OGH 1Ob530/94

OGH1Ob530/9411.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen Franz R*****, zuletzt wohnhaft gewesen in ***** infolge Revisionsrekurses des mj. Thomas R*****, vertreten durch die Mutter Monika R*****, ebendort, diese vertreten durch Dr. Peter Kempf, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 8. Oktober 1993, GZ 19 R 165/93-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 26. Mai 1993, GZ 2 A 1033/92-24, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die in ihren Punkten 1. und 5. als unangefochten unberührt bleiben, werden im übrigen aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Franz R***** verstarb unter Hinterlassung eines Testaments, in dem er seine Tochter als Universalerbin einsetzte. Seinem Enkel, dem Nachkommen des vorverstorbenen Sohnes, bestimmte er ein wertgesichertes Legat von S 75.000.

Der Verstorbene und seine Gattin haben mit Notariatsakt vom 7.6.1991 die ihnen je zur Hälfte gehörende Liegenschaft an ihre Tochter und Testamentserbin gegen Leistung von jeweils S 75.000 und Einräumung eines lebenslangen Wohnrechtes und Ausgedinges übergeben. Durch das im Verlassenschaftsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten wurde der Verkehrswert dieser Liegenschaft zum Todestag mit S 1,670.000 ermittelt. Der Wert des Wohnrechtes der 72-jährigen Gattin des Verstorbenen wurde mit S 190.000, der Wert des Ausgedinges mit S 300.000 festgestellt.

Zur Erfüllung des Legats erlegte die Testamentserbin auf einem zugunsten des Pflegschaftsgerichtes gesperrten Sparbuch S 75.000 zuzüglich Wertsicherung, insgesamt S 78.000. Damit sei auch der Pflichtteilsanspruch des Noterben vollständig abgedeckt.

Das Gericht erster Instanz, welches gemäß § 162 AußStrG den Anspruch des Noterben von Amts wegen durch Einholung eines Sachverständigengutachtens erhoben hatte, bestimmte mit Punkt 2. seines Beschlusses den Pflichtteil mit S 114.756,46, trug im Punkt 3. der Testamentserbin die Einzahlung dieses Betrages auf das Sparbuch binnen vier Wochen auf, verfügte im Punkt 4. die Sperre des Sparbuches und machte im Punkt 6. die Einantwortung sowie die abhandlungs- und pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Abhandlungsergebnisses von der Rechtskraft des Beschlusses abhängig. Die Höhe des Pflichtteiles errechnete das Erstgericht, indem es vom halben Verkehrswert der Liegenschaft die Hälfte des festgestellten Wertes des Wohnrechtes und des Ausgedinges in Abzug brachte und sodann den Schenkungspflichtteil aus der Summe von je 1/6 dieses Betrages und des mit S 98.542,80 festgestellten Reinnachlasses ermittelte.

Das Gericht zweiter Instanz änderte diesen Beschluß dahin ab, daß es das Abhandlungsergebnis abhandlungs- und pflegschaftsbehördlich genehmigte (Punkt 2.), den Testaments- und Legatsausweis (Punkt 3.) sowie den Pflichtteilsausweis als erbracht ansah (Punkt 4.). Bei Ermittlung des Reinnachlasses seien richtigerweise die im Abhandlungsverfahren aufgelaufenen Kosten in Abzug zu bringen, so daß lediglich ein Betrag von S 67.786,20 verbleibe, wovon der Pflichtteil des Minderjährigen in der Höhe eines Sechstels aufgerundet S 11.298 betrage. Die Liegenschaft sei mit dem halben Verkehrswert zu veranschlagen, jedoch sei davon der gesamte Wert des Wohnrechtes und des Ausgedinges in Abzug zu bringen, da die dem Verstorbenen eingeräumten Rechte gleich hoch zu bewerten seien wie jene seiner Gattin, die der Sachverständige ermittelt habe. Dieser Wert der belasteten Liegenschaft sei noch um die Zahlungspflicht von S 75.000 zu vermindern, so daß sich ein Betrag von S 270.000 ergebe, wovon 1/6 S 45.000 betrage. Der somit mit insgesamt S 56.298 zu beziffernde Pflichtteilsanspruch des Minderjährigen finde daher im Legat Deckung.

Dem dagegen erhobenen Revisionsrekurs des Minderjährigen kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsverfahren ist ausschließlich strittig, wie im gegenständlichen Fall der Schenkungspflichtteil zu berechnen ist. Nach der für die Bewertung von Schenkungen gemäß § 785 Abs 1 ABGB maßgebenden Bestimmung des § 794 ABGB sind unbewegliche Sachen grundsätzlich mit dem Wert zum Zeitpunkt des Empfanges, also nach dem damaligen Preis einzusetzen. Lehre und Rechtsprechung haben diese Bestimmung einer berichtigenden Auslegung dahin unterzogen, daß der dem Pflichtteilsrecht zugrundeliegende Ausgleichsgedanke, entgegen dem Wortlaut des § 794 ABGB, auch bei unbeweglichen Sachen eine Berücksichtigung der seit dem Empfang eingetretenen Wertveränderungen rechtfertigt, so daß bei der Schätzung des Nachlaßvermögens auf den Todestag des Erblassers abzustellen ist, wobei jedoch der Zustand der Sache im Zeitpunkt des Empfanges und ebenso alle damals bereits veranschlagbar gewesenen, wenn auch erst im Zeitpunkt des Erbanfalles aktuell werdenden Umstände zugrunde zu legen sind (JBl 1975, 208; 6 Ob 13/84; SZ 57/7; SZ 57/90; SZ 59/6). Bei der Bewertung übergebener Liegenschaften sind alle Belastungen, die der Übernehmer - einschließlich der vom Übergeber für sich oder andere bedungenen Rechte - zu übernehmen hatte, als wertmindernd anzusehen. Nur dann, wenn bereits im Übergabszeitpunkt mit völliger Sicherheit feststeht, daß in dem für die Beurteilung der Pflichtteilswidrigkeit maßgebenden Zeitpunkt des Erbanfalles die dem Übernehmer aufgebürdete Belastung weggefallen sein werde, ist diese bei Bemessung der Pflichtteilsgrundlage außer Ansatz zu lassen (SZ 57/7).

Die Bewertung der Liegenschaft zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ist daher nicht zu beanstanden. Auch können dem Akt keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden, es sei bei Abschluß des Übergabsvertrages am 7.6.1991 vorhersehbar gewesen, daß einer der Übergeber nur rund zweieinhalb Monate später versterben werde. Trotzdem kann der Ansicht der Vorinstanzen nicht beigepflichtet werden, die vom Sachverständigen für die Gattin des Verstorbenen ermittelte Wert des Wohnrechtes und des sonstigen Ausgedinges sei vom Wert der Liegenschaftshälfte des Verstorbenen in Abzug zu bringen. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß bei dieser Art der Berechnung im Falle des Todes auch der Gattin des Verstorbenen das Wohnrecht zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten zweimal vom Gesamtwert der Liegenschaft abgezogen würde.

Der Wert der Liegenschaft kann daher nur dergestalt ermittelt werden, daß dem Verkehrswert der gesamten Liegenschaft die gesamten Belastungen gegenübergestellt werden. Hiebei wäre durch neuerliche Zuziehung eines Sachverständigen zu ermitteln, welchen Wert Wohnrecht und Ausgedinge für den Verstorbenen und dessen Gattin zusammen repräsentierten. Wenngleich möglicherweise die Bewertung des Wohnrechtes hiebei keine signifikante Erhöhung erfahren könnte, ist doch davon auszugehen, daß der Wert einiger Ausgedingsleistungen durch die Anzahl der berechtigten Personen bestimmt wird. Erst die Differenz dieser so ermittelten Beträge ist zu halbieren und sodann in der vom Gericht zweiter Instanz dargestellten Art der Pflichtteilsberechnung zugrundezulegen.

Eine Verweisung des Noterben auf den Rechtsweg kommt nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes im derzeitigen Verfahrensstadium nicht in Frage, da die aus § 162 AußStrG hervorleuchtende Absicht des Gesetzgebers dahin auszulegen ist, daß ein Prozeß der minderjährigen Noterben möglichst verhindert werden soll und alle Möglichkeiten auszuschöpfen sind, um über ihre Ansprüche bereits im Abhandlungsverfahren entscheiden zu können (RZ 1967, 166).

Es war daher dem Revisionsrekurs Folge zu geben.

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