Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Der Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg erlangte von einem psychiatrischen Gutachten Kenntnis, das im Zuge eines gegen Clemens H***** eingeleiteten Strafverfahrens erstattet worden war. In diesem Gutachten ist festgehalten, daß bei Clemens H***** eine paranoide Geisteskrankheit bestehe bzw. eine paranoid-querulatorische Fehlentwicklung vorliege, sodaß dessen Zurechnungsfähigkeit (hinsichtlich der inkriminierten Taten) zu verneinen sei (AS 17). Aufgrund dieses Gutachtens regte der Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg die Einleitung eines Sachwalterbestellungsverfahrens an (AS 1 f). Clemens H***** vertrat brieflich die Ansicht, er bedürfe keines Sachwalters (AS 19). Der gerichtlichen Ladung für den 5.7.1990 leistete er nicht Folge (AS 21, 25, 28), weshalb Clemens H***** neuerlich für den 24.7.1990 zu Gericht geladen wurde (AS 28). Am 24.7.1990 erschien der Betroffene bei Gericht und erklärte im Zuge der Erstanhörung durch den Richter, daß er keinesfalls bereit sei, ein psychiatrisches Gutachten über sich erstellen zu lassen. Der Richter gewann den Eindruck, Clemens H***** sei nicht in der Lage, alle seine Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich zu besorgen (AS 31).
Mit Beschluß vom 20.11.1990 wurde Dr. Wilhelm S***** zum einstweiligen Sachwalter des Clemens H***** bestellt (GZ 20 SW 8/90-13). Ebenfalls mit Beschluß vom 20.11.1990 wurde Dr. Peter Sch***** zum Sachverständigen bestellt und ihm der Auftrag erteilt, Befund und Gutachten darüber zu erstatten, ob Clemens H***** geistig behindert oder psychisch erkrankt sei, insbesondere ob er in der Lage sei, alle oder einzelne seiner Angelegenheiten ohne die Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen (GZ 20 SW 8/90-14). Dr. Sch***** teilte am 4.12.1991 dem Erstgericht mit, es seien mehrmalige, beim Betroffenen vorgenommene Hausbesuche vergeblich gewesen, weil nicht geöffnet worden sei. Der einstweilige Sachwalter habe mitgeteilt, keine Möglichkeit zu sehen, den Betroffenen zur Untersuchung zu bewegen (GZ 20 SW 8/90-20). Mit Beschluß vom 10.12.1991 wurde dem Betroffenen aufgetragen, der nächsten Vorladung des Sachverständigen Folge zu leisten, widrigenfalls die zwangsweise Vorführung zum Sachverständigen zum Zwecke der Befundaufnahme angeordnet werden werde. Dieser Beschluß wurde Clemens H***** am 19.12.1991 zugestellt (GZ 20 SW 8/90-21). Den gegen diesen Beschluß gerichteten Rekurs des Betroffenen wies das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht zurück. Die Androhung der zwangsweisen Vorführung stelle keinen Leistungsbefehl dar, die dem Betroffenen erteilte Rechtsbelehrung könne durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden (GZ 20 SW 8/90-26). Mit Schreiben vom 23.1.1992 teilte der Sachverständige dem Erstgericht mit, Clemens H***** habe neuerlich unentschuldigt einer Vorladung nicht Folge geleistet (GZ 20 SW 8/90-23). Mit Schreiben vom 14.5.1992 teilte Dr. Sch***** dem Erstgericht mit, der Betroffene sei abermals zweimal nicht erschienen (AS 105). Daraufhin ordnete das Erstgericht mit Beschluß vom 19.5.1992 die zwangsweise Vorführung des Betroffenen zum Sachverständigen durch einen Gerichtsbeamten des allgemeinen Hilfsdienstes an, um die Befundaufnahme durch Dr. Sch***** zu ermöglichen (GZ 20 SW 8/90-22). Dieser Beschluß sollte dem Betroffenen beim Vollzug ausgefolgt werden, der Vollzug ist aber noch nicht erfolgt. Mit Schreiben vom 18.8.1992 teilte der Sachverständige dem Erstgericht mit, die Befundaufnahme sei nicht möglich, da auch die Beiziehung eines Vollzugsbeamten fruchtlos gewesen sei. Das Erstgericht wies seine Vollzugsabteilung an, die Vorführversuche so lange fortzusetzen, bis die Vorführung des Betroffenen zum Sachverständigen tatsächlich durchgeführt worden sei (GZ 20 SW 8/90-23). Laut Vollzugsbericht vom 3.11.1992 wurde die Wohnung des Betroffenen am 15.9. und am 15.10.1992 versperrt vorgefunden. Es sei nicht anzunehmen, daß die Vorführung vollzogen werden könne, da weder der Betroffene noch dessen Gattin Zutritt zum Haus gewährten (GZ 20 SW 8/92-24).
Das Erstgericht ordnete mit Beschluß vom 30.11.1992 in Ergänzung seines Beschlusses vom 19.5.1992 (ON 22) die Befundaufnahme durch Dr. Sch***** in der Wohnung des Betroffenen an und ermächtigte den Gerichtsvollzieher, die Tür zur Wohnung des Betroffenen durch einen Schlosser öffnen zu lassen, sollte der Betroffene die Wohnungstür zum ihm noch bekanntzugebenden Termin der Befundaufnahme nicht freiwillig öffnen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei im Interesse des Betroffenen geboten und vom Gesetz her zwingend vorgeschrieben. Gemäß § 237 Abs. 2 AußStrG könne das Gericht den Betroffenen vorführen lassen, wenn dieser einer Ladung nicht Folge leiste. Das Gericht sei befugt, das Erscheinen des wiederholt erfolglos Geladenen unter Anwendung der im § 87 GOG genannten Mittel zu erzwingen (GZ 20 SW 8/90-25).
Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Rekursgericht dem gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 30.11.1992 gerichteten Rekurs des Betroffenen nicht Folge. Die Öffnung der Wohnung durch einen Schlosser sei gemäß § 87 GOG zulässig, weil ansonsten die zwangsweise Vorführung vereitelt werde. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil zur Frage der gewaltsamen Öffnung einer Wohnungstür im Zuge einer Vorführung des Betroffenen keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Der angefochtene Beschluß und auch die dem Betroffenen zugekommene Ausfertigung desselben entsprechen den Formvorschriften der §§ 429 Abs 2, 417 Abs 1 ZPO. Die Anführung der Worte „Republik Österreich“ und die Aufnahme dessen „Hoheitszeichens“ in den Beschluß sind nicht vorgesehen.
Gemäß § 273 Abs.1 ABGB ist für eine Person, die an einer psychischen Krankheit leidet oder geistig behindert ist, auf ihren Antrag oder von Amts wegen ein Sachwalter zu bestellen, wenn sie nicht in der Lage ist, alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Im Zuge der vom Erstgericht vorgenommenen Erstanhörung gemäß § 237 Abs. 1 AußStrG kam das Gericht zur Ansicht, Clemens H***** sei nicht in der Lage, alle seine Angelegenheiten ohne die Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen, weshalb es die Befundaufnahme und Gutachtenserstattung durch einen psychiatrischen Sachverständigen anordnete. Gemäß § 241 Abs. 2 AußStrG darf ein Sachwalter nur nach Beiziehung eines oder erforderlichenfalls mehrerer Sachverständiger bestellt werden. Die im § 273 Abs. 1 ABGB normierte Pflicht des Gerichtes, für bestimmte Personen Sachwalter zu bestellen, kann demnach nur erfüllt werden, wenn zumindest ein Sachverständiger zum Zwecke der Untersuchung des Betroffenen beigezogen wurde. § 236 AußStrG verpflichtet das Gericht zum amtswegigen Verfahren, wenn sich begründete Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters zur Wahrung der Belange des Betroffenen ergeben (Maurer in RZ 1986, 76). Die Bestellung eines Sachwalters für einen Behinderten ist eine Maßnahme der Rechtsfürsorge, es geht um den Schutz des Betroffenen (Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis, 104 f, 109; Ent-Hopf, Das Sachwalterrecht für Behinderte, 83 f; Stabentheiner in AnwBl. 1985, 292).
§ 237 Abs. 2 AußStrG, wonach der Betroffene mit der nötigen Schonung vorgeführt werden kann, wenn er der Ladung vor Gericht nicht Folge leistet, berücksichtigt jene Fälle, in denen der Betroffene nicht freiwillig zur Erstanhörung erscheint. Eine gleichlautende Bestimmung für den Fall, daß der Betroffene der Ladung zum Sachverständigen nicht Folge leistet, ist dem Außerstreitgesetz nicht zu entnehmen.
Nach § 33 EntmO durfte die Entscheidung über die Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche nicht ohne vorausgehende Untersuchung des zu Entmündigenden durch einen oder zwei Sachverständige erfolgen. Daraus ergab sich, daß die ärztliche Untersuchung des zu Entmündigenden nicht von seiner Zustimmung abhängig war und daher auch gegen seinen Willen angeordnet werden mußte, sofern das Gericht nicht die Entmündigung abzulehnen beabsichtigte (EvBl. 1965/274). Die Rechtslage hat sich in diesem Punkt nicht geändert, denn gemäß § 241 Abs. 2 AußStrG darf ein Sachwalter ebenfalls nur nach Beiziehung zumindest eines Sachverständigen bestellt werden. Die Ladung des Clemens H***** zum Zwecke der Untersuchung seines Geisteszustandes zum Sachverständigen erfolgte zu Recht, weshalb das Gericht auch befugt war, das Erscheinen des wiederholt erfolglos Geladenen unter Anwendung der im § 87 GOG genannten Mittel zu erzwingen und seinen Widerstand auch durch zwangsweise Vorführung zu brechen (vgl. EvBl. 1965/274). Einer Vorführung ist aber „Gewalt“ begriffsimmanent, es muß daher die mit der Vorführung beauftragte Person für den Fall der Weigerung des Betroffenen, mitzugehen, - wenn auch geringstmögliche - Gewalt anwenden; andernfalls wäre die Anordnung einer Vorführung sinnlos. In besonderen Fällen, wenn ein Betroffener mehrfach der Ladung nicht Folge leistet und seine Vorführung zu verhindern trachtet, ist auch das zwangsweise Öffnen der Wohnungstür durchaus zulässig.
Die Ansicht Kremzows (Kremzow, Österreichisches Sachwalterrecht, 291), es sei die Vorführung zum Sachverständigen unstatthaft, wird im Sinne obiger Ausführungen nicht geteilt. Wenn er meint, im Zuge des Sachwalterbestellungsverfahrens müsse die Bestimmung des § 380 Abs. 3 ZPO zur Anwendung kommen, übersieht er, daß entsprechend der genannten Gesetzesstelle die Vorführung einer Partei, die zum Zweck der Beweisführung befragt werden soll, unstatthaft ist. Die analoge Anwendung des § 380 Abs. 3 ZPO im Sachwalterbestellungsverfahren muß unter Bedachtnahme darauf erfolgen, daß es sich bei letzterem um ein Rechtsfürsorgeverfahren handelt (Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis, 105). Es würde ein gänzliches Unterlaufen des Sinnes des Sachwalterbestellungsverfahrens bedeuten, könnte man den zugunsten der behinderten Person nötigen Schutz, zu dessen Herstellung das Gericht gemäß §§ 236 ff AußStrG verpflichtet ist, nicht gewährleisten, weil infolge Unmöglichkeit der Untersuchung durch einen Sachverständigen ein Sachwalter gar nicht bestellt werden könnte. Ähnliches gilt für den vom Rekurswerber angestellten Vergleich mit den Rechten eines Beschuldigten im Strafverfahren, der zu einer Mitwirkung bei einer ärztlichen Untersuchung nicht verhalten werden dürfe. Abgesehen davon, daß nach EvBl. 1981/179 der Beschuldigte nötigenfalls durch Zwangsmaßnahmen zur Mitwirkung an ärztlicher Untersuchung bei behaupteter Verhandlungsunfähigkeit verhalten werden darf und daß auch Foregger-Serini, StPO5, einer Zwangsmaßnahme zur Mitwirkung insoweit zustimmen, als man unter Mitwirkung lediglich Anwesenheit und passive Duldung (der Untersuchung) verstehe (FN I zu § 132 StPO), ist der Zweck des Strafverfahrens ein von dem des Sachwalterbestellungsverfahrens völlig verschiedener, insbesondere ist dem Strafverfahren sicherlich kein Rechtsfürsorgegedanke immanent.
Ist eine zwangsweise Vorführung - wie im vorliegenden Fall - nötig, dann hat die Vorführung - ebenso wie zur Zeit der Geltung der Entmündigungsordnung (1 Ob 162/70; 5 Ob 53/67) - in der vom Gesetz vorgesehenen Weise, insbesondere unter Heranziehung des § 87 Abs. 1 GOG, zu erfolgen. Wenn die zwangsweise Vorführung nur in der Form durchgeführt werden kann, daß auch die Öffnung einer Wohnung mit Zwangsmitteln erfolgen muß, sind diese Zwangsmittel anzuwenden, denn nur so kann der Schutz des Betroffenen, in dessen Interesse das Sachwalterbestellungsverfahren durchgeführt wird, gewährleistet werden. Es mag durchaus sein, daß die Beiziehung eines Schlossers und eines Gerichtsbeamten Aufsehen erregt, doch ist eine solche Vorgangsweise zum Schutz des Betroffenen nötig und durch sein eigenes Verhalten (Nichtöffnen der Wohnung) verursacht worden. Die mehrfachen Versuche, den Betroffenen zum Erscheinen beim Sachverständigen zu bewegen bzw. zum Öffnen der Wohnungstüre zu veranlassen, sprechen dafür, daß ohnehin „mit der nötigen Schonung“ seitens des Erstgerichtes vorgegangen wurde.
Dem Revisionsrekurs ist demnach der Erfolg zu versagen.
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