OGH 1Ob568/91 (1Ob567/92)

OGH1Ob568/91 (1Ob567/92)24.4.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heinz P*****, vertreten durch Dr. Gerhard Weiser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Karin G*****, 2. Gerhard G*****, vertreten durch Dr. Karl-Ernst Leitinger, Rechtsanwalt in Wien,

3. Herbert G*****, und 4. Silvia G*****, diese beiden vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien, wegen

S 173.993,74 sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil und Rekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21.Februar 1991, GZ 2 R 235/90-60, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27.Juni 1990, GZ 31 Cg 124/90-52, teils bestätigt, teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Die Revisionsbeantwortung der dritt- und viertbeklagten Parteien wird zurückgewiesen.

2. Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben. Hingegen wird dem Rekurs der zweitbeklagten Partei Folge gegeben und die Entscheidung des Berufungsgerichtes dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig,

a) der zweitbeklagten Partei die mit S 25.196,80 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 4.192,80 Umsatzsteuer und S 40 Barauslagen) und

b) der dritt- und viertbeklagten Partei gemeinsam die mit

S 18.743,08 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin

S 3.117,18 Umsatzsteuer und S 40 Barauslagen binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagten Parteien verpflichteten sich als ehemalige Gesellschafter bzw. Geschäftsführer einer vom Kläger im Februar 1984 "erworbenen" Gesellschaft mbH in einer als Garantievertrag zu beurteilenden rechtsgeschäftlichen Erklärung (siehe dazu die Entscheidung des erkennenden Senates 1 Ob 608/88 = SZ 61/232), "die Firma schulden- bzw lastenfrei zu übergeben und für von ihnen eingegangene Verbindlichkeiten voll zu haften, sohin dem Kläger den Schaden zu ersetzen, den er aus der Inanspruchnahme für nicht von ihm übernommene und von den Beklagten nicht bezahlte "Altverbindlichkeiten" der Gesellschaft mbH erleide.

Der Kläger nimmt die Beklagten mit der am 9.7.1985 erhobenen Klage aufgrund dieser Vereinbarung als Solidarschuldner aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes auf Zahlung eines im derzeitigen Verfahrensstadium noch streitverfangenen Betrages von S 173.993,74 sA in Anspruch.

Die Beklagten beantragten Abweisung des Klagebegehrens wegen Verjährung; der Kläger habe den am 19.4.1989 durch eine nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist geschlossene Ruhensvereinbarung unterbrochenen Prozeß nicht im Sinne des § 1497 ABGB gehörig fortgesetzt.

Nach der Ruhensvereinbarung richtete der Zweitbeklagte ein Vergleichsanbot an den Kläger. Dieser beantwortete das Vergleichsanbot des Zweitbeklagten nicht und führte mit dem Dritt- und der Viertbeklagten keinerlei Vergleichsgespräche. Nach der Aktenlage langte am 29.8.1989 beim Erstgericht ein Fortsetzungsantrag des Zweitbeklagten ein, aufgrund dessen das Erstgericht am 5.9.1989 eine Streitverhandlung für den 27.11.1989 anberaumte, zu der es alle Parteien lud. Der Klagevertreter erhielt diese Ladung am 15.9.1989. Am 10.11.1989 langte ein Fortsetzungsantrag des Dritt- und der Viertbeklagten beim Erstgericht ein, der dem Klagevertreter am 22.11.1989 zugestellt wurde.

Das Erstgericht wies mit seinem Urteil ON 52 das gesamte Klagebegehren wegen Verjährung infolge nichtgehöriger Fortsetzung des Prozesses durch den Kläger im Sinne des § 1497 ABGB ab. Der Kläger habe nach dem am 19.4.1989 vereinbarten Ruhen des Verfahrens keine Vergleichsaktivitäten gesetzt, so daß er zur Wahrung der Unterbrechungswirkung der Klagseinbringung die Verfahrensfortsetzung zum frühestmöglichen Zeitpunkt hätte beantragen müssen. Dabei sei die wegen der am 20.7.1989 herrschenden Gerichtsferien eingeschränkte Besetzung der Rechtsanwaltskanzlei seines Vertreters kein ausreichender Grund für längeres Zuwarten gewesen. Im übrigen sei fraglich, ob sich der Kläger auf die Fortsetzungsanträge der Beklagten berufen könne, wenn er die Unterbrechungswirkung der Klagsführung beanspruchen wolle.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte das Ersturteil betreffend den Dritt- und die Viertbeklagte wegen Verjährung zur Gänze als Endurteil und betreffend den Zweitbeklagten im Ausspruch über den Betrag von S 50.558 ebenfalls wegen Verjährung als Teilurteil und ließ die ordentliche Revision nicht zu. Im übrigen Umfang hob es betreffend den Zweitbeklagten das Urteil auf und erklärte diesbezüglich den Rekurs für zulässig. Da die Beklagten zwar materielle Streitgenossen, jedoch keine einheitliche Streitpartei im Sinne des § 14 ZPO seien, habe der Fortsetzungsantrag des Zweitbeklagten für die weiteren Beklagten keine rechtliche Wirkung entfaltet, so daß erst deren Fortsetzungsantrag im November 1989 für die Beurteilung der prozessualen Untätigkeit des Klägers maßgeblich sei. Angesichts der unterbliebenen Vergleichsverhandlungen des Klägers sei die "Verfahrensfortsetzung" des Klägers gegenüber diesen beiden Beklagten nicht behörig gewesen. Anders liege die Sache beim Zweitbeklagten. Der Kläger habe nach Kenntnis des knapp nach Beendigung der Gerichtsferien eingelangten Fortsetzungsantrags des Zweitbeklagten zur gehörigen Fortsetzung der Klage gegen diesen Beklagten nicht mehr weiter tätig werden müssen. Angesichts des verwickelten Sachverhaltes sei die Untätigkeit des Klägers von knapp zwei Monaten nach Ablauf der Ruhensfrist ungeachtet des Umstandes, daß die Gerichtsferien auf die Ruhensfrist ohne Einfluß seien, noch nicht zu beanstanden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene außerordentliche Revision des Klägers ist nicht berechtigt, hingegen ist dem Rekurs des Zweitbeklagten gegen den Aufhebungsbeschluß Berechtigung zuzuerkennen.

Zunächst ist die entgegen § 508 a Abs 2 zweiter Satz ZPO nicht beim Revisionsgericht, sondern beim Erstgericht überreichte und erst nach Ablauf der vierwöchigen Revisionsbeantwortungsfrist beim Obersten Gerichtshof eingelangte Revisionsbeantwortung des Dritt- und der Viertbeklagten als verspätet zurückzuweisen (RdW 1988, 424 ua).

Es ist nicht strittig, daß die für die Klagsansprüche geltende dreijährige Verjährungsfrist im Zeitpunkt der Ruhensvereinbarung der Streitteile am 19.4.1989 abgelaufen war, so daß bei der Prüfung des von allen Beklagten erhobenen Verjährungseinwandes allein die Beurteilung der Voraussetzungen des § 1497 ABGB im Zusammenhang mit dem Ruhenseintritt am 19.4.1989 und der Verfahrensfortsetzung über Antrag der Beklagten von Bedeutung ist.

Zutreffend haben die Vorinstanzen dargelegt, daß gemäß § 1497 ABGB die Verjährungsfrist nur dann unterbrochen wird, wenn das Verfahren über die Klage gehörig fortgesetzt wird, so daß eine nichtgehörige Fortsetzung der Klage (des Verfahrens über diese) die Verjährung des Anspruchs nicht unterbricht. Nichtgehörige Fortsetzung in diesem Sinn ist anzunehmen, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit bekundet und dadurch zum Ausdruck bringt, daß ihm an der Erreichung des Prozeßzieles nichts (mehr) gelegen ist. Dabei sind stets die Umstände des konkreten Falles bei Beurteilung dieser Untätigkeit des Klägers zu berücksichtigen, es kommt auch nicht auf die Dauer, sondern auf die Gründe der Untätigkeit des Klägers an (SZ 58/180; SZ 58/112 je mwH uva; Schubert in Rummel ABGB Rz 10 zu § 1497 mwH). Das Verhalten des Klägers, der von sich aus keinerlei Vergleichsverhandlungen mit den Beklagten führte und einen unmittelbar nach Ruhenseintritt erstatteten Vergleichsvorschlag des Zweitbeklagten nicht einmal beantwortete, rechtfertigt die Annahme, daß ihm bereits im Zeitpunkt der Ruhensvereinbarung nichts mehr an der Verfahrensfortsetzung und an der Erreichung seines Prozeßzieles lag. Selbst wenn aber zugunsten des Klägers angenommen wird, daß er in der Hoffnung auf "geeignete Vergleichsvorschläge der Beklagten" sich zur Ruhensvereinbarung verstanden hat, und somit in der Ruhensvereinbarung selbst noch keine Vernachlässigung der Verfahrensfortführung erblicken wollte (wie dies Fasching für eine ohne triftige Gründe getroffene Ruhensvereinbarung in seinem Kommentar II 809 annimmt), muß doch die völlige Passivität des Klägers sowohl bei der Aufnahme oder Durchführung von Vergleichsverhandlungen, als auch im Zusammenhang mit den zur Fortsetzung des Verfahrens notwendigen Schritten als ungewöhnliche Untätigkeit im ausgeführten Sinn beurteilt werden. Es mag dem Berufungsgericht darin beizupflichten sein, daß ein Kläger keinen Fortsetzungsantrag mehr stellen muß, wenn ihm ein solcher des Beklagten bereits bekannt ist, er somit die Wirkungen des Fortsetzungsantrages des Beklagten für sich beanspruchen kann, sobald er davon erfahren hat. Dies war jedoch im vorliegenden Verfahren erst am 15.9.1989 (Zustellung der Gleichschrift des Fortsetzungsantrags der Zweitbeklagten und der Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 27.11.1989) der Fall. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichtes ist der erkennende Senat des Obersten Gerichtshofs der Auffassung, daß im vorliegenden Fall vor allem wegen der völligen Untätigkeit des Klägers nicht mehr von einer gehörigen Verfahrensfortsetzung im Sinn des § 1497 ABGB gesprochen werden kann. Der Kläger hätte vielmehr unmittelbar nach dem Ablauf der Ruhensfrist selbst den Fortsetzungsantrag stellen müssen, um die Verjährungsunterbrechung beanspruchen zu können (SZ 63/71; SZ 61/16; SZ 58/180; SZ 45/97; SZ 43/176; Schubert aaO). Da der Ablauf der Ruhensfrist durch die Gerichtsferien nicht beeinflußt wird, also die Ruhensfrist nicht gleichsam durch die Gerichtsferien verlängert wird, war das Zuwarten des Klägers bis Mitte September 1989 nicht vertretbar.

Ist nach der dargestellten Beurteilung der Fortsetzungsantrag des Zweitbeklagten am 29.8.1989 nicht als gehörige Verfahrensfortsetzung des Klägers im Sinne des § 1497 ABGB anzusehen und daher selbst diese Verfahrenshandlung nicht geeignet, den Verjährungseinwand wegen nichtgehöriger Fortsetzung der Klage zu entkräften, muß im vorliegenden Verfahren nicht mehr entschieden werden, welche verfahrens- und materiellrechtlichen Wirkungen der Fortsetzungsantrag des Zweitbeklagten für den Drittbeklagten und die Viertbeklagte als seine materiellen Streitgenossen zeitigte.

Diese Überlegungen führen zur spruchgemäßen Wiederherstellung des Ersturteils.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Da dem selbständig von einem Rechtanwalt vertretenen Zweitbeklagten nicht mehrere (klagende) Parteien gegenüberstehen, gebührt ihm kein Streitgenossenzuschlag.

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