OGH 1Ob508/84

OGH1Ob508/8422.2.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 1.) Ing. Harald Egon S*****, 2.) Brigitte Margarethe S*****, beide vertreten durch Dr. Peter Posch, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Republik Österreich (Österreichische Bundesforste), vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien I., Singerstraße 17-19, wegen Feststellungen und Einverleibung einer Dienstbarkeit (Streitwert 30.000 S) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Berufungsgerichts vom 22. September 1983, GZ R 255/83-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Gmunden vom 30. Dezember 1982, GZ 3 C 113/82-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 3.136,97 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 196,28 S Umsatzsteuer und 480 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG T***** mit dem Grundstück ***** Wald und dem Überlandsgrundstück ***** KG S***** Wald sowie der Liegenschaft EZ ***** KG T***** mit den Grundstücken ***** und ***** je Baufläche. Voreigentümer der Klage waren u.a. bis 1935 Ernst A*****, der die Liegenschaften im Jahre 1910 vom kk. Salinenärer erworben hatte, sowie Dr. Herbert S*****, deren Erben u.a. die Kläger sind. Dr. Herbert S***** war von 1946 bis 1952 Pächter beider Liegenschaften. Im Jahr 1952 erwarb er diese Liegenschaften von Ernst A***** und Königin F*****. Dr. Herbert S*****, der selbst nie die Jagd ausübte, hatte auf den Liegenschaften seinen Hauptwohnsitz. Die Grundstücke der Kläger sind von Grundstücken der beklagten Partei umgeben und nur über eine im Eigentum der beklagten Partei stehende Forststraße und die von dieser abzweigenden Radmoosstraße erreichbar. Die Forststraße ist durch einen Schranken abgesperrt. Die 2,5 bis 3 m breite Radmoosstraße ist durchgehend beschottert. Sie weist einen Höchststeigung von 14 % auf. Auf den nunmehr im Eigentum der Kläger stehenden Grundstücken hatte seinerzeit Ernst A*****, für Jagdzwecke ein Haus errichtet. Die Kläger begehren die Feststellung, dass ihnen und allen künftigen Eigentümern die Liegenschaft EZ ***** und ***** KG T***** als herrschendes Gutes gegenüber den jeweiligen Eigentümern der Grundstücke ***** Wald KG S***** und ***** Wald KG T***** als dienender Grundstücke die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechtes in der Weise zustehe, dass zur ordentlichen Benützung und Bewirtschaftung der Liegenschaften EZ ***** und ***** KG T***** auf der sogenannten Radmoosstraße mit Fahrzeugen jeder Art gefahren und gegangen werden dürfe; die beklagte Partei sei schuldig, in die grundbücherliche Einverleibung dieser Dienstbarkeit einzuwilligen. Die einzige und ausschließliche Wegversorgung der Grundstücke der Kläger sei schon immer über die Radmoosstraße erfolgt. Diese sei seit dem Ende des 19. Jahrhunderts mit einem Schranken versperrt gewesen, zu dem die jeweiligen Eigentümer der Liegenschaften der Kläger einen Schlüssel gehabt hätten. Es sei den Eigentümern stets ungestört möglich gewesen, ihre Geh- und Fahrtrechte auszuüben. Durch die gleichmäßige und ununterbrochene Benützung der Radmoosstraße sei das Geh- und Fahrtrecht ersessen worden. Der Umfang des Geh- und Fahrtrechtes erstrecke sich auf die Benützung durch Fahrzeuge aller Art, die zur ordnungsgemäßen Bewirtschaftung der Liegenschaften der Kläger erforderlich seien. Eine Beschränkung der Benützung für Jagdzwecke habe niemals bestanden. Das auf den Liegenschaften befindliche Haus habe auch Räume umfasst, die mit der Jagdausübung in keinem Zusammenhang gestanden seien. Es seien im Haus auch große Gesellschaften bewirtet und versorgt worden. Auch nach Beendigung der Jagdpacht am 31. 1. 1935 seien die Liegenschaften regelmäßig von ihren Eigentümern auch für Wohnzwecke benützt worden. Die beklagte Partei anerkannte ein Geh- und Fahrtrecht zugunsten der Liegenschaften der Kläger zum Zwecke jagdwirtschaftlicher Nutzung; ein darüber hinausgehendes Recht sei nicht ersessen worden. Ernst A*****, habe die Zufahrt nur für Zwecke jagdwirtschaftlicher Nutzung benützt. Er habe gegen Ende des 19. Jahrhunderts im Bereich von Gmunden zahlreiche Jagden, darunter die um die Liegenschaft der Kläger befindliche Traunsteinjagd, vom kk. Ärar gepachtet gehabt. Im Rahmen dieses Pachtvertrags habe er aufgrund des kk. Ärars ein Jagdhaus errichtet. Inhalt des Jagdpachtsvertrags sei u.a. die Benützung der im Jagdrevier befindlichen Wege gewesen, so dass ihm auch das Begehren und Befahren der strittigen Straße zugestanden sei. Anlässlich des Kaufes der Grundstücke sei eine Vereinbarung über Wegerechte nicht erfolgt, aber auch nicht erforderlich gewesen, weil die auf der Jagdpachtverträgen beruhenden Wegerechte weiterbestanden hätten. Nach Beendigung des Jagdpachtsvertrags nach 1930 sei das Jagdhaus von den grundbücherlichen Eigentümern nie mehr benützt worden. Lediglich zur Durchführung unbedingt notwendiger Reparaturen seien Fahrten durchgeführt worden. Diese Fahrten seien aber entweder titellos oder prekaristisch erfolgt. Der Umfang einer Wegeservitut richte sich nach der Kulturgattung und Bewirtschaftungsart im Zeitpunkt der Bestellung bzw Ersitzung. Kulturänderungen oder Änderungen des Betriebs des herrschenden Gutes ergäben keinen Anspruch auf ausgedehntere Benützung. Das Jagdhaus sei vor einigen Jahren abgebrannt. Nach dem Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Gmunden seien die Grundstücke der Kläger Grünland. Die Kläger hätten allerdings eine Baugenehmigung erhalten. Darin sei eine Widmungsänderung zu erblicken.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, Ernst A*****, habe die Jagd nur ganz wenig ausgeübt. Er sei öfters zum Radmoos gekommen und dort spazieren gegangen. Er habe auch öfters Gäste eingeladen, die bei ihm zu Besuch gewesen seien, ohne die Jagd auszuüben. Er sei auf der Radmoosstraße mit Fiakern, Pferde- und Ochsenfuhrwerken zu seinen Liegenschaften gefahren. Mit Fuhrwerken seien Lebensmittel ins Haus gebracht worden. Ernst A*****, sei auch dann mehrmals im Jahr auf seine Liegenschaften gekommen, als er die Jagd nicht mehr ausgeübt habe. Im Schuljahr 1932/33 seien 15 oder 16 sonst im Schloss Cumberland untergebrachte Schülerinnen zweimal mit LKWs heraufgeführt worden und jeweils zwei bis drei Tage lang in den Gebäuden am Radmoos untergebracht gewesen. Ernst A***** als nachfolgernder Eigentümer sei mit seiner Familien mehrmals im Jahr auf die Liegenschaften gekommen. Er sei meistens mit Pferdefuhrwerken nach dem Krieg auch mit PKWs zugefahren. Im Jahre 1946 habe der spätere Eigentümer Dr. Herbert S***** die Liegenschaften gepachtet. Dr. Herbert S***** habe einen LKW bzw einen Jeep besessen. Er habe sich aber auch vor den Jagdpächtern mit deren Fahrzeugen zu seinen Grundstücken bringen lassen. Auch seine Besucher hätten ihn mit ihren PKWs erreicht. Mit LKWs seien Baumaterialien auf das Radmoos gebracht worden. Zum Schranken habe Dr. Herbert S***** einen Schlüssel besessen, der ihm von der Forstverwaltung Traunstein der beklagten Partei ausgehändigt worden sei.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, ab dem Erwerb der Liegenschaften durch Ernst A*****, sei ein Geh- und Fahrtrecht auf der Radmoosstraße durch die jeweiligen Eigentümer ausgeübt worden. Bereits ab 1910 hätten die Liegenschaften nicht nur jagdlichen Zwecken gedient. Nach Ablauf des Jagdpachtvertrags sei ein Fahrtrecht überhaupt nicht mehr für jagdliche Zwecke ausgeübt worden. Bis zum Jahre 1950 seien die Ersitzungsbesitzer redlich gewesen. Es könne auch nicht angenommen werden, die beklagten Partei hätte 40 Jahre von der Ausübung des Fahrtrechts keine Kenntnis gehabt. Es sei daher im Jahre 1950 ein Geh- und Fahrtrecht ersessen gewesen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige. Die Revision erklärte es für zulässig. Die geltend gemachten Berufungsgründe der mangelhaften und unrichtigen Tatsachenfeststellungen sowie der unrichtigen Beweiswürdigung lägen nicht vor. Die Rechtsrüge sei nicht berechtigt. Eine Grunddienstbarkeit solle die vorteilhaftere und bequemere Benützung der berechtigten Liegenschaften ermöglichen. Da der Umfang der Dienstbarkeit durch den Titel nicht eindeutig bestimmt sei, seien die jeweiligen Bedürfnisse des berechtigten Gutes maßgebend. Es dürften allerdings keine Mehrbelastungen infolge einer Kultur- oder Widmungsänderung eintreten. Das zugunsten der Liegenschaften der Kläger ersessene Geh- und Fahrtrecht umfasse daher auch die Berechtigung für Fuhren zur Erhaltung oder Neuaufführung der auf den Liegenschaften befindlichen Gebäude. Die Dienstbarkeit des Fahrtrechts zugunsten von Liegenschaften sei ihrer Natur nach ein Komplex von Befugnissen, die eine Benützung und Bewirtschaftung der herrschenden Liegenschaften ermöglichten. So sei auch das von den Klägern formulierte und vom Erstgericht übernommene Begehren, zur ordentlichen Benützung und Bewirtschaftung der Liegenschaften mit Fahrzeugen jeder Art zu fahren, zu verstehen. Ernst A*****, habe die Liegenschaften, die eine Enklave im Grundeigentum der beklagten Partei bildeten, 1910 durch einen Tauschvertrag erworben. Den damaligen Vertragsparteien hätte klar sein müssen, dass der nunmehrige Eigentümer, dessen wirtschaftliche Bedeutung für Gmunden keineswegs gering gewesen sei, aufgrund seines Eigentumsrechts und nicht als Jagdpächter die Radmoosstraße zum Gehen und Fahren in Anspruch nehme. Es wäre sonst mit der Auflösung der Jagdpacht mit Wirkung vom 31. 1. 1935 jede Benützung der Radmoosstraße durch die Eigentümer der klägerischen Liegenschaften ausgeschlossen gewesen. Dass Gäste des Eigentümers des berechtigten Grundstücks über den Servitutsweg zufahren, werde von der Grunddienstbarkeit grundsätzlich mitumfasst. Der Eigentümer könne auf seiner Liegenschaft Besuche empfangen. Die in der Berufung vertretene Meinung, dass nur das Zufahren von zahlenden Gästen zu einem Gasthof dem Utilitätserfordernis des § 473 ABGB Rechnung trage, könne nicht beigepflichtet werden. Der Hinweis der Berufung auf die Bestimmungen der §§ 319 und 1462 ABGB schlage nicht durch, weil Ernst A*****, seit 1910 Eigentümer des Radmoosgutes gewesen sei und es somit klar gewesen sei, dass er die Straße nicht als Jagdpächter, sondern vor allem aufgrund seines Eigentums benütze.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt. Als Feststellungsmangel wird gerügt, das Berufungsgericht habe sich mit der Berufung der beklagten Partei insoweit nicht auseinandergesetzt, als die Feststellung begehrt worden sei, Ernst A*****, habe bereits im vorigen Jahrhundert vom kk. Ärar die umliegenden Liegenschaften für jagdliche Zwecke gepachtet gehabt, das Jagdzwecken dienende Haus sei bereits zu einer Zeit errichtet worden, als die Liegenschaften noch im Eigentum des kk. Ärars gestanden seien; schon zu dieser Zeit habe die Straße als Zufahrtsweg zum Jagdhaus gedient. Wären diese Feststellungen getroffen worden, hätte der Schluss gezogen werden müssen, dass gemäß § 319 ABGB Ersitzungsbesitz nicht habe begründet werden können. Dem ist nicht zu folgen. Durch § 319 ABGB wird angeordnet, dass der bloß einseitige, nach außen hin nicht in Erscheinung tretende Willensentschluss des bisherigen Inhabers diesen nicht zum Besitzer macht (Klang2 II 87; Ehrenzweig2 I/2, 73; Koziol-Welser6 II 19, 25; Gschnitzer, Sachenrecht 10. 15; Randa, Der Besitz4 472 f). Ändert der bisherige Inhaber die Gewahrsame in einer Weise, die auch zu originärem Besitzerwerb ausreicht, entsteht allerdings - wenn auch fehlerhafter - Besitz (Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 319;

Klang aaO FN 2; Ehrenzweig aaO 84; Gschnitzer Sachenrecht 10;

Koziol-Welser aaO 25 f; Randa, aaO 616 f). Die beklagte Partei übersieht aber, dass sich durch den Eigentumserwerb von Ernst A*****, an den zuvor offenbar vom Jagdpachtvertrag umfassten Liegenschaften auch das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem kk. Ärar geändert hat. Ernst A*****, der nur über die Radmoosstraße zu seinen Grundstücken gelangen konnte, benützte diese Straße von diesem Zeitpunkt an nicht mehr als Jagdpächter, sondern mit dem dem Eigentümer der dienenden Grundstücke objektiv ersichtlichen Willen, zur besseren Nutzung seines Eigentums ein Geh- und Fahrtrecht auszuüben (Klang aaO 78;

Ehrenzweig aaO 79; Koziol-Welser aaO 26). Von einer „eigenmächtigen Gewahrsamsänderung", wie sie die Revision behauptet, kann schon deswegen keine Rede sein, weil sich die gekauften Grundstücke mitten im Liegenschaftseigentum des Rechtsvorgängers der beklagten Partei befanden und es auch für diesen erkennbar war, dass er nur Eigentum an Grundstücken erwerben und ausüben wollte, die er auch aufgrund eines Rechts erreichen konnte. Wurde durch den Eigentumserwerb Ernst A*****, aber das Rechtsverhältnis zum Eigentümer des dienenden Gutes verändert, versagt auch der Hinweis der Revision auf die Vorschriften des § 1462 ABGB.

Der Revision kann auch nicht gefolgt werden, dass die Kläger die Straße auch nicht für Fuhren zur Neuaufführung der seinerzeit vorhanden gewesenen Gebäude benützen durften. Die Vorinstanzen stellten fest, dass während der Ersitzungszeit mit LKWs Baumaterial auf die Liegenschaften gebracht worden sei. Die Neuaufführung des baufällig gewordenen oder zerstörten Gebäudes ist aber seiner Erhaltung gleichzuhalten (SZ 52/99, EvBl 1968/72; Petrasch in Rummel, ABGB Rdz 2 zu § 484 ABGB). Die Zufahrt von Baumaterial zwecks Neuerrichtung der Gebäude durch LKWs über den Servitutsweg liegt daher im Rahmen der ordentlichen Benützung und Bewirtschaftung der herrschenden Liegenschaften; es ist nicht erkennbar, dass dadurch ein Zustand herbeigeführt wird, der eine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Gutes zur Folge hätte (EvBl 1968/311). Ein Vorbringen, dass die Ausübung des Fahrtrechts durch Fahrzeuge jeder Art auch in anderer Weise den Umfang des ersessenen Rechts überstiege, wurde in erster Instanz nicht erstattet. Eine Begrenzung der Belastung liegt schon in der ordentlichen Benützung der herrschenden Liegenschaften, aber auch im Zustand und in der Breite des Weges, den zu erhalten ohnehin alleinige oder bei Mitbenützung durch die beklagte Partei zumindest anteilige - und bei Beschädigung durch die Kläger auch wieder alleinige - Pflicht des Klägers ist (§ 483 ABGB). Ob und in welchem Umfang dritte Personen den Weg benützen können, ist nicht Gegenstand des Verfahrens.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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