OGH 1Ob51/87

OGH1Ob51/8720.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans T***, Betriebsleiter, München 2, Thalkirchner Straße 62, vertreten durch Dr. Friedrich Krall, Rechtsanwalt in Kufstein, wider die beklagte Partei Domitius M***, Landwirt, Vorderthiersee 38, vertreten durch Dr. Hansjörg Zink, Dr. Georg Petzer und Dr. Herbert Marschitz, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Unterlassung (Streitwert S 30.000,--) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 13. August 1987, GZ 2 a R 541/86-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kufstein vom 7. Juli 1986, GZ 5 C 3/86-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Anneliese F***, die Schwester des Klägers, erwarb im Jahr 1961 von Peter S*** das Grundstück 360 II KG Thiersee und errichtete auf diesem Grundstück ein Holzhaus. Unter Mithilfe des Klägers und des Beklagten wurde die auf einer Teilfläche des seit 1967 im Eigentum des Beklagten stehenden Grundstücks 1029/1 der EZ 16 I KG Thiersee entspringende Quelle mit einer Vorrichtung aus Holz gefaßt, und eine Leitung zum Grundstück der Anneliese F*** auf den der Kläger dann ein Steinhaus errichtete, verlegt.

Mit Kaufvertrag vom 21. November 1961 erwarb der Kläger vom Vater des Beklagten Domitius M***, geb. 1906, das Grundstück 1029/2 der EZ 16 I KG Thiersee. Gemäß Punkt VII des Kaufvertrages gewährleistete der Verkäufer dem Käufer den ausreichenden Wasserbezug, doch werde dieses Recht in einem gesonderten Dienstbarkeitsvertrag niedergelegt und verbüchert. Den vertragschließenden Teilen war klar, daß sich das Wasserbezugsrecht auf die vorgenannte Quelle bezieht; die Teilfläche, auf der die Quelle entspringt, ist im Lageplan des Dipl.Ing. Harald J*** vom 28. Dezember 1965 mit 1029/8 bezeichnet. Mit Vertrag vom 5. Juni 1962 erwarben der Kläger, Olga T***, Anneliese F*** und Walter A*** von Domitius M***, geb. 1906, das neu zu bildende Grundstück 1029/8 im Ausmaß von 130 m2 um S 2.000,--. In Punkt VI des Kaufvertrages wurde festgehalten, daß die Käufer das Grundstück wegen der auf dem Grundstück befindlichen Quelle und deren Nutzung erwerben. Es wurde vereinbart, daß Domitius M*** das Recht zusteht, notfalls, d.h. wenn die bestehenden Quellen für die reine Eigenwasserversorgung nicht mehr ausreichen sollten, das Wasser der Quelle bis zur Hälfte ihrer Ergiebigkeit zu beanspruchen. Davon unabhängig wurde Domitius M*** das Recht auf Bezug des Überwassers zur Viehtränke eingeräumt. Nach Abschluß des Kaufvertrages vom 5. Juni 1962 wurde von den Käufern eine Brunnenstube, bestehend aus drei Betonringen im Durchmesser von ca. einem Meter, einer händisch zu bedienenden Pumpe und einer Betonplatte errichtet. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 8. Februar 1985, LGv-919/6-83, wurde dem Vertrag vom 5. Juni 1962 die grundverkehrsbehördliche Zustimmung rechtskräftig versagt. Das Grundstück 1029/2 des Klägers ist im Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesen, eine Baubewilligung ist für dieses Grundstück in absehbarer Zeit nicht zu erlangen. Mit Schreiben seines Vertreters vom 4. März 1985 forderte der Beklagte den Kläger auf, bis 15. Mai 1985 alle Vorrichtungen auf dem Grundstück 1029/8 zu entfernen und den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, widrigenfalls diese Arbeiten von ihm auf Kosten des Klägers durchgeführt würden.

Der Kläger begehrt, den Beklagten schuldig zu erkennen, die Entfernung der von ihm auf jenem Teil des Grundstücks 1029/1 der in dem einen integrierenden Bestandteil der Klage bildenden Lageplan des Dipl.Ing. Harald J*** vom 28. Dezember 1965 als Grundstück 1029/8 bezeichnet ist, errichteten Anlagen zur Fassung und Ableitung der dort entspringenden Quelle zu unterlassen. Er brachte vor, ihm sei schon vor Abschluß des Kaufvertrages vom 5. Juni 1962 anläßlich des Erwerbes des Grundstücks 1029/2 von Domitius M***, geb. 1906, das Recht eingeräumt worden, die gegenständliche Quelle zu fassen, abzuleiten und die hiezu erforderlichen Anlagen zu errichten. Die Quelle sei von ihm unter Mithilfe des Beklagten gefaßt worden. Bei Zerstörung der Quellfassung wäre das Recht auf Wasserbezug vereitelt. Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Dem Kaufvertrag vom 5. Juni 1962 sei die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt worden, so daß er Eigentümer des Grundstücks 1029/8 und der auf diesem Grundstück entspringenden Quelle geblieben sei. Im Zusammenhang mit dem Verkauf des Grundstücks 1029/2 durch seinen Vater sei dem Kläger zwar ein ausreichendes Wasserbezugsrecht aus der Quelle zugesichert worden; er komme dieser Verpflichtung auch nach, doch bestehe derzeit kein Wasserbedürfnis des Klägers, zumal er auf seinem Grundstück 1029/2, das im Freiland gelegen sei, kein Bauwerk errichten dürfe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dem Kläger stehe zwar auf Grund der mit dem Vater des Beklagten getroffenen Vereinbarung das Recht zum Wasserbezug aus der in Rede stehenden Quelle zu, doch diene die Quelle derzeit nur der Versorgung der auf dem Grundstück der Anneliese F*** errichteten Häuser. Eine Wasserversorgung des Klägers sei in absehbarer Zeit nicht notwendig. Wenn der Beklagte die zur Fassung der Quelle errichteten Anlagen entferne, werde in Rechte des Klägers nicht eingegriffen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, jedoch nicht S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig. Der Kauf- und Dienstbarkeitsvertrag vom 5. Juni 1962 sei zufolge Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung nichtig. Daraus folge aber nicht die Ungültigkeit des zwischen dem Kläger und dem Vater des Beklagten in Ansehung des Grundstückes 1029/2 abgeschlossenen Vertrages und des darin verbrieften Wasserbezugsrechtes des Klägers. Die nähere Ausgestaltung der Dienstbarkeit sei zwar einem gesonderten Vertrag vorbehalten worden, doch sei im Kauf- und Dienstbarkeitsvertrag vom 5. Juni 1962 nicht das dem Kläger zugesagte Dienstbarkeitsrecht des Wasserbezuges zugunsten seines Grundstückes 1029/2 näher ausgestaltet, sondern eine völlig andere Regelung (Kauf des Quellgrundstücks durch den Kläger und drei weitere Käufer) getroffen worden. Selbst wenn man die Ansicht vertreten wollte, daß die Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Vater des Beklagten durch die im Kauf- und Dienstbarkeitsvertrag vom 5. Juni 1962 vorgesehene Regelung ersetzt und damit aufgehoben wurde, lebten nach Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages vom 5. Juni 1962 die früheren Vereinbarungen wieder auf. Der Beklagte erachte sich aber ohnehin an die von seinem Vater mit dem Kläger getroffene Vereinbarung gebunden. Von einer völligen Zwecklosigkeit des ihm eingeräumten Rechtes könne, auch wenn das Grundstück 1029/2 des Klägers im Freiland gelegen sei, nicht gesprochen werden, zumal durchaus andere Nutzungsmöglichkeiten als die Versorgung eines zu errichtenden Bauwerkes, so die Bewässerung des Grundstückes, denkbar seien. Die Entfernung der vom Kläger errichteten Anlagen zur Quellfassung sei geeignet, die Ausübung des Wasserbezugsrechtes zu erschweren oder gar zu vereiteln. Die Androhung derartiger Maßnahmen durch den Beklagten rechtfertige daher die vorbeugende Unterlassungsklage.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Beklagten kommt Berechtigung nicht zu.

Was die Ausführungen zum Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit betrifft, so trifft es zu, daß dem Kläger nach seinem eigenen Vorbringen das Wasserbezugsrecht nur zum Zweck der Nutzung des erworbenen Grundstücks "für die Nutzung als Bauparzelle" eingeräumt wurde, doch kommt dem entscheidende Bedeutung nicht zu. Die Ausführungen zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung sind nicht gerechtfertigt. Der Beklagte hat im Schriftsatz vom 22. Jänner 1986 (ON 3) eingeräumt, daß er der von seinem Vater in Punkt VII des Kaufvertrages vom 21. November 1961 übernommenen Verpflichtung, dem Kläger den ausreichenden Wasserbezug aus der in Rede stehenden Quelle zu gewährleisten, "jederzeit nachkommt". Er hat dem Klagebegehren nur entgegengehalten, daß derzeit kein Wasserbedürfnis des Klägers bestehe, weil das Grundstück 1029/2 des Klägers nach dem rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Thiersee im Freiland liege und der Kläger keine Baubewilligung erhalten werde. Es bestehe derzeit auch keine Wasserleitung zum Grundstück des Klägers. Der Beklagte hat damit den Bestand eines Wasserbezugsrechtes des Klägers zugestanden. Auch der Beklagte verstand Punkt VII des Kaufvertrages vom 21. November 1961 nicht etwa in dem Sinn, daß damit nur die Verpflichtung zum künftigen Abschluß eines Dienstbarkeitsvertrages begründet werden sollte. Wenn der Revisionswerber nunmehr geltend macht, daß die Vertragsbestimmung lediglich in Sinne der "Übernahme einer Haftung für den Wasserbezug" zu verstehen sei, so ist nicht erkennbar, welche Bedeutung dem für die Rechtsstellung des Klägers zukommen soll, zumal der Haftung des Beklagten eben das Recht des Klägers entspricht. Ob dem Kläger ein dingliches oder nur ein obligatorisches Recht (vgl. EvBl. 1977/68; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 472 ABGB) auf Wasserbezug zusteht, ist nicht entscheidend. Nur völlige Zwecklosigkeit oder gänzliche Unwirtschaftlichkeit einer Dienstbarkeit für den Berechtigten läßt diese erlöschen (EvBl. 1979/69; EvBl. 1972/245; MietSlg. 33.042; Petrasch a.a.O. Rz 4 zu § 524 ABGB). Gänzliche Zwecklosigkeit behauptet der Beklagte aber selbst nicht, weil nach seinem eigenen Vorbringen nur derzeit kein Wasserbedürfnis des Klägers besteht. Da der Kläger vom Beklagten aufgefordert wurde, die Anlage zu beseitigen, widrigenfalls die entsprechenden Arbeiten vom Beklagten auf Kosten des Klägers vorgenommen würden, ist auch die Gefahr eines unmittelbar drohenden Eingriffs in Rechte des Klägers nicht in Abrede zu stellen. Zur Abwehr dieser Gefährdung steht dem Kläger, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, die Unterlassungsklage zu.

Aus den dargelegten Gründen ist spruchgemäß zu entscheiden.

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