Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 13.305 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.209 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Kauf- und Leibrentenvertrag vom 23.Dezember 1965 verkaufte und übergab Ing. Karl A an den Beklagten und dessen Mutter Frieda B die Liegenschaften EZ 767 und 768 KG IV Lend und das darauf befindliche, unter der Firma Brüder A geführte Unternehmen einer Eisengießerei und Maschinenfabrik. Als Entgelt hatte das von den Käufern unter der Firma Brüder A als OHG weitergeführte Unternehmen dem Verkäufer eine wertgesicherte monatliche Leibrente von 48.000 S zu bezahlen. Nach dessen Tod sollte die Zahlungspflicht nicht erlöschen, sondern, wenn auch in geringerem Umfang, zugunsten von sechs Personen, darunter der Klägerin, weiterbestehen. Ing. Karl A verstarb am 10.April 1967. Der Beklagte schied in der Folge als Gesellschafter der Firma Brüder A aus. Das Ausscheiden wurde am 13.Februar 1974 im Handelsregister eingetragen. Am 19.November 1982 wurde über die Firma Brüder A das Ausgleichsverfahren, am 8.Februar 1983 der Konkurs eröffnet. Die Klägerin begehrt in der am 8.März 1984 eingebrachten Klage den Zuspruch von 465.896 S s.A. als der Höhe nach außer Streit gestellten, seit Jänner 1983 offenen Leibrentenbeträgen. Der Beklagte wendete ein, die Forderung der Klägerin sei gemäß § 159 Abs 3 HGB verjährt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Ausscheiden eines persönlich haftenden Gesellschafters beseitige seine Haftung nicht. Trete die Fälligkeit einer alten Schuld erst nach der Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters im Handelsregister ein, beginne erst damit die fünfjährige Verjährungsfrist des § 159 Abs 3 HGB. Leibrentenverträge seien Dauerschuldverhältnisse, bei denen ein Vertragsteil seine gesamte Leistung vorweg erbracht habe. Der Gläubiger einer Leibrentenforderung sei daher mehr zu schützen als der ausgeschiedene Gesellschafter. Eine Interessenabwägung habe nicht stattzufinden. Das Vertrauen des Leibrentenberechtigten auf den unveränderten Bestand der Haftungsgrundlage, die er bei Geschäftsabschluß vorgefunden habe, sei schutzwürdiger, je weiter die Fälligkeit der von der Gesellschaft zu erbringenden Leistungen hinaus verlegt worden sei. Solange der Gesamtanspruch gegen die Gesellschaft nicht verjährt sei, könne der ausgeschiedene Gesellschafter dem Gläubiger diese Verjährung nicht entgegenhalten. Der Gläubiger habe nämlich keine prozessuale Möglichkeit, sich an den ausgeschiedenen Gesellschafter zu halten, solange von der Gesellschaft an ihn bezahlt werde.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten unter Billigung der Rechtsansicht des Erstgerichtes nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach § 128 HGB in Verbindung mit § 159 HGB entfällt die persönliche Haftung des Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft für Gesellschaftsschulden, die während seiner Teilhaberschaft begründet wurden, nicht allein durch sein Ausscheiden aus der weiterbestehenden Gesellschaft (SZ 47/9; HS 1321/104; 4 Ob 519/83). Solche Ansprüche verjähren vielmehr gemäß § 159 Abs 1 HGB in fünf Jahren nach dem Ausscheiden, sofern der Anspruch nicht einer kürzeren Verjährung unterliegt. Wird der Anspruch des Gläubigers erst nach der Eintragung des Ausscheidens in das Handelsregister fällig, so beginnt die Verjährung mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit. Wie Ulmer-Wiesner, Die Haftung ausgeschiedener Gesellschafter aus Dauerschuldverhältnissen, ZHR 1980, 398 ff, anhand der Entstehungsgeschichte des mit § 159 HGB inhaltlich übereinstimmenden Art. 146 AHGB nachgewiesen haben, ist es ungeachtet der auf Verjährung abstellenden Regelungstechnik das Ziel des Gesetzgebers, ausgeschiedene Gesellschafter vor langfristiger Inanspruchnahme zu schützen;
nicht der Beweiserlaßgedanke, sondern die Enthaftungsfunktion des Ausgeschiedenen angesichts der fortbestehenden Haftung der Gesellschaft und der übrigen Gesellschafter ist Sinn und Zweck des § 159 HGB. Da § 159 Abs 3 HGB auf die besonderen Haftungsprobleme bei Dauerschuldverhältnissen nicht Bedacht nimmt (NJW 1983, 2283; Wiedemann in Anm. zu C § 128 HGB Nr. 1), kann eine allseits befriedigende Lösung des Enthaftungsproblemes bei Dauerschuldverhältnissen nur dadurch gefunden werden, daß deren jeweils verschiedene Struktur berücksichtigt wird:
Dauerschuldverhältnisse, die auf steten Austausch von Leistung und Gegenleistung gerichtet sind, stehen solchen gegenüber, bei denen für eine vorweg erbrachte einmalige Leistung eine Dauerleistung zu erbringen ist (Fenyves, Erbenhaftung und Dauerschuldverhältnis aaO 100; Wiedemann aaO). Bei Rentenverträgen ist für den vorleistenden Vertragspartner die Bonität aller bei Vertragsabschluß vorhandenen offenen Gesellschafter entscheidend, begibt er sich doch seines Vermögenswertes und erhält die vereinbarten Gegenleistungen unter Umständen erst nach vielen Jahren. Andererseits befindet sich der auf diese Weise der Gesellschaft verschaffte und zumindest nach den Intentionen bei Vertragsabschluß der Gesellschaft erhalten gebliebene Vermögenswert bei Ausscheiden des Gesellschafters in Händen der Gesellschaft und ist gegebenenfalls bei der Auseinandersetzungsbilanz gerade auch zugunsten des ausscheidenden Gesellschafters zu berücksichtigen. Daß dieser Vermögenswert allenfalls nicht mehr vorhanden ist, ist das Risiko der Gesellschaft und jedes einzelnen Gesellschafters, nicht aber desjenigen, der den vollen Wert übergab.
Die Sachlage ähnelt jenen Fällen, in denen die Vorleistung erbracht, die Gegenleistung aber gestundet wurde (Ulmer-Wiesner aaO 414; Fenyves aaO 102
FN 367). Die bei Vertragsabschluß gegebene Haftungsgrundlage muß demnach dem vorleistungspflichtigen Verkäufer auch dann erhalten bleiben, wenn ein Gesellschafter, dessen Auseinandersetzungsguthaben auch durch dieses Geschäft mitbestimmt wird und der demnach die Vorteile eines für die Gesellschaft günstigen Geschäftes mit seinem Ausscheiden ziehen kann, unbegrenzt erhalten bleiben. Bei Ansprüchen aus Rentenverträgen gegen den später ausgeschiedenen Gesellschafter verjähren daher nur die einzelnen fällig gewordenen Teilleistungen (BGHZ 50, 232, 235; Kastner, Gesellschaftsrecht 4 93; Hämmerle-Wünsch 3 II 108; Baumbach-Duden-Hopt, HGB 25 440; Fenyves aaO 100 f, 102 FN 367, 106; Fischer in Großkomm HGB 3 Anm. 54 zu § 128 HGB, Reinhardt-Schultz, Gesellschaftsrecht 2 61; Schilling in Großkomm. HGB 3
Anm. 25 zu § 159 HGB), nicht aber der Gesamtanspruch (das Stammrecht). Der ausgeschiedene Gesellschafter haftet für die Gegenleistung, die den Leistungen entspricht, die in der Zeit seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft erbracht wurden; bei vollständiger Vorleistung des Vertragspartners muß er also für die vollständige Gegenleistung aufkommen; ob die Leistungen der Handelsgesellschaft zeitlich gestreckt wurden (z.B. Ratenzahlung, Leibrente), kann für den Haftungsumfang des belasteten Gesellschafters keine Bedeutung haben; der Vertragsgegner, der im Vertrauen auf den bisherigen Gesellschafterstand geleistet hat, bleibt schutzwert (Wiedemann aaO). Auf derartige Fälle ist also die Vorschrift des § 159 Abs 3 HGB uneingeschränkt anzuwenden; für die vom Revisionswerber versuchte Darlegung einer für ihn sprechenden Interessenabwägung bleibt kein Raum.
Bei den in der Revision behandelten Fällen, in denen nach Lehre und Rechtsprechung Forderungen aus Dauerschuldverhältnissen später als fünf Jahre nach Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters gegen diesen nicht mehr geltend gemacht werden können, handelt es sich um anders gelagerte: Es wurden die Leistungen aus auf bestimmte oder unbestimmte Zeit vor Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters abgeschlossenen Dauerschuldverhältnissen an die Gesellschaft erst nach der Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters erbracht. Selbst für diese Fälle wird die Auffassung vertreten, daß die spätere Fälligkeit den Beginn der Verjährung immer hinausschiebt (HS 1321/104;
Schilling aaO Anm. 25 zu § 159; Siegmund-van Venrooy, Gesellschaftsrecht 158; Hämmerle-Wünsch aaO; C § 128 HGB Nr. 1); nur wegen der sich daraus für den ausgeschiedenen Gesellschafter ergebenden unabsehbaren wirtschaftlichen Folgen wird auch gelehrt, daß dessen Haftung zeitlich begrenzt werden soll (Heyn, Die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters aus Dauerschuldverhältnissen, NJW 1959, 923). Insbesondere für Dauerschuldverhältnisse, die die Versorgung mit Strom, Gas und Wasser betreffen, wird auch anerkannt, daß die Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters insoweit zu entfallen hat, als der Gesellschaftsgläubiger in Kenntnis des Ausscheidens das Vertragsverhältnis über den nächstzulässigen Kündigungstermin hinaus fortsetzt (SZ 10/34; BGHZ 70, 132, 136;
Fischer aaO § 128 Anm. 53; Hueck, Das Recht der OHG 4 , 449 FN 44;
Hueck, Gesellschaftsrecht 18 120; Westermann aaO 259; Baumbach-Duden-Hopt aaO;
Kornblum, Die Haftung der Gesellschaft für Verbindlichkeiten von Personengesellschaften 177 f; Bettelheim in Staub-Pisko 3 Art. 146 § 8;
Lehmann-Dietz, Gesellschaftsrecht 3 184); für unkündbare Dauerschuldverhältnisse wird eine Haftungsbegrenzung dadurch zu erreichen versucht, daß angenommen wird, auch für das Stammrecht beginne mit der Fälligkeit der ersten Teilleistung nach der Eintragung des Ausscheidens des Gesellschafters die fünfjährige Verjährungszeit zu laufen (Heyn aaO 924;
Kornblum aaO 178 f; Schlegelberger-Geßler 4 § 159 HGB Anm. 10; vgl. Kastner aaO 92). Eine Lösung dieser Rechtsfrage ist aber für den vorliegenden Fall entbehrlich, weil, wie Wiedemann aaO zutreffend ausführt, es bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus Dauerschuldverhältnissen in erster Linie auf den 'Leistungs-Gegenleistungs-Takt' ankommt.
Der Revision ist der Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)