Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.223,40 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft versandte im Jahr 2005 einen Entwurf für ein Bundesgesetz zur Begutachtung, mit dem das Weingesetz 1999 (ua) dadurch geändert werden sollte, dass im § 10 Abs 1 Z 1 WeinG nach dem Wort „Herstellung" die Wortfolge „und die Abfüllung" eingefügt werden sollte. Diese Änderung hätte nach dem Entwurf mit 1. August 2006 in Kraft treten sollen. Nach einer solchen Novellierung hätte diese Bestimmung gelautet:
„Wein darf unter der Bezeichnung „Qualitätswein" oder „Qualitätswein B.A." in Verkehr gebracht werden, wenn
1. er ausschließlich aus Trauben bereitet wurde, die in einem einzigen Weinbaugebiet geerntet wurden und die Herstellung und die Abfüllung in der Weinbauregion des betreffenden Weinbaugebietes und/oder in daran angrenzenden Weinbauregionen erfolgt sind."
Hintergrund dieser Gesetzesinitiative war, dass es bei österreichischem Qualitätswein, der in Großgebinden nach Deutschland verbracht, dort abgefüllt und in Verkehr gebracht worden war, bei Qualität und Kennzeichnung zu Beanstandungen gekommen war. Die Abfüllung von österreichischem Qualitätswein sollte daher ebenso wie die Herstellung auf das Erzeugungsgebiet bzw auf die Erzeugungsregion und die angrenzende (inländische) Region beschränkt werden. Dies und die Erforderlichkeit einer Notifikation nach der Richtlinie 98/34/EG an die Europäische Kommission gemäß Notifikationsgesetz 1999 wurden in den Erläuterungen offen gelegt. Am 15. 12. 2005 gab die Klägerin eine Stellungnahme zu diesem Entwurf ab, in der sie darauf hinwies, dass der Gesetzesentwurf ihres Erachtens im Widerspruch zum freien Warenverkehr stehe. Sie schloss ihre Stellungnahme damit ab, dass - sollte das Gesetz in der derzeitigen Fassung tatsächlich in Kraft gesetzt und sollte die Klägerin durch die österreichischen Behörden gehindert werden, wie bisher Qualitätswein offen im Tankwagen auszuführen - mit der Geltendmachung eines Staatshaftungsanspruchs zu rechnen sei. Nach Ablauf des innerstaatlichen Begutachtungsverfahrens wurde der Gesetzesentwurf am 8. 2. 2006 der Europäischen Kommission notifiziert, die am 8. 5. 2006 eine ablehnende Stellungnahme abgab. Zu einer dem Entwurf entsprechenden Novelle des Weingesetzes kam es in der Folge nicht.
Die Klägerin begehrte aus dem Titel der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung - ausgehend von einem Gesamtschaden in Höhe von 675.059,53 EUR - einen Teilbetrag von 25.000 EUR samt Zinsen. Ihr Unternehmensgegenstand sei der Export von Qualitäts- und Tafelwein offen im Tank. Ihre Hauptabnehmer mit Sitz in Deutschland und Tschechien würden den Wein kaufen, um ihn entweder in Flaschen abzufüllen oder zur Sektproduktion zu verwenden. Im November 2005 seien - wie in den Jahren zuvor - Verhandlungen mit den Abnehmern über den Abschluss von Rahmenlieferungsverträgen für die bevorstehende Saison von März 2006 bis Februar 2007 geführt worden. In diesen Rahmenverträgen würden Liefermengen von mehreren 1.000 hl Wein festgelegt, die in bestimmten Tranchen vom Kunden abgerufen würden. Die deutschen Abnehmer hätten nun gehört, dass mit einem österreichischen Gesetz gerechnet werden müsse oder ein solches beabsichtigt sei, wonach österreichischer Qualitätswein nur in Flaschen ausgeführt werden dürfe. Da die Klägerin die Lieferung für das Vertragsjahr bis Februar 2007 nicht habe gewährleisten können, seien keine Lieferverträge zustandegekommen und der Umsatz des Unternehmens der Klägerin eingebrochen. Auch mit den tschechischen Kunden habe kein Jahresvertrag abgeschlossen werden können. Diese großen Produzenten seien ebenfalls durch Jahresverträge mit dem Einzelhandel gebunden. Sie müssten ihre Lieferpflichten pünktlich und vollständig erfüllen und hätten sich deshalb zu vergewissern, dass auch ihre Vorlieferanten im entsprechenden Umfang lieferfähig seien. Die beabsichtigte Einfügung in § 10 Abs 1 Z 1 WeingG hätte bedeutet, dass die Abfüllung von österreichischem Qualitätswein auf das Erzeugungsgebiet beschränkt worden wäre. Wiewohl sich die Erläuterungen auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 16. 5. 2000, C-388/95 , Rioja II, bezogen hätten, habe sofort auffallen müssen, dass die Maßnahme mit dieser Rechtsprechung nicht gerechtfertigt werden könne. So sei der Entwurf im Widerspruch zum freien Warenverkehr gestanden. Der Norminhalt des Gesetzesentwurfs gehe weit über das Urteil hinaus und finde in diesem keine Deckung. Es hätte daher eine weitere Prüfung der Sach- und Rechtslage dahin durchgeführt werden müssen, ob ein Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit vorliege. Der Verstoß gegen Art 29 EG, der dem Einzelnen Rechte verleihe, die von den Gerichten der Mitgliedstaaten zu wahren seien, sei offenkundig und erheblich. Eine vertretbare Rechtsansicht liege nicht vor. Für einen Juristen mit durchschnittlichen Kenntnissen des Gemeinschaftsrechts sei dies sofort erkennbar. Der Verstoß sei hinreichend qualifiziert und kausal für den der Klägerin erwachsenen Schaden, sodass die Voraussetzungen für einen Staatshaftungsanspruch vorliegen würden. Die Kommission habe in ihrer ausführlichen Stellungnahme nach Art 9 Abs 2 der Richtlinie 98/34/EG den Entwurf abgelehnt, weil er eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung im Sinne von Art 29 EG bewirke. Die Kommission sei der Meinung gewesen, dass diese Maßnahme nicht gerechtfertigt sei. Hinter dem Gesetzesentwurf sei die unzulässige Absicht gestanden, die Ausfuhr von Qualitätswein offen im Tank generell zu beschränken. Wäre der Entwurf Gesetz geworden, hätte dies einen offenkundigen Verstoß gegen die Warenverkehrsfreiheit bedeutet. Weder die Klägerin, noch deren Abnehmer hätten im Hinblick auf die Unsicherheit, welche der Bundesminister rechtswidrig geschaffen habe, das Risiko eingehen können, einen Rahmenvertrag über ein Jahr abzuschließen, der dann nicht erfüllt hätte werden können. Aus diesem Grund sei es für 2006/2007 zu keinen Vertragsabschlüssen gekommen. Daraus resultiere der geltend gemachte Schaden. Haftungsauslösend sei auch der zeitliche Ablauf, dass nämlich die Frist zur Stellungnahme der Standes- und Interessenvertretungen zum Gesetzesentwurf bereits am 17. 12. 2005 geendet habe und erst danach eine Stellungnahme der Kommission eingeholt worden sei. Der Minister hätte zuerst die Stellungnahme der Kommission einzuholen gehabt und erst dann - bei positiver Äußerung - diesen Entwurf zur Diskussion stellen dürfen. Innerstaatlich sei nämlich mit dem Ablauf der Frist zur Stellungnahme das Begutachtungsverfahren bereits abgeschlossen gewesen. Die Beklagte wandte dagegen ein, die Klägerin habe allenfalls mittelbare Schäden erlitten, die nicht ersatzfähig seien. Die Voraussetzungen für eine Staatshaftung lägen im konkreten Fall nicht vor. Selbst aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs ergebe sich, dass die Mitgliedstaaten vorschreiben könnten, dass Qualitätsweine bestimmte Herkunftsangaben nur tragen dürften, wenn sie im Erzeugungsgebiet des Weines abgefüllt worden seien, und dass optimale Bedingungen mit größerer Sicherheit zu erreichen seien, wenn die Abfüllvorgänge von den Unternehmen durchgeführt würden, die in der Region der Inhaber der Bezeichnung ansässig seien und die unter deren unmittelbaren Kontrolle tätig würden, weil sie über eine spezielle Erfahrung und vor allem eine vertiefte Kenntnis der spezifischen Eigenarten des betreffenden Weines verfügten, die nicht bei der Abfüllung verfälscht oder beseitigt werden dürften. Aus dem Vorbringen der Klägerin sei auch nicht erkennbar, warum der Gesetzesentwurf zur Novelle des Weingesetzes sie hätte hindern sollen, Rahmenverträge wie bisher abzuschließen. Aus der Stellungnahme der Kommission ergebe sich schließlich, dass der Entwurf der Weingesetznovelle dann als gemeinschaftsrechtskonform angesehen werden könnte, wenn er dahingehend modifiziert werde, dass die Abfüllungsverpflichtung nicht nur auf an das Erzeugungsgebiet angrenzende österreichische Weinbauregionen beschränkt, sondern auch auf an das Erzeugungsgebiet angrenzende nicht österreichische Weinbauregionen ausgedehnt werde. Es sei weder ein „hinreichend qualifizierter" Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht, noch die Schaffung einer „unvertretbaren Sach- und Rechtslage" durch den Gesetzesentwurf vorgelegen. Dieser sei ohnehin nicht Bundesgesetz geworden. Die von der Klägerin behauptete Gemeinschaftsrechtswidrigkeit habe sich niemals realisiert. Es könne daher schon rein logisch nicht von einer gemeinschaftsrechtswidrigen Vorgangsweise der Beklagten ausgegangen werden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Bundesminister habe einen Entwurf für eine Novelle zum Weingesetz in Begutachtung geschickt, mit der die Bezeichnung für Qualitätsweine auf jene Weine beschränkt worden wäre, die in einem einzigen Weinbaugebiet geerntet würden und deren Herstellung und auch Abfüllung in der Weinbauregion des betreffenden Weinbaugebiets und/oder einer daran angrenzenden (inländischen) Weinbauregion erfolgen würde. Dieser Entwurf sei nicht Gesetz geworden. Dadurch finde auch kein Eingriff in das Gemeinschaftsrecht und die dort normierte Warenverkehrsfreiheit statt. Erst die Erlassung eines gemeinschaftsrechtswidrigen Gesetzes könnte einen solchen Eingriff darstellen. Es sei nicht einmal zu einem Ministerratsbeschluss oder gar zu einer Debatte darüber im Nationalrat gekommen. Ein allfälliger Schaden der Klägerin sei mangels Eingriffs in die Warenverkehrsfreiheit weder adäquat noch rechtswidrig durch eine Verletzung einer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtung herbeigeführt worden. Wenn sich daher die Klägerin entschlossen habe, keinen Vertrag für das folgende Jahr abzuschließen, sei das ihre eigene unternehmerische Entscheidung gewesen. An dieser Einschätzung ändere auch der Umstand nichts, dass zum Zeitpunkt der Notifikation des Gesetzesentwurfs bei der Europäischen Kommission das innerstaatliche Begutachtungsverfahren bereits abgeschlossen gewesen sei. Auch nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens habe dem Entwurf jegliche normative Bindungswirkung gefehlt. Der Staatshaftungsanspruch bestehe daher bereits dem Grunde nach nicht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Seit dem grundlegenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19. 11. 1991 in der Rechtssache Francovich zähle die Staatshaftung der Mitgliedstaaten bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts zu dessen fixem Bestand. Die damit anerkannte Haftung für legislatives Unrecht, und zwar für gemeinschaftsrechtswidrige Handlungen der Legislative, sei bis zu diesem Zeitpunkt dem österreichischen Recht unbekannt gewesen. Der Europäische Gerichtshof anerkenne die Staatshaftung unter drei Voraussetzungen: Erstens müsse die Rechtsnorm, gegen die verstoßen wurde, bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen. Zweitens müsse der Inhalt der Rechte - etwa auf Grundlage einer Richtlinie - bestimmt werden können; der Verstoß müsse also hinreichend qualifiziert sein. Drittens müsse zwischen dem entstandenen Schaden des Einzelnen und dem vom Mitgliedstaat zu vertretenden Verstoß ein Kausalzusammenhang bestehen. Staatshaftung habe daher etwa einzutreten, wenn der innerstaatliche Gesetzgeber Richtlinien der Europäischen Kommission nicht, nicht zeitgerecht, unvollständig oder unrichtig umsetzt und Personen dadurch Schäden erleiden. Die Klägerin gründe ihren Staatshaftungsanspruch nun nicht etwa auf die Nichtumsetzung einer Richtlinie, sondern auf das Verfassen eines allenfalls dem Gemeinschaftsrecht widersprechenden Novellenentwurfs, der nie in das eigentliche Gesetzgebungsverfahren vorgedrungen sei. Nach § 3 Abs 1 Z 2 BMG hätten die Bundesminister im Rahmen ihres Wirkungsbereichs die Bundesregierung bei der Besorgung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Sie hätten insbesondere Vorlagen der Bundesregierung an den Nationalrat vorzubereiten. Ein solcher Gesetzesentwurf eines Bundesministers diene nur der Vorbereitung einer Regierungsvorlage und stelle damit eine Diskussionsgrundlage dar, wobei er insbesondere auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Begutachtungsverfahrens geändert, verbessert oder auch verworfen werden könne. Werde ein Entwurf aber - wie hier - nie in Kraft gesetzt, dann entfalte sein Inhalt auch keine normative Wirkung. Komme ihm keine normative Wirkung zu, so könne er auch nie das in Geltung stehende Gemeinschaftsrecht verletzen. Die Klägerin ziele mit ihrer Argumentation offenbar auf eine Haftung der Beklagten aus einer Verletzung „vorgesetzlicher Schutz- und Sorgfaltspflichten" ab. Da nun aber ein Gesetzesentwurf jederzeit geändert oder verworfen werden könne, habe die Klägerin einen allenfalls entstandenen Schaden, den sie im Vertrauen auf die Gesetzwerdung eines bloßen Gesetzesentwurfs erlitten habe, selbst zu vertreten. Auch im Zusammenhang mit ihrem Vorwurf, der Bundesminister habe das gemeinschaftsrechtlich gebotene Notifizierungsverfahren nicht eingehalten, zeige die Klägerin keinen Verstoß gegen eine Rechtsnorm auf. Der Entwurf sei der Europäischen Kommission übermittelt, in der Folge aber nicht einmal dem Nationalrat vorgelegt worden. Ob der nie beschlossene Gesetzesentwurf allenfalls den Notifizierungsfristen widersprechende Übergangsregelungen enthalten habe, sei ebenso unbeachtlich wie die Frage, ob die Übermittlung an die Europäische Kommission vor oder nach Durchführung des innerstaatlichen Begutachtungsverfahrens erfolgte. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob ein allenfalls dem Gemeinschaftsrecht widersprechender Gesetzesentwurf eines Bundesministers, der nie Gesetz wurde, Staatshaftungsansprüche begründen könne.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Klägerin erweist sich als unzulässig.
Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, dass die gemeinschaftsrechtliche Staatshaftung in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofs - aus allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts heraus entwickelt wurde, und hat diese Rechtsprechung dahin zusammengefasst, dass bestimmte Voraussetzungen vorliegen müssten, um einen Staatshaftungsanspruch zu begründen: In formeller Hinsicht müsse ein mit dem Gemeinschaftsrecht in Widerspruch stehender (normativer) Rechtsakt eines Mitgliedstaats vorliegen, also etwa die unterlassene, verspätete oder unrichtige Umsetzung einer EU-Richtlinie ins innerstaatliche Recht (zu weiteren Verstößen wie etwa der Verletzung von Primärrecht durch den innerstaatlichen Gesetzgeber oder Verstöße durch Einzelentscheidungen siehe zB die Zusammenstellung bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht5 [1998], 500 ff). Inhaltliche Voraussetzungen für einen Staatshaftungsanspruch seien, dass die verletzte Norm des Gemeinschaftsrechts bezwecke, dem Einzelnen (Geschädigten) Rechte zu verleihen, dass der Verstoß hinreichend qualifiziert sei und dass ein (adäquater) Kausalzusammenhang zwischen dem entstandenen Schaden des Einzelnen und dem vom Mitgliedstaat zu vertretenden Verstoß bestehe (vgl auch 1 Ob 80/00x mwN).
Die Revisionswerberin versucht nun darzulegen, dass der Entwurf des Bundesministers im Widerspruch zu Art 29 EG-V gestanden und dass im Hinblick auf das im Entwurf vorgesehene Inkrafttreten der Novelle das in der Richtlinie 98/34/EG vorgesehene Notifikationsverfahren in seinen zeitlichen Elementen nicht eingehalten worden sei, geht aber auf die - von den Vorinstanzen verneinte - Kernfrage, inwieweit der bloße Gesetzesentwurf eines Bundesministers als staatlicher (Gesetzgebungs-)Akt mit normativer Wirkung angesehen werden könnte, der geeignet wäre, Staatshaftungsansprüche auszulösen, überhaupt nicht ein.
Nach herrschender Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0102059; vgl auch die Nachweise bei Zechner in Fasching/Konecny2 IV/1 § 502 ZPO Rz 10 f, 15
ff) ist eine Revision nur dann im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zulässig, wenn der Revisionswerber die für die Entscheidung maßgeblichen erheblichen Rechtsfragen auch in seinen Rechtsmittelausführungen aufgreift. Er muss somit wenigstens in Ansätzen versuchen, eine erhebliche Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzuwerfen, bei deren Beurteilung er von der Rechtsansicht der zweiten Instanz abweicht (1 Ob 232/97t). Auch für die ordentliche (vom Berufungsgericht für zulässig erkannte) Revision gilt, dass der Revisionswerber als Voraussetzung der vollständigen Sachprüfung eines Rechtsmittels zumindest eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung geltend zu machen hat. Dabei hat er nachvollziehbar darzulegen, inwieweit er eine andere Rechtsauffassung als das Berufungsgericht vertritt und aufgrund welcher - zumindest ansatzweise angestellter - Erwägungen die betreffende Rechtsfrage anders zu lösen wäre.
Diesen Erfordernissen entspricht die vorliegende Revision in Ansehung der zentralen Frage, welche innerstaatlichen Rechtsakte auf der - auch von der Revisionswerberin nicht in Zweifel gezogenen - Basis der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung geeignet sind, Staatshaftungsansprüche auszulösen und aus welchen Gründen ein (später wieder verworfener) Gesetzesentwurf eines Bundesministers zu diesen staatlichen Akten gezählt werden könnte, nicht. Wie das Berufungsgericht zutreffend gezeigt hat, geht der Europäische Gerichtshof davon aus, dass ein Unionsbürger dann Ersatzansprüche gegen einen Mitgliedstaat aus dem Titel der Staatshaftung erheben kann, wenn ihm der betreffende Mitgliedstaat - durch innerstaatlich verbindliche Rechtsakte - unmöglich gemacht hat, eine Rechtsposition zu erlangen, die ihm aufgrund der bindenden Vorgaben gemeinschaftsrechtlicher Normen zukommen soll.
Dass der Europäische Gerichtshof darüber hinaus Staatshaftung auch für die Verletzung von Vertrauen angenommen hätte, das bei einem EU-Bürger durch das Verhalten eines Organs eines Mitgliedstaats geweckt wurde, behauptet die Revisionswerberin nicht. Ebensowenig versucht sie, auch nur ansatzweise darzulegen, dass es in Fortentwicklung der vom Europäischen Gerichtshof entwickelten Grundsätze der gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftung geboten wäre, auch diese Fälle ebenso zu behandeln wie die Schädigung von Einzelnen durch im Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht stehende normative Staatsakte.
Zieht die Revisionswerberin nun aber die Auffassung des Berufungsgerichts, der von ihr behauptete Sachverhalt erfülle ein wesentliches Kriterium der vom Europäischen Gerichtshof entwickelten gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungstatbestände nicht, inhaltlich gar nicht in Zweifel, indem sie nämlich nicht einmal versucht, dem argumentativ etwas Sachliches entgegen zu setzen, kann von der Erörterung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO keine Rede sein.
Soweit die Klägerin ihre Ansprüche auf vermeintliche Verletzungen von gemeinschaftsrechtlichen Notifikationspflichten im Gesetzgebungsverfahren stützen will, behauptet sie nicht einmal, dass die betreffenden Vorschriften bezwecken würden, den einzelnen Unionsbürgern Rechte zu verleihen.
Die Revision ist damit als unzulässig zurückweisen. Da die Beklagte in ihrer Revisionsbeantwortung die Unzulässigkeit der Revision aufgezeigt hat, stellt sich ihr Schriftsatz als zweckentsprechende Rechtsverteidigungsmaßnahme dar, deren Kosten die Revisionswerberin zu ersetzen hat.
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