European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00052.22M.0420.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (darin 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger erlitt bei von der Beklagten – einem maltesischen Unternehmen ohne Konzession nach dem österreichischen GSpG – über deren Website veranstalteten Glücksspielen (unter anderem Online‑Pokerspiele), zwischen Dezember 2018 und Oktober 2019 Verluste in Höhe des eingeklagten Betrags.
[2] Die Vorinstanzen gaben dem (auch) auf Bereicherungsrecht gestützten Klagebegehren statt. Das österreichische Glücksspielmonopol sei nicht unionsrechtswidrig. Die Durchführung einer Ausspielung ohne Konzession sei damit verbotenes Glücksspiel, was die Möglichkeit zur bereicherungsrechtlichen Rückforderung erlittener Spielverluste eröffne. Die Passivlegitimation der Beklagten als Bereicherungsschuldnerin sei zu bejahen, weil sie die Ausspielung organisiert habe. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil „zur Rückforderung von Poker-Spieleinsätzen“ sowie „zur Frage der Berechtigung einer Gegenforderung in Form eines Benützungsentgelts bzw eines Ersatzes des Unterhaltungswerts“ bei nach dem GSpG nichtigen Verträgen keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
[3] Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1.1. Die Revisionswerberin argumentiert, dass der Oberste Gerichtshof noch nicht zur – vom Berufungsgericht unrichtig beantworteten – Frage Stellung genommen habe, wer beim Online‑Pokerspiel als Vertragspartner des Spielers und daher als Bereicherungsschuldner anzusehen sei.
[5] 1.2. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (vgl RIS‑Justiz RS0112769 [T9]; RS0112921). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn sie durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt wurde (RS0112769 [T12]; RS0112921 [T5]).
[6] 1.3. Der Oberste Gerichtshof hat in der ebenfalls die beklagte Partei betreffenden Entscheidung vom 2. 2. 2022 zu 6 Ob 229/21a zu der von der Revisionswerberin aufgeworfenen Frage ausführlich Stellung genommen und diese zusammengefasst dahin beantwortet, dass sich die Passivlegitimation der Beklagten (und damit ihre Eigenschaft als Bereicherungsschuldnerin) schon daraus ergebe, dass sie als Spielorganisatorin Empfängerin der Leistung des Klägers gewesen sei. Die wiederkehrenden Geldüberweisungen des Klägers auf ein Konto der Beklagten hätten zu ihrer unmittelbaren Bereicherung geführt. Von einer (Vorab‑)Zahlung zur Abwicklung eines allfälligen, im Zeitpunkt der Einzahlung noch gar nicht abgeschlossenen Glücksvertrags mit einem künftigen Mitspieler könne keine Rede sein. Die Rolle der Beklagten gehe insofern über jene einer bloßen „Abwicklungstreuhänderin“ hinaus, als der Nutzer vorweg eine Einzahlung auf ein Konto der Beklagten tätigen müsse, um „Spielguthaben“ zu erwerben und in dessen Umfang an den von der Beklagten (rechtswidrig) angebotenen Online‑Glücksspielen teilnehmen zu können.
[7] 1.4. Der erkennende Senat schloss sich diesen Ausführungen bereits in seinen zu 1 Ob 22/22z, 1 Ob 31/22y, 1 Ob 37/22f, 1 Ob 44/22k und 1 Ob 49/22w ergangenen Entscheidungen an; ebenso der vierte Senat zu 4 Ob 229/21m sowie der zweite Senat zu 2 Ob 17/22x. Die Revision der Beklagten lässt keinen Grund erkennen, davon abzugehen.
[8] 2. Der Oberste Gerichtshof legte in seiner zu 6 Ob 229/21a ergangenen Entscheidung auch dar, dass dem auf Rückforderung erlittener Spielverluste gerichteten Klagebegehren aufgrund des rechtswidrigen (ohne Konzession nach dem GSpG erfolgten) Angebots der Glücksspiele auch insoweit Berechtigung zukomme, als dieses auf Schadenersatz gestützt wurde. Das Verhalten der Beklagten sei für den eingetretenen Schaden kausal gewesen, hätte doch der Kläger bei Unterbleiben des verbotenen Glücksspiels den Schaden nicht erlitten. Auch dieser Beurteilung schloss sich der erkennende Senat an (vgl bereits 1 Ob 22/22z, 1 Ob 31/22y, 1 Ob 37/22f, 1 Ob 44/22k sowie 1 Ob 49/22w).
[9] 3.1. Dass der Kläger nur seine Spielverluste geltend gemacht und sich seine Gewinne „behalten“ habe, trifft nicht zu, ist das Klagebegehren doch nur auf die Differenz zwischen den (höheren) Verlusten und den (geringeren) Gewinnen aus den einzelnen Spielen gerichtet.
[10] 3.2. Warum eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung deshalb („aufgrund des Normzwecks des GSpG“) ausgeschlossen sein soll, weil dem Spieler sonst „der abschreckende Effekt“ seines problembehafteten Spielverhaltens nicht vor Augen geführt, sondern ihm ein „Fehlanreiz zum verbotenen Spiel geboten würde“, ist nicht nachvollziehbar. Dass dem Kläger bewusst sein musste, dass die von ihm abgeschlossenen Glücksspielverträge mangels Konzession der Beklagten nach dem GSpG unwirksam sind, kann ihm diese schon deshalb nicht entgegengehalten, weil sie sich selbst auf deren Wirksamkeit berief. Davon abgesehen bestünde ein Rückforderungsanspruch auch dann, wenn dem Spielteilnehmer die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt gewesen wäre (RS0025607 [T2] = 10 Ob 2429/96w), wovon hier aber ohnehin keine Rede sein kann.
[11] 3.3. Auf die Ausführungen der Revisionswerberin zum vermeintlichen „Ausschluss“ eines Bereicherungsanspruchs muss im Übrigen nicht weiter eingegangen werden, weil das Klagebegehren auch insoweit berechtigt ist, als es auf Schadenersatz gestützt wurde. Soweit die Beklagte auch in dritter Instanz auf dem Standpunkt steht, dass die Glücksspiele einen „Unterhaltungswert“ gehabt hätten, den sich der Kläger sowohl im Rahmen einer bereicherungsrechtlichen als auch einer auf Schadenersatz gestützten Rückabwicklung „als Vorteil anrechnen lassen müsse“, hielt dem das Erstgericht entgegen, dass die Beklagte einen solchen „Vorteil“ weder beziffert noch eine für dessen „Berücksichtigung“ (taugliche) Rechtsgrundlage genannt habe und ein behaupteter „Unterhaltungswert“ der Glücksspiele auch nicht ersichtlich sei. Die Beklagte trat dem in ihrer Berufung nicht entgegen (sondern erachtete es bloß als Verfahrensmangel, dass zum „Unterhaltungswert“ ihrer Spiele kein Sachverständigengutachten eingeholt wurde), weshalb darauf in dritter Instanz nicht einzugehen ist (vgl RS0043573 [insb T2, T33, T36, T43]). Dies gilt auch für die erstmals in der Revision erhobene Behauptung, der Kläger müsse sich auch die mit den Glücksspielen verbundene „Gewinnchance“ (deren Wert den getätigten Spieleinsätzen entspreche) als „Vermögensvorteil“ anrechnen lassen.
[12] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Der Kläger hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen.
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