Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluß der Vorinstanzen über die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht N***** wird ersatzlos aufgehoben. Im übrigen werden die Beschlüsse der Vorinstanzen dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Die Obsorge für den minderjährigen Matthias K*****, geboren am 26.9.1989, steht zur Gänze dem unehelichen Vater Leopold D***** zu."
Text
Begründung
Der mj.Matthias K***** wurde am 26.9.1989 unehelich geboren. Seine Mutter Gabriela verstarb am 6.10.1989. Leopold D***** anerkannte am 25.10.1989 vor der Bezirkshauptmannschaft St.Pölten Jugendamt die Vaterschaft zu dem Kind. Dieses Vaterschaftsanerkenntnis ist dem Standesamt St.Pölten zugekommen. Ein Widerspruch gegen das Anerkenntnis wurde nicht erhoben.
Die mütterlichen Großeltern sprachen sich am 21.11.1989 vor Gericht dafür aus, daß die Obsorge in Ansehung der Vermögensverwaltung der zuständigen Jugendwohlfahrtsbehörde übertragen werde, die Pflege und Erziehung des Kindes solle die Cousine der Mutter, Cornelia F*****, übernehmen. Die Übernahme der Obsorge durch den unehelichen Vater lehnten sie entschieden ab. Es sei Wille der Verstorbenen gewesen, ihr Kind allein großzuziehen. Der väterliche Großvater erklärte die Obsorge für das Kind weder übernehmen zu können noch zu wollen. Die schon schwer leidende väterliche Großmutter ist der Aktenlage nach am 13.4.1990 verstorben.
Das Erstgericht übertrug mit Beschluß vom 21.11.1989, ON 9, der unangefochten blieb, die Obsorge für das Kind vorläufig der Bezirkshauptmannschaft N*****.
Der Vater beantragte daraufhin, ihm die Obsorge für das Kind zu übertragen. Er sei damit einverstanden, daß Cornelia F*****, der am 7.11.1989 die Pflegestellenbewilligung erteilt worden war, die Betreuung des Kindes übernehme. Nach einem Bericht der Bezirkshauptmannschaft N***** vom 30.11.1989 habe Cornelia F***** erklärt, für den Fall, daß dem Vater die Obsorge zuerkannt werde, nicht mehr bereit zu sein, das Kind weiterhin in Pflege zu behalten. Der Vater erwiderte, daß er in diesem Fall seine Schwester Gertrude D***** als Pflegeperson vorschlage. Nach einem Bericht der Bezirkshauptmannschaft L***** vom 25.1.1990 ist der uneheliche ledige und alleinstehende Vater Maurervorarbeiter. Er bewohnt eine sehr schöne und sauber gehaltene Wohnung. Er hat weiters für ein 1988 geborenes uneheliches Kind zu sorgen, für das er regelmäßig Unterhalt bezahlt. Er halte Kontakt zu diesem Kind und besuche es zwei Mal im Monat.
Das Erstgericht übertrug mit Beschluß ON 20 die Obsorge für das Kind endgültig der Bezirkshauptmannschaft N*****. Das Vaterschaftsanerkenntnis sei noch nicht rechtswirksam, weil niederschriftliche Erklärungen, in der Leopold D***** als Vater des Kindes bezeichnet werde, weder von der Mutter noch vom gesetzlichen Vertreter des Kindes vorliegen. Mit einem weiteren Beschluß übertrug es gemäß § 111 JN die Zuständigkeit an das Bezirksgericht N*****.
Das Rekursgericht gab dem gegen beide Beschlüsse gerichteten Rekurs des Vaters nicht Folge. Es bestätigte den Beschluß ON 20 mit der Maßgabe, daß das Land B***** als Jugendwohlfahrtsträger zum Vormund des Kindes bestellt werde. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte es für zulässig. Das Vaterschaftsanerkenntnis sei dem Standesbeamten zugekommen und daher wirksam. Gemäß § 166 ABGB sei der Mutter die alleinige Obsorge zugestanden. Nach ihrem Tod sei gemäß § 145 Abs 1 Satz 2 ABGB eine Entscheidung des Gerichtes erforderlich, ob die Obsorge dem überlebenden Elternteil oder ob und welchem Großelternpaar (Großelternteil) sie zukommen soll, wobei sich diese Entscheidung am Wohl des Kindes zu orientieren habe. Wenn es das Wohl des Kindes gebiete, daß die Obsorge keiner der in Frage kommenden Personen zukomme, sei gemäß § 187 ABGB ein Vormund zu bestellen, gegebenenfalls gemäß § 213 ABGB in Form des Jugendwohlfahrtsträgers. Im vorliegenden Fall seien weder die mütterlichen noch die väterlichen Großeltern bereit bzw in der Lage, die Obsorge für das Kind zu übernehmen. Es komme daher eine Übertragung der Obsorge lediglich an den Vater in Betracht; sollte diese dem Wohl des Kindes nicht entsprechen, habe ein Vormund bestellt zu werden. Eine Übertragung der Obsorge nach § 176a ABGB, wie sie vom Erstgericht vorgenommen worden sei, komme deshalb nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen für die Übertragung der Obsorge an den Jugendwohlfahrtsträger (Gefährung des Kindeswohles und Notwendigkeit der gänzlichen Entfernung aus seiner bisherigen Umgebung gegen den Willen der Erziehungsberechtigten) hier nicht vorlägen. Es komme daher lediglich eine Bestellung des Jugendwohlfahrtsträgers zum Vormund in Frage. Wie der Vater selbst zugeben müsse, sei er nicht in der Lage, die Obsorge für seinen einjährigen Sohn selbst auszuüben. Da er berufstätig sei und allein lebe, müsse er die Ausübung der Obsorge dritten Personen übertragen, er wäre damit einverstanden, daß die Pflege und Erziehung seines Sohnes von Cornelia F***** wahrgenommen werde. Diese habe sich aber nicht dazu bereit erklärt, die Pflege und Erziehung des Minderjährigen zu übernehmen, wenn die Obsorge dem Vater zukomme. Da in diesem Fall die derzeit gegebene Pflege und Erziehung des Kindes ausfallen würde und eine tragfähige Alternative nicht gegeben sei bzw auch die wünschenswerte Kontinuität der Betreuung einer Änderung der Pflegeverhältnisse entgegenstehe, widerspräche die Zuweisung der Obsorge an den Vater dem Kindeswohl. Hat aber das Kind nunmehr seinen Lebensschwerpunkt im Bezirk N*****, sei die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht N***** gerechtfertigt.
Der Revisionsrekurs des Vaters ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rekursgericht ist darin zu folgen, daß nach der mit dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsänderungsgesetzes 1989, BGBl Nr 126 (1.7.1989), geschaffenen Rechtslage das formgerecht abgegebene Vaterschaftsanerkenntnis des Leopold D***** mit dem Zeitpunkt, da es dem Standesbeamten zukam, wirksam wurde (§ 163c Abs 1 ABGB, Pichler in Rummel2 Rz 12 zu § 163c; Schwimann, ABGB Rz 2 zu § 163c). Die Interessen von Mutter und Kind sind nunmehr durch die Möglichkeit des Widerspruches nach § 163d ABGB gewahrt (Schwimann in NZ 1990, 225). Eine Beseitigung dieses rechtswirksamen Vaterschaftsanerkenntnisses nach § 164 ABGB erfolgte nicht. Dem Revisionsrekurswerber kommen daher entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes alle sich aus dem Gesetz ergebenden Rechte eines unehelichen Vaters zu.
Wenn die uneheliche Mutter des Kindes, der gemäß § 166 ABGB die alleinige Obsorge für das Kind zugekommen war, stirbt, hat das Gericht gemäß § 145 Abs 1 zweiter Satz ABGB unter Beachtung des Wohles des Kindes zu entscheiden, ob die Obsorge ganz oder teilweise dem anderen Elternteil oder ob und welchem Großelternpaar (Großelternteil) sie zukommen soll (RV 1972 Blg
17. GP, 14, 16; Schwimann aaO Rz 2 zu § 166, Rz 4 zu § 145; Pichler aaO Rz 2a zu § 145; derselbe in JBl 1989, 678).
Die mütterlichen Großeltern haben vor Gericht erklärt, daß sie nicht einmal einen Teilbereich der Obsorge ausüben wollen. Ein Antrag auf Übertragung der Obsorge nach § 186 ABGB wurde auch von den Pflegeeltern nicht gestellt. Die Prüfungspflicht der Vorinstanzen beschränkte sich daher darauf, ob dem Vater die Obsorge für das Kind zuzuerkennen ist. Aus der Person des Vaters abzuleitende Bedenken, ihm die Obsorge zu übertragen bestehen nicht. Er lebt in geordneten Verhältnissen, kommt für ein weiteres uneheliches Kind seiner Unterhaltspflicht nach und hält auch persönlichen Kontakt zu diesem Kind. Der berufstätige, ledige und alleinstehende Vater kann zwar nicht persönlich die Pflege und Erziehung des Kindes durchführen. Damit befindet er sich aber in keiner anderen Lage als viele alleinstehende Mütter, die in absehbarer Zeit nach der Geburt des Kindes zur Deckung ihres Lebensunterhaltes einer ganztägigen Beschäftigung nachgehen müssen und daher entweder auf die Hilfe ihrer Verwandten angewiesen sind oder die sozialen Dienste des Jugendwohlfahrtsträgers in Anspruch nehmen müssen. Die Berufsausübung durch den Vater allein kann daher keinen Grund bilden, ihm die Obsorge für das Kind auch nur teilweise zu versagen.
Auch dem weiteren Argument des Rekursgerichtes, der Übertragung der Obsorge an den Vater stehe die Kontinuität der Betreuung entgegen, kann nicht gefolgt werden. Ganz abgesehen davon, daß es nicht recht verständlich erscheint, warum die Pflegeeltern, die derzeit weder die Adoption anstreben, noch selbst die Obsorge für das Kind übertragen erhalten wollen, die Absicht haben, den Pflegevertrag zu beenden, sollte dem Vater die Obsorge zuerkannt werden, stellt dies keinen zureichenden Grund dar, dem Vater die Übertragung der Obsorge zu verweigern. Es sind jedenfalls derzeit keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß bei einer Übertragung der Obsorge an den Vater das Wohl des Kindes gefährdet sein könnte. Ständiger Rechtsprechung entspricht es, daß bei Rückstellung eines Kindes an einen Elternteil die mit einem Wechsel regelmäßig verbundene vorübergehende Belastung des hier nicht einmal zweijährigen Kindes in Kauf zu nehmen ist, wenn die Prognose für eine ordnungsgemäße Erziehung durch die Eltern spricht (EFSlg 51.316, 45.865, 38.415, 35.984 ua; Schlemmer/Schwimann in Schwimann, ABGB Rz 9 zu § 177).
Dem Revisionsrekurs ist Folge zu geben und dem Vater die Obsorge zu übertragen. Damit entfallen aber auch die Voraussetzungen für eine Übertragung der Vormundschaft nach § 111 JN an das Bezirksgericht N*****.
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