OGH 1Ob470/52 (1Ob471/52)

OGH1Ob470/52 (1Ob471/52)16.6.1952

SZ 25/170

Normen

Außerstreitgesetz §75
Außerstreitgesetz §174
Außerstreitgesetz §177
Außerstreitgesetz §75
Außerstreitgesetz §174
Außerstreitgesetz §177

 

Spruch:

Ein dem Abhandlungsverfahren entgegen den Vorschriften des § 75 AußstrG. nicht zugezogener Erbe hat gegen den Einantwortungsbeschluß ein Rekursrecht, auch wenn das Verlassenschaftsergebnis bereits verbüchert ist.

Entscheidung vom 16. Juni 1952, 1 Ob 470, 471/52.

I. Instanz: Bezirksgericht Feldbach; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.

Text

Der am 30. November 1944 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbene Stefan E. war Eigentümer der Hälfte der Erbhofliegenschaft EZ. 137 Grundbuch W. Laut Todfallsaufnahme hinterließ der Verstorbene seine Gattin Juliane E. und fünf Kinder namens Hermann E. (geb. 1900), Juliane R. (geb. 1903), Eduard R. ( geb. 1902), Maria L. (geb. 1905) und Johann E. (geb. 1907).

Bei der Abhandlungspflege im März 1945, bei der die erblasserischen Kinder Hermann E. und Maria L. nicht anwesend waren, hat die erblasserische Witwe erklärt, von ihrem Anerbenrecht keinen Gebrauch zu machen, und ihr Einverständnis gegeben, daß der ganze Erbhof dem nächstberufenen Anerben, nämlich dem erblasserischen Sohn Johann E., als Anerbe zufällt. Gleichzeitig erteilte sie die Einwilligung, daß das Eigentumsrecht auf obgenannter Liegenschaft für den erblasserischen Sohn Johann E. als Anerben einverleibt wird.

Nach dieser Verhandlungsschrift wurde die Einleitung einer Verlassenschaftsabhandlung nicht begehrt und im Protokoll festgehalten, daß die nicht anwesenden erblasserischen Kinder vom Gerichtsabgeordneten verständigt werden, daß eine Verlassenschaftsabhandlung nur auf ausdrückliches Verlangen vorgenommen werden wird.

Aus dem im Akt erliegenden Schreiben vom 6. März 1945 in Abschrift geht hervor, daß der Gerichtsabgeordnete diesen letzteren Umstand mit dem Beisatz, daß Johann E. den Erbhof übernommen hat, an Hermann E., Juliane R., Maria L. und Eduard E. mitgeteilt hat, wobei der diesbezügliche Aufgabeschein nur hinsichtlich der letzten drei erblasserischen Kinder im Akte erliegt.

Mit Beschluß vom 18. Juni 1947, 1 A 620/44-10, hat das Erstgericht den Nachlaß des am 30. November 1944 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Stefan E., über den eine Verlassenschaftsabhandlung nicht stattgefunden hat, dem erblasserischen Sohne Johann E. als Anerben eingeantwortet. Gleichzeitig sprach das Erstgericht aus, daß nach den Ergebnissen der Einantwortung die Einverleibung des Eigentumsrechtes für Johann E. vorzunehmen sein werde.

Die Einverleibung dieses Eigentumsrechtes wurde mit Beschluß vom 30. September 1947, 1 A 620/44-11, verfügt.

Unter Hinweis darauf, daß er von dem Verlassenschaftsverfahren überhaupt nicht verständigt worden sei, beantragte am 5. Feber 1951 der erblasserische Sohn Hermann E. die Zustellung der Einantwortungsurkunde vom 18. Juni 1947 und des Verbücherungsbeschlusses vom 30. September 1947.

Gegen beide Beschlüsse, die dem Hermann E. am 19. März 1952 zugestellt worden waren, hat dieser Rekurs erhoben, in dem er ausführte, daß er, obwohl er als Sohn in der Todfallsaufnahme angeführt wurde, weder von dem Abhandlungsverfahren noch von der Erlassung der Einantwortung verständigt worden sei. Eine Einantwortung nach erbhofrechtlichen Bestimmungen sei im übrigen im Zeitpunkt der Erlassung der Einantwortung unzulässig gewesen. Mangels Rechtskraft der Einantwortungsurkunde sei auch der Verbücherungsbeschluß vom 30. September 1947 zu Unrecht ergangen.

Das Rekursgericht hat den beiden Rekursen Folge gegeben und

1. den Beschluß, mit dem der Nachlaß nach Stefan E. dem erblasserischen Sohne Johann E. eingeantwortet wurde, aufgehoben und dem Erstgericht die Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens nach den Vorschriften des allgemeinen österreichischen Erbrechtes aufgetragen,

2. die Aufhebung des Verbücherungsabschlusses verfügt und die Löschung der auf Grund der Einantwortungsurkunde bewilligten Einverleibung des Eigentumsrechtes für Johann E. an der obgenannten Liegenschaft angeordnet.

Das Rekursgericht stellte sich auf den Standpunkt, daß das Erstgericht gemäß § 75 AußstrG. verpflichtet gewesen sei, den Rekurswerber als vermutlichen Erben von der Abhandlung zu verständigen. Dem Hermann E., der auch von der erlassenen Einantwortung nicht in Kenntnis gesetzt worden sei, stehe daher, da die Einantwortungsurkunde noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei, ein Rekursrecht zu. Im übrigen sei die Erlassung der Einantwortungsurkunde auf Grund erbhofrechtlicher Bestimmungen verfehlt, da im Zeitpunkt der Erlassung, nämlich am 18. Juni 1947, das Bundesgesetz vom 21. März 1947, BGBl. Nr. 85, schon in Wirksamkeit gestanden sei, durch das nicht nur sämtliche erbhofrechtliche Bestimmungen aufgehoben worden waren, sondern nach welchem auch eine Erlassung der Einantwortungsurkunde nach Erbhofrecht überhaupt nicht möglich gewesen sei. Aus der Aufhebung der Einantwortungsurkunde ergebe sich auch die Notwendigkeit, den gemäß § 177 AußstrG. erlassenen Verbücherungsbeschluß zu beheben.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen des Johann E. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 1 Ob 784/47 zum Ausdruck gebracht hat, ist die rechtskräftige Einantwortung für den Bereich des Außerstreitrechtes unabänderlich (§ 180 AußstrG.), sodaß durch die Rechtskraft der Einantwortungsurkunde auch Mängel des Abhandlungsverfahrens geheilt werden, sofern sie nicht absolute Nichtigkeit begrunden. Selbst bei der Einantwortung des Nachlasses an einen Nichtberechtigten stehe zur Korrektur der fehlerhaften Ergebnisse des Außerstreitverfahrens nur der Prozeßweg offen.

Anders liegt es aber dann, wenn die Einantwortung noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist. Hier gab der Oberste Gerichtshof in Anlehnung an die Entscheidung SZ. XIII/98 seiner Meinung dahin Ausdruck, daß auch noch eine Erbserklärung abgegeben werden kann und insbesondere die erfolgte Einantwortung mittels Rekurses anfechtbar ist.

Dieser Fall liegt aber hier vor; denn die am 18. Juni 1947 zu 1 A 620/44-10 erlassene Einantwortungsurkunde ist noch nicht in Rechtskraft erwachsen.

Bereits in der Todfallsaufnahme nämlich war der erblasserische Sohn Hermann E. als vermutlicher Erbe angeführt. Das Erstgericht hat entgegen der Bestimmung des § 75 AußstrG. diesen Erben jedoch nicht verständigt; zumindest erliegt ein Zustellungsausweis über eine erfolgte Verständigung nicht im Akt. Da aber Hermann E. als Erbe in Betracht kam, wäre das Erstgericht nicht nur zur Verständigung gemäß § 75 AußstrG. verpflichtet gewesen, sondern hätte auch eine Ausfertigung der Einantwortungsurkunde an den Obgenannten zustellen müssen. Durch die Unterlassung dieser Verständigung bzw. Zustellung war aber Hermann E. die Möglichkeit genommen, sich an dem Verfahren zu beteiligen und seine Ansprüche auf die Erbschaft geltend zu machen. Aus diesen Erwägungen hat daher mit Recht das Rekursgericht die Legitimation des Hermann E. zum Rekurs als gegeben angesehen und mangels Rechtskraft der Einantwortungsurkunde den diesbezüglichen Beschluß behoben (GlU. 1669, 4261).

Der Oberste Gerichtshof teilt auch die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes, daß das Erstgericht am 18. Juni 1947 keine Einantwortungsurkunde im Sinne der erbhofrechtlichen Bestimmungen erlassen konnte. Denn schon im Gesetz vom 19. September 1945, StGBl. Nr. 174, war in § 4 angeordnet worden, daß Verlassenschaftsabhandlungen über Erbhöfe überhaupt nicht durchgeführt werden dürfen. Das Erstgericht konnte daher im Sinne der erbhofrechtlichen Bestimmungen seit 1945 eine Einantwortungsurkunde über einen Erbhof nicht erlassen, sondern wäre verpflichtet gewesen, auf Grund des Gesetzes vom 21. März 1947, BGBl. Nr. 85, die Abhandlung nach bürgerlichem Recht durchzuführen.

War aber die erlassene Einantwortungsurkunde noch nicht rechtskräftig, so konnte auch eine Verbücherung dieser Urkunde nicht folgen und es wurde daher mit Recht dieser Verbücherungsbeschluß aufgehoben.

Wenn schließlich der Revisionsrekurswerber noch darauf verweist, daß in den Nachlaß seines verstorbenen Vaters nur die Hälfte der Liegenschaft falle und er den übrigen Teil der Liegenschaft auf Grund eines Vertrages mit seiner Mutter Juliane E. erworben habe, so war der Revisionsrekurs auch in diesem Punkte erfolglos, da dem Verbücherungsbeschluß nur die Einantwortungsurkunde zugrunde liegt, die aber, wie oben ausgeführt, mit Recht behoben wurde. Es bleibt allerdings dem Revisionsrekurswerber unbenommen, auf Grund der mit Juliane E. errichteten Urkunde seinen Anspruch auf das Eigentumsrecht der früher der Juliane E. gehörigen Liegenschaftshälfte geltend zu machen.

Aus diesen Erwägungen war daher den beiden Revisionsrekursen der Erfolg zu versagen.

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