OGH 1Ob559/81

OGH1Ob559/814.3.1981

SZ 54/29

Normen

ABGB §97
ABGB §97

 

Spruch:

Der durch Austausch des Wohnungsschlosses der Ehewohnung in seinem dringenden Wohnbedürfnis verletzte Ehegatte hat den im streitigen Verfahren durchzusetzenden Anspruch auf tunlichste Wiederherstellung des früheren Zustandes (Herausgabe eines Schlüssels). Der Anspruch kann auch durch einstweilige Verfügung gesichert werden

Der Ehegatte, der bereits einvernehmlich mit dem anderen Ehegatten die häusliche Gemeinschaft aufgehoben hat und ausgezogen ist, kann nicht mehr in seinem dringenden Wohnbedürfnis in der früheren Ehewohnung verletzt sein

OGH 4. März 1981, 1 Ob 559/81 (LG Linz 13 R 562/80; BG Linz 7 C 1308/80)

Text

Die Streitteile sind verheiratet. Der Kläger begehrt die Fällung des Urteiles, die Beklagte sei schuldig, ihm einen sperrbaren Schlüssel für die Eingangstür der näher beschriebenen Ehewohnung in Linz A-Straße zu übergeben. Er brachte vor, er habe am 1. August 1980 feststellen müssen, daß an der Ehewohnung von der Beklagten ein anderes Schloß angebracht worden sei. Es sei ihm nicht möglich gewesen, die für eine Urlaubsreise notwendigen Kleidungsstücke aus der Ehewohnung zu holen. Bedingt durch die Vorgangsweise der Beklagten sei er zur Zeit genötigt, sich unter der Adresse seiner Eltern aufzuhalten. Gleichzeitig beantragte er die Erlassung der einstweiligen Verfügung, der Beklagten möge aufgetragen werden, die Eingangstür zur Ehewohnung zu öffnen bzw. ihn zu ermächtigen, daß er sie durch einen hiezu autorisierten Schlosser öffnen lasse und sich so Zutritt verschaffe. Er sei genötigt, sich neu einzumieten, dies könne ihm wegen der hohen dadurch auftretenden Kosten nicht zugemutet werden.

Die Beklagte sprach sich gegen die Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung aus. Der Kläger habe am 10. September 1979 die eheliche Gemeinschaft aufgelöst und sei endgültig aus der Ehewohnung ausgezogen. Der Kläger habe daher keinen Anspruch auf Ausfolgung eines Schlüssels. Die Beklagte habe das Schloß deshalb geändert, weil der Kläger häufig während ihrer Abwesenheit in die Wohnung eingedrungen sei und dort Veränderungen vorgenommen habe.

Das Erstgericht erließ antragsgemäß die einstweilige Verfügung. Es führte aus, daß Ehegatten Pflicht und Recht auf häusliche Gemeinschaft haben, die durch einen sittenwidrigen Vertrag nicht anderweitig geregelt werden könne. Solche Verträge würden dem gesetzlich festgelegten Wesen der Ehe widersprechen und nichtig sein. Der Kläger habe daher vollen Anspruch auf freien Zutritt zur Ehewohnung und Verweilen in derselben.

Über Rekurs der Beklagten änderte das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung abwies. Durch den Hinweis auf die urkundlich vorgelegte Vereinbarung der Streitteile, derzufolge sie sich bereits im März 1980 über die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft einig geworden seien, ergebe sich, daß das Erstgericht davon ausgegangen sei, die Streitteile lebten getrennt. Die Behauptung und Bescheinigung des aufrechten Ehebandes allein sei keineswegs geeignet, die begehrte Herausgabe eines Schlüssels zur vormals ehelichen Wohnung zu begrunden.

Über den Revisionsrekurs des Klägers hob der Oberste Gerichtshof die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Während Kontroversen von Ehegatten über die Gestaltung der persönlichen Rechtswirkungen ihrer Ehe mit Ausnahme des in der Vorschrift des § 92 Abs. 3 ABGB angeführten Verfahrens nicht mehr vom Gericht zu entscheiden sind, also Leistungsbefehle im außerstreitigen Verfahren etwa dahin, daß der Ehegatte wieder in die häusliche Gemeinschaft aufzunehmen sei, nicht erteilt werden dürfen (JBl. 1977, 154; JBl. 1977, 155; Schwind, Kommentar zum österreichischen Eherecht 2, 47 f.; Schwimann, Die nicht vermögensrechtlichen Ehewirkungen im neuen Eherecht, ÖJZ 1976, 369 ff., insbesondere 372 f.; Ent, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, NotZ 1975, 145 ff., insbesondere 148), kann die Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses eines Ehegatten durch eine im Streitverfahren einzubringende Klage nach § 97 ABGB geschützt werden. Nach dieser Gesetzesstelle hat der über die Wohnung verfügungsberechtigte Ehegatte, die der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des anderen Ehegatten dient, alles zu unterlassen und vorzukehren, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Wenn auch primär daran gedacht war, daß der verfügungsberechtigte Ehegatte seine Rechtsposition nicht zum Nachteil des anderen aufgeben darf, deckt der Wortlaut dieser Bestimmung doch auch das Verbot von Handlungen eines Ehegatten, durch die dem anderen die Wohnmöglichkeit entzogen wird. Im Bericht des Justizausschusses, 1662 BlgNR, XIII. GP, S. 7, heißt es ausdrücklich: "Die Bestimmung deckt auch den Fall, daß der Verfügungsberechtigte durch rein tatsächliches Handeln oder Unterlassen, wie etwa durch ein Austauschen des Wohnungsschlosses oder durch ein Verhindern des Zutritts zur Wohnung auf andere Weise, den Ehegatten in seinem Recht auf Benützung der Wohnung beeinträchtigt." Ent - Hopf, Die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, 155, führen daher auch als Beispiel für eine Verletzung der Vorschrift des § 97 ABGB jede tatsächliche Behinderung des Zutrittes zur Ehewohnung, insbesondere durch Aussperren, an (vgl. Gschnitzer - Faistenberger, Österreichisches Familienrecht[2], 70). Dies entspricht der Zielsetzung der Vorschrift des § 97 ABGB, daß ein Ehegatte zur Sicherung seines Wohnbedürfnisses vor Willkürakten des anderen geschützt sein soll (SZ 50/105). Wurden Pflichten nach § 97 ABGB verletzt, hat der Geschädigte Anspruch auf tunlichste Wiederherstellung des früheren Zustandes (6 Ob 727/80). Der geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe eines Schlüssels könnte daher der Herstellung eines dem früheren gleichwertigen Zustandes dienen und damit grundsätzlich von der Vorschrift des § 97 ABGB umfaßt sein.

Die beklagte Partei berief sich unter Vorlage einer schriftlichen Vereinbarung vom 11. März 1980 darauf, daß die häusliche Gemeinschaft einvernehmlich aufgehoben und der Kläger schon am 10. September 1979 endgültig aus der ehelichen Wohnung ausgezogen sei. Würde dies als bescheinigt angenommen werden, müßte, da entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes Ehegatten sehr wohl einvernehmlich den wirksamen Beschluß fassen können, getrennt zu wohnen (Ent a. a.O., 146), das dringende Wohnbedürfnis des Klägers verneint werden, würde doch sonst die durch das Gericht nicht mehr durchsetzbare Wiederaufnahme der häuslichen Gemeinschaft erzwungen werden können. Entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes ist dem Beschluß des Erstgerichtes aber nicht zu entnehmen, ob es als bescheinigt annahm, daß die Ehewohnung bis zum 1. August 1980 der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Klägers diente oder ob der Kläger schon zuvor ausgezogen war und damit sein Wohnbedürfnis bereits anderswo gedeckt hatte. Dies ist aber für die Erledigung des Antrages des Klägers wesentlich. Das angebotene Bescheinigungsverfahren wird daher nachzuholen sein.

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