OGH 1Ob453/50

OGH1Ob453/504.10.1950

SZ 23/280

Normen

ABGB §485
ABGB §509
ABGB §511
ABGB §1393
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §1059
Grundbuchsgesetz §5
Grundbuchsgesetz §9
Schweizerisches Zivilgesetzbuch Art758
Volksgerichtsverfahrens- und Vermögensverfallsgesetz §21
ABGB §485
ABGB §509
ABGB §511
ABGB §1393
Deutsches Bürgerliches Gesetzbuch §1059
Grundbuchsgesetz §5
Grundbuchsgesetz §9
Schweizerisches Zivilgesetzbuch Art758
Volksgerichtsverfahrens- und Vermögensverfallsgesetz §21

 

Spruch:

Die grundbücherliche Übertragung eines Fruchtnießungsrechtes ist zulässig.

Entscheidung vom 4. Oktober 1950, 1 Ob 453/50.

I. Instanz: Bezirksgericht Fünfhaus; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Der Antrag der Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, ihr auf Grund des Urteiles des Volksgerichtes Wien vom 24. November 1945 die Einverleibung der Übertragung des auf der Liegenschaft EZ. 1093 des Grundbuches der Kat.Gem. F. unter ON. 14 und 35 und auf der Liegenschaft EZ. 1094 des Grundbuches der Kat.Gem. F. unter ON. 13 und 34 für Wilhelm B. haftenden lebenslänglichen Fruchtnießungsrechtes für die Lebensdauer des Wilhelm B. zu bewilligen, wurde vom Erstgericht abgewiesen, dies mit der Begründung, daß es sich beim Fruchtnießungsrecht um ein höchstpersönliches Recht handle und Gegenstände der Übertragung nur veräußerliche Rechte sein können. Das Fruchtnießungsrecht könne zwar der Ausübung nach übertragen werden, niemals aber könne das Fruchtnießungsrecht selbst, also der Substanz nach, übertragen werden.

Dem gegen diesen Beschluß seitens der Finanzprokuratur erhobenen Rekurse hat das Rekursgericht Folge gegeben und die beantragte Einverleibung bewilligt.

In der Begründung wird ausgeführt, dem Erstgericht sei darin beizupflichten, daß das Fruchtnießungsrecht als höchstpersönliches Recht der "Substanz" nach nicht übertragen werden könne. Das sei aber im vorliegenden Falle nicht begehrt. Aus der Einschränkung der Übertragung des Fruchtnießungsrechtes auf die Lebensdauer des Wilhelm B. ergebe sich vielmehr, daß nur die Übertragung der Ausübung des Fruchtnießungsrechtes begehrt sei, was, wie das Erstgericht selbst einräume, zulässig erscheine.

Gegen diesen Beschluß ist der Revisionsrekurs der Rosa H. (Miteigentümerin der belasteten Liegenschaften zur Hälfte) und des Wilhelm B. gerichtet, mit dem Antrage, den angefochtenen Beschluß aufzuheben, bzw. abzuändern, die Rechtssache an die zweite Instanz zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen oder aber nach allfälliger Ergänzung des Verfahrens in der Sache selbst zu erkennen und den Antrag auf Einverleibung der Übertragung des gegenständlichen Fruchtgenusses abzuweisen.

In Ausführung des Revisionsrekurses wird insbesondere vorgebracht, mit der beantragten Eintragung würde der Republik Österreich mehr an Rechten übertragen werden als dem Berechtigten Wilhelm B. zukomme, insofern nämlich das Recht des Wilhelm B. auch während seiner Lebensdauer beschränkt und diese Beschränkung aus dem Grundbuche und der Urkundensammlung auch ersichtlich sei. Das Fruchtnießungsrecht sei nämlich von dem Adoptivvater des Berechtigten diesem zugedacht worden, wobei im Hinblick auf die große Verschuldung des Wilhelm B. das Fruchtnießungsrecht für diesen erlöschen solle, wenn es, sei es freiwillig oder im Zwangswege, übertragen würde. Für diesen Fall habe der Erblasser verfügt, daß das Fruchtnießungsrecht auf die Töchter des Wilhelm B. übergehe. Wenn auch das Fruchtnießungsrecht dem Wilhelm B. grundsätzlich auf dessen Lebensdauer zugedacht sei, so sei dies nicht unbeschränkt, sondern unter der ausdrücklichen Beschränkung, daß das Recht auch während der Lebensdauer erlöschen könne und in diesem Falle auf dessen Töchter übergehe. Diese Beschränkung, welche in der Möglichkeit des Erlöschens auch während der Lebensdauer liege, mache das Fruchtnießungsrecht auch der Ausübung nach zu einem höchstpersönlichen, wie schon das Erstgericht zutreffend angenommen habe, und deshalb sei im gegenständlichen Falle die begehrte Eintragung gemäß § 1393 ABGB. als unzulässig abzuweisen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Rosa H. und des Wilhelm B. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Dem Revisionsrekurs kann Berechtigung nicht zuerkannt werden.

Die Fruchtnießung nach österreichischem Recht (§ 509 ABGB.) ist das Recht, eine fremde Sache mit Schonung der Substanz, ohne alle Einschränkung zu genießen, wobei nach § 511 ABGB. dem Fruchtnießer das Recht auf den vollen, sowohl gewöhnlichen als ungewöhnlichen Ertrag zukommt. Da der Fruchtnießer somit hinsichtlich der Benützung unbeschränkt ist, kann er, falls Grundstücke den Gegenstand der Nutznießung bilden, sie nach Belieben verpachten, falls Gebäude in Betracht kommen, diese vermieten, was nach Lehre und Rechtsprechung unbestritten ist.

Daß somit der Fruchtnießer den Fruchtbezug einem anderen überlassen kann, ist außer Zweifel.

Die älteren Schriftsteller (Stubenrauch, Offenhuber, Schubert - Soldern) sehen darin nur die Überlassung der Ausübung. So bestimmt auch das Deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (§ 1059), daß der Nießbrauch nicht übertragbar ist, seine Ausübung aber einem anderen überlassen werden kann. Ebenso kann nach Art. 758 Schweizer ZGB. die Nutznießung zur Ausübung auf einen anderen übertragen werden.

Die neuere Lehre (Ehrenzweig, H. Wolf, Geller, Schey, Demelius, Eisinger) erblickt hierin jedoch eine Rechtsübertragung. In diesem Sinne bewegt sich auch, im Gegensatze zu den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes vom 8. Februar 1889, GlU. 12.586, und 1. Dezember 1885, GlU. 10.810, die Entscheidung vom 16. Juni 1908, GlUNF. 4271. welche die erörterte Unterscheidung geradezu als "Spiel mit Worten" bezeichnet, und ebenso die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes Brünn vom 20. Dezember 1934, R II 647/34 (Entscheidungen der Obersten Gerichte, Band XV, 2068).

Einigkeit besteht darüber, daß die Verpflichtungen des Fruchtnießers bestehen bleiben, daß sein Recht mit dem Tode des Fruchtnießers endet und daß das Fruchtnießungsrecht gepfändet und verpfändet werden kann.

Da die Überlassung der Ausübung des Fruchtnießungsrechtes ein dingliches Recht erzeugt, ist, entgegen der Annahme des Erstgerichtes und des Revisionsrekurses, ihre Eintragung im Grundbuche grundsätzlich zulässig und zur Rechtsbegründung notwendig, so Klang, Komm. zu § 485 ABGB., S. 566, und Bartsch, Das österreichische allgemeine Grundbuchgesetz, der im Beispiel 98 die Übertragung eines Fruchtnießungsrechtes ausdrücklich behandelt.

Es stehen somit der Eintragung der Übertragung eines Fruchtnießungsrechtes grundsätzliche Bedenken nicht entgegen.

Wie sich weiter aus den eingeholten Grundbuchsauszügen samt Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 10. Februar 1932, 1 A 111/28 (Nachlaß nach Josef B.) ergibt, ist das lebenslängliche Fruchtnießungsrecht des Wilhelm B. ausdrücklich auf Grund der vorerwähnten Einantwortungsurkunde gemäß deren Abs. II, in welchem die geltend gemachte Beschränkung enthalten ist, einverleibt. Dieser Absatz lautet, daß das Fruchtnießungsrecht des Wilhelm B. dadurch beschränkt ist, daß es gleichteilig den Erbinnen mj. Rosalie B. und mj. Helene B. zufallen soll, wenn auf die Fruchtnießung ein Pfandrecht erworben würde.

Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, daß die Verpflichtungen des Fruchtnießers bei Übertragungen bestehen bleiben, das Recht also mit jenen Beschränkungen übertragen wird, welche dem Fruchtnießer selbst auferlegt sind. Diesem Erfordernis ist im gegenständlichen Falle entgegen den Ausführungen des Revisionsrekurses entsprochen, da das für Wilhelm B. haftende lebenslängliche Fruchtnießungsrecht, so wie es eben im Grundbuche (E. Z. 1093 unter ON. 14 und 35 und EZ. 1094 unter ON. 13 und 34) ausdrücklich ausgezeichnet erscheint, das ist unter Hinweis auf Abs. II der Einantwortungsurkunde und damit auf die darin enthaltenen Beschränkungen, übertragen wird.

Diese Vereinfachung der Eintragung durch Verweisung auf die Urkunde ist nach § 5 GBG. möglich und zulässig.

Die Lösung der im Revisionsrekurs aufgeworfenen Frage, ob im Sinne der letztwilligen Verfügung des Josef B. vom 9. Mai 1927 der Anfall des Fruchtnießungsrechtes an die beiden Erbinnen eingetreten ist, fällt aus dem Rahmen der Grundbuchssache und ist dem Rechtswege überlassen.

Es war daher dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.

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