OGH 1Ob516/94

OGH1Ob516/9429.8.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag, Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker und Dr. Rohrer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Gesellschaft mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Christian Beurle, Dr. Hans Oberndorfer, Dr. Ludwig Beurle und Dr. Rudolf Mitterlehner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei *****.R***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Werner Walch, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 64.882,-- s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. Dezember 1993, GZ 19 R 221/93-14, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 26. Juli 1993, GZ 9 C 2494/92x-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Die Kosten der Rekursbeantwortung der klagenden Partei sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Die S*****-AG erteilte der Klägerin im August 1991 den Auftrag zur Abwicklung des Transportes von 13 Rollen Druckpapier von S***** nach W*****, Deutschland, zur R***** Gesellschaft mbH. Der Transport wurde von der Beklagten als Frachtführerin im Auftrag der Klägerin am 22.8.1991 ausgeführt. Bei der Übernahme des Papiers stellte der Empfänger am 23.8.1991 an sämtlichen Rollen Schäden fest. Das beschädigte Papier wurde daraufhin nach S***** rücktransportiert. Die S*****-AG stellte in der Folge der Klägerin einen Schadensbetrag von S 74.040,-- in Rechnung.

Mit der am 20.11.1992 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes die Bezahlung von S 64.882,-- s.A. Die Beklagte hafte aufgrund des zwischen den Parteien abgeschlossenen Frachtvertrags; die Beschädigung der Ware sei ausschließlich auf den untauglichen LKW der Beklagten zurückzuführen. Dieser Mangel sei für den Absender im Zeitpunkt der Verladung nicht erkennbar gewesen.

Die Beklagte wendete ein, den Absender treffe das alleinige Verschulden an dem an den Papierrollen eingetretenen Schaden, weil er die Verladung selbst vorgenommen habe und ihm die am Boden des Fahrzeugs deutlich sichtbaren Nägel hätten auffallen müssen. Der geltend gemachte Anspruch sei darüber hinaus gemäß Art. 32 CMR verjährt. Der CMR-Versicherer der Beklagten habe am 21.1.1992 auf die Belastungsanzeige der Klägerin vom 28.11.1991 reagiert und die Ablehnung der Schadensübernahme mitgeteilt, was mit Schreiben vom 5.5.1992 nur neuerlich bestätigt worden sei. Im Art. 32 Abs. 2 CMR sei eine Ablaufshemmung normiert; die geschädigte Klägerin habe nicht unmittelbar nach der Zurückweisung der Reklamation ihr Begehren gerichtlich geltend gemacht.

Dem erwiderte die Klägerin, daß die Bestimmung des Art. 32 Abs. 2 CMR eine Fortlaufhemmung normiere. Das Ablehnungsschreiben des CMR-Versicherers vom 21.1.1992 sei der Beklagten nicht zuzurechnen, diese habe erstmals am 5.5.1992 die klägerische Reklamation zurückgewiesen. In der Folge habe sie mit ihrer Schadenersatzforderung gegen Forderungen der Beklagten aufgerechnet. Dieser Vorgangsweise sei seitens der Beklagten unter Hinweis auf § 32 AÖSp widersprochen worden. Daraufhin habe die Klägerin die zuvor aufgerechnete Summe an die Beklagte rücküberwiesen. Der Einwand der Verjährung verstoße gegen Treu und Glauben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung zur Gänze ab. Die Klägerin und der Transportversicherer der Beklagten, die N***** Versicherung, seien nach dem Rücktransport der unbrauchbaren Papierrollen dahin übereingekommen, ein Gutachten über die Schadensursache einzuholen. Die S*****-AG habe ihren Transportschaden am 15.10.1991 von der Klägerin eingefordert. Daraufhin habe die Klägerin mit Schreiben vom 18.10.1991 die Beklagte für den Schaden haftbar gemacht, ohne konkret eine Summe oder Schadensaufstellung bekanntzugeben bzw. Unterlagen anzuschließen. Erst mit der Belastungsanzeige vom 28.11.1991 sei ein Betrag von S 74.040,-- genannt und seien entsprechende Belege in Kopie übersandt worden. Am 21.1.1992 habe die N***** Versicherung***** den Eintritt in den Schadensfall wegen eines vom Absender zu vertretenden Verpackungsmangels abgelehnt. Sie habe um umgehende Entlastung der Beklagten als ihres Versicherungsnehmers ersucht. Dieses Schreiben sei am 23.1.1992 bei der Klägerin eingelangt. Am 11.2.1992 habe die Klägerin neuerlich die Belastungsanzeige an die Beklagte gesandt und mitgeteilt, daß sie das Ablehnungsschreiben der N***** Versicherung nicht akzeptiere, weil nur die Beklagte als Vertragspartnerin zur Reklamation der Klägerin Stellung beziehen könne. Diese Aufforderung sei am 23.4.1992 wiederholt worden. Am 5.5.1992 habe die Beklagte in einem bei der Klägerin am 6.5.1992 eingelangten Brief auf das Schreiben ihres Transportversicherers vom 21.1.1992 hingewiesen und neuerlich die Übernahme des Schadens abgelehnt. Am 3.6.1992 habe die Klägerin mit ihrer Schadenersatzforderung gegen Forderungen der Beklagten bis September 1992 aufgerechnet. Da die Beklagte am 17.9.1992 unter Hinweis auf das Aufrechnungsverbot gemäß § 32 AÖSp dieser Vorgangsweise widersprochen habe, habe die Klägerin den umstrittenen Betrag an die Beklagte rückerstattet.

Das Erstgericht vertrat die Ansicht, das Klagebegehren sei nach Art. 32 Abs. 1 und 2 CMR verjährt. Die in Art. 32 Abs. 2 CMR normierte Hemmung sei als Fortlaufhemmung zu werten. Die Jahresfrist gemäß Art. 32 CMR habe mit dem der Ablieferung folgenden Tag (24.8.1991) begonnen und somit am 24.8.1992 geendet. Das Schreiben der Klägerin vom 18.10.1991 sei für ein Reklamationsschreiben viel zu unbestimmt gewesen. Die erste rechtswirksame Reklamation stelle die Belastungsanzeige vom 28.11.1991 dar, welche der Beklagten am 29.11.1991 zugegangen sei. Von diesem Zeitpunkt an sei die Verjährung bis zum Einlangen des berechtigterweise von der N***** Versicherung namens der Beklagten verfaßten Ablehnungsschreibens (23.1.1992) gehemmt gewesen. Die Hemmung habe sich daher auf insgesamt 55 Tage beschränkt. Unter Hinzuzählung dieser Tage habe die Verjährungsfrist tatsächlich am 19.10.1992 geendet, weshalb die erst am 20.11.1992 eingebrachte Klage verjährt sei. Die Erhebung der Verjährungseinrede seitens der Beklagten verstoße nicht gegen Treu und Glauben.

Das Berufungsgericht hob infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Erstgerichtes auf und trug diesem die neuerliche Entscheidung „nach allfälliger Verfahrensergänzung“ auf. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erklärte es für zulässig.

Es führte aus, daß im Art. 32 Abs. 2 CMR eine Fortlaufhemmung normiert sei. Die einjährige Verjährungsfrist werde um den Zeitraum vom Zugang der schriftlichen Reklamation beim Frachtführer bis zum Zugang der schriftlichen Zurückweisung der Reklamation beim Anspruchsteller verlängert. Das Schreiben der Klägerin vom 18.10.1991, das am 21.10.1991 bei der Beklagten eingelangt sei, sei als die Hemmung der Jahresfrist des Art. 32 Abs. 1 CMR auslösende schriftliche Reklamation anzusehen. Gehe man zugunsten der Beklagten davon aus, daß die schriftliche Zurückweisung der Reklamation durch den CMR-Versicherer der Beklagten am 21.1.1992 - eingelangt bei der Klägerin am 23.1.1992 - wirksam gewesen sei, ergebe sich eine Hemmungsfrist von 94 Tagen. Bei Hinzurechnung dieser Tage zu dem Zeitpunkt, zu welchem theoretisch die Verjährungsfrist geendet hätte (24.8.1991), ergebe sich ein Ende der Verjährungsfrist zum 26.11.1992. Die am 20.11.1992 eingebrachte Klage erweise sich sohin als rechtzeitig.

Der von der Beklagten gegen den Aufhebungsbeschluß erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Es ist nicht strittig, daß der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin die Stellung eines Frachtführers zukam und daß auf den Transport die Bestimmungen der CMR Anwendung zu finden haben.

Gemäß Art. 32 Abs. 1 CMR verjähren Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung in einem Jahr. Die Verjährungsfrist beginnt bei Beschädigung (lit.a) mit dem Tag der Ablieferung des Gutes (= 23.8.1991). Der Tag, an dem die Verjährung beginnt, wird bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet. Die Verjährungsfrist hat sohin am 24.8.1991 zu laufen begonnen.

Gemäß Art. 32 Abs. 2 CMR wird die Verjährung durch eine schriftliche Reklamation bis zu dem Tag gehemmt, an dem der Frachtführer die Reklamation schriftlich zurückweist und die beigelegten Belege zurücksendet. Unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 gilt gemäß Art. 32 Abs. 3 CMR für die Hemmung der Verjährung das Recht des angerufenen Gerichtes.

Zu prüfen ist, ob die allgemeinen Voraussetzungen für die Hemmung der Verjährung vorliegen und wann diese Hemmung eingetreten ist. Art. 32 Abs. 2 CMR knüpft die Verjährung an eine „schriftliche Reklamation“, ohne zu bestimmen, von wem und wem gegenüber die Reklamation geltend zu machen ist. Unstrittig ist, daß die Klägerin ihre Ansprüche gegenüber der Beklagten, sei es als Schadenersatz- oder als Rückgriffsansprüche, geltend machen kann. Ob die Klägerin als Frachtführerin (so die Behauptung der Beklagten) oder als Spediteur (so die Behauptung der Klägerin) anzusehen ist, kann dahingestellt bleiben, denn selbst bei Anwendung des Art. 32 CMR und nicht der von der Klägerin gewünschten Anwendung des Art. 39 Abs. 4 CMR ist die Verjährung des klägerischen Anspruchs noch nicht eingetreten.

Das Reklamationsschreiben der Klägerin vom 18.10.1991 (Beilage D) hat folgenden Wortlaut:

„Betrifft: Ihr LKW *****

13 Rollen Druckpapier 24.081 kg

ab Firma S***** Papierfabrik, *****

an Firma R*****, D-***** W*****

uns. Aktenzahl: 4910043

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir machen Sie für den bei dieser Sendung eingetretenen Schaden haftbar.

Bei uns einlangende Forderungen werden wir an Sie weitergeben.“

Dieses Schreiben hat - in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes - die Hemmung der Verjährung gemäß Art. 32 CMR ausgelöst. Zweck des Schriftformerfordernisses gemäß Art.32 Abs. 2 CMR ist, daß dem Empfänger der Reklamation durch ein Schriftstück die Überprüfung erleichtert und die bei mündlichen Reklamationen vermehrt möglichen Fehlerquellen ausgeschaltet werden. Eine Schadensreklamation im Sinne des Art. 32 Abs. 2 erster Satz CMR setzt voraus, daß der Frachtführer mit ihr für Schäden am Transportgut haftbar gemacht wird. Das bedeutet, daß der Frachtführer auf die Tatsache des Bestehens von Schäden am Transportgut hingewiesen werden muß. Erforderlich ist die unmißverständliche Klarstellung, daß er für die Schäden am Transportgut auch einstehen soll, also eine Erklärung, aus der er seine Inanspruchnahme durch den Anspruchsteller entnehmen kann. Dem Frachtführer muß eindeutig seine Inanspruchnahme zum Bewußtsein kommen. Der Anspruchsteller muß nicht im einzelnen zum Grund und zur Höhe des Schadens vortragen, was in einem späteren Rechtsstreit allenfalls vonnöten ist. Es müssen alle Urkunden beigeschlossen sein, die notwendig sind, damit der Frachtführer zur Reklamation Stellung nehmen kann. Keinesfalls ist erforderlich, daß die Reklamation schon die betragsmäßige Höhe der Forderung enthält (Jesser, Frachtführerhaftung nach der CMR, 184 f; Glöckner, Leitfaden zur CMR7, Rz 20 zu Art. 32; Braun in VersR 1988, 648; Helm in Großkommentar zum HGB3, 517; Csoklich, Einführung in das Transportrecht, 255; VersR 1984, 578 u.a.). Diesen Erfordernissen (lediglich Loewe, Erläuterungen zur CMR, ETR 1976, 586 fordert für die Reklamation gemäß Art. 32 CMR ein bestimmtes Begehren) trägt das Schreiben der Klägerin vom 18.10.1991 Rechnung. Wie schon das Berufungsgericht ausgeführt hat, mußte nämlich der Beklagten aufgrund der zwischen den Streitteilen bzw. der Klägerin und dem CMR-Versicherer der Beklagten stattgefundenen Kontakte völlig klar sein, welchen Schaden die Klägerin ersetzt haben möchte. Wenngleich der Schaden nicht ziffernmäßig bestimmt wurde, konnte das Schreiben der Klägerin von der Beklagten nur so verstanden werden, daß sie für den am 22.8.1991 von ihr durchgeführten klagsgegenständlichen Transport in Anspruch genommen wird (vgl. VersR 1973, 178). Aufgrund des Umstands, daß der Beklagten zweifelsohne der Frachtvertrag Beilage A unter Anführung der im Zuge der Übernahme der Ware festgestellten Mängel zur Verfügung stand und daß bereits einvernehmlich die Einholung eines Sachverständigengutachtens hinsichtlich der von der Übernehmerin behaupteten Schäden vereinbart wurde, war es der Beklagten durchaus möglich, die klägerische Reklamation sinnvoll zu überprüfen, ohne daß die Klägerin ihrem Reklamationsschreiben Urkunden hätte beilegen müssen.

Geht man aber davon aus, daß die Hemmung der Verjährung bereits am 21.10.1991 durch den Zugang des Reklamationsschreibens eingetreten ist, dann erweist sich selbst dann, wenn die schriftliche Zurückweisung der Reklamation durch den CMR-Versicherer der Beklagten (eingegangen bei der Klägerin am 23.1.1992) als wirksame Zurückweisung anzusehen ist, die am 20.11.1992 eingebrachte Klage im Sinne der - von der Beklagten nicht weiter bekämpften - Ausführungen des Berufungsgerichtes als rechtzeitig, zumal nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die in Art.32 Abs. 2 CMR verfügte Hemmung der Verjährung im Sinne einer Fortlaufhemmung zu verstehen ist (SZ 64/95; SZ 60/70; ecolex 1990, 284; RdW 1988, 292; RZ 1988/58; Glöckner, aaO, Rz 29 zu Art.32; Csoklich, aaO 256; Jesser, aaO, 187).

Dem Rekurs ist nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der Rekurskosten auf den §§ 40, 50 ZPO, hinsichtlich der Kosten der Rekursbeantwortung auf § 52 ZPO.

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