OGH 1Ob538/89

OGH1Ob538/891.3.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Christine L***, Hauseigentümerin, Mödling, Dr.Karl GiannoniGasse 5,

2.) Dr. Hero-Ruth W***, Hauseigentümerin, Hameln,

Rüdergasse 3, Bundesrepublik Deutschland, 3.) Dozent Dr.Theodor W***, Hauseigentümer, Dethold, Bandelstraße, Bundesrepublik Deutschland, 4.) Dipl.Ing. Michael W***, Hauseigentümer, Salzgitter, Seewinkel 15, Bundesrepublik Deutschland, sämtliche vertreten durch Ewald R*** Gesellschaft mbH, Wien 2., Glockengasse 1/II/8, diese vertreten durch Dr.Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Pal P***, Kaufmann, Wien 7., Lindengasse 39/7, vertreten durch Dr.Inge Fucik, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 5.Oktober 1988, GZ 41 R 551/88-13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 7. März 1988, GZ 47 C 759/86-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 10.233,06 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin enthalten S 790,42 Umsatzsteuer und S 1.538 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Vertrag vom 1.Juli 1975 mietete der Beklagte zum Zwecke des Betriebes des Handels mit Waren aller Art auf unbestimmte Zeit ein im Hause Wien 7., Kirchengasse 19, gelegenes, aus einem (etwa 25 bis 28 m2 großen) Raum bestehendes Geschäftslokal. Vor ca. sieben Jahren verkaufte der Beklagte das in diesem Geschäftsraum betriebene Unternehmen an Ferenc T***, blieb aber weiter gewerberechtlicher Geschäftsführer. Unternehmensträger war in der Folge die Firma T*** & Co Gesellschaft mbH. Da der von dieser Gesellschaft betriebene Textilhandel nicht gut ging, wurde das Lokal Ende Juni 1986 gesperrt. Es wurden Überlegungen angestellt, ob mit dem Verkauf anderer Produkte Gewinne erzielt werden könnten. Der Beklagte und Ferenc T*** fuhren im August 1986 auf Urlaub. Nach Rückkehr vom Urlaub begann Ferenc T*** mit Renovierungsarbeiten, die sich bis April 1987 hinzogen, weil Ferenc T*** in den Monaten Februar bis April 1987 krank war und die von ihm selbst durchgeführten Arbeiten nicht in einem Zug beenden konnte. Im April 1987 wurde das Geschäft wieder geöffnet. Vorerst wurden Parfumeriewaren verkauft; der Verkauf wurde in der Folge jedoch wieder eingestellt. Im Juli 1987 wurde mit einem Möbelhandel begonnen, der auch zum Schluß der Verhandlung erster Instanz (24.November 1987) betrieben wurde. Die im Lokal befindlichen Möbel sind mit Preiszetteln versehen. Der Raum ist komplett mit Teppichen ausgelegt; im Geschäftslokal befinden sich auch diverse Geschäftsunterlagen. Bei den durchgeführten Renovierungsarbeiten wurde u.a. alles frisch tapeziert und gestrichen. Das Mietobjekt macht einen guten und eingerichteten Eindruck.

Die Kläger stützten ihre am 17.November 1986 eingebrachte Aufkündigung auf den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 7 MRG. Das Geschäftslokal werde nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet. Der Beklagte wendete ein, bis Ende Juli 1986 sei das Einzelhandelsgeschäft ohne Unterbrechung geöffnet gewesen. Nach Urlaub im August 1986 habe der Beklagte im September 1986 beschlossen, das Lokal, das sich bereits in einem abgenützten Zustand befunden habe, ohne Zuhilfenahme von Professionisten zu renovieren. Nach Abschluß der Renovierungsarbeiten werde die normale Verkaufstätigkeit wieder aufgenommen werden. Zur bedungenen Verwendung eines Geschäftslokales diene auch dessen ordnungsgemäße und dem Zweck des Unternehmens entsprechende Instandsetzung. Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren ab. Es stellte fest, es habe von Anfang an der Wille des Beklagten bzw. des Ferenc T*** bestanden, das Objekt, wie es im Mietvertrag bedungen sei, wenn auch mit anderen Produkten als bisher, weiterzuführen. Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG sei dann nicht gegeben, wenn das Geschäft vorübergehend wegen Renovierungsarbeiten geschlossen gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge. Es änderte das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Aufkündigung für rechtswirksam erklärte und dem Räumungsbegehren stattgab. Es sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige. Die Revision erklärte es für nicht zulässig. Es legte den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde.

§ 30 Abs 2 Z 7 MRG setze das Fehlen einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit voraus. Liege dieses Erfordernis vor, so sei zur Verwirklichung des Kündigungstatbestandes weiters erforderlich, daß es dem Aufgekündigten am schutzwürdigen Interesse mangle. Während das Fehlen einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit vom Kündigenden zu beweisen sei, obliege der Beweis eines schutzwürdigen Interesses dem Gekündigten. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung (24.November 1986) sei keine geschäftliche Tätigkeit im aufgekündigten Mietobjekt erfolgt, es seien nur Renovierungsarbeiten vorgenommen worden. Notwendige Renovierungsarbeiten, die zu einer vorübergehenden Stillegung des Geschäftsbetriebes führten, seien einer mangelnden regelmäßigen geschäftlichen Betätigung nicht gleichzusetzen, wenn geplant sei, nach Abschluß der Arbeiten die geschäftliche Tätigkeit im Geschäftslokal wieder fortzusetzen. Wenn die Nichtbenützung eines Geschäftslokales feststehe, sei es Sache des Mieters, den Beweis dafür zu erbringen, daß diese nur eine vorübergehende sei. Die Gründe, aus denen eine Wiederaufnahme regelmäßiger geschäftlicher Betätigung berechtigterweise zu erwarten sei, müßten zu dem für die Kündigung maßgebenden Zeitpunkt bereits konkret faßbar sein. Der Beklagte habe aber weder behauptet noch auch erweisen können, daß zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung ein konkreter Termin zur Wiedereröffnung des Geschäftslokales geplant gewesen sei. Es seien somit weder Gründe behauptet noch erwiesen worden, nach denen eine Wiederaufnahme regelmäßiger im Vertrag bedungener oder gleichwertiger geschäftlicher Betätigungen in dem für die Kündigung maßgeblichen Zeitpunkt berechtigterweise und konkret faßbar zu erwarten gewesen wären. Daß ein konkreter Zeitpunkt, zu dem der Nichtgebrauch des Lokales beendet sein würde, in absehbarer Zukunft vorgelegen wäre, wurde weder behauptet noch erwiesen. Aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergebe sich, daß die voraussichtliche Dauer der schleppend durchgeführten Renovierungsarbeiten wohl als eine ungewisse anzusehen gewesen sei, deren Beendigung auch von ungewissen künftigen Entwicklungsmöglichkeiten abhängig gewesen sei. Daran könne auch nichts ändern, daß eine Wiedereröffnung des Lokales im April 1987 erfolgt sei, da auch dieser Zeitpunkt keineswegs als vom Beklagten sicher erwartet anzusehen gewesen sei. Dem Beklagten sei somit der Beweis, daß zum Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung zu erwarten gewesen sei, daß das Objekt in naher Zukunft wieder zum vertraglich bedungenen Zweck verwendet werden sollte und somit der Nachweis, daß es sich um eine bloß vorübergehende Nichtverwendung gehandelt habe, nicht gelungen. Die nicht in einem Zug durchgeführten Renovierungsarbeiten seien deshalb nicht geeignet gewesen, einer regelmäßigen geschäftlichen Betätigung gleichgesetzt zu werden.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG setzt das Fehlen einer regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit und den Mangel eines schutzwürdigen Interesses voraus (Würth in Rummel, ABGB, Rz 34 zu § 30 MRG). Hat der Vermieter das Fehlen der regelmäßigen geschäftlichen Tätigkeit nachgewiesen, kann der Mieter die Kündigung noch immer durch den Nachweis abwehren, daß eine vertragsgemäße Verwendung in naher Zukunft mit Sicherheit zu erwarten sei, sein schutzwürdiges Interesse somit gegeben ist (RdW 1988, 87; MietSlg 34.482, 32.409; 5 Ob 510/88). Zur Beurteilung dieser Frage ist auch auf die Sachlage zum Schluß der Verhandlung erster Instanz Bedacht zu nehmen (MietSlg 31.458; 6 Ob 661/87; Würth aaO Rz 5 zu § 33 MRG). Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, daß die im Lokal vorgenommenen Renovierungsarbeiten nicht mehr als geschäftliche Betätigung anzusehen wären. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, daß sowohl Vorarbeiten zur Aufnahme der geschäftlichen Tätigkeit (MietSlg 2559) als auch die mit der Auflösung eines Betriebes zusammenhängende Tätigkeit (MietSlg 29.379, 15.446, 7474; Würth aaO Rz 34 zu § 30 MRG) das Erfordernis der geschäftlichen Tätigkeit erfüllen. Gleiches muß dann aber auch, wie bereits in mehreren zweitinstanzlichen Entscheidungen ausgeführt wurde (Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien MietSlg 38.471 und 31.442), bei einer vorübergehenden Stillegung wegen Durchführung von Renovierungsarbeiten jedenfalls dann gelten, wenn die Wiederaufnahme der Verkaufstätigkeit sicher zu erwarten ist. Da nach den Feststellungen der Vorinstanzen der Beklagte bzw. Ferenc T*** immer den Willen hatten, das Objekt, so wie es im Mietvertrag bedungen war, wenn auch zulässigerweise mit anderen Produkten als bisher weiterzuführen, diese Absicht auch Monate vor Schluß der Verhandlung erster Instanz bereits verwirklicht war, kann es dem Beklagten nicht schaden, daß sich durch widrige Umstände die ohne Zuhilfenahme von Professionisten durchgeführten Renovierungsarbeiten länger hinzogen als ursprünglich geplant war. Der allein geltend gemachte Kündigungsgrund liegt nicht vor. Der Revision ist Folge zu geben. In Abänderung der angefochtenen Entscheidung ist das Urteil des Erstgerichtes wieder herzustellen. Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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