Normen
Entmündigungsordnung §1
Entmündigungsordnung §1
Spruch:
Die Anordnung der Unterbringung eines bereits Entmundigten in einer geschlossenen Anstalt kann vom Pflegschaftsgerichte dann verfügt werden, wenn eine solche Unterbringung zur Wahrung der eigenen Interessen des Entmundigten oder zum Schutze anderer vor Gefährdung durch ihn notwendig ist.
Entscheidung vom 25. Juni 1952, 1 Ob 524/52.
I. Instanz: Bezirksgericht Bad Ischl; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Die Staatsanwaltschaft Graz hat beim Pflegschaftsgericht den Antrag gestellt, die Aufnahme des entmundigten Robert W. in eine geschlossene Anstalt im Hinblick darauf zu verfügen, daß Robert W. vom 27. September bis 3. November 1949 und vom 21. September bis 20. Dezember 1950 in der Landesheil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke "A. F." untergebracht gewesen sei, daß sein damaliger und vorläufiger Beistand und nunmehrige Kurator Dr. Adolf A. die Entlassung des Robert W. aus der Anstalt gegen Unterfertigung eines Reverses veranlaßt habe, worin er sich verpflichtet habe, für eine entsprechende Überwachung des Pfleglings Sorge zu tragen, damit neuerliche Konflikte mit der Umgebung (Behörden) hintangehalten werden, der Kurator aber diese Verbindlichkeiten nicht erfüllt habe und hiezu, wie er zugegeben habe, gar nicht in der Lage sei, da Robert W. wiederum mit Schriften beleidigenden Inhalts Behörden belästige.
Das Erstgericht hat diesen Antrag mit Beschluß vom 4. Feber 1952 mit der Begründung abgewiesen, Robert W. habe allerdings auch nach seiner Entlassung aus der geschlossenen Anstalt wieder Eingaben zum Teil äußerst beleidigenden Inhalts an Behörden gerichtet, diese haben sich aber auf seine eigenen Angelegenheiten bezogen; keine Behörde werde Eingaben, aus deren Inhalt das Vorhandensein einer auch für den Laien offenbaren Geisteskrankheit hervorgehe, einer Erledigung zuführen. Daß etwa durch die Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt eine Besserung eintreten würde, sei nicht anzunehmen, daher der Antrag der Staatsanwaltschaft abzuweisen.
Das Rekursgericht hat mit dem angefochtenen Beschluß die erstgerichtliche Entscheidung aufgehoben, dem Erstgerichte nach Ergänzung des Verfahrens mit der Begründung neuerliche Entscheidung aufgetragen, die Voraussetzungen für die Unterbringung eines Geisteskranken in einer geschlossenen Anstalt seien in der Entmündigungsordnung nicht geregelt. Es finde sich dort insbesondere keine Definition des Begriffes Gemeingefährlichkeit, worauf die Staatsanwaltschaft in erster Linie ihren Antrag stütze. Die Frage könne nur auf Grund eines fach- und amtsärztlichen Gutachtens beantwortet werden. In den vom Vollentmundigten verfaßten Eingaben seien jedenfalls schwere und gröblichste Beleidigungen von Behörden und öffentlichen Funktionären enthalten, die geeignet seien, das Amt zu schädigen. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes hat Robert W. auch nach seiner Entlassung aus der Anstalt seine frühere Tätigkeit als Winkelschreiber fortgesetzt und dadurch Personen, für die er aufgetreten sei, Nachteile zugefügt. Demnach sei eine amts- und fachärztliche Untersuchung und Begutachtung des Pflegebefohlenen darüber notwendig, ob durch die Aufnahme in eine geschlossene Anstalt eine Besserung des Zustandes erwartet werden könne. Das Erstgericht werde daher ein solches ärztliches Gutachten darüber einzuholen haben, ob im Interesse der Umgebung bzw. Allgemeinheit oder im Interesse des Pflegebefohlenen selbst seine Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt für geboten zu erachten sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Kurators nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der an sich zulässige Revisionsrekurs ist nicht begrundet. Wenn dort zunächst vorgebracht wird, es können zwar Rekursverfahren gemäß § 10 AußStrG. neue Tatsachen und Beweismittel geltend gemacht werden, es müßte aber dem Entmundigten und dessen Kurator bzw. "deren Vertreter" Gelegenheit geboten werden, zu dem neuen Vorbringen Stellung zu nehmen, so ist hiezu bloß darauf zu verweisen, daß das Rekursgericht ja ohnehin den erstgerichtlichen Beschluß aufgehoben hat und daher für den Kurator des Entmundigten bzw. dessen Vertreter Gelegenheit gegeben ist, zu diesen Neuerungen Stellung zu nehmen. Da Robert W. bereits rechtskräftig voll entmundigt ist, sind die Vorschriften der Entmündigungsordnung für die Anhaltung in einer geschlossenen Anstalt nicht anzuwenden. Die Anordnung der Unterbringung eines bereits Entmundigten in einer geschlossenen Anstalt kann vom Pflegschaftsgericht dann getroffen werden, wenn der Zustand des Entmundigten die Unterbringung in einer solchen Anstalt erfordert, d. h. eine solche zur Wahrung der eigenen Interessen des Entmundigten oder zum Schutze anderer vor Gefährdung durch ihn notwendig ist (vgl. Bartsch - Klang, Komm., 1. Aufl. zu § 282 ABGB., S. 1133). Hiezu ist nicht gerade erforderlich, daß der Entmundigte durch seine Handlungen und sein sonstiges Verhalten eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder das Eigentum anderer, sei es bestimmter oder unbestimmter Personen, herbeiführt, es kann vielmehr auch eine andere Gefahr in Frage kommen. Daß der Vollentmundigte Eingaben querulatorischer oder beleidigender Art an verschiedene Behörden richtet, wird allerdings eine dauernde Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt noch nicht zu rechtfertigen vermögen, zumal solche Eingaben einfach unerledigt und unberücksichtigt zu bleiben haben. Anders wäre dies aber, wenn der Entmundigte etwa öffentlich gegen andere, insbesondere öffentliche Organe unbegrundete schwere Anschuldigungen erheben, dadurch deren Ruf und Ansehen gefährden und damit geradezu gegen die allgemeinen Interessen verstoßen würde. Zur Prüfung in dieser Richtung wird es allerdings kaum der Vernehmung von Sachverständigen bedürfen, wohl ist eine solche aber zur Feststellung notwendig, ob die Unterbringung zur Besserung des Zustandes des Entmundigten erforderlich ist, oder ob sich der Zustand desselben voraussichtlich derart verschlechtern würde, daß eine Gefahr für Dritte im größeren Ausmaß entstehen würde. Da dasErstgericht entsprechende Erhebungen in diesen Richtungen nicht durchgeführt und nicht durch Vernehmung eines ärztlichen Sachverständigen geprüft hat, ob die Unterbringung des Entmundigten in einer Anstalt etwa in seinem eigenen Interesse gelegen sei, erscheint die Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses begrundet.
Demnach war dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
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