OGH 1Ob523/89

OGH1Ob523/897.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Thusnelda P***, Hausfrau, 2.) Manfred P***, Kaufmann, beide Innsbruck, Oppolzerstraße 4, beide vertreten durch Dr. Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1.) Rosemarie G***, Geschäftsfrau, 2.) Maria Luise T***, Geschäftsfrau, 3.) prot. Firma Josef P***, alle Innsbruck, Museumstraße 14, alle vertreten durch DDr. Hubert Fuchshuber, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 79.090,75 s.A. infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 5. Oktober 1988, GZ 2 a R 425/88-22, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 25. April 1988, GZ 17 C 455/87-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Robert P***, der Vater der Erstbeklagten, schenkte die Liegenschaft mit dem Haus Innsbruck, Museumstraße 14, 1943 seiner Tochter Dr. Anneliese S***. In diesem Haus befinden sich nebst dem Mieterschutz unterworfenen Wohnungen die Geschäftsräumlichkeiten der drittbeklagten Partei, einer unter einer Einzelfirma geführten offenen Handelsgesellschaft.

Mit im Juni 1945 unterzeichnetem, aber aus steuerlichen Gründen auf den 1. Jänner 1945 rückdatiertem Vertrag vermietete Dr. Anneliese S*** ihrem Vater Robert P*** zum Betrieb seines schon damals unter der Firma der drittbeklagten Partei geführten Einzelhandelsunternehmens die von diesem schon bisher zu diesem Zweck benützten Geschäftsräumlichkeiten gegen einen monatlichen Zins von RM 300; der Mieter verpflichtete sich ferner, "alle anfallenden Reparaturen, die auflaufenden Spesen, die Grundsteuer, Müllabfuhr, Gehsteigreinigung, Kaminkehrer, Stiegenbeleuchtung, Wasserzins, Feuer- und Haftversicherung und dgl. Abgaben für das gesamte Haus und Stöckl" und "eventuell zur Einführung gelangende Haussteuern und Abgaben" auf seine Rechnung zu übernehmen. Anfang 1950 wurde der Hauptmietzins auf monatlich S 3.500 festgelegt und die Geschäftsfläche von 500 m2 auf 2.000 m2 ausgedehnt. Obgleich der Mietvertrag derartiges nicht vorsah, übernahm Robert P*** auch die Heizungskosten für das gesamte Haus, desgleichen ab 1950 die drittbeklagte Partei.

Dieses Mietverhältnis wurde fortgesetzt, als Robert P*** Dr. Anneliese S*** und die Erstbeklagte, deren Schwester, mit Gesellschaftsvertrag vom 16. November 1950 in sein Unternehmen aufnahm und dieses mit seinen beiden Töchtern in Form einer offenen Handelsgesellschaft weiterbetrieb. Keine Änderung des Mietverhältnisses war damit verbunden, daß die Zweitbeklagte in die Gesellschaft eintrat (1965), Robert P*** (am 14. Dezember 1968) starb und Dr. Anneliese S*** (1972) aus der Gesellschaft ausschied. Dr. Anneliese S*** übermittelte der drittbeklagten Partei nach ihrem Ausscheiden jeweils zum Jahresende Mietabrechnungen für das abgelaufene Jahr. In diesen Abrechnungen wurden die Betriebskosten zur Gänze der drittbeklagten Partei angelastet; auch wurde diese ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Heizungskosten, Reparaturen und sonstigen Aufwendungen von der drittbeklagten Partei zufolge des Mietvertrages vom 1. Jänner 1945 direkt zu begleichen seien. Bis zum Rechtsstreit 11 Cg 196/80 des Landesgerichtes Innsbruck wurden diese Mietabrechnungen von den beklagten Parteien nicht ausdrücklich beanstandet. Die drittbeklagte Partei hat allerdings ohne Einverständnis der Dr. Anneliese S*** deren Verrechnungskonto mit jenen Betriebs- und Heizungskosten belastet, die nicht auf die Geschäftsräumlichkeiten entfielen. Auf diese Weise wurde das Konto der Vermieterin in den Jahren 1972 bis 1977 mit Betriebskosten von S 131.077,76, Heizungskosten von S 155.302,73 und mit Aufwendungen für Reparaturen am Haus mit S 427.208,40 belastet.

Seit 1950 hat die drittbeklagte Partei die gesamten Betriebs-, Heizungs- und Reparaturkosten für das Haus beglichen, verbucht und steuerlich abgesetzt. Im Betriebsprüfungsbericht des Finanzamtes Innsbruck vom 5. Jänner 1973 wurde der über die anteiligen Kosten hinausgehende Aufwand der drittbeklagten Partei nicht als Betriebskosten, sondern als weiteres Mietentgelt beurteilt. Die anteiligen Kosten der drittbeklagten Partei hat die Abgabebehörde in Anlehnung an einen Bescheid des Stadtmagistrats Innsbruck aus dem Jahre 1970 bei den Betriebskosten mit 40 %, bei den Heizungskosten mit 70 % ermittelt. Obgleich Dr. Anneliese S*** die drittbeklagte Partei weiterhin mit den Betriebs-, Heizungs- und Instandhaltungskosten für das gesamte Haus belastete, hat sie auch den übrigen Mietern die auf deren Bestandgegenstände entfallenden Betriebs- und Heizungskosten vorgeschrieben und vereinnahmt. Mit Vertrag vom 10. August 1977 verkaufte Dr. Anneliese S*** die Liegenschaft mit dem Haus Innsbruck, Museumstraße 14, den Klägern. Zufolge Punkt V dieses Vertrages leistete die Verkäuferin u. a. Gewähr für die Richtigkeit des mit der Firma Josef P*** geschlossenen Mietvertrages im Rahmen der erteilten Information. Die Verkäuferin teilte Josef P***, der die Vertragsverhandlungen namens der Kläger führte, mit, daß es wegen der Auslegung des Mietvertrages mit der drittbeklagten Partei Differenzen gebe, mit einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu rechnen sei und ihr die Erstbeklagte einen Betrag von S 200.000 an Betriebs- und Reparaturkosten schulde, jedoch die Zahlung verweigere. Der Ehegatte der Verkäuferin sagte Josef P*** ferner zu, er werde ihn vom Verfahrensausgang informieren. In der zweiten Hälfte des Jahres 1985 wurde die Hausverwaltung Dr. M*** & P*** vom Ausgang des Rechtsstreites verständigt, nach dessen Ergebnis der Vermieter nach dem Mietvertrag vom 1. Jänner 1945 zur Überwälzung aller Betriebs- und Reparaturkosten auf die drittbeklagte Partei berechtigt sei. Nach Rücksprache mit den Klägern teilte die Hausverwaltung der drittbeklagten Partei mit Schreiben vom 2. Juni 1986 mit, aus der vom Obersten Gerichtshof bestätigten Entscheidung des Landesgerichtes Innsbruck gehe hervor, daß die drittbeklagte Partei die gesamten Betriebs- und Reparaturkosten für das Haus als Mietzins zu bezahlen habe, die Kläger jedoch auf Berechnung des Mietzinses in dieser Form für das Jahr 1985, nicht aber auch für die folgenden Jahre verzichteten.

Bis dahin waren der drittbeklagten Partei ohne jeden Vorbehalt der monatliche Hauptmietzins mit S 3.500 sowie Betriebskosten bis zum 1. Jänner 1982 (Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes) in Entsprechung eines Beschlusses des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 16. August 1982 (mit welchem der Friedenskronenzins für das Bestandobjekt der drittbeklagten Partei mit 9.010 Kronen festgesetzt worden war) im Ausmaß von 43,17 % und ab 1. Jänner 1982 anteilig entsprechend der Nutzungsfläche deren Bestandgegenstandes vorgeschrieben und von dieser auch bezahlt worden. Die Kläger haben bis zum Schreiben vom 17. September 1986 nicht versucht, den nach Mitteilung der Vermieterin aushaftenden Betrag von S 200.000 oder weitergehende Betriebs- und Instandsetzungskosten zu verlangen. Am 17. September 1986 richtete der Klagevertreter namens der Kläger an die drittbeklagte Partei ein Schreiben, das im wesentlichen Teil nachstehenden Wortlaut hat:

"Auf Grund der inzwischen ergangenen Entscheidung des Landesgerichtes Innsbruck, welche auch vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurde, ist der Mietvertrag vom 1. Jänner 1945 gültig. Ich ersuche Sie, ab 1. Oktober 1986 nachstehende Leistungen an meine Mandantin zu erbringen:

Mietzins-Fixbetrag S 3.500,--

anteilige Betriebskosten (die Gesamt-

betriebskosten des Hauses wurden mit

S 176.400 von der Hausverwaltung fest-

gesetzt) S 7.467,60

Differenz zwischen den tatsächlichen

Betriebskosten und den Gesamtbetriebs-

kosten des Hauses S 7.232,40

+ 10 % MWSt., das sind S 1.820,--

ergibt somit einen monatlichen Betrag

von S 20.020,--

Ferner sind Sie auf Grund des Mietvertrages verpflichtet, die gesamten anfallenden Reparaturen zu übernehmen.

An die Fa. S*** haben meine Mandanten laut

Teilrechnung vom 3. Juni 1986 den Betrag von vorläufig S 200.000

überwiesen. Unter Berücksichtigung der von Ihnen bereits an die

Hausverwaltung geleisteten Beträge

von S 117.149,90

+ MWSt. S 11.714,99

ergibt sich noch ein Restbetrag von S 71.135,11.

Ich ersuche Sie, diesen Betrag bis 25. September 1986 auf mein

Konto .... bei der Sparkasse der Stadt Innsbruck zu überweisen ...."

Die drittbeklagte Partei bezahlte jedoch für Oktober 1986 lediglich S 12.064,32, so daß unter Bedachtnahme auf den mit Schreiben vom 17. September 1986 eingeforderten Betrag noch der Klagsbetrag von S 79.090,75 aushaften.

Mit ihrer am 29. Oktober 1986 eingebrachten Klage begehrten die Kläger die Verurteilung der beklagten Parteien zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 79.090,75 s.A. Dr. Anneliese S*** habe den mit ihrem Vater Robert P*** geschlossenen Mietvertrag den Klägern überbunden. Da diesen bekannt gewesen sei, daß es zwischen Dr. Anneliese S*** und den beklagten Parteien zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen werde, hätten sie vorerst von den beklagten Parteien nur den monatlichen Mietzins von S 3.500 sowie die anteiligen Betriebskosten begehrt. Darin liege jedoch kein Verzicht auf ihre weitergehenden Rechte. Unverzüglich nach Bekanntwerden der Entscheidung im Rechtsstreit 11 Cg 196/80 des Landesgerichtes Innsbruck habe die Hausverwaltung den beklagten Parteien mitgeteilt, daß die drittbeklagte Partei nunmehr die gesamten Betriebs- und Reparaturkosten des Hauses zu bezahlen habe. Da die Kläger auf ihre Gesamtforderung nur für die Vergangenheit verzichtet hätten, seien die beklagten Parteien zu den Zahlungen laut Schreiben vom 17. September 1986 zur ungeteilten Hand verpflichtet.

Die beklagten Parteien wendeten ein, sollte eine derartige Mietzinsvereinbarung überhaupt bestanden haben, sei der Mietvertrag durch schlüssiges Handeln einvernehmlich dahin abgeändert worden, daß die beklagten Parteien nur den aliquoten Anteil der Betriebs- und Reparaturkosten zu bezahlen hätten. Seit dem Erwerb des Hauses hätten die Kläger bis zum Jahr 1986 ohne jeden Vorbehalt einen monatlichen Mietzins von S 3.500 zuzüglich eines Betriebskostenanteiles von 43,17 % vorgeschrieben; diesen Vorschreibungen entsprechend habe die drittbeklagte Partei Zahlung geleistet. Dadurch, daß die Kläger keinerlei Vorbehalt gemacht und somit nicht behauptet hätten, daß sie ein höheres Mietentgelt zu verlangen berechtigt seien, sei eine vertragliche Vereinbarung zwischen den Streitteilen zustandegekommen, von welcher die Kläger nicht nachträglich einseitig abgehen könnten. Im Mietvertrag vom 1. Jänner 1945 sei die Verpflichtung des Mieters, alle anfallenden Reparaturen und Abgaben für das gesamte Haus und das Stöcklgebäude zu übernehmen, nur deshalb festgelegt worden, weil damals Wertsicherungsklauseln ungültig gewesen seien. Es handle sich somit um eine unzulässige Umgehung eines gesetzlichen Verbotes, so daß auch diese Vereinbarung ungültig sei. Im übrigen bleibe der Vertrag aufrecht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Parteienabsicht liege beim Vertrag vom 1. Jänner 1945 auf der Hand: Durch die Vereinbarung eines Anerkennungszinses und die Überwälzung der Betriebs- und Erhaltungskosten für das gesamte Haus hätten sowohl Dr. Anneliese S*** als auch der drittbeklagten Partei steuerliche Vorteile erwachsen sollen. Bei der Übernahme der die anteiligen Kosten übersteigenden Betriebskosten und allfälliger Reparaturen handle es sich um einen verdeckten Hauptmietzins. Nach § 43 Abs. 2 MRG sei daher zu prüfen, welchen Mietzins die Parteien hätten gültig vereinbaren können. Auf Grund der damals geltenden preisrechtlichen Vorschriften hätte nur der Friedenskronenzins gültig vereinbart werden können. Daß zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwischen Dr. Anneliese S*** und Robert P*** die Vereinbarung eines angemessenen Hauptmietzinses zulässig gewesen sei, hätten die klagenden Parteien nicht behauptet. Die Mietzinsvereinbarung sei daher, sofern sie den gesetzlichen Mietzins gemäß § 2 Abs. 1 MRG übersteige, nichtig; diese Nichtigkeit sei durch das Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes nicht saniert worden. Sehe man die Überwälzung der gesamten Betriebs- und der Erhaltungskosten als Wertsicherung an, würde sich am Ergebnis nichts ändern, weil Wertsicherungsklauseln selbst bei nicht geschützten Mietverhältnissen zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung durch die Preisbehörde bedurft hätten.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Auszugehen sei davon, daß das Bestandverhältnis stets vom Mieterschutz betroffen gewesen sei, weil die Kläger einen Ausnahmetatbestand weder behauptet noch bewiesen hätten. Es gelte daher § 43 Abs. 2 MRG, so daß die Gültigkeit der Mietzinsvereinbarung zwischen Dr. Anneliese S*** und deren Vater ebenso wie eine solche zwischen den Streitteilen nach den geltenden Vorschriften zu beurteilen sei. Das Berufungsgericht schließe sich des weiteren der Auffassung des Erstgerichtes an, daß es sich bei der Verpflichtung zur Tragung der die aliquoten Betriebs- und Reparaturkosten übersteigenden Aufwendungen für das Haus um einen Teil des Hauptmietzinses handle, weil darin keine Wertsicherung erblickt werden könne. Nach der Rechtslage bei Abschluß des Mietvertrages sei die darin getroffene Zinsvereinbarung unzulässig gewesen. 1950 sei das Bestandobjekt wesentlich erweitert worden. Darin könnte man den Abschluß eines neuen Mietvertrages über die neu hinzugekommene Geschäftsfläche erblicken. Da die damals bereits gegründete drittbeklagte Partei von 1950 bis 1972 nicht nur sämtliche im Mietvertrag vom 1. Jänner 1945 genannten Kosten, sondern auch die Heizungskosten getragen habe, könnte eine Mietzinsvereinbarung im Sinne des Vertrages vom 1. Jänner 1945 konkludent getroffen worden sein. Einer solchen schlüssig zustandegekommenen Vereinbarung seien allerdings bis 1954 reichsrechtliche Preisregelungsbestimmungen und später das Zinsstoppgesetz entgegen gestanden. Nach dem am 1. Jänner 1968 in Kraft getretenen Mietrechtsänderungsgesetz seien nach dem 31. Dezember 1967 Vereinbarungen zwischen dem Vermieter und dem Mieter über die Höhe des Mietzinses u.a. jedenfalls dann zulässig gewesen, wenn das Mietverhältnis mindestens ein halbes Jahr bestanden habe. Infolge Entrichtung der gesamten Betriebs- und Reparaturkosten bis zum Jahr 1972 könnte daher nach Änderung der Rechtslage durch das Mietrechtsänderungsgesetz eine stillschweigende und auch zulässige Mietzinsvereinbarung im Sinne des Vertrages vom 1. Jänner 1945 getroffen worden sein. Diese Frage müsse jedoch nicht endgültig geklärt werden. Die Kläger hätten der drittbeklagten Partei nur deshalb den auf das Geschäftslokal entfallenden Betriebskostenanteil vorgeschrieben, weil sie den Ausgang des Verfahrens 11 Cg 196/80 des Landesgerichtes Innsbruck, in dem auch über die Zulässigkeit der Mietzinsvereinbarung zu entscheiden gewesen sei, hätten abwarten wollen. Daß sie dieses Motiv den beklagten Parteien zur Kenntnis gebracht hätten, hätten sie selbst nicht behauptet. Diese für die beklagten Parteien nicht erkennbare Absicht sei rechtlich ohne Bedeutung. Das nach außen erkennbare Verhalten der Kläger könne nach Treu und Glauben nicht anders verstanden werden, als daß sie von der von ihrer Rechtsvorgängerin getroffenen Mietzinsvereinbarung habe abgehen wollen. Obwohl sie schon bei Abschluß des Kaufvertrages von den Differenzen zwischen Dr. Anneliese S*** und der drittbeklagten Partei über die Gültigkeit der Mietzinsvereinbarung Kenntnis gehabt hätten, hätten sie dieser laufend nur den Hauptmietzins von S 3.500 zuzüglich anteiliger Betriebskosten vorgeschrieben. Dies alles reichte zwar noch nicht für die Annahme einer schlüssigen Vertragsänderung aus, doch hätten die Kläger mehr als neun Jahre hindurch den beklagten Parteien nicht zu erkennen gegeben, daß sie ihr später wieder die gesamten Betriebs- und Reparaturkosten überwälzen wollten. Dieser lange Zeitraum und die Tatsache, daß sich die Kläger den beklagten Parteien gegenüber genauso verhalten hätten, wie es deren Rechtsstandpunkt schon Dr. Anneliese S*** gegenüber entsprochen habe, lasse auch unter Anlegung eines strengen Maßstabes nach Treu und Glauben objektiv keinen anderen Schluß zu, als daß die Kläger mit der drittbeklagten Partei eine neue Mietzinsvereinbarung getroffen hätten, wonach diese neben dem Hauptmietzins von monatlich S 3.500 nur die anteiligen Betriebs- und Reparaturkosten zu entrichten habe. Es könne dahingestellt bleiben, ob das Verhalten der Kläger als Verzicht oder als Anerkenntnis zu beurteilen sei. Die dagegen von den Klägern erhobene außerordentliche Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen haben die mietrechtliche Zulässigkeit der Zinsvereinbarung im Vertrag vom 1. Jänner 1945 einschließlich deren vertraglichen Abänderung Anfang 1950 (nun monatlicher Mietzins von S 3.500 gegen Ausdehnung der Mietfläche von 500 m2 auf 2.000 m2) geprüft, obgleich die beklagten Parteien zu dieser Frage in erster Instanz lediglich vorgebracht hatten, die Übernahme aller Betriebs- und Instandhaltungskosten durch den Mieter sei als Wertsicherungsklausel aufzufassen, die bei Abschluß des Vertrages jedoch gesetzlich unzulässig gewesen sei. Das Berufungsgericht hat zwar anklingen lassen, daß eine solche Zinsvereinbarung jedenfalls nach Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes (am 1. Jänner 1968) - auch durch eine konkludente

Willenseinigung - möglich gewesen wäre, hat aber im Hinblick auf seine Rechtsauffassung, die Kläger hätten auf das Recht zur Inanspruchnahme der gesamten für das Haus aufzuwendenden Betriebs- und Instandhaltungskosten schlüssig verzichtet, eine endgültige Lösung dieser Rechtsfrage für entbehrlich gehalten. Zutreffend hat das Berufungsgericht hervorgehoben, daß gemäß Art. II Z 1 lit d und Art. IV MRÄG vom 1. Jänner 1968 an Vereinbarungen zwischen Vermieter und Mieter über die Höhe des Mietzinses zulässig waren, wenn - u.a. - das Mietverhältnis mindestens ein halbes Jahr bestanden hat. Demnach konnte die im Mietvertrag vom 1. Jänner 1945 enthaltene und 1950 abgeänderte Mietzinsvereinbarung jedenfalls vom 1. Jänner 1968 an wirksam getroffen bzw. in Kraft gesetzt werden, was auch im Wege einer stillschweigenden Vereinbarung möglich war. Das Erstgericht hat mit ausreichender Deutlichkeit festgestellt, daß die Rechtsvorgängerin der Kläger, Dr. Anneliese S***, die drittbeklagte Partei jedenfalls bis zum Jahr 1972 unbeanstandet nicht nur mit dem betraglich festgesetzten Hauptmietzins, sondern auch mit den gesamten für das Haus aufgelaufenen Betriebs- und Reparaturkosten belastet und diese die vorgeschriebenen Kosten dem Inhalt des Mietvertrages entsprechend zur Zahlung auf eigene Rechnung übernommen hat. Erst nach einer Betriebsprüfung bei der drittbeklagten Partei, bei der die Abgabenbehörde die im Mietvertrag vorgesehene Überwälzung der die anteiligen Kosten übersteigenden Betriebs- und Instandsetzungskosten auf den Mieter aus abgabenrechtlicher Sicht als weiteres Mietentgelt beurteilt hatte, belastete die drittbeklagte Partei, die die Kosten weiterhin trug, das Verrechnungskonto der Vermieterin mit jenem Teil der Kosten, der nicht auf den Mietgegenstand selbst entfiel, ohne jedoch auch die Mietzinsabrechnungen zu beanstanden. Hatte sich die drittbeklagte Partei schon vor dem 1. Jänner 1978 und damit während eines Zeitraumes, in dem die Zulässigkeit der vorliegenden Mietzinsvereinbarung zumindest fraglich sein konnte, stets an diese gehalten, so kann die danach fortgesetzte - und nunmehr jedenfalls rechtlich wirksame - vertragstreue Erfüllung der Mietzinsvereinbarung nicht anders verstanden werden, als daß sich die Mieterin auch an die zinsrechtliche Vereinbarung gebunden erachtete. Damit bestand aber zumindest ab Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes eine ohne gesetzliche Beschränkungen wirksame Mietzinsvereinbarung, die die Rechtsvorgängerin der Kläger bzw. diese selbst berechtigte, die Betriebs- und Reparaturkosten für das gesamte Haus auf die drittbeklagte Partei zu überwälzen. Zu verneinen ist der vom Berufungsgericht bejahte schlüssige Verzicht auf das Recht zur Überwälzung der gesamten Betriebs- und Instandhaltungskosten auf die drittbeklagte Partei. Schon bei der Beurteilung einer Handlung auf ihren Erklärungswert ist Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, daß dem Handelnden damit Willenserklärungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn sind (Koziol-Welser, Grundriß8 I 83). Nach § 863 ABGB darf daher eine konkludente (schlüssige) Erklärung nur dann angenommen werden, wenn die Handlung nach der Verkehrssitte sowie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist; es darf kein vernünftiger Grund übrig bleiben, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt. Umso mehr Vorsicht ist bei bloßer Untätigkeit des Berechtigten angebracht, weil einer solchen zumeist überhaupt kein bestimmter Erklärungswert zugemessen werden kann und schon deshalb ein stillschweigender Verzicht nur in Ausnahmefällen angenommen werden darf. Ein solcher Verzicht kann nach Lehre und Rechtsprechung (RdW 1985, 75; RZ 1984/3; SZ 55/14 und 21 uva; Koziol-Welser aaO; Rummel in Rummel, ABGB, § 863 Rz 14; Apathy in Schwimann, ABGB, § 863 Rz 11) daher nur dann bejaht werden, wenn infolge besonderer Umstände angenommen werden muß, daß er ernstlich gewollt ist, und der Schuldner unter Bedachtnahme auf Verkehrssitte, Gewohnheit sowie Treu und Glauben den zweifelsfreien Schluß ziehen durfte und auch gezogen hat, der Gläubiger habe auf sein Recht verzichten wollen; ein solcher Schluß darf in aller Regel nur gezogen werden, wenn der Stillschweigende nach Treu und Glauben, nach der Verkehrssitte oder nach dem Gesetz hätte reden müssen (EvBl. 1969/97 ua). Nach der Rechtsprechung (RdW 1985, 75; ImmZ 1976, 187 ua) ist der schlüssige Verzicht auf erst in Zukunft zu erbringende Leistungen noch strengeren Anforderungen zu unterwerfen als der Verzicht auf Leistungen, die der Berechtigte schon hätte einfordern können, aber nicht eingefordert hat: Die Gründe, die den Gläubiger zur Untätigkeit bestimmt haben, lassen in aller Regel keinen Schluß darauf zu, daß er auch für alle Zukunft von einer Ausübung dieser Rechte abstehen will (vgl. RdW 1985, 75; MietSlg. 32.130/19; SZ 48/106 ua). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kommt es somit für die Annahme eines schlüssigen Verzichtes nicht darauf an, ob der Schuldner einen solchen Rechtsfolgewillen aus dem Verhalten des Gläubigers als eine von mehreren Möglichkeiten ableiten konnte; entscheidend ist allein, ob das Verhalten des Gläubigers beim Schuldner unter Bedachtnahme auf die im § 863 ABGB genannten Kriterien die Erwägungen anderer Beweggründe gar nicht erst aufkommen lassen konnte. Mit Überlegung aller Umstände konnten die beklagten Parteien aber nicht annehmen, die Kläger würden in aller Zukunft auf einen ihnen zustehenden, von den beklagten Parteien früher noch bezahlten höheren Mietzins auch dann verzichten, wenn gerichtlich geklärt ist, daß der Anspruch berechtigt ist. Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits entschieden, daß selbst die unterlassene Einforderung von Mietzinszahlungen durch 14 Jahre für sich allein die Annahme eines Verzichtes auf diesen Anspruch für die Zukunft nicht rechtfertigen kann (RdW 1985, 75; ähnlich MietSlg.

32.130/19 mwN). Auch wenn die Kläger den beklagten Parteien das

Motiv für ihr Verhalten - die bloße Teileinforderung des

Mietentgeltes - nicht bekanntgegeben haben, lag der Grund hiefür

angesichts des gegen die drittbeklagte Partei geführten

Rechtsstreites doch nahe. Die beklagten Parteien könnten daher nicht

darauf vertrauen, daß die Kläger ihre bisher nicht geltend gemachten

vertraglichen Rechte überhaupt aufgeben wollten.

Waren die Kläger den beklagten Parteien gegenüber zur

Einforderung aller Betriebs- und Reparaturkosten für das Haus

berechtigt und haben sie auf diese ihnen vertraglich zustehenden

Rechte auch nicht schlüssig verzichtet, so wird das Erstgericht die

Klagsansprüche im fortgesetzten Verfahren auch der Höhe nach zu

prüfen haben, weil die beklagten Parteien auch diese bestritten

haben und beide Vorinstanzen auf diese Frage im Hinblick auf ihre

Rechtsansicht nicht eingegangen sind.

Die Urteile der Vorinstanzen sind deshalb aufzuheben; das in diesem Umfang mangelhaft gebliebene Verfahren wird vom Erstgericht vor dessen neuerlicher Entscheidung insoweit zu ergänzen sein. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

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