OGH 1Ob557/95

OGH1Ob557/9530.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr.Klaus Reisch und Dr.Anke Reisch, Rechtsanwälte in Kitzbühel, wider die beklagte Partei Bank ***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr.Gerhard Herzog und Dr.Manfred Angerer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 100.000 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgerichts vom 10.März 1995, GZ 1 R 56/95-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 8.Dezember 1994, GZ 13 C 2189/93-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird lediglich im Zinsenzuspruch dahin abgeändert, daß der klagenden Partei insgesamt 100.000 S samt 5 % Zinsen seit 25.September 1993 sowie Kosten der ersten und zweiten Instanz von 67.448,56 S (darin 8.567,76 S Umsatzsteuer und 16.042 S Barauslagen) zugesprochen werden und das Zinsenmehrbegehren von 5,5 % Zinsen aus S 100.000,- seit 25.9.1993 abgewiesen wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.086,40 S (darin 1.014,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Ein - im April 1993 insolvent gewordener - Werkunternehmer (im folgenden Garantieauftraggeber) erbrachte für den Rechtsvorgänger und nunmehrigen Geschäftsführer der klagenden Gesellschaft als Werkbesteller an einer Appartementanlage in Chamonix (Frankreich) Werkleistungen und vereinbarte mit ihm zur Besicherung von dessen allfälligen Gewährleistungsansprüchen einen Haftrücklaß von 100.000 S. Da der Rechtsvorgänger der klagenden Partei die Haftungssumme als Teil des Gesamtwerklohns Zug-um-Zug gegen Übergabe einer Bankgarantie über diese Haftungssumme sofort zahlen sollte, erstellte die beklagte Bank als Garantin über Auftrag des Werkunternehmers als Garantieauftraggebers, ihres Kunden, folgende Bankgarantie zugunsten des Rechtsvorgängers der klagenden Partei als Begünstigten:

„Wir haben davon Kenntnis, daß in dem zwischen Ihnen und der Firma ... (Garantieauftraggeber) anläßlich der Übertragung von Arbeiten (Lieferungen) ... laut Auftrag vom ... über 2 Mio S abgeschlossene Vertrag die Zurückbehaltung eines Haft-(Deckungs-)rücklasses von der Verdienstsumme vereinbart wurde, der erst nach Beendigung der Haftungsdauer (nach Überprüfung der Schlußrechnung) frei wird. Dieser Haft-(Deckungs-)rücklaß beträgt für die obigen Arbeiten (Lieferungen) für die Zeit bis zum 13.Juli 1995 S 100.000,- -. Da uns die genannte Firma mitteilt, daß ihr dieser Haft-(Deckungs-)rücklaß ... von S 100.000,-- ... von Ihnen vorzeitig ausgezahlt wird, wenn Sie für Ihre allfällige Verpflichtung, diesen Haft-(Deckungs-)rücklaß zurückzuzahlen, eine Sicherstellung durch Beibringung einer Bankgarantie leistet, verpflichten wir uns, falls Sie aus diesem Geschäftsfalle gegen die Firma ... (Garantieauftraggeber) oder deren Rechtsnachfolger Forderungen erheben sollten, den uns namhaft gemachten Betrag, höchstens jedoch S 100.000,-- ... ohne Prüfung des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses binnen drei Tagen nach Zustellung der schriftlichen Aufforderung ... an Sie auszuzahlen.

Diese unsere Haftung beginnt mit dem Tage der Einzahlung des oben genannten Betrages auf das Konto Nr. ... der Firma (Garantieauftraggeber) bei unserem Institut in ... und erlischt durch Rückstellung dieses Haftungsschreibens an uns, spätestens jedoch am 13.Juli 1995. Die schriftliche Geltungmachung Ihrer Ansprüche muß bis zu diesem Zeitpunkt bei uns eintreffen. ...“

Das in der Garantie genannte Konto war das Geschäftskonto des Garantieauftraggebers bei der beklagten Bank. Das Projekt in Chamonix war der zeitlich letzte Geschäftsfall des Garantieauftraggebers mit dem Rechtsvorgänger der klagenden Partei, der üblicherweise durch Übergabe von Wechselakzepten gezahlt hatte. Die beiden letzten, von ihm als Bezogenen gefertigten Akzepte aus dieser Geschäftsverbindung über je 55.000 S, fällig am 2.Jänner 1993 und 9.Jänner 1993 - Zahlstelle war seine Hausbank - übermittelte der Rechtsvorgänger der klagenden Partei dem Garantieauftraggeber mit Schreiben vom 16.November 1992; sie waren zur Erfüllung der in der Bankgarantie gesetzten Bedingung sowie zur Zahlung von Spesen und einer weiteren kleinen Werklohnforderung bestimmt. Der Garantieauftraggeber reichte die beiden Wechsel bei der Hausbank des Rechtsvorgängers der klagenden Partei zum Eskompt ein und erhielt die beiden Wechselsummen von je 55.000 S auf dem in der Bankgarantie genannten Konto am 23.November 1992 „über Datenträger“ (Datenfernübertragung) gutgeschrieben. Bei einer derartigen Gutschrift erschöpft sich die Information der kontoführenden - hier beklagten - Bank in der Angabe des gutgeschriebenen Betrags (hier zweimal 55.000 S, jeweils mit Beisatz „Eskont vorbehaltlich Einloesung durch den Bezogenen“), des Einzahlers (hier „Bezogener: ...[klagende Partei]“) und des Zahlungsempfängers (hier Garantieauftraggebers), der Zahlungszweck ist nicht ersichtlich. Beide Wechsel wurden bei Fälligkeit honoriert.

Am 2.Juni 1993 rief die klagende Partei die Bankgarantie schriftlich ab, ohne auf den Bedingungseintritt oder auch darauf hinzuweisen, daß mit den beiden Wechselerlösbuchungen die Effektivklausel erfüllt worden sei. Die beklagte Partei schrieb daraufhin am 6.Juli 1993 an die klagende Partei:

„... 2. Nach dem Text unserer Bankgarantie vom ... tritt diese mit dem Tag der Einzahlung des Betrages von S 100.000,-- auf das Konto in Wirksamkeit. Ihrem Inanspruchnahmeschreiben vom 2.6.1993 fehlt jedoch jeglicher Nachweis dafür, daß Sie den Betrag von S 100.000,-- auf das vorgenannte Konto zur Einzahlung gebracht haben. Wir bitten Sie daher, uns den entsprechenden Nachweis zur Verfügung zu stellen ...“

In der Folge klärte die klagende Partei den Sachverhalt auf.

Das Erstgericht wies, einem Einwand der beklagten Partei folgend, das Klagebegehren auf Zahlung der Garantiesumme von 100.000 S sA im wesentlichen mit der Begründung ab, durch die nicht exakte Überweisung des Betrags von 100.000 S auf das in der Bankgarantie genannte Konto sei für die beklagte Garantin nicht erkennbar gewesen, daß ihre Garantieverpflichtung beginne.

Die zweite Instanz gab dem Klagebegehren - mit Ausnahme eines Teils des Zinsenbegehrens - im wesentlichen mit der Begründung statt, aus Beilage 6 (Fotokopie der bei der beklagten Partei eingelangten Daten im Zusammenhang mit der Eskontierung der beiden Wechselsummen) sei sowohl der Einzahler als auch der Zahlungsempfänger als auch der eingezahlte Betrag (zweimal 55.000 S) sowie das in der Bankgarantie genannte Konto dokumentiert. Da in der Bankgarantie eine Einmalleistung des einzuzahlenden Betrags nicht vorgeschrieben sei und zweimal 55.000 S ohnehin am selben Tag dem Geschäftskonto des Garantieauftraggebers gutgebucht worden seien, habe mit der Zahlung die Haftung der beklagten Garantiebank begonnen. Die Fälligkeit sei freilich erst mit der Aufklärung des Sachverhalts betreffend die Effektivklausel durch die klagende Partei eingetreten.

Die Revision der beklagten Partei ist nur in Ansehung des Zinsenzuspruchs berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

a) Die im österr. Recht nicht ausdrücklich geregelte Bankgarantie ist ein Sonderfall des allgemeinen Garantievertrags. Sie ist ein einseitig verpflichtender Schuldvertrag, der in der Regel der Sicherung der Leistung eines Dritten, meistens des Bankkunden, an den aus diesem Vertrag begünstigten Gläubiger in der Weise dienen soll, daß letzterem durch die Garantiebank gewährleistet wird, daß er die Leistung oder sein vertraglich festgesetztes geldliches Interesse an ihr in jedem Fall erhält, also auch dann, wenn der Dritte die Leistung vertragswidrig unterläßt oder die Verbindlichkeit des Hauptschuldners nicht zum Entstehen kommt oder später wegfällt. Sinn einer Bankgarantie, die anstelle eines sonst vereinbarten Haftrücklasses erklärt wird, ist es nicht, dem Begünstigten bloß eine Sicherheit zu geben, sondern der Begünstigte soll damit vielmehr so gestellt werden, wie wenn er schon Bargeld in Händen hätte, oder genauer gesagt, wie wenn er die fragliche Summe - hier als Restwerklohn - noch gar nicht aus der Hand gegeben hätte (ÖBA 1987, 498 = RdW 1987, 156).

Der Begünstigte muß nach herrschender, auf internationalen Gepflogenheiten beruhender Auffassung (ÖBA 1993, 985 = RdW 1993, 361 = ecolex 1993, 810; SZ 62/75 = ÖBA 1989, 1131 = WBl 1989, 284; SZ 59/217, je mwN, auch aus dem deutschen Schrifttum) die Bankgarantie form- und fristgerecht in Anspruch nehmen. Das gilt sowohl für die Anforderung der Garantiesumme als auch für die Erfüllung aller die Zahlungspflicht der Garantiebank auslösenden zusätzlichen Voraussetzungen. Dies muß umso mehr gelten, wenn die Garantiebank, wie hier, ihre Zahlungspflicht von der Erfüllung einer der Absicherung gegenüber dem Auftraggeber dienenden Bedingung, einer sogenannten Effektivklausel, einer „näher bezeichneten Tatsache“, abhängig macht (ÖBA 1993, 985; SZ 62/75; Avancini/Iro/Koziol, Österr. Bankvertragsrecht II Rz 3/83) und dabei in unterschiedlicher Intensität das Grundgeschäft zwischen Garantieauftraggeber und Begünstigtem in das Garantieverhältnis einbezieht (Zahn/Eberding/Ehrlich, Zahlung und Zahlungssicherung im Außenhandel6 Rz 9/26). Im vorliegenden Fall war die Wirksamkeit der Garantie an den Eintritt einer aufschiebenden Bedingung, die Einzahlung eines festgelegten Betrags - hier in voller Höhe des Garantiebetrags - auf ein bestimmtes Konto (Avancini/Iro/Koziol aaO mwN in FN 254), geknüpft. Diese Potestativbedingung muß formgerecht erfüllt sein, weil die Garantiebank sonst der Gefahr ausgesetzt wäre, daß die Pflichten dem Begünstigten gegenüber nach einem anderen Maßstab beurteilt werden als ihre Rechte gegenüber dem Auftraggeber.

Da Besprechungen der Streitteile oder sonstige für die Auslegung maßgebliche Umstände weder behauptet noch festgestellt sind, ist allein aufgrund des Wortlauts der vorliegenden Effektivklausel: „Diese unsere Haftung beginnt mit dem Tage der Einzahlung des oben genannten Betrages auf das Konto Nr. ... der Firma ... (Garantieauftraggeber) bei unserem Institut in ...“ zu ermitteln, wie die Bedingung von der klagenden Partei (bzw ihrem Rechtsvorgänger) als Begünstigtem und Erklärungsempfänger redlicherweise verstanden werden mußte (ÖBA 1990, 390; ÖBA 1989, 814 mit Anm von Rummel = RdW 1989, 95 = WBl 1989, 97). Entsprechend den Grundsätzen der formellen Auftragsstrenge und der auch als Auslegungsmaxime fungierenden, dem Schutz des Garanten vor allfälligen Einwendungen des Auftraggebers beim Rückgriff dienenden formellen Garantiestrenge ist daher eine solche Klausel so auszulegen, daß die Garantiebank den Eintritt der vereinbarten Bedingung für ihre Haftung sofort erkennen kann. Der erkennende Senat erachtet es demnach in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung als zutreffend, daß die Garantiebank vom Begünstigten die strikte, ja geradezu pedantische (ÖBA 1993, 985; SZ 62/75; Canaris in GroßKommHGB4 Bankvertragsrecht Rz 1133; einschränkend Rummel in ÖBA 1989, 818 und ihm erkennbar folgend 7 Ob 608/94 = ÖBA 1995, 632 = ecolex 1995, 404) Erfüllung der Voraussetzungen für den Bedingungseintritt verlangen darf, weil dies der Verkehrsauffassung bei Rechtsgeschäften wie Garantieverträgen entspricht und nur so jede überflüssige Rechtsunsicherheit vermieden werden kann. Dementsprechend wurde in der Entscheidung ÖBA 1989, 814, auch ausgesprochen, die Einzahlung eines geringeren als des in der Bankgarantie stipulierten höheren Betrags lasse die Garantie auch nicht teilweise wirksam werden.

Den dargestellten Auslegungsgrundsätzen zufolge hatte der Begünstigte entweder den „oben genannten Betrag“, das sind die im Garantiebrief mehrfach genannten 100.000 S, auf das angeführte Konto einzuzahlen oder - bei einer Überzahlung oder einer Zahlung in Teilbeträgen - jedenfalls eine klarstellende Widmung vorzunehmen, um nicht nur dem Garantieauftraggeber (Werkunternehmer), sondern vor allem auch der Garantiebank eine sofortige sichere Zuordnung der Zahlung zu ermöglichen. Auch die Überweisung eines Wechselerlöses ist jedenfalls dann Zahlung, wenn, wie hier, der Wechsel vom Bezogenen innerhalb der Garantiefrist honoriert wird. Die beiden hier zu beurteilenden widmungslosen Eingänge über je 55.000 S entsprechen nun den genannten formellen Voraussetzungen in keiner Weise. Daher hätte die klagende Partei den Nachweis der Erfüllung der „Effektivklausel“ bei Abruf der Garantie am 2.Juni 1993 an sich eindeutig und schlüssig darzulegen gehabt (ÖBA 1990, 636 mit Anm von Koziol = RdW 1990, 373 = ecolex 1990, 407). Über Aufforderung der beklagten Garantiebank mit deren Schreiben vom 6.Juli 1993, ihr den entsprechenden Nachweis über die Einzahlung der 100.000 S zu erbringen, hat die klagende Partei innerhalb der Garantiefrist aber den Nachweis der Einzahlung durch die vollständige Aufklärung des Sachverhalts erbracht. Damit ist aber der Zweck der vereinbarten Effektivklausel in jeder Hinsicht erfüllt und die Bedingung demnach mit dieser Aufklärung als eingetreten anzusehen.

Auf den Mißbrauchseinwand kommt die beklagte Partei in der Revision nicht mehr zurück.

b) Die Anfechtung im Zinsenausspruch ist dagegen berechtigt. Die klagende Partei begehrte Zinsen im Ausmaß von 10,5 %, ohne einen Nachweis für ihre Behauptung zu erbringen, mit Bankkredit zu arbeiten und hiefür Zinsen in dieser Höhe bezahlen zu müssen. Die Rechtsauffassung der zweiten Instanz, die beklagte Partei habe das entsprechende Vorbringen der klagenden Partei nur unsubstantiiert bestritten, wird vom Obersten Gerichtshof angesichts des entsprechenden Vorbringens (ON 2 AS 8) nicht geteilt. Die Bestreitung der Höhe der von der klagenden Partei begehrten Zinsen durch die beklagte Partei kann nicht in ein Zugeständnis iS des § 267 ZPO umgedeutet werden, sodaß die klagenden Partei von ihrer Beweispflicht nicht entbunden war. Ihr können daher nur die gesetzlichen Zinsen (§ 352 HGB) zuerkannt werden.

Der Revision ist demnach teilweise Folge zu geben. Die Kostenentscheidung fußt auf § 43 Abs 2 und § 50 ZPO.

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