuständig ist, wobei der Mangel ad b) nach § 28 JN. saniert werden kann.
Daraus folgt aber, daß der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit niemals durch eine Prorogation beseitigt werden kann, weil diese nur den Mangel eines zuständigen Gerichtes beseitigt, dem auch nach § 28 JN. abgeholfen werden könnte, aber den Mangel der inländischen Jurisdiktion nicht behebt, die eine der Voraussetzungen ist, daß ein österreichisches Gericht überhaupt sich mit einer Sache befassen darf.
Das Gegenteil kann auch nicht daraus abgeleitet werden, daß das Gesetz in Ausnahmsfällen die inländische Gerichtsbarkeit vom Willen der beteiligten Parteien abhängig macht (so insbesondere in Art. IX Abs. 2 EGzJN.), denn diese Unterwerfung unter die österreichische Jurisdiktion begrundet an sich noch keine Zuständigkeit eines bestimmten Gerichtes. Wenn sich z. B. zwei nicht im Inland wohnhafte Personen, die hier die Exterritorialität genießen, der österreichischen Gerichtsbarkeit ohne Vereinbarung eines bestimmten Gerichtsstandes unterwerfen, so wird dadurch noch kein inländischer Gerichtsstand begrundet, wohl aber die österreichische Gerichtsbarkeit begrundet, obwohl kein Gericht örtlich zuständig ist. Dieses müßte erst nach § 28 JN. bestimmt werden.
Der Oberste Gerichtshof lehnt daher die Auffassung, daß durch Prorogation nach § 104 JN. eine inländische Gerichtsbarkeit begrundet werden könnte, als rechtsirrig ab.
Die inländische Jurisdiktion ist immer dann gegeben, wenn sie nicht durch positive Vorschrift, Völkerrechtsnorm oder nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ausgeschlossen ist. Durch die grundsätzliche Universalität unterscheidet sie sich insbesonders von der örtlichen Zuständigkeit, die umgekehrt positiv angeordnet sein muß.
Hinsichtlich der Ehegerichtsbarkeit fehlte im österreichischen Recht vor der Okkupation eine positivrechtliche Beschränkung; es wurde daher von der oberstgerichtlichen Judikatur die Entscheidung in allen Fällen in Anspruch genommen, in denen ein inländischer Gerichtsstand gegeben war; mangels einer entgegenstehenden Vorschrift war daher auch der Prorogationsgerichtsstand nicht ausgeschlossen.
Eine wesentliche Änderung brachte die 4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz. Sie beseitigte 1. die Möglichkeit, durch Vereinbarung statt des im Gesetz vorgesehenen zuständigen Gerichtshofes Ehestreitigkeiten vor einen anderen Gerichtshof durch Parteienvereinbarung zu bringen (§ 19 Abs. 2). Diese Änderung betraf das Zuständigkeitsrecht und betraf in gleicher Weise In- und Ausländer, immer vorausgesetzt, daß die inländische Gerichtsbarkeit gegeben war. Die Aufhebung der Prorogationsbeschränkung durch Art. VIII Z. 13 des Gesetzes StGBl. Nr. 188/45 ist daher für die hier allein zu erörternde Frage der inländischen Jurisdiktion ohne Bedeutung; 2. beschränkte die 4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz bei ausländischen Ehegatten die inländische Jurisdiktion auf die in § 76 Abs. 3 JN. (Fassung nach § 19 Abs. 1 der 4. DVzEheG.) vorgesehenen Fälle, von denen im vorliegenden Rechtsstreit nur Z. 1 in Betracht kommt. Nach dieser Gesetzesstelle ist die inländische Gerichtsbarkeit nur dann gegeben, wenn
a) einer der beiden Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat,
b) die zu fällende Entscheidung der inländischen Gerichte nach dem Heimatrecht des Mannes anerkannt werden wird (der weiter hier erwähnte Fall der Staatenlosigkeit des Ehegatten steht vorliegend nicht zur Erörterung).
Die Voraussetzung ad a) geht offenbar auf die Erwägung zurück, daß die inländischen Gerichte nur dann mit einer ausländischen Ehestreitigkeit befaßt werden sollen, wenn eine Inlandsbeziehung vorhanden ist. Diese Vorschrift verdankt Zweckmäßigkeitserwägungen ihrer Entstehung. Die Beschränkung der inländischen Jurisdiktion auf die Fälle von Inlandsbeziehungen ist eine Norm inländischen zwingenden Rechtes; daher kann der inländische Richter nicht gebunden sein, wenn die Zuständigkeit auf das fingierte Zugeständnis von Tatsachen gestützt wird. Er hat vielmehr, und zwar in jeder Instanz von Amts wegen zu prüfen, ob die Behauptungen, auf die die inländische Gerichtsbarkeit gegrundet wird, auch tatsächlich gegeben sind. Das folgt aus § 42 JN., der, auch wenn erst in der höheren Instanz hervorkommt, daß die Sache der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen ist, die Nichtigkeitserklärung des Verfahrens anordnet. Dabei wird weder in Abs. 1, noch in Abs. 2, der die Nichtigkeitserklärung durch den Obersten Gerichtshof auf Antrag der Obersten Administrativbehörde vorsieht, unterschieden, ob die hervorgekommenen Mängel auf unrichtiger Rechtsauslegung beruhen oder auf einer ungenügenden Tatsachenerhebung in der unteren Instanz bzw. im nichtig zu erklärenden Verfahren.
Im diesmal zu entscheidenden Rechtsfall liegen gewichtige Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit der Tatsachenbehauptungen rücksichtlich der Zuständigkeit vor, weil die gleichen Anwälte eine große Zahl fast gleichlautender Klagen zu Handen der gleichen Gegenanwälte eingebracht haben und, obwohl die Parteien angeblich in Österreich ihren ständigen Aufenthalt haben sollen, zum Teil sogar die Vollmachten von Italien datiert sind. Bei diesen schwerwiegenden Bedenken, welche den Verdacht erwecken, daß nur behauptet wird, daß die Parteien in Österreich ihren ständigen Aufenthalt haben, um die inländische Gerichtsbarkeit zu erschleichen, wäre es die Pflicht des Erstgerichtes gewesen, die verdächtigen Parteibehauptungen über den ständigen Aufenthalt zu überprüfen und sich nicht mit Außerstreitstellungen zu begnügen. Eine Aufhebung konnte nur deshalb unterbleiben, weil die vom Berufungsgericht ausgesprochene Nichtigkeit des Verfahrens und die Zurückweisung der Klage bereits aus anderen Erwägungen bestätigt werden konnte.
Die Voraussetzung ad b) soll verhindern, daß im Inland ausländische Ehen gelöst oder für ungültig erklärt werden, die im Heimatstaat weiter als aufrecht bestehend gelten, was nach dem bis 1938 geltenden System des österreichischen Eheverfahrens ohne weiteres möglich war und von nichtkatholischen Ehegatten - Katholiken kamen infolge Untrennbarkeit der Katholikenehen nicht in Betracht - wiederholt dazu benützt wurde, um ihre im Heimatstaat untrennbaren Ehen zur Auflösung zu bringen.
Bei Anwendung des italienischen Rechtes (§ 6 der 4. DVzEheG.) kann nun eine Anerkennung des von der Klägerin begehrten Urteiles nicht in Frage kommen. Die Klage ist auf Nichtigerklärung der standesamtlichen Registrierung gerichtet, weil die Klägerin angeblich im Zeitpunkte der kirchlichen Trauung und der standesamtlichen Transkribierung sich in einem Zustand der Verstandes- und Willensunfähigkeit befunden habe.
Die Klägerin macht also nicht die Nichtigkeit ihrer Ehe geltend, sondern die Unwirksamkeit der Transkribierung, von dem richtigen Gedanken ausgehend, daß eine kirchlich geschlossene standesamtlich registrierte Ehe nach Art. 82 cod. civ. 1942 nicht nach den Vorschriften des III. Kapitels des VI. Titels des 1. Buches des cod. civ. für nichtig erklärt werden kann, da für solche Ehen ausschließlich das mit dem heiligen Stuhl abgeschlossene Konkordat und die durch den cod. civ. 1942 unverändert aufrechterhaltenen Durchführungsbestimmungen gelten. Mit dieser allein dem Gesetz entsprechenden Grundauffassung steht freilich im Widerspruch, daß die Klage sich auf Art. 120 cod. civ. stützt, da dieser Artikel auf transkribierte kirchliche Ehen nicht anwendbar ist.
Nach Art. 17 G. v. 27. Mai 1929, Nr. 847, steht vielmehr die Nichtigerklärung einer katholisch geschlossenen transkribierten Ehe ausschließlich den kirchlichen Behörden zu, deren Ausspruch nach Art. 17 Abs. 2 von den staatlichen Gerichten, um staatlich wirksam zu sein, vollstreckbar erklärt sein muß. Vor dem Staatsgericht kann nur die Registrierung der Ehe angefochten werden, und zwar aus den im Art. 12 taxativ (Tribunale Udine 26. September 1938, Giurisprudenza Italiana 1939, I, 2, 414, neuestens Kassationshof 27. Juni 1947, Giurisprudenza Italiana 1948, I, 310), aufgezählten Gründen. Z. 1 und 2, die die zeitliche Konkurrenz von Zivil- und kirchlichen Ehen behandeln, kommen hier nicht in Betracht. Einen materiellen Anfechtungsgrund der Registrierung enthält nur Z. 3. Nach diesem kann die Registrierung angefochten werden, wenn die Ehe von einem wegen Geistesschwäche Entmundigten abgeschlossen worden ist. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes muß also, wer die Nichtigerklärung der Registrierung begehrt, entmundigt worden sein (interdetto). Die Entmündigung setzt aber nach Art. 421 c. c. 1942 einen besonderen Gerichtsbeschluß voraus, ebenso Art. 328 c. c. 1865. Daß eine förmliche Entmündigung vorausgesetzt wird, ergibt sich auch aus Art. 14 Abs. 2 G. v. 27. Mai 1929, wo vom Widerruf der interdizione die Rede ist. Auch die italienische Gerichtspraxis nimmt an, daß das Begehren auf Unwirksamkeit der Transkription eine förmliche Entmündigung voraussetzt (trib. civ. Siracus 15. Oktober 1940, Giurisprudenza Italiana 1941, I, 2, 1177, und neuestens Kassationshof 27. Juni 1947, Giurisprudenza Italiana 1948, I, 310).
Von denselben Erwägungen geht auch die internationale Anerkennung ausländischer Eheurteile durch die sogenannte Delibationspraxis nach Art. 767 cod. proced. civ. 1940 aus. Die ältere Praxis, daß ausländische Eheungültigkeitsurteile italienischer Ehegatten nicht delibiert werden können (Marcello Arduino, Il giudizio di delibazione (1909) pag. 209) wird von der neueren Praxis nicht mehr aufrechterhalten (Kassationshof 16. Jänner 1932, Giurisprudenza Italiana 1932, I. 1, 417).
Wohl aber ist die Delibation ausgeschlossen, wenn nicht die Voraussetzungen des Art. 797 cod. di procedura civile gegeben sind; das ist insbesonders dann der Fall, wenn nach italienischer Auffassung die internationale Jurisdiktion des ausländischen Gerichtes nicht vorliegt, weil z. B. die Parteibehauptungen über den Wohnsitz unwahr gewesen sind (Kassationshof 5. Juli 1939, Repertorio della Giurisprudenza Italiana 1940 s. v. matrimonio Nr. 65) oder weil die Parteien, obwohl nach italienischer Auffassung die ausländische Gerichtsbarkeit nicht gegeben ist, ausdrücklich oder stillschweigend auf das ausländische Prozeßgericht prorogiert hatten (Kassationshof 26. April 1939, Giurisprudenza Italiana 1939, I, 1, 879, dazu Morelli, Competenza giurisdizionale e giudizio di delibazione, Giurisprudenza Italiana 1940, I, 1, 1). Die Delibation ist ferner nach Art. 797 Z. 7 ausgeschlossen, wenn das ausländische Urteil "contiene disposizioni contrarie all'ordine pubblico italiano". Dazu bemerkt die Kassationshofentscheidung vom 11. Juni 1937, Massimario della Giurisprudenza Italiana 1937, 563, "Fra tali norme cogenti e quella della indissolubilita del vincolo matrimoniale, onde una sentenza straniera la quale ne pronuncia l'annulamento in un caso in cui la legge le vieta, e contraria all'ordine pubblico e non puo esser reso esecutiva in regno". Die Nichtigerklärung der Ehe durch ein ausländisches Gericht aus einem im italienischen Recht nicht anerkannten Gründe kann daher bei Ehen zwischen italienischen Staatsbürgern nicht delibiert werden. Der Nichtigerklärung der Ehe steht aber die Nichtigerklärung der Transkribierung gleich, weil die Transkription der kirchlichen Ehe rückwirkend auch die Wirkungen einer staatlich anerkannten Ehe verleiht (Art. 5 des Gesetzes vom 27. Mai 1929, n. 847) und die Impugnation nach Art. 16 die Ehe für den staatlichen Wirksamkeitsbereich vernichtet. Die Nichtigerklärung der Transkription vernichtet deshalb die Ehe für den staatlichen Wirkungsbereich; sie kann infolgedessen im Sinne der vorzitierten Kassationshofentscheidung vom 11. Juni 1937, wenn von einem ausländischen Gerichte ausgesprochen, nur dann in Italien anerkannt werden, wenn sie aus einem der in Art. 12 aufgezählten Gründen erfolgte, nicht aber, wenn ein nicht Entmundigter im Zustand der Geistesschwäche eine kirchliche, transkribierte Ehe abgeschlossen hat. Es ist daher auch durchaus folgerichtig, wenn der italienische Kassationshof die Delibation von durch ausländische Gerichtsstellen nichtig erklärten transkribierten Konkordatsehen nicht zuläßt (12. Juni 1934, Giurisprudenza Italiana 1934, I, 1, 745), weil sie auch im Inland durch ein weltliches Gericht nicht für nichtig erklärt werden können. Bei Konkordatsehen kann daher auch im Ausland nur auf Nichtigerklärung der Registrierung geklagt werden; insofern liegt daher im Begehren der vorliegenden Klage keine Umgehung italienischer Vorschriften vor. Die Klage ist nur deshalb zur Erfolglosigkeit verurteilt und ein etwa ergehendes Urteil von der Delibation ausgeschlossen, weil keine Entmündigung behauptet werden kann, sondern nur eine nach italienischem Konkordatsrecht bedeutungslose angebliche Geisteskrankheit. Daher fehlt für diese Klage die inländische Gerichtsbarkeit, weil ein Urteil im Sinne der Klage in Italien nicht anerkannt werden kann. Das ist auch der Standpunkt des italienischen Kassationshofes in der Entscheidung vom 27. Juni 1947, Giurisprudenza Italiana 1948, I, 310, der einem Urteil eines schweizerischen Gerichtes, das die Ungültigkeit einer Transkription der kirchlichen Ehe eines nicht interdizierten Geisteskranken ausgesprochen hat, die Delibationsfähigkeit mit dieser Begründung abgesprochen hat.
Auch aus den seinerzeit mit Italien abgeschlossenen Rechtshilfe- bzw. Vollstreckungsrechtshilfeabkommen vom 6. April 1922, BGBl. 1924, Nr. 261 und 262, kann eine gegenteilige Auslegung nicht abgeleitet werden, zunächst deshalb, weil diese Abkommen derzeit nicht in Kraft stehen, weil sie laut Bekanntmachung vom 13. Juni 1939, DRGBl. II S. 837, mit Zustimmung der damaligen italienischen Regierung außer Kraft und bisher laut Mitteilung des Bundesministeriums für Justiz nicht wieder in Kraft gesetzt worden sind.
Aber auch abgesehen davon könnte aus diesen beiden Abkommen zur Frage der Delibationsfähigkeit eines nach dem Klagebegehren erlassenen Urteiles nichts erschlossen werden. Das nach italienischer Auffassung, die in der Delibation eine Vollstreckung erblickt, in erster Reihe in Betracht kommende Vollstreckungsabkommen BGBl. Nr. 262/24 enthält in Art. 1 Z. 5 die dem Art. 767, Z. 7 cod. proced. civ. entsprechende Bestimmung, daß Entscheidungen dann nicht im anderen Staate vollstreckbar sind, wenn sie eine Verfügung enthalten, die im Gegensatz zur öffentlichen Ordnung und zum öffentlichen innerstaatlichen Rechte stehen. Eine Nichtigerklärung einer Transkription aus einem dem italienischen Recht widerstreitenden Gründe könnte demnach auch nach dem Vollstreckungsabkommen in Italien nicht anerkannt werden.
Der Rechtshilfevertrag BGBl. Nr. 261/24 bezog sich nur auf den sogenannten libre acces. Damit soll keineswegs für die zivilgerichtlichen Verfahren eine völlige Gleichstellung der Inländer und Italiener ausgesprochen werden, sodaß die Italiener in allen Belangen wie die Inländer zu behandeln wären. Das würde die Negierung des Grundsatzes unseres und des italienischen internationalen Privatrechtes bedeuten, daß sich das Personalstatut nach der Staatsbürgerschaft richtet und daß in Statusangelegenheiten das Personalstatut maßgebend ist. Das ist so wenig sinnvoll, daß es keiner Widerlegung bedarf. Zwischenstaatliche Verträge sollen bewirken, daß das ausländische Recht zur Anwendung gelangt, wenn eine Anknüpfung gegeben ist; es widerspricht aber der Tendenz aller zwischenstaatlichen Verträge, dem Vertragspartner geradezu zu verbieten, das Recht des anderen Vertragsstaates anzuwenden.
Der freie Zutritt zu den Gerichten, der in dem Vertrag BGBl. Nr. 261/24 gewährt wurde, sollte nur die einem älteren Rechtszustande angehörige Auffassung ablehnen, daß die Gerichte bloß für Rechtssachen von Inländern tätig zu werden hatten, oder daß die Ausländer verfahrensrechtlich benachteiligt werden sollen. Es sollte damit durch allgemeine Gewährung des Rechtsschutzes die Anerkennung der vollen Partei- und Prozeßfähigkeit der Ausländer nach dem allgemein geltenden Grundsatz sichergestellt und ein zivilprozessuales Fremdenrecht abgelehnt werden. Eine Erweiterung der Grenze der inländischen Gerichtsbarkeit in dem Sinne, daß auch Statussachen der Ausländer vor den Inlandsgerichten zu entscheiden sind, enthält der Vertrag BGBl. Nr. 261/24 so wenig wie andere Staatsverträge mit gleichlautendem Inhalt.
§ 76 Abs. 2 JN. soll verhindern, daß die österreichischen Gerichte in Ehesachen ein Recht anwenden, daß dem ordre public des Heimatstaates widerspricht. Es wäre grotesk, wenn man annehmen wollte, daß das Rechtshilfeabkommen dem österreichischen Staate die Fällung von Eheurteilen vorschreiben will, die, wenn sie erlassen würden, dem italienischen ordre public widersprächen. Eine solche Auslegung lehnt der Oberste Gerichtshof ab. Er kommt vielmehr zu dem Ergebnis, daß die Stattgebung der vorliegenden Klage im Heimatstaat der Streitparteien nicht auf Anerkennung rechnen darf.
An diesem Ergebnis ändert auch der Umstand nichts, daß tatsächlich im Widerspruch mit obigen Darlegungen das Appellationsgericht Turin in mehreren gleichgelagerten Fällen derartige Urteile für vollstreckbar erklärt hat, weil diese Entscheidungen im offenbaren Widerspruch mit dem geltenden italienischen Recht und der Praxis des italienischen Kassationshofes standen, so daß sich das italienische Parlament veranlaßt sah, um der gesetzwidrigen Praxis des Appellationsgerichtes Turin entgegenzutreten, ein eigenes Sondergesetz vom 30. Juli 1950, Nr. 534, zu erlassen, das der Staatsanwaltschaft das Recht gibt, Delibationsentscheidungen in Ehesachen vor dem Kassationshof anzufechten.
Die Sonderstellung eines Appellationsgerichtes, gegen dessen Praxis der Gesetzgeber einzuschreiten sich bemüßigt gesehen hat, ist aber nicht geeignet, den Obersten Gerichtshof zu der Annahme zu veranlassen, daß das ergehende Urteil im Sinne der Klage in Italien Anerkennung finden werde. Gerade die der Staatsanwaltschaft durch das bez. Gesetz eröffnete Möglichkeit der Anfechtung von Delibationsentscheidungen, die derartige Urteile für vollstreckbar erklären, beweist, daß in Hinkunft nicht mehr damit gerechnet werden kann, daß italienische Gerichte Urteile auf Nichtigerklärung der Transkription durch ein ausländisches Gericht wegen Geisteskrankheit, die nicht zur Entmündigung geführt hat, delibieren werden.
Da also der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangt, daß das Heimatrecht der Parteien ein im Sinne der Klage ergehendes Urteil nicht anerkennen wird, so muß im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1 JN. die inländische Gerichtsbarkeit verneint werden. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht das Urteil und das vorangegangene Verfahren im Punkt 2. für nichtig erklärt und die Klage zurückgewiesen, freilich, insoweit vom Revisionsgericht abweichend, als es die Nichtigkeit des Verfahrens nicht in der Unzulässigkeit des Rechtsweges erblickt, sondern in der absoluten Unzuständigkeit, weil Ehesachen nicht vor ein Bezirksgericht gebracht werden können. Das ist zutreffend; es ist zwar richtig, daß im § 50 Abs. 2 Z. 2 JN. nur die Streitigkeiten über die Scheidung, über die Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Ehe angeführt sind, nicht aber Klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit der Transkribierung einer kanonischen Ehe. Daraus darf aber nicht gefolgert werden, daß diese Klagen nicht unter § 50 Abs. 2 Z. 2 zu subsumieren sind. § 50 Abs. 2 Z. 2 zählt alle nach dem österreichischen materiellen Recht möglichen Eheklagen auf; zur Aufzählung der etwa vor die österreichischen Gerichte gebrachten Eheklagen ausländischer Staatsbürger, die nicht unter diese Typen fallen, hatte das Gesetz gar nicht die Möglichkeit, weil dies vorausgesetzt hätte, daß alle in irgendeinem fremden Eherecht vorkommenden Eheklagen angeführt werden. Und auch dann müßte die Aufzählung lückenhaft bleiben, weil sie auf zukünftige Neuschöpfungen nicht Bedacht nehmen könnte. Das ist aber auch nicht notwendig. Da § 50 Abs. 2 Z. 2 alle österreichischen Eheklagen aufzählt, so muß bei rationeller Auslegung des Gesetzes daraus gefolgert werden, daß auch andere Eheklagen nach ausländischem Recht, wofern sie nur überhaupt vor einem österreichischen Gericht geltend gemacht werden können, ausschließlich vor den Gerichtshof gehören und daher nicht vor die Bezirksgerichte gebracht werden können.
Es mangeln demnach zwei Prozeßvoraussetzungen: a) die inländische Gerichtsbarkeit, b) die sachliche Zuständigkeit. Da das Gesetz nicht anordnet, daß zuerst über die begrifflich vorangehende Frage die Jurisdiktion zu entscheiden ist, so kann es nicht als rechtsirrig angesehen werden, daß das Berufungsgericht primär über die Zuständigkeitsfrage entschieden hat. Da aber die Frage der von Amts wegen zu berücksichtigenden inländischen Gerichtsbarkeit ebenfalls spruchreif ist, so hat der Oberste Gerichtshof den angefochtenen Beschluß mit der Maßgabe bestätigt, daß die Klage nicht nur wegen absoluter Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes, sondern auch wegen mangelnder inländischer Gerichtsbarkeit zurückgewiesen wird.
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