OGH 1Ob533/95

OGH1Ob533/9527.2.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.Prof.Dipl.Ing.Dr.Günter *****, vertreten durch Dr.Harald Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Irene O*****, vertreten durch Dr.Peter Primus, Rechtsanwalt in Graz, wegen Schlüsselherausgabe (Streitwert S 100.000) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 12.September 1994, GZ 6 R 66/94-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 21.Dezember 1993, GZ 17 Cg 433/93-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde als Erbe nach seiner verstorbenen Ehegattin, einer Tochter der Beklagten, zu einem Viertel Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****, bestehend aus dem Haus ***** mit Garten. Ein Sohn und eine Tochter der Beklagten sind zu je drei Achteln Miteigentümer dieser Liegenschaft. Ein im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens nach dem Tod des Ehegatten der Beklagten am 14.11.1970 geschlossenes „Erbübereinkommen“ enthält auszugweise folgende Regelungen:

„1. Die erbl. Witwe Frau Irene O***** übernimmt in ihr Alleineigentum:

......

b) aus EZ ***** den Trennstreifen des ***** im Ausmaße von 193 m2....

2. Die gesamte übrige Liegenschaft EZ ***** übernehmen die vier mj. erbl. Kinder je zu 1/4 Anteile in ihr Eigentum.

3. Die vier mj. erbl. Kinder räumen hiemit ihrer Mutter Frau Irene O***** und zwar ausdrücklich nur ihr allein und nicht auch einem Lebensgefährten oder Ehegatten das - abgesehen von der Mitbenützung durch die Kinder - ausschließliche und unentgeltliche, lebenslängliche Wohnungsrecht im gesamten Hause ***** ein.“

Mit Schreiben vom 29.6.1992 ersuchte der Kläger die Beklagte um Übergabe eines Schlüssels zur Liegenschaft. Dies wurde namens der Beklagten von deren Vertreter mit Schreiben vom 10.7.1992 abgelehnt.

Zur Instandhaltung des von der Beklagten bewohnten Hauses besteht ein aktueller Investitionsbedarf. Die Miteigentümer der Liegenschaft erzielten aber bisher noch kein Einvernehmen über die Durchführung von Sanierungsarbeiten auf Grundlage eingeholter Kostenvoranschläge.

Gegenüber einem Sohn der Beklagten äußerte der Kläger, er benötige den begehrten „Schlüssel, um die Beklagte terrorisieren zu können“. Jedenfalls möchte der Kläger im von der Beklagten bewohnten Haus „jederzeit ein- und ausgehen können“. Von ihm wurde auch erwogen, dort ein Zimmer zu beziehen.

Die Beklagte gestattet dem Kläger „zum Zwecke der nötigen Aufsicht den Zutritt“ zur Liegenschaft und dem darauf befindlichen Haus.

Der Kläger begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm einen Schlüssel für das Gartentor zur Liegenschaft mit dem Haus ***** und einen weiteren Schlüssel für das Eingangstor dieses Hauses - jedenfalls aber einen Schlüssel für das Gartentor - zu übergeben. Er sei als Miteigentümer gemäß § 522 ABGB berechtigt, den jeweiligen Bauzustand des Hauses zu kontrollieren. Dadurch werde in das Wohnungsrecht der Beklagten in keiner Weise eingegriffen. Der begehrten Herausgabe von Schlüsseln stehe somit nichts im Wege. Das Wohnungsrecht der Beklagten auf Grundlage des Erbübereinkommens vom 14.11.1970 beziehe sich lediglich auf das bezeichnete Haus, es erstrecke sich dagegen nicht auch auf den zur Liegenschaft gehörenden Garten.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und replizierte im wesentlichen, die ihr eingeräumte Dienstbarkeit des Wohnungsrechtes beziehe sich auf die „gesamte Liegenschaft“ und daher auch auf „sämtliche Räume“ des darauf befindlichen Hauses. Das Klagebegehren sei daher nicht berechtigt und finde auch in § 522 ABGB keine Rechtsgrundlage. Dem Kläger sei der Zutritt zum Haus auch niemals verwehrt worden und er könne die Liegenschaft, soferne er dies wünsche, nach vorheriger Terminvereinbarung in Anwesenheit der Beklagten besichtigen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat im wesentlichen die Ansicht, der Beklagten stehe die Dienstbarkeit der Wohnung für sämtliche Räume des Hauses zu. Zur Entscheidung des Streitfalles sei § 8 Abs 2 MRG analog heranzuziehen. Danach habe der Mieter das Betreten der in Bestand genommenen Wohnung durch den Vermieter aus wichtigen Gründen zu gestatten. Dem Kläger komme jedoch kein Recht zu, sich eine ständige Zutrittsmöglichkeit zur Liegenschaft zu verschaffen. Daher sei die Beklagte auch nicht zur Herausgabe der begehrten Schlüssel verpflichtet. Das Miteigentumsrecht des Klägers sei dahin eingeschränkt, die Liegenschaft und das darauf befindliche Haus nur nach vorheriger Absprache und mit Einverständnis der Beklagten als Dienstbarkeitsberechtigte zu betreten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es vertrat im wesentlichen folgende Ansicht:

Das der Beklagten mit dem Erbübereinkommen vom 14.11.1970 eingeräumte Wohnungsrecht sei nicht als auf das Wohngebäude bezogene Fruchtnießung anzusehen, sondern stelle lediglich ein Wohnungsgebrauchsrecht dar. Für den Kläger lasse sich daraus aber nichts gewinnen, weil er als Miteigentümer der Liegenschaft gemäß § 522 ABGB lediglich das Recht behält, über Teile des Hauses zu verfügen, die nicht zur eigentlichen Wohnung gehörten. Solche Teile seien im vorliegenden Fall jedoch nicht vorhanden. Aus der Einschränkung des Wohnungsrechtes der Beklagten durch die ihren Kindern zugestandene Mitbenützung könne nicht der Schluß gezogen werden, es stehe „auch den Miteigentümern der Liegenschaft“ ein Mitbenützungsrecht zu. Dem gemäß § 522 ABGB dem Kläger eingeräumten Schutz, wonach ihm die nötige Aufsicht über „sein Haus“ nicht erschwert werden dürfe, sei dadurch Genüge getan, daß er nach vorheriger Absprache mit der Beklagten das Haus betreten könne. Sollte sich das Wohnungsrecht der Beklagten lediglich auf das Haus beziehen, fehle es jener „als Nichtmiteigentümerin an der Liegenschaft“ an der Passivlegitimation mit Rücksicht auf das Begehren, wenigstens einen Schlüssel für das Gartentor zur Liegenschaft herauszugeben. Sollte dagegen ein Nutzungsrecht der Beklagten an der Liegenschaft aus dem ihr eingeräumten Wohnungsrecht abgeleitet werden, träfen die rechtlichen Erwägungen zur Verneinung des Anspruches auf Herausgabe eines Schlüssels zum Hauseingangstor auch auf die begehrte Herausgabe eines Schlüssels für das Gartentor zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Soweit der Kläger vorbrachte, sein Begehren finde eine Stütze auch in § 522 ABGB, nach dem dem Eigentümer die nötige Aufsicht über sein Haus nicht erschwert werden dürfe, fehlt es an höchstgerichtlicher Rechtsprechung.

Die in § 521 ABGB geregelte Dienstbarkeit der Wohnung unterliegt entweder den Grundsätzen des Gebrauchsrechtes (§§ 504 ff ABGB) oder ist den Regeln der Fruchtnießung (§§ 509 ff ABGB) zu unterstellen. Das Wohnungsgebrauchsrecht gewährt dessen Inhaber die Befugnis, die Wohnräume im Rahmen seiner Bedürfnisse zu benützen; eine Übertragung des Rechts seiner Ausübung nach scheidet aus. Dagegen darf der Wohnungsfruchtnießer alle bewohnbaren Teile des Hauses - auch wenn diese sein Bedürfnis übersteigen - ohne alle Einschränkung genießen und sein Recht auch anderen überlassen. Welche Art des Wohnungsrechts im Einzelfall vorliegt, ist eine Frage der Auslegung des Erwerbstitels. Als Fruchtnießung wird das Wohnungsrecht im Zweifel dann angesehen, wenn es ein selbständiges Gebäude zum Gegenstand hat (SZ 60/86; SZ 57/155; Klang 2 II 598 f; Koziol-Welser 9 II 162, 164, 166 f). In Verbindung mit den bewohnbaren Teilen eines Gebäudes kann auch ein Hausgarten - jedenfalls auf Grundlage einer entsprechenden Vereinbarung - Gegenstand eines Wohnungrechts sein (RZ 1977/111; Petrasch in Rummel, ABGB2 Rz 1 zu § 521).

Soweit der Erwerbstitel - wie hier - auch zur Bestimmung des Umfangs einer eingeräumten Dienstbarkeit auszulegen ist, ist auf deren Natur und Zweck im Zeitpunkt ihrer Einräumung Bedacht zu nehmen (MietSlg 35.047; 34.053; SZ 53/149; Klang 2 II 564; Petrasch aaO, Rz 1 zu § 484; Koziol-Welser 9 II 166 f).

Streitentscheidende Bedeutung kommt daher der Auslegung jenes Erwerbstitels zu, der die Grundlage für die von der Beklagten ausgeübte Wohnungsdienstbarkeit bildet.

Bei der Auslegung rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen ist gemäß § 914 ABGB zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen; es ist jedoch nicht am buchstäblichen Sinne dieses Ausdruckes zu haften, sondern die dem Erklärungsgegner erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen. Man spricht von einfacher Vertragsauslegung, wenn der ermittelte Sinn im Wortlaut der Erklärung noch eine Stütze findet. Im Rahmen der Übung des redlichen Verkehrs ist aber auch eine ergänzende Auslegung für jene Konfliktsfälle möglich, die von den Parteien im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses nicht bedacht und daher auch nicht ausdrücklich geregelt wurden. Diesfalls ist nach dem von den Parteien verfolgten Zweck, nämlich danach zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten (Koziol-Welser 9 I 91 f mwN).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht zu billigen, die der Beklagten mit dem „Erbübereinkommen“ vom 14.11.1970 eingeräumte Dienstbarkeit sei nicht als Fruchtgenußrecht, sondern lediglich als Wohnungsgebrauchsrecht anzusehen. Obwohl dieses Recht am „gesamten Hause“ besteht, folgt die Richtigkeit der Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz im vorliegenden Fall aus den aus Punkt 3. des Erbübereinkommens folgenden Beschränkungen der Befugnisse der Beklagten. Nach deren Inhalt sollte die Beklagte gerade nicht berechtigt sein, eine fremde Sache ohne jede Einschränkung unter Schonung ihrer Substanz zu gebrauchen.

Die Revision versucht aus einem koordinierenden Verständnis der Punkte 2. und 3. der hier auszulegenden Vereinbarung abzuleiten, die Wohnungsdienstbarkeit der Beklagten erstrecke sich nicht auch „auf den gesamten Garten“, werde doch in Punkt 2. klargestellt, daß die Kinder „die gesamte übrige Liegenschaft EZ ***** übernehmen“.

Bei dieser Argumentation übersieht der Kläger, daß sich Punkt 2. des Erbübereinkommens nicht auf dessen Punkt 3., sondern auf Punkt 1. lit b bezieht. Mit dieser Vertragsbestimmung wurde zum Ausdruck gebracht, daß die Beklagte einen „Trennstreifen des Gst. *****“ der Liegenschaft „EZ *****“ im Ausmaß von 193 m2 „in ihr Alleineigentum“ übernimmt. Im Gegensatz dazu sollte nach der unmißverständlichen Absicht der kontrahierenden Parteien in Punkt 2. des Erbübereinkommens nur klargestellt werden, daß an der gesamten übrigen Liegenschaft „EZ *****“ - also ohne den der Beklagten zufallenden Trennstreifen - Miteigentum der vier mj. Kinder der Beklagten zu je einem Viertel begründet wird.

Berücksichtigt man nun, daß die Beklagte im Zeitpunkt der Einräumung ihrer Wohnungsdienstbarkeit das den Gegenstand ihres Rechts betreffende Haus mit ihren vier damals noch minderjährigen Kindern bewohnte, erschiene es ungewöhnlich, wäre der Hausgarten von der Wohnungsdienstbarkeit ausgenommen worden. Auch schon 1970 gehörte es - wie in der Revisionsbeantwortung richtig dargelegt wird - zum zeitgemäßen Wohnungskomfort für eine auch aus mehreren Kindern bestehende Familie, den zu einem Haus gehörenden Garten zu benützen. Dabei sind einerseits Interessen der Freizeitgestaltung, andererseits aber auch solche der mit der Haushaltsführung verbundenen Alltagsverrichtungen (zB Wäschetrocknung) von Bedeutung. Das hier auszulegende Erbübereinkommen läßt kein seinerzeit bestehendes rechtliches Interesse der Kinder der Beklagten als Liegenschaftsmiteigentümer erkennen, die Gartenbenützung von der vereinbarten Wohnungsdienstbarkeit auszunehmen. Hätten die Vertragsparteien derartiges gewollt, wäre es - wie das der sonstige Wortlaut des Erbübereinkommens nicht bezweifeln läßt - zu einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung gekommen, wurden doch im übrigen - abgesehen vom hier behandelten Thema - ausdrücklich Beschränkungen der Wohnungsdienstbarkeit der Beklagten vereinbart.

Anders als der Kläger meint, läßt sich Punkt 3. des Erbübereinkommens auch nicht entnehmen, die durch die „Mitbenützung“ der Kinder angeordnete Beschränkung der Wohnungsdienstbarkeit der Beklagten erstrecke sich auch auf die Erben der Kinder. Das der Beklagten offenbar zu Versorgungszwecken eingeräumte Wohnungsrecht sollte nämlich „ihr allein“ zustehen und - „abgesehen von der Mitbenützung durch die Kinder“ - nicht beschränkt sein. Hätten die Parteien des Erbübereinkommens seinerzeit die Möglichkeit in Erwägung gezogen, es könnte eines der Kinder der Beklagten vor letzterer versterben, kann nicht angenommen werden, redliche und vernünftige Parteien hätten der alternden Beklagten zugemutet, deren Lebensabend mit bei Vertragsschluß noch gar nicht bekannten Erben im selben Haus zu verbringen. Ein solcher Vertragswille hätte eine Parteiabsicht vorausgesetzt, die Beklagte als Mutter der seinerzeit noch minderjährigen Liegenschaftsmiteigentümer persönlichen Belastungen auszusetzen, fände sich mit den Erben eines Kindes keine Basis für ein gedeihliches Zusammenleben. Für einen rechtsgeschäftlichen Willen dieser Art bestehen keine Anhaltspunkte. Das Wohnungsrecht der Beklagten sollte vielmehr - wie schon ausgeführt - nur durch die „Mitbenützung“ ihrer Kinder beschränkt sein. Auch in diesem Punkt gilt daher, daß die Vertragsparteien nicht verabsäumt hätten, eine ausdrückliche Vereinbarung zu schließen, hätten sie das beabsichtigt, was der Kläger als deren rechtsgeschäftlichen Willen ansieht.

Richtig führt der Revisionswerber aus, Dienstbarkeiten seien so auszuüben, daß dies für den Belasteten möglichst wenig beschwerlich ist, was auch für die Dienstbarkeit der Wohnung gilt (MietSlg 29.061). Dienstbarkeiten dürfen auch nicht eigenmächtig erweitert werden (SZ 60/160; 55/125; Petrasch aaO, Rz 1 zu § 484; Koziol-Welser 9 II 159); der Widerstreit zwischen den Interessen des Berechtigten und jenen des Belasteten ist in billiger Weise zu lösen (SZ 60/160; 55/125; 53/149; MietSlg 35.047). Im vorliegenden Fall stellen sich aber gar keine Probleme dieser Art.

Nach der aus dem Erbübereinkommen hervorleuchtenden Parteiabsicht wurde und wird das der Beklagten allein zustehende Wohnungsrecht nur „von der Mitbenützung durch die Kinder“ beschränkt; der Wegfall der Mitbenützung durch Kinder führt also zu einer vertraglich intendierten Erweiterung der Dienstbarkeit. Der Beklagten sollte nämlich - wie schon dargelegt - ermöglicht werden, ihren Lebensabend „im gesamten Hause“ mit Garten ungestört verbringen zu können; der Umfang der Dienstbarkeit sollte allein durch das für die Kinder vereinbarte Mitbenützungsrecht, nicht aber auch durch die Rechte anderer Personen begrenzt werden.

Das Begehren des Klägers als Erbe einer Tochter der Beklagten und nunmehriger Miteigentümer der Liegenschaft findet somit im Inhalt des in Rede stehenden Erbübereinkommens keine Rechtfertigung.

Mit Rücksicht auf die Dienstbarkeit der Wohnung ordnet § 522 ABGB an, daß der Eigentümer in jedem Falle das Recht behält, über alle Teile des Hauses, die nicht zur eigentlichen Wohnung gehören, zu verfügen; es darf ihm auch die nötige Aufsicht über sein Haus nicht erschwert werden. Das Klagebegehren wurde - soweit es auf § 522 ABGB gestützt ist - auch damit begründet, der Kläger müsse „den jeweiligen Bauzustand des Hauses“ kontrollieren können, um einen allfälligen „Investitionsbedarf“ zu ermitteln.

Unter Miteigentum versteht man die Teilung des Rechtes an der ungeteilten Sache nach Bruchteilen dergestalt, daß jedem Miteigentümer die gleichen Befugnisse an der Sache zustehen, er aber über seinen Anteil nach Belieben verfügen kann (Klang 2 II 149 f). Es steht daher jedem Miteigentümer grundsätzlich auch das Recht auf Benutzung der gemeinsamen Sache zu. Soweit die Gebrauchsmöglichkeit unbeschränkt ist, kann also die Sache von jedem Miteigentümer ohne Zustimmung der anderen benutzt werden. Bei beschränkter Gebrauchsmöglichkeit darf er die Sache dagegen nur gebrauchen, soweit er den tatsächlichen Gebrauch der anderen dadurch nicht stört. Im übrigen bedarf die Festlegung der Art und des Umfangs der Benutzung der Regelung durch die Miteigentümer (Koziol-Welser 9 II 51 f mwN).

Ausgehend von diesen Rechtsgrundlagen steht die Ausübung des in § 522 ABGB normierten Aufsichtsrechts des Eigentümers bei geteiltem Eigentum jedem der Miteigentümer zu, soweit von diesem - beurteilt nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles - nur im Rahmen des notwendigen Ausmaßes Gebrauch gemacht wird. Will nun der Kläger „den jeweiligen Bauzustand des Hauses“ kontrollieren können, um einen allfälligen „Investitionsbedarf“ zu ermitteln, den er als Miteigentümer auch seinem Anteil entsprechend zu tragen hätte, ist darin eine Aufsichtsmaßnahme zu erblicken, die vom Kläger als Miteigentümer - entsprechend den dargestellten Grundsätzen - ausgeübt werden darf. Aus § 484 ABGB folgt auch, daß sich der Dienstbarkeitsberechtigte jene Einschränkungen des Belasteten gefallen lassen muß, welche die Ausübung der Dienstbarkeit weder ernstlich erschweren noch gefährden (NZ 1990, 101; ZVR 1990/5; Klang 2 II 565; Petrasch aaO, Rz 5 zu § 484). Zur Ausübung des in § 522 ABGB normierten Aufsichtsrechtes ist aber - wie schon die Vorinstanzen richtig darlegten - eine Ausfolgung der begehrten Schlüssel an den Kläger nicht erforderlich. Darin, daß der Kläger sein „Aufsichtsrecht“ gemäß § 522 ABGB im Regelfall nur über vorherige Terminvereinbarung mit der Beklagten ausübt, kann keine unbillige Belastung des Liegenschafts(mit)eigentümers erblickt werden. Stünden dem Kläger dagegen die von ihm begehrten Schlüssel zur Verfügung, könnte er sich jederzeit Zutritt zur Liegenschaft verschaffen und dadurch störend in das von der Beklagten ausgeübte Wohnungsrecht eingreifen; dies im Rahmen des § 484 ABGB zu dulden, ist die Beklagte - nach der besonderen Gestaltung ihres Wohnungsrechts - nicht verpflichtet. Nach den Feststellungen ist - was an dieser Stelle hervorzuheben ist - die Beklagte übrigens ohnehin bereit, dem Kläger die Ausübung des auch ihm als Miteigentümer zustehenden Aufsichtsrechtes gemäß § 522 ABGB im erforderlichen Ausmaß zu gestatten.

Die Revision beruft sich in ihrer Argumentation offenbar auch auf den ersten Halbsatz des § 522 ABGB: Dazu wurde schon oben dargelegt, daß dem Kläger nach dem Umfang des Wohnungsrechts der Beklagten kein Raum für eine Liegenschaftsmitbenützung - auf andere Art als in Ausübung des Aufsichtsrechts gemäß § 522 ABGB - verbliebe.

Die Frage, ob das Klagebegehren nicht auch deshalb verfehlt wäre, weil der Kläger damit nicht bloß die Duldung einer Schlüsselanfertigung durch die Beklagte, sondern von ihr die Herausgabe von Schlüsseln anstrebt, die ihr im Rahmen der Ausübung ihres Wohnungsrechtes zur Verfügung stehen, muß deshalb nicht weiter erörtert werden.

Der Revision ist somit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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