OGH 1Ob559/89

OGH1Ob559/8924.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Isabella K***, geboren 15.Februar 1986, infolge Revisionsrekurses des Vaters Ing. Dkfm. Wolf Werner K***, Unternehmensberater, Wien 16., Kreitnergasse 8/4, vertreten durch Dr. Manfred Weidinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Rekursgerichtes vom 20. Februar 1989, GZ R 65/89-31, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Baden vom 19.Jänner 1989, GZ 2 P 92/88-28, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Eltern des bei der Mutter befindlichen Kindes leben seit 27.3.1988 dauernd getrennt. Am 13.4.1988 trafen die Eltern vergleichsweise eine provisorische Besuchsregelung dahin, daß dem Vater wöchentlich abwechselnd Freitag von 9 bis 18 Uhr und Freitag von 9 bis Samstag 18 Uhr ein Besuchsrecht zusteht. Mit pflegschaftsbehördlich genehmigtem Vergleich vom 11.1.1989 vereinbarten die Eltern, daß die Obsorge für das Kind der Mutter zusteht. Bei der endgültigen Entscheidung über das Besuchsrecht des Vaters ist nur mehr strittig, ob dem Vater alle vier Wochen über das verglichene provisorische Besuchsrecht hinaus ein weiterer Besuchstag bis Sonntag 18 Uhr einzuräumen sei.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Vaters statt. In den Stellungnahmen der Bezirkshauptmannschaft Baden-Jugendabteilung und des kinder- und jugendpsychologischen Beratungsdienstes des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung werde ausgeführt, daß die Irritation des Kindes, die von der Mutter nicht völlig überschätzt werde, eher ihren Grund in der noch nicht verarbeiteten, geschweige denn verstandenen Auflösung der Familie habe, nicht jedoch in der Nächtigung beim Vater. Diese Irritierung werde erfahrungsgemäß durch eine restriktive Auslegung des Besuchsausmaßes nicht geringer, da die Vertrauensbildung und auch das Diskriminationslernen zwischen den verschiedenen Situationen erschwert werde. Der kinder- und jugendpsychologische Beratungsdienst erachte daher die interimistische Besuchsregelung auch mit Nächtigung beim Vater aus psychologischer Sicht für eine brauchbare Lösung für die Kleinkinderzeit. Wegen des inneren Widerstandes der Mutter gegen die Nächtigungen beim Vater, der sich sicher auf das Kind übertrage, werde eine mehrtägige Regelung zu Weihnachten (bis drei Nächtigungen) als frühestmögliche Steigerungsform gegenüber der interimistischen Lösung vorgeschlagen. Die Bezirkshauptmannschaft Baden-Jugendabteilung habe ausgeführt, daß ein Besuchskontakt zum Vater mit Nächtigungen im Interesse des Kindes erscheine und diesem auch durchaus zumutbar sei; zwei Übernachtungen pro Monat dürften aber wegen der heftigen Abwehr der Mutter ausreichend sein. Das Kind vollende am 15.2.1989 sein drittes Lebensjahr. Es habe damit das Kleinkindalter hinter sich gebracht. Es erscheine daher der gegenüber der interimistischen Besuchsrechtsregelung um einen Sonntag pro Monat ausgedehnte Besuchsrechtswunsch des Vaters als durchaus vertretbar. Die von der Mutter als Begründung für ihre Ablehnung dieses zusätzlichen Sonntagsbesuchsrechtes angeführten Verhaltensweisen des Kindes erschienen nicht so schwerwiegend, daß das zusätzliche Besuchsrecht abzuweisen wäre. Dabei sei zu berücksichtigen, daß natürlich auch ein dreijähriges Kind verschiedenen Stimmungen unterliege und nicht immer bestens aufgelegt sei und es daher auch mitunter nach der Rückkehr vom Vater eine gewisse Umstellungsphase benötige. Es sei auch aus den vorliegenden Stellungnahmen eindeutig erkennbar, daß ein ausgedehntes Besuchsrecht des Vaters im Interesse des Kindes liege. Da also vom zusätzlichen Sonntagsbesuchsrecht einmal pro Monat keine gravierenden Störungen bzw. keine Gefährdung des Wohles des Kindes zu erwarten seien, sei dem Antrag des Vaters stattzugeben. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter Folge. Es änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es auch an jedem vierten Wochenende dem Vater gemäß den Anträgen der Mutter nur ein Besuchsrecht von Freitag 8,30 Uhr, bis Samstag, 18 Uhr, einräumte. Wenn sich auch bei der Festsetzung des Besuchsrechtes des nicht betreuenden Elternteiles zum Kind keine starren Regeln aufstellen ließen, so müsse der Mutter doch insofern beigepflichtet werden, als für eine derart großzügige Einräumung eines Besuchsrechtes, wie sie der Vater wünsche, kein Anlaß bestehe. Daß durch die Trennung der Eltern die Kontakte des Elternteiles, dem nicht die elterlichen Rechte und Pflichten übertragen wurden, zum Kind an Intensität verlören, sei eine nicht zu ändernde Tatsache, die bereits aus der Trennung der Eltern resultiere. Alle hiedurch sowohl für das Kind als auch für die Eltern entstehenden Nachteile könnten auch durch Einräumung eines noch so großzügig bemessenen Besuchsrechtes nicht ausgeglichen werden. Im vorliegenden Fall stehe vor allem das Kindeswohl der vom Vater gewünschten Wochenendbesuchsrechtsregelung entgegen, weil Nächtigungen beim nicht betreuenden Elternteil bei einem dreijährigen Kind in der Regel immer mit mehr oder weniger starken Irritationen verbunden seien. Die Rechtsprechung vertrete daher die Auffassung, daß Übernachtungen eines Kindes in diesem Alter außer Haus nur in Ausnahmsfällen in Betracht kämen. Das Rekursgericht sei aber auch der Auffassung, daß der Zweck des Besuchsrechtes in ausreichender Weise sichergestellt sei, wenn der Vater Gelegenheit habe, sein Kind an sechs Tagen eines Besuchsrechtsturnusses mit zweimaliger Übernachtung bei sich zu haben. Dadurch werde in genügendem Maß der Kontakt gepflegt und eine gegenseitige Entfremdung verhindert.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Vaters ist nicht berechtigt. Beide Vorinstanzen gehen übereinstimmend mit den Stellungnahmen des Bezirksjugendamtes Baden und des kinder- und jugendpsychologischen Beratungsdienstes beim Amt der Niederösterreichischen Landesregierung davon aus, daß Nächtigungen eines vorschulpflichtigen Kindes bei Ausübung des Besuchsrechtes des Vaters grundsätzlich nicht dem Kindeswohl widerstreiten (vgl. EFSlg 53.934, 53.935, 51.171 ua.). Mit einem wöchentlichen Besuchsrecht und zwei Übernachtungsmöglichkeiten innerhalb von vier Wochen wird dem Vater aber ohnedies die Möglichkeit eines intensiveren persönlichen Verkehrs mit dem Kind als in vergleichbaren Fällen eingeräumt (vgl. EFSlg 53.927, 53.929, 53.935, 43.242). Für ein noch weitergehendes Besuchsrecht sprechen auch entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs nicht die eingeholten Stellungnahmen. Nach diesen ist die vergleichsweise getroffene interimistische Besuchsregelung aus psychologischer Sicht eine brauchbare Lösung für die Kleinkinderzeit. Wenn das Rekursgericht diesem Vorschlag folgend das Ausmaß der Nächtigungen mit zwei innerhalb von vier Wochen festsetzte, entspricht dies sowohl der Bedachtnahme auf das Kindeswohl als auch dem Zweck des Besuchsrechtes, die persönlichen Beziehungen zwischen Kind und Elternteil aufrechtzuerhalten und eine Entfremdung zu verhindern (EFSlg 53.878, 51.150 uva). Eine Fehlbeurteilung des Rekursgerichtes kann darin nicht erblickt werden.

Dem Revisionsrekurs ist der Erfolg zu versagen.

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