OGH 1Ob546/88

OGH1Ob546/8813.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Wilhelm A***, Kaufmann in Ruhe, 2. Hildegard A***, Pensionistin, beide St. Andrä, Schloßweg 1, beide vertreten durch Dr. Gerhard Kaspar und Dr. Arnulf Kracker-Semler, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei K*** E***ktiengesellschaft, Klagenfurt,

Arnulfplatz 2, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Feststellung und Entfernung (Streitwert S 80.000,--) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24. November 1987, GZ 6 R 210/87-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 1. Juli 1987, GZ 27 Cg 41/87-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.668,18 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 424,38 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer der Liegenschaft EZ 337 KG Gratschach mit den Grundstücken 1007/13 und 279. Das auf der Liegenschaft errichtete Haus St. Andrä, Schloßweg 1, war mit Vertrag vom 23. Juli 1982 den Vereinigten Kirchenkreisen Dortmund und Lünen in Bestand gegeben. Die Liegenschaft der Kläger wird seit Jahren von der beklagten Partei mit Strom versorgt. Dem Stromlieferungsvertrag liegen die "Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit aus den Niederspannungsnetzen der Kärntner Elektrizitäts-AG" zugrunde. Die Allgemeinen Bedingungen sehen in Punkt III/3 vor:

"Der Abnehmer ist verpflichtet, falls er zugleich Grundstückseigentümer ist, die Zu- und Fortleitung elektrischer Arbeit über seine Grundstücke sowie das Anbringen von Leitungen, Leitungsträgern und Zubehör für die Zwecke örtlicher Versorgung - für die Niederspannungsanlagen ohne besonders Entgelt - zuzulassen und die Durchführung nach Kräften zu erleichtern, z.B. an Bäumen die erforderlichen Ausästungen vorzunehmen, an den von der K*** erstellten Einrichtungen kein Eigentumsrecht geltend zu machen, sie nach Wahl der K*** nach Aufhören des Gebrauches elektrischer Arbeit aus dem Netz noch fünf Jahre zu belassen oder ihre Entfernung zu gestatten und diese sämtlichen Verpflichtungen auf seinen Rechtsnachfolger zu übertragen."

Über die Liegenschaft der Kläger führte eine Hauptleitung der beklagten Partei in Form einer Freileitung, am Ende der Liegenschaft war ein A-Mast errichtet. Die beklagte Partei plante, anstelle der Freileitung eine Erdleitung zu errichten und den A-Mast durch einen Standverteiler zu ersetzen. Im November 1984 setzte sich Ing. Viktor M***, der Netzinspektor der beklagten Partei, mit dem im Haus der Kläger im Auftrag der Bestandnehmer tätigen Edwin S*** in Verbindung, der die Zustimmung zur Vornahme der Arbeiten zur Verlegung des Erdkabels gab. Die beklagte Partei begann am 6. Mai 1985 mit den Arbeiten. Als die Kläger am 8. Mai 1985 auf der Liegenschaft eintrafen, untersagten sie die Fortsetzung der Arbeiten, weil diese ohne ihre Genehmigung vorgenommen worden seien. Die beklagte Partei erklärte sich in dem an die Kläger gerichteten Schreiben vom 9. Mai 1985 bereit, das Niederspannungserdkabel auf ihre Kosten zu verlegen, wenn es im Zuge von künftigen Bauarbeiten auf der Liegenschaft der Kläger hinderlich sein sollte. Die Verlegung des Kabels wurde ungeachtet der Erklärung der Kläger fertiggestellt.

Die Kläger begehren die Feststellung, daß die beklagte Partei nicht berechtigt ist, über ihr Grundstück ein Niederspannungskabel zu führen und einen Hausanschlußkasten mit Betonsockel zu errichten. Die beklagte Partei sei daher schuldig, das über das Grundstück verlegte Niederspannungskabel sowie den an der Grenze zum Grundstück 1007/14 KG Gratschach gelegenen Hausanschlußkasten samt Betonsockel zu entfernen. Die Kläger führten aus, sie hätten keine Zustimmung zur Verlegung der Leitung in ihrem Grund und Boden und den damit verbundenen Grabungsarbeiten gegeben. Das Erdkabel diene auch nicht der Versorgung ihres Grundstückes. Sie hätten der beklagten Partei niemals eine Servitut eingeräumt, die sie zur Verlegung einer Erdleitung berechtige.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil die Kläger auf Grund der Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit verpflichtet seien, die strittige Veränderung, die der Modernisierung des Stromnetzes diene, zuzulassen. Sie hätten dieser Veränderung auch ausdrücklich zugestimmt.

Das Erstgericht gab dem Feststellungs- und Leistungsbegehren statt. Es stellte fest:

Edwin S*** sei nicht von den Klägern als Verwalter der Liegenschaft bestellt worden, sondern von den Vereinigten Kirchenkreisen Dortmund und Lüneburg beauftragt, für die im Haus der Kläger untergebrachten Gäste zu kochen. Edwin S*** habe sich aber als Pächter der Liegenschaft geriert. Die Kläger hätten zur Verlegung des Erdkabels keine Zustimmung erteilt. Der Erstkläger habe von einem Angestellten der beklagten Partei gefordert, daß die Arbeiten auf dem Grundstück eingestellt, das verlegte Erdkabel entfernt und der Kabelgraben wieder zugeschüttet werde. In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, die Kläger müßten zwar Punkt III/3 der Allgemeinen Bedingungen gegen sich gelten lassen, doch hätten sie die dort vorgesehene Duldungspflicht bereits dadurch erfüllt, daß sie der Verlegung einer Freileitung und dem Aufstellen eines A-Mastes zugestimmt hätten. Für die von der beklagten Partei vorgenommenen Veränderungen hätte ein Einvernehmen mit den Klägern hergestellt werden müssen, was nicht geschehen sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es die Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes in Ansehung jedes Teilbegehrens S 15.000,--, jedoch auch insgesamt nicht S 300.000,-- übersteige. Es erklärte die Revision für zulässig. § 11 des Kärntner Elektrizitätsgesetzes vom 1. Juli 1969, LGBl. 1969/47, sehe ausdrücklich die Einräumung von Leitungsrechten vor, wenn über die Grundstücksbenützung im Einzelfall keine privatrechtliche Vereinbarung getroffen worden sei. Diese Leitungsrechte umfaßten u.a. das Recht auf Errichtung und Erhaltung sowie auf den Betrieb von Leitungsstützpunkten, Schalt- und Umspannanlagen und sonstigen Leitungsobjekten, auf Führung und Erhaltung sowie auf den Betrieb von Leitungsanlagen im Luftraum und unter der Erde. Nach § 14 Abs 1 des Gesetzes sei bei der Ausübung dieser Leitungsrechte mit tunlichster Schonung der benutzten Grundstücke und der Rechte Dritter vorzugehen. Wenn auch Leitungsrechte nach der vorgenannten Bestimmung des Kärntner Elektrizitätsgesetzes kraft behördlicher Anordnung eingeräumt werden, bestehe doch kein Anlaß, Leitungsrechte, die im Wege privatrechtlicher Vereinbarung begründet wurden, anders zu behandeln. Die Kläger hätten im Sinne des Punktes III/3 der Allgemeinen Bedingungen der beklagten Partei widerspruchslos hingenommen, daß eine Freileitung über ihr Grundstück gelegt und ein A-Mast errichtet werde. Dienstbarkeiten dürften zwar nicht erweitert werden, doch könne andererseits der Dienstbarkeitsberechtigte sein Recht auf die ihm gefällige Art ausüben, sofern dies nur in schonender Weise erfolge. Die Kläger hätten nicht behauptet, daß sie durch die nunmehrige Art der Ausübung der Leitungsrechte beeinträchtigt würden. Sie stellten sich vielmehr auf den unzutreffenden Standpunkt, die beklagte Partei hätte zur Änderung der Art der Ausübung der Servitut ihrer Zustimmung bedurft. Im Regelfall stelle aber die Verlegung einer Freileitung unter die Erde keine Erweiterung des Leitungsrechtes dar. Für eine solche Maßnahme sprächen sachliche Gründe, wie etwa die Anpassung an zeitgemäße technische Gegebenheiten und die Rücksichtnahme auf das Landschaftsbild. Da die beabsichtigte Veränderung die Kläger nicht stärker belaste als bisher, sei ihr Begehren nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Kläger kommt Berechtigung nicht zu.

Das Kärntner Elektrizitätsgesetz, LGBl. 1969/47, gilt gemäß seinem § 1 Abs 1 nur für elektrische Leitungsanlagen für Starkstrom, die sich auf das Bundesland Kärnten erstrecken. Die Bestimmungen dieses Gesetzes sind demnach auf den vorliegenden Fall des Ersatzes einer Niederspannungsfreileitung durch eine Niederspannungserdleitung nicht anwendbar. Zwischen den Streitteilen gilt aber Punkt III/3 der Allgemeinen Bedingungen der beklagten Partei, wonach der Stromabnehmer, falls er zugleich Grundstückseigentümer ist, die Zu- und Fortleitung elektrischer Arbeit über seine Grundstücke sowie das Anbringen von Leitungen, Leitungsträgern und Zubehör für die Zwecke örtlicher Versorgung zuzulassen und die Durchführung nach Kräften zu erleichtern hat. Sinn dieser Bestimmung ist es, im Wege der privatrechtlichen Vereinbarung sicherzustellen, daß ein Grundeigentümer künftigen anderen Abnehmern die von ihnen gewünschte Stromversorgung nicht durch Hinweis auf sein Eigentum unmöglich machen kann. Die Bestimmung kann auch nicht dahin verstanden werden, daß der Grundstückseigentümer jweils nur die erstmalige Errichtung von Leitungen zum Zwecke der Zu- und Fortleitung elektrischer Arbeit über sein Grundstück zu dulden hätte, nicht aber die Änderung solcher Leitungsanlagen. Das der beklagten Partei in den Allgemeinen Bedingungen eingeräumte Recht kann als persönliche (nicht verbücherte) Dienstbarkeit qualifiziert werden (vgl. Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 481), die wie alle Dienstbarkeiten gemäß § 484 ABGB schonend, d.h. unter Bedachtnahme auf die Interessen des Eigentümers der belasteten Liegenschaft, auszuüben ist (Petrasch a.a.O. Rz 3 zu § 484 ABGB), unter dieser Voraussetzung aber auf die dem Berechtigten "gefällige Art" ausgeübt werden darf, also auch verändert (RZ 1985/27; Schwimann-Simmer, ABGB, § 484 Rz 3; Petrasch aaO Rz 1 zu § 484 ABGB). Mit Recht verwies das Berufungsgericht darauf, daß die Kläger in erster Instanz nicht geltend gemacht haben, daß sie die Verlegung der Erdleitung stärker belaste als die Freileitung. Der allfälligen Notwendigkeit der Verlegung der Erdleitung im Zuge von baulichen Maßnahmen des Liegenschaftseigentümers trug die beklagte Partei ohnehin dahin Rechnung, daß sie sich verpflichtete, die Erdleitung zu verlegen, falls dies wegen einer Bauführung erforderlich sein sollte. Es wurde auch nicht vorgebracht, daß die gärtnerische Gestaltung der Liegenschaft erschwert wäre oder Erdkabel reparaturanfälliger seien als Freileitungen. Im Verfahren vor dem Erstgericht wurde auch nicht vorgebracht, daß die Anbringung eines "mannshohen" Plastikverteilerkastens beabsichtigt sei, der nach Form, Farbe und Plazierung einen störenden Fremdkörper darstelle. Daß die Kläger vor Beginn der Arbeiten nicht verständigt wurden, trifft zu, vermag aber für sich allein das Klagebegehren nicht zu rechtfertigen. Demzufolge war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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