Spruch:
Welcher Rechtsträger für gesetzwidrigen Waffengebrauch von Gendarmeriebeamten im Funkpatrouillendienst haftet, hängt ausschließlich davon ab, welcher konkrete Akt der Vollziehung im Zusammenhang damit gesetzt werden sollte
OGH 11. 1. 1984, 1 Ob 44/83 (OLG Innsbruck 5 R 212/83, LG Feldkirch 1 a Cg 2/83)
Text
In der Nacht vom 7. auf den 8. 10. 1979 versahen Gendarmeriegruppeninspektor Alwin S als Kommandant einer Funkpatrouille und die Gendarmerierevierinspektoren Karl R und Georg T im Hauptpostenbereich Bregenz Funkpatrouillendienst. Ihr Funkpatrouillenauftrag lautete auf Überwachung der Sicherheitsverhältnisse und einbruchsgefährdeter Objekte, Parkplätze und Hinterhöfe, auf Kontrollen am Bahnhof Bregenz und Haltestelle Riedenburg und in den abgestellten Waggons des Städteschnellzuges, auf Überwachung der Geldinstitute, Postämter, militärischer Einrichtungen und Großkaufhäuser, auf fallweise Kontaktaufnahme mit den Konsulatswachen und Überprüfung der Sperrverhältnisse beim deutschen Konsulat, auf Verkehrsüberwachung mit besonderem Augenmerk auf alkoholisierte Fahrer und Schnellfahrer sowie bei Kontrollen Bedachtnahme auf bedenkliches Gut, auf Kontrolle verdächtiger Personen-PWCO-Anfragen, auf Kontrolle der Dirnen und Zuhälter im Raume Bregenz-Hard, auf verstärkte Kontrolle in der Pumpstation und Pipeline und auf mehrfache Kontaktaufnahme mit Tankwärtern der A-Tankstelle Lochau. Die Funkpatrouillenbesatzung nahm um zirka 1.30 Uhr im Ortsgebiet von Lauterach auf der Landstraße 3 einen mit beträchtlich überhöhter Fahrgeschwindigkeit entgegenkommenden VW-Kombi wahr, der gegen die Gehsteigkante stieß, weshalb der Fahrer Ernst W den Wagen nach links verreißen mußte. Die Gendarmeriebeamten sahen sich daher veranlaßt, den Fahrzeuglenker zu überprüfen. Georg T meinte, der Lenker sei betrunken. Das Dienstfahrzeug wurde daher gewendet, worauf die Funkpatrouille dem Kombifahrzeug mit eingeschaltetem Blaulicht Richtung Hard folgte. Wegen der hohen Geschwindigkeit des VW-Kombis (zirka 90 km/h) verlor die Funkpatrouille das Fahrzeug aus den Augen und kehrte schließlich im Ortsgebiet von Hard um. Auf der Rückfahrt von Hard nach Lauterach sahen die Gendarmeriebeamten, wie der VW-Kombi von einer Seitengasse in die Landesstraße 3 einbog und auf dieser in Richtung Lauterach weiterfuhr. Unter Einschaltung des Blaulichtes überholte das Dienstfahrzeug den VW-Kombi. Beim Überholvorgang gab der Patrouillenkommandant Alwin S dem Fahrzeuglenker Haltezeichen. Das Dienstfahrzeug verlangsamte nach dem Überholvorgang seine Geschwindigkeit, um so den Lenker zum Anhalten zu veranlassen. Ernst W flüchtete aber mit seinem VW-Kombi in Richtung der Bahnunterführung. Auf dem ansteigenden Straßenabschnitt bremste er mehrmals ruckartig ab, sodaß das nachfolgende Dienstfahrzeug in Gefahr geriet aufzufahren. Während dieser Verfolgungsjagd betätigte Gend.-RevInsp. Karl R das Blaulicht und das Folgetonhorn. Ernst W verminderte nach seinen Bremsmanövern die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges von 90 auf zirka 30 km/h. Er fuhr an den äußersten rechten Fahrbahnrand heran, sodaß die Gendarmeriepatrouille erneut zu einem Überholvorgang ansetzen konnte. Als das Patrouillenfahrzeug annähernd auf gleicher Höhe war, lenkte Ernst W seinen Wagen vom äußersten rechten Fahrbahnrand ruckartig nach links und stieß gegen die rechte Vorderfront des Gendarmeriefahrzeuges, wodurch dieses nach links geschleudert und beschädigt wurde. Hierauf fuhr Ernst W auf der Bundesstraße 209 Richtung Bregenz mit einer Geschwindigkeit von 120 bis 130 km/h weiter. Während der Fahrt geriet er einmal zur Gänze auf die linke Fahrbahnhälfte, sodaß ein entgegenkommender PKW-Lenker über die rechte Gehsteigkante ausweichen mußte, um einen Frontalzusammenstoß zu vermeiden. Später gefährdete er zwei entgegenkommende PKW-Lenker durch Kurvenschneiden. In der Zwischenzeit wurden über die Leitfunkstelle die umliegenden Gendarmeriedienststellen verständigt und ersucht, Straßensperren zu errichten, um den VW-Kombi anzuhalten. Gend.-RevInsp. Horst P vom Gendarmeriepostenkommando Bregenz sperrte darauf mit seinem Dienstfahrzeug eine Hälfte der Fahrbahn der Rathausstraße in Bregenz ab und postierte sich auf der freibleibenden Hälfte. Ernst W gelangte mit seinem Fahrzeug über die Fußgängerzone in die Rathausstraße. Er fuhr gegen den Anhaltezeichen gebenden Gendarmeriebeamten los, sodaß dieser zur Seite springen mußte, um nicht überfahren zu werden. Gend.-RevInsp. Horst P schoß darauf mit seiner Dienstwaffe auf die Reifen des VW-Kombis, ohne diese zu treffen. Ernst W fuhr in der Folge entgegen einer Einbahnstraße in einen sichtbehindernden Kurvenbereich. Die im Patrouillenfahrzeug befindlichen Gendarmen gelangten auf Grund des Verhaltens Ernst Ws zur Auffassung, daß es sich nicht etwa nur um einen Verkehrsrowdy, sondern um einen flüchtigen Straftäter handeln müsse. Gend.-GrInsp. Alwin S erachtete nunmehr einen Schußwaffengebrauch gegen die Räder des VW-Kombis als gerechtfertigt. Gend.-RevInsp. Georg T, der hinten im Dienstfahrzeug saß, war der Meinung, es müsse ein flüchtender Schwerstkrimineller, eine allgemeine gefährliche Person gestellt werden. Er begann vom rechten hinteren Wagenfenster aus mit seiner Dienstwaffe gezielt auf die Räder des VW-Kombis zu schießen. Darauf hielt Ernst W sein Fahrzeug vor dem Haus Kirchenstraße 22 an. Gend.- RevInsp. Karl R brachte das Dienstfahrzeug auf gleicher Höhe mit dem VW-Kombi zu Stillstand. Georg T stieg sogleich aus und näherte sich der linken Fahrertür des VW-Kombis mit entsicherter Dienstpistole. Er öffnete die Fahrertür und erfaßte mit der linken Hand Ernst W am linken Oberarm. Er hielt ihn mit kräftigem Griff fest, weil er mit Tätlichkeiten rechnete. Georg T wollte Ernst W festnehmen und rief daher zu ihm "Hände hoch". In der Zwischenzeit kam Karl R zur bereits offenen Tür des VW-Kombis und erfaßte Ernst W mit der linken Hand am rechten Arm. Ernst W leistete keinen Widerstand. Die beiden Beamten führten Ernst W zu dem unmittelbar daneben stehenden Dienstfahrzeug. Sie drückten ihn mit dem Oberkörper gegen die Motorhaube. Georg T hielt dabei die entsicherte Dienstpistole in der rechten Hand. Um Ernst W auch mit der rechten Hand niederzudrücken, hielt er die rechte Hand mit der entsicherten Pistole gegen den Rücken Ernst Ws. Er versuchte, die Beine Ernst Ws mit seinem rechten Knie auseinanderzuspreizen. Als er Ernst W am Arm losließ, erfolgte ein Stoß gegen die rechte Hand Georg Ts. Dadurch löste sich ein Schuß aus seiner Dienstwaffe, durch den Ernst W tödlich getroffen wurde. Wegen dieses Verhaltens wurde Georg T mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 6. 3. 1980, 17 b E Vr 1922/79-22, rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen nach § 81 Z 1 StGB für schuldig erkannt.
Die klagende Republik Österreich begehrt den Zuspruch eines Betrages von 180 379.25 S sA und die Feststellung, daß das beklagte Land Vbg. der klagenden Partei zur Hälfte die von der klagenden Partei in Zukunft auf Grund des Vorfalles vom 8. 10. 1979 zu erbringenden Schadenersatzleistungen zu ersetzen habe. Die klagende Partei habe unter Berücksichtigung eines 50prozentigen Mitverschuldens Ernst Ws in Anerkennung von gegen sie gerichteten Amtshaftungsansprüchen an die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, die Landesversicherungsanstalt Oberbayern und die Vbg.
Gebietskrankenkasse Zahlungen in der Höhe von 360 758.50 S erbracht. Die Witwe und die beiden ehelichen Kinder Ernst Ws hätten gleichfalls Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz geltend gemacht. Bereits aus den der Besatzung des Funkpatrouillenfahrzeuges erteilten Aufträgen ergebe sich, daß Gend.-RevInsp. Georg T neben Agenden der öffentlichen Sicherheitspolizei auch Agenden der Straßenpolizei, die in Vollziehung Landessache seien, wahrzunehmen gehabt habe. Anlaß für die Amtshandlungen des Patrouillenfahrzeuges seien Verstöße Ernst Ws gegen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung gewesen. Die klagende Partei, die bereits Ersatzleistungen erbracht habe, sei gemäß § 1302 ABGB berechtigt, Ausgleichsansprüche gegen die solidarisch haftende beklagte Partei geltend zu machen. Da im vorliegenden Fall ein Maßstab, nach dem das schuldhafte Verhalten des Organs infolge einer besonderen Verteilung der Vollziehungsaufgaben einem der beteiligten Rechtsträger in höherem Maße zugerechnet werden könne, nicht gegeben sei, sei der Ausgleichsanspruch nach § 1302 ABGB in Verbindung mit § 896 ABGB im Zweifel gleichteilig zu bestimmen.
Die beklagte Partei wendete ein, daß das Schwergewicht der den Gendarmeriebeamten aufgetragenen Aufgaben in der Ausübung der allgemeinen Sicherheitspolizei gelegen gewesen sei. Diese Tätigkeit falle aber in den Vollzugsbereich der klagenden Partei. Ernst W habe auf seiner Flucht mehrere gerichtlich strafbare Handlungen gesetzt, die ausschließlich Anlaß für den Waffengebrauch der Gendameriebeamten gewesen seien. Georg T habe zum Zeitpunkt des Lösens des Schusses aus seiner Dienstpistole ausschließlich als Organ der klagenden Partei gehandelt. Es sei nicht üblich, daß Organe der Bundesgendarmerie bei der Ausübung des Dienstes im Zusammenhang mit der Verkehrsüberwachung von Schußwaffen Gebrauch machten. Der mit Lebensgefährdung verbundene Gebrauch einer Waffe gegen Menschen sei nur in ganz bestimmten Fällen zulässig, sicher aber nicht beim Verhalten einer Person, die gegen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung verstoßen habe und möglicherweise in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenke. Nach dem äußeren Erscheinungsbild der von Georg T vorgenommenen Handlung ergebe sich, daß sein Verhalten keinesfalls in Ausübung straßenpolizeilicher Agenden als Organ der beklagten Partei gesetzt worden sei. Aber selbst wenn das Verhalten Georg Ts auch der beklagten Partei zugeordnet werden könnte, sei das Schwergewicht des Organhandelns im Vollzugsbereich der klagenden Partei gelegen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Für die Zuordnung der Organhandlung zu einem nach dem Amtshaftungsgesetz haftenden Rechtsträger komme es darauf an, auf welche Zuständigkeitsbestimmung sich die Organhandlung dem äußeren Tatbestand bzw. dem äußeren Anschein nach stütze. Die im Patrouillendienst stehenden Gendarmeriebeamten hätten sowohl Agenden der Sicherheitspolizei, die in den Vollzugsbereich des Bundes fielen, als auch Agenden der Straßenpolizei, die in der Vollziehung Landessache seien, wahrzunehmen gehabt. Anlaß für die Aufnahme der Verfolgung Ernst Ws sei die Beobachtung seines straßenverkehrsordnungswidrigen Verhaltens gewesen. In der weiteren Folge sei es aber immer mehr um die Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit auf der Straße gegangen. Schließlich habe Ernst W durch die Beschädigung des Gendarmeriedienstfahrzeuges und das unter Geschwindigkeitsbeschleunigung erfolgte Losfahren gegen den Haltezeichen gebenden Gendarmeriebeamten Horst P den Verdacht mehrerer, vom Strafgericht zu ahndender versuchter oder vollendeter Delikte heraufbeschworen. Da er infolge seiner Fahrweise den begrundeten Verdacht erweckt habe, es handle sich bei ihm um eine rücksichtslose und gefährliche Person, die eine allgemeine Gefahr darstelle oder nach der aus anderen noch nicht bekannten Gründen strafgerichtlich gefahndet werde, sei der Zusammenhang mit der Verrichtung von straßenpolizeilichen Agenden und damit die Zuordnung zum Vollzugsbereich des Landes gelöst worden. Die Gendarmeriebeamten hätten ab der erwähnten ersten Phase zunächst vorwiegend und ab dem Losfahren auf den Gendarmeriebeamten Horst P ausschließlich Maßnahmen im Dienste der Strafjustiz nach § 24 StPO gesetzt, die mit der Überwachung straßenpolizeilicher Vorschriften in keinem Zusammenhang gestanden seien. Grund und Anlaß für den Waffengebrauch im Zuge der Verfolgungsjagd seien nur darin gelegen gewesen, daß Ernst W verdächtig gewesen sei, gerichtlich strafbare Handlungen begangen bzw. zu begehen versucht zu haben; nach dem äußeren Anschein habe der begrundete Verdacht bestanden, es handle sich bei ihm um einen durch Fahndungsmaßnahmen gesuchten Straftäter. Ernst W sei von Georg T nicht etwa deshalb mit gezogener und entsicherter Schußwaffe gestellt worden, weil er Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung begangen habe, sondern weil er auf Grund seines Verhaltens den Eindruck einer kriminell verdächtigen und sicherheitsgefährdenden Person hervorgerufen habe. Georg T habe durch die beabsichtigte Untersuchung mit vorgehaltener Pistole eine jener vorbeugenden Maßnahmen gesetzt, die der Abwehr der allgemeinen Gefahren für Leben, Gesundheit und Sicherheit von Menschen, der öffentlichen Ruhe und Ordnung gedient hätten und somit zum Zeitpunkt seines schuldhaften rechtswidrigen Verhaltens, das als Folge der beabsichtigten Untersuchung mit vorgehaltener entsicherter Dienstwaffe und der allfälligen Festnahme zum Tod Ernst Ws geführt habe, funktionell ausschließlich als Organ des Bundes gehandelt. Aber selbst wenn man die Auffassung verträte, daß funktionell doch in geringem Maße der Vollzugsbereich des Landes mitumfaßt gewesen sei, sei dieser so stark in den Hintergrund getreten, daß seine Vernachlässigung gerechtfertigt sei und die Vorschrift des § 1302 ABGB nicht mehr zum Tragen kommen könnte.
Das Berufungsgericht hob über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 15 000 S, aber nicht 300 000 S übersteige. Das Verfahren in erster Instanz sei erst nach eingetretener Rechtskraft des Beschlusses fortzusetzen.
Der von Gend.-RevInsp. Georg T rechtswidrig getötete Ernst W habe nicht nur mehrere Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung gesetzt, sondern auch gerichtlich strafbare Handlungen begangen. Er habe den verfolgenden Gendarmeriebeamten mit Recht als ein skrupelloser Rechtsbrecher erscheinen müssen, bei dessen Stellung mit unberechenbaren und auch gewalttätigen Reaktionen zu rechnen sei. Die Gendarmeriebeamten hätten aber nicht nur die Aufgabe gehabt, im Dienste der Strafjustiz Strafverfolgungshandlungen zu setzen, sondern auch als Straßenaufsichtsorgane die zur Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Sie seien insbesondere auch gemäß §§ 5 Abs. 3, 58 Abs. 1 StVO verbunden gewesen, den offensichtlich verkehrsuntauglichen und eminent verkehrsgefährdenden Lenker durch geeignete Zwangsmaßnahmen an der Fortsetzung der Fahrt zu hindern. Daß dies auf Grund des vorangegangenen Verhaltens Ernst Ws in einer drastischen Form geschehen sei, rechtfertige keineswegs die ausschließliche Zuordnung des Organhandelns zum Vollzugsbereich der Strafrechtspflege. Es wögen die den beiden Parteien zuzurechnenden Funktionsaufgaben etwa gleich schwer. Daß die Verfolgung der strafgerichtlich zu ahndenden Delikte gegenüber jenen der Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung zumindest in der letzten Phase der Amtshandlung, bei der sich der tödliche Schuß gelöst habe, überwogen habe, werde durch die im Interesse der Sicherheit des Straßenverkehrs dringlich gebotenen Zwangsmaßnahmen zur sofortigen Hinderung des offensichtlich fahruntüchtigen und im Straßenverkehr außerordentlich gefährlichen Lenkers an der Weiterfahrt wettgemacht. Da das Erstgericht, von seiner Rechtsansicht ausgehend, keine Feststellungen zur Höhe der Ansprüche sowie zu den grundsätzlichen Voraussetzungen des Feststellungsbegehrens getroffen habe, sei die Rechtssache noch nicht spruchreif.
Über Rekurs der beklagten Partei stellte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Erstgerichtes wieder her.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Vorinstanzen gingen zutreffend davon aus, daß für die Beantwortung der Frage, welcher Rechtsträger für die Schädigung durch ein Organverhalten haftbar gemacht werden könne, die funktionelle Zuordnung der Organtätigkeit maßgebend ist. Es kommt nicht darauf an, wessen Organ der Schuldtragende nach seiner dienstrechtlichen Stellung war, sondern in wessen Namen und für wen er funktionell tätig wurde. Entscheidend ist der Vollziehungsbereich, innerhalb dessen das Organ tätig war (SZ 54/171; SZ 54/80 jeweils mit weiteren Nachweisen). Bei der Bundesgendarmerie handelt es sich gemäß § 1 des Gesetzes vom 27. 11. 1918, StGBl. Nr. 75, um einen uniformierten, bewaffneten, nach militärischem Muster eingerichteten Wachkörper iS des Art. 10 Abs. 1 Z 14 B-VG und § 5 Abs. 1 BVG vom 7. 12. 1929 betreffend Übergangsregelungen zur zweiten Bundesverfassungsnov. BGBl. 393 (VfSlg. 3108/1956; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts[4] 203). Wachkörper sind keine mit einem bestimmten gesetzlich festgelegten Kompetenzbereich versehene Verwaltungsbehörden, sondern Hilfsorgane, die in der Regel keine eigene Entscheidungs- und Verfügungskompetenz haben (VfSlg. 4692/1964; VfSlg. 3108/1956). Sie haben die Anordnungen der Behörden, denen sie beigegeben wurden, zu vollziehen und sind damit zwangsausübende Organe. Ihre hoheitlichen Akte sind der Behörde und dem Rechtsträger zuzurechnen, als deren Hilfsorgan sie im Einzelfall tätig werden (SZ 54/109; SZ 54/80). Angehörige von Wachkörpern können gleichzeitig für verschiedene Rechtsträger tätig werden. Ihr Organhandeln ist dann funktionell einem oder mehreren Rechtsträgern zuzuordnen (SZ 54/80; SZ 52/185; SZ 52/103). Dabei ist die subjektive Absicht der als Organ handelnden Person unmaßgeblich. Es kommt vielmehr auf den äußeren Tatbestand bzw. den äußeren Anschein der vorgenommenen Handlung an (SZ 54/80 ua.; Loebenstein-Kaniak, Kommentar zum AHG 38).
Es trifft zwar zu, daß zu den dienstlichen Aufgaben der Funkpatrouille, der Gend.-RevInsp. Georg T angehörte, auch die Verkehrsüberwachung gehörte, bei der ein besonderes Augenmerk auf alkoholisierte Fahrer und Schnellfahrer zu richten war; auch sind die Angelegenheiten der Straßenpolizei gemäß Art. 11 Abs. 1 Z 4 B-VG in der Vollziehung Landessache, sodaß zu Beginn der Amtshandlung ausschließlich ein der beklagten Partei zuzurechnendes hoheitliches Handeln vorlag. Diese funktionelle Zuordnung war aber spätestens zu jenem Zeitpunkt beendet, als durch die Anhaltung Ernst Ws und sein widerstandsloses Aussteigen iS der §§ 5 Abs. 3 und 58 Abs. 1 StVO sichergestellt war, daß er die Fahrt nicht mehr in einem verkehrsuntauglichen Zustand fortsetzen werde. § 5 Abs. 3 StVO zählt als Mittel der Hinderung an der Lenkung oder Inbetriebnahme seines Fahrzeuges beispielsweise die Abnahme der Fahrzeugschlüssel und das Absperren oder Einstellen des Fahrzeugen auf. Ist durch ein derartiges Mittel bereits gewährleistet, daß die Fahrt nicht fortgesetzt werden wird, darf, sofern keine anderen Gründe zur Festnehmung iS des § 35 VStG vorliegen, eine solche allein aus den Grün- den des § 5 Abs. 3 StVO nicht mehr ausgesprochen werden (VfSlg. 8961/1980). Gewiß handelte Georg T gesetzwidrig, sodaß an sich auch eine Verletzung der sich aus der Straßenverkehrsordnung ergebenden Pflichten in Betracht kommt. Ab dem Zeitpunkt, zu dem die Verkehrsgefährdung beendet und eine Fortsetzung der Fahrt durch Ernst W nicht mehr möglich war, bestand aber kein Anhaltspunkt mehr dafür, daß der Waffengebrauch durch Georg T wegen der durch Ernst W gesetzten Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung erfolgte. Der Waffengebrauch während der von den Gendarmeriebeamten durchgeführten Verfolgung, Anhaltung und der dann folgenden Perlustrierung Ernst Ws, bei der sich der tödliche Schuß aus der Dienstpistole Georg Ts löste, erfolgte vielmehr nicht nur nach den im Rechtsmittelverfahren unstrittigen Tatsachenfeststellungen, sondern auch nach den objektiv zu wertenden äußeren Umständen deshalb, weil die Gendarmeriebeamten Ernst W als flüchtigen Straftäter (Schwerstkriminellen) und als allgemein gefährliche Person ansahen und auch ansehen mußten, hatte Ernst W doch auch während seiner Flucht schon mehrere gerichtlich strafbare Handlungen begangen. Der Waffengebrauch während der Festnahme und Perlustrierung Ernst Ws und die gesetzwidrigen Folgen dieses Waffengebrauches sind daher funktionell nur mehr der klagenden Partei zuzuordnen. Ein Regreßanspruch der klagenden Partei besteht daher nicht zu Recht.
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