Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit S 14.696,64 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.449,44 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind Miteigentümer der Liegenschaft mit dem Haus Wien 16., Thaliastraße 64; sie haben der erstbeklagten Partei das Geschäftslokal Nr. 1-2 samt dem Souterrainlokal vermietet. Der Zweit- und der Drittbeklagte sind deren persönlich haftende Gesellschafter.
Die Kläger kündigten das Mietverhältnis auf und begehrten die Verurteilung der beklagten Parteien zur Räumung des Bestandobjektes. Diese hätten vom Juli 1988 bis Jänner 1989 statt - wie vertraglich vereinbart - monatlich S 24.000 bloß monatlich S 15.000 als Mietzins bezahlt, woraus ein Rückstand von S 79.800 entstanden sei.
Die Beklagten wendeten insbesondere ein, derzeit bestehe kein Mietzinsrückstand; dieser sei auch bloß infolge eines entschuldbaren Irrtums entstanden.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung als rechtsunwirksam (ohne über das Räumungsbegehren zu entscheiden). Es stellte fest, der Erstkläger sei darauf aufmerksam geworden, daß die vertraglich zugesicherte Wertsicherung des Mietzinses bis dahin nicht geltend gemacht worden sei. Er habe darauf den Hausverwalter mit der Erhöhung des wertgesicherten Zinses beauftragt. Dieser habe der erstbeklagten Partei mit Schreiben vom 8.Juni 1988 einen deshalb erhöhten monatlichen Mietzins von S 42.345,20 (einschließlich Umsatzsteuer) vorgeschrieben und eine Nachzahlung von S 574.027,34 eingefordert. Bis dahin habe die erstbeklagte Partei lediglich den im Vertrag festgelegten Zins von monatlich S 24.000 (zuzüglich Umsatzsteuer) entrichtet. Angesichts dieser Forderung habe der Drittbeklagte den Beklagtenvertreter zu Rate gezogen. Dieser riet, nachdem er Erkundigungen über die Angemessenheit des Zinses eingehoben habe, nur mehr monatlich S 15.000 zu bezahlen; ein solcher Betrag sei angemessener Mietzins. Die erstbeklagte Partei habe ihre monatlichen Zahlungen deshalb auch vom Juli 1988 an auf S 15.000 (zuzüglich Umsatzsteuer) verringert. Erst bei eingehender Befassung mit diesem Rechtsproblem sei dem Beklagtenvertreter aufgefallen, daß er den beklagten Parteien einen rechtsirrtümlichen Rat erteilt habe. Er habe die erstbeklagte Partei deshalb unverzüglich angewiesen, ab sofort wieder monatlich S 24.000 (zuzüglich Umsatzsteuer) zu entrichten und die aufgelaufene Mietzinsdifferenz nachzuzahlen. Infolge finanzieller Schwierigkeiten habe die erstbeklagte Partei die Nachzahlung der Differenz erst am 28.Februar 1989 bei ihrer Hausbank in Auftrag gegeben. Die Nachzahlung sei demnach erst nach Einbringung der Aufkündigung erfolgt.
Rechtlich meinte das Erstgericht, der Mietzinsrückstand sei während des Verfahrens ausgeglichen worden. Das dann für die Kündigungsberechtigung maßgebliche grobe Verschulden liege dann nicht vor, wenn es sich um eine vertretbare Verkennung der Rechtslage handle oder auch längerdauernde wirtschaftliche Schwierigkeiten nicht durch Leichtsinn verursacht worden seien. Die rechtliche Fehleinschätzung durch den Beklagtenvertreter falle dieser höchstens als leichte Fahrlässigkeit zur Last. Daß die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der beklagten Parteien durch Leichtsinn herbeigeführt worden seien, sei nicht einmal behauptet worden.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil in der Hauptsache mit der Maßgabe, daß es auch das Räumungsbegehren abwies, und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Es übernahm zwar eine Feststellung des Erstgerichtes über wirtschaftliche Schwierigkeiten der erstbeklagten Partei nicht, führte dazu aber aus, daß es darauf in rechtlicher Hinsicht gar nicht ankomme. Den Klägern sei allerdings darin zuzustimmen, daß der Rat des Beklagtenvertreters, die Beklagten sollten ab Juli 1988 nur mehr den für die Geschäfsräumlichkeiten angemessenen Hauptmietzins von monatlich S 15.000 bezahlen, angesichts der damals bereits veröffentlichten Lehre und Rechtsprechung auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruht habe und damit eine Sorgfaltsverletzung darstelle. Daraus sei für die Kläger aber nichts zu gewinnen, weil die beklagten Parteien das grobe Verschulden ihres Rechtsvertreters bei der Beurteilung der nach § 33 Abs 2 MRG maßgeblichen Verschuldensfrage nicht wie ihr eigenes zu verantworten hätten. Die Beurteilung des Verschuldens am Zahlungsverzug als Verletzung einer bestandvertraglichen Pflicht sei nach bürgerlichem Recht zu beurteilen. Die schadenersatzrechtlichen Regelungen im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch könnten aber nicht unbesehen auf den Begriff des Verschuldens im Sinne des § 33 Abs 2 MRG übertragen werden. Wohl stehe hinter der Rechtsprechung, daß jeder Zweifel zu Lasten des Mieters gehe, erkennbar die Beweislastregel des § 1298 ABGB. Dagegen sei § 1313 a ABGB auf die Verschuldensprüfung nach § 33 Abs 2 MRG nicht anwendbar. Bezwecke § 1313 a ABGB, dem Geschädigten einen erweiterten Haftungsfonds zu verschaffen, so gehe es bei § 33 Abs 2 MRG um die Frage, ob dem Bestandgeber die Aufrechterhaltung des Dauerschuldverhältnisses mit dem vertragsbrüchigen Bestandnehmer noch zugemutet werden solle. So betrachtet werde die Anwendung von § 1313 a ABGB auf den säumigen Mieter dem Zweck der Verschuldenskomponente im § 33 MRG nicht gerecht. Wohl habe der Vermieter Anspruch auf Zinszahlung in der bedungenen Art auch dann, wenn sich der Mieter dabei eines Vertreters oder Gehilfen bediene. Es könne aber für die Beurteilung des Verschuldens des Mieters am Zahlungsverzug nicht auf das bloße Verschulden des Vertreters oder Gehilfen ankommen, solange dem Mieter bei der Auswahl des Gehilfen nicht selbst ein Verschulden zur Last falle. Ein Auswahlverschulden scheide aber aus, wenn ein Rechtsunkundiger den Rat eines Rechtsanwalts einhole und sich an dessen Ratschläge halte, sofern ihm dieser nicht als unverläßlich hätte bekannt sein müssen. Davon könne hier keine Rede sein. Schon deshalb sei ein grobes Verschulden der Beklagten an den Mietzinsrückständen zu verneinen, ohne daß auch noch auf die behaupteten wirtschaftlichen Schwierigkeiten der erstbeklagten Partei Bedacht zu nehmen wäre.
Die von den Klägern erhobene Revision ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Nach Ansicht des Gerichtes zweiter Instanz ist die Bestimmung des § 1313 a ABGB über die Erfüllungsgehilfenhaftung bei der Beurteilung des Verschuldens am Zinszahlungsverzug im Sinne des § 33 Abs 2 MRG nicht anzuwenden. Auf das Verschulden des Gehilfen dürfe nur so weit Bedacht genommen werden, als dem Mieter bei dessen Auswahl selbst ein Verschulden zur Last falle.
Dagegen wendet sich die Revision der Kläger; der vom Drittbeklagten beigezogene Rechtsanwalt, der den Rat gegeben habe, nur einen monatlichen Mietzins von S 15.000 zu bezahlen, sei Erfüllungsgehilfe der Mieterin gewesen; sein Rat sei unvertretbar gewesen, die darin zu erblickende grobe Fahrlässigkeit sei dann aber gemäß § 1313 a ABGB der Geschäftsherrin zuzurechnen.
Ob der Rechtsanwalt, der seinem Mandanten rät, eine offene, von ihm begehrte Mietzinsforderung nicht zur Gänze zu begleichen, im Sinne des § 1313 a ABGB eine Person ist, der sich der Mieter zur Erfüllung bedient, kann dahingestellt bleiben, weil es entgegen der Ansicht der Revisionswerber nicht auf den am Erfüllungsgehilfen, sondern am Geschäftsherrn anzulegenden Sorgfaltsmaßstab ankommt.
Beim Verschulden des Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 1313 a ABGB, für das der Schuldner wie für eigenes Verschulden einzustehen hat, handelt es sich in Wahrheit nur um ein Verhalten des Erfüllungsgehilfen, das dann schuldhaft wäre, wenn es der Schuldner selbst gesetzt hätte; es ist deshalb stets zu prüfen, ob das Verhalten des Gehilfen den Schuldner ersatzpflichtig gemacht hätte, hätte es von diesem selbst hergerührt (SZ 61/190;
JBl 1986, 785 ua; Koziol aaO 347, Reischauer aaO Rz 12 und 13;
Harrer aaO Rz 24). Daraus ist abzuleiten, daß der Maßstab für die Beurteilung, ob das Verhalten des Erfüllungsgehilfen fahrlässig war, dem Verkehrskreis und der Stellung des Schuldners zu entnehmen ist (SZ 61/190 mit weiteren Nachweisen aus dem deutschen Schrifttum; ferner noch BGH in BGHZ 31, 358, 366 f;
Alff in BGB-RGRK12 § 278 Rz 46; Soergel-Wolf, BGB12 § 278 Rz 29;
Staudinger-Löwisch, BGB12 Rz 27 und 74; Palandt-Heinrichs auch in der 50. Aufl., § 278 Rz 24). Gleiches muß dann aber auch für die Frage gelten, welcher Verschuldensgrad dem Schuldner zuzurechnen ist, im vorliegenden Fall also, ob das Verhalten des beigezogenen Rechtsanwaltes, wäre er Erfüllungsgehilfe, dem Beklagten als grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. So wie sich etwa der Werkunternehmer, der mit der Erbringung der geschuldeten Werkleistung einen Lehrling oder einen ungeschulten Mitarbeiter betraut, nicht etwa auf dessen Kenntnisse und Fähigkeiten berufen kann, wenn ihm der Werkbesteller mangelhafte Erfüllung zum Vorwurf macht (Reischauer aaO Rz 12; vgl. BGH in BGHZ 31, 358, 367), so haftet der Vertragspartner, der sich eines Erfüllungsgehilfen bedient, der seiner Stellung nach mit dem erhöhten Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB belastet ist, doch nur für jene Sorgfalt, die von seinem Verkehrskreis und - vor allem - seiner Stellung gefordert werden darf (vgl. Koziol aaO 349). Am Haftungsmaßstab des Schuldners ändert sich dadurch nichts, daß er einen Erfüllungsgehilfen heranzieht, der nach seiner Stellung von einem unterschiedlichen Haftungsmaßstab betroffen ist. Wäre nicht der für den Schuldner maßgebliche, sondern jener Sorgfaltsmaßstab, für den der Rat- oder Auskunftgeber einzustehen hat, für die Ersatzpflicht des Schuldners bestimmend, würde gerade der besonders sorgfältige Geschäftsherr gleichsam bestraft werden, der sich an einen Spezialisten wendet (Dullinger in JBl 1990, 93).
Nun haften zwar die beklagten Parteien für die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347 Abs 1 HGB), bei den Fragen, die für die Zinszahlung im vorliegenden Fall entscheidend waren, handelte es sich indessen um Rechtsfragen, deren Lösung außerdem noch einschlägige juristische Kenntnisse erforderte. Mag deren Lösung, wie sie dem Rat des Beklagtenvertreters zugrundelag, für diesen auch im Hinblick auf die gesicherte Rechtsprechung eine unvertretbare Rechtsauffassung gewesen sein, die ihm selbst daher auch als grobe Fahrlässigekit zuzurechnen wäre, so kann dieser Vorwurf nicht auch den rechtsunkundigen Gesellschaftern der erstbeklagten Partei gemacht werden, die - mangels der notwendigen Rechtskenntnisse - hierüber kaum Bescheid wissen konnten und sich gerade deshalb an den Beklagtenvertreter um Rat wandten. Da sie auf rechtskundigen Rat angewiesen waren, ihn deshalb auch in Anspruch nahmen und lediglich deshalb in Teilverzug gerieten, kann ihnen bei Bedachtnahme auf ihren Verkehrskreis somit überhaupt kein Verschulden, jedenfalls aber keine grobe Fahrlässigkeit am Zahlungsverzug zur Last liegen.
Der Streitausgang wäre auch nicht anders, wenn den beklagten Parteien der Rat ihres Rechtsfreunds nicht als Gehilfenverhalten zugerechnet werden dürfte: Grobes Verschulden des Mieters am Zinszahlungsverzug wird von der Rechtsprechung (vgl. MietSlg. 38.504; 32.425; 30.476; 29.400; 18.510 ua) nur dann angenommen, wenn dieser die Zahlung aus Rechthaberei, Leichtsinn oder aus ähnlichen Motiven unterläßt. Davon kann aber aus den schon dargelegten Gründen keine Rede sein.
Da die beklagten Parteien sohin jedenfalls kein grobes Verschulden zu verantworten haben, haben die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht die Aufkündigung als rechtsunwirksam aufgehoben und das Räumungsbegehren abgewiesen.
Die von den beklagten Parteien in ihrer Revisionsbeantwortung erstmals angeschnittene Frage, ob die Aufkündigung gegen den Zweit- und den Drittbeklagten schon deshalb verfehlt sei, weil lediglich die erstbeklagte Partei Mieterin sei, bedarf schon aus diesem Grunde keiner Erörterung mehr; es sei lediglich hingewiesen, daß die beklagten Parteien im Verfahren erster Instanz die Passivlegitimation des Zweit- und des Drittbeklagten nicht bestritten haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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