Spruch:
Petitorischer Rechtsschutz bei nicht intabuliertem Wohnungsrecht.
Entscheidung vom 30. November 1949, 1 Ob 571/49.
I. Instanz: Bezirksgericht Salzburg; II. Instanz: Landesgericht Salzburg.
Text
Der Klägerin wurde von der seinerzeitigen, seither verstorbenen Eigentümerin des Hauses Salzburg, A.straße 53 a, an der Wohnung im dritten Stock ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht eingeräumt. 1945 wurde die Klägerin verhaftet; während ihrer Haft wurde die Wohnung dem Beklagten auf sein Ansuchen auf Grund des § 5 der Anordnung zur Wohnraumlenkung vom 30. April 1943 am 26. Oktober 1945 zugewiesen und die Hausverwaltung aufgefordert, mit dem Beklagten einen Mietvertrag über die bezeichnete Wohnung abzuschließen, was auch geschehen ist. Der Einweisungsbescheid wurde nachträglich aufgehoben, die dagegen eingebrachte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde zurückgewiesen. Der Mietvertrag besteht noch aufrecht.
Die Klägerin begehrt im Klageweg, den Beklagten zur Räumung der Wohnung zu verhalten. Die erste Instanz hat dieses Klagebegehren abgewiesen, die zweite Instanz gab der Klage Folge, indem sie sich auf den Rechtsstandpunkt stellte, daß ein wenn auch nicht verbüchertes Wohnungsgebrauchsrecht einem Mietrecht gleichzustellen sei und daher dem Wohnungsberechtigten, in dessen Recht eingegriffen wurde, ein direktes Klagerecht gegen den Mieter zuzuerkennen sei, der in Kenntnis seines Rechtes einen zweiten Mietvertrag abgeschlossen habe und sich derzeit in der Wohnung befinde.
Der Oberste Gerichtshof hob auf und wies die Sache an das Berufungsgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist begrundet. Streitentscheidend ist in erster Reihe die Frage, ob die von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes herausgearbeiteten Grundsätze über den petitorischen Rechtsschutz des Mieters gegen Dritte auf nicht intabulierte Wohnungsberechtigte ausgedehnt werden können. Der Oberste Gerichtshof bejaht diese Frage in Übereinstimmung mit dem Berufungsgerichte.
Nach der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 4. März 1936, 3 Ob 581/35, ZBl. 1936, Nr. 221, sind nicht intabulierte Dienstbarkeiten hinsichtlich der Gewährung eines dinglichen Rechtsschutzes verbücherten Dienstbarkeiten gleichzuhalten, wenn deren Bestand dem Erwerber bekannt war. Dieser zunächst für Grunddienstbarkeiten ausgesprochene Rechtssatz muß auch dann gelten, wenn es sich um ein nicht intabuliertes Wohnungsrecht handelt.
Der Klagsanspruch muß daher dann als begrundet angesehen werden, wenn dem Beklagten im Zeitpunkt des Erwerbes seines Mietrechtes bekannt war, daß der Klägerin Rechte an der Wohnung zustehen; dabei kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte gerade Kenntnis von dem (nicht intabulierten) Wohnungsrecht hatte. Es genügt, wenn er keinen Grund hatte, daran zu zweifeln, daß die Klägerin mit Recht die Wohnung innehat, mag ihm auch der Rechtstitel (Wohnungsrecht, Bestandvertrag usw.) nicht näher bekannt gewesen sein. Das scheint sich aus dem im Akt erliegenden Wohnungsvormerk von 12. Oktober 1945 an das Wohnungsamt Salzburg zu ergeben, in dem der Beklagte die Klägerin als bisherige Wohnungsinhaberin bezeichnet, die als Gestapospitzel in Haft sei.
Da aber das angefochtene Urteil es unterlassen hat, diese Urkunde heranzuziehen, so ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, aus ihr die Folgerung zu ziehen, daß der Beklagte gewußt hat, die Klägerin habe irgendein Recht an dieser Wohnung. Es mußte daher das Berufungsurteil aufgehoben werden. Sollte das Berufungsgericht im aufgehobenen Verfahren zu dem Ergebnis gelangen, daß die Eingabe in diesem Sinne zu verstehen ist, so wird es mit einer neuerlichen Verurteilung vorzugehen haben.
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