OGH 1Ob442/61

OGH1Ob442/6125.10.1961

SZ 34/159

Normen

ABGB §1330 Abs2
ABGB §1330 Abs2

 

Spruch:

§ 1330 Abs. 2 ABGB. gilt auch für die Mitteilung eigener Überzeugungen.

Entscheidung vom 25. Oktober 1961, 1 Ob 442/61.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der Kläger, der gewerbsmäßig die Vermittlung von Geldgeschäften betreibt, begehrt vom Beklagten den Widerruf der im Schreiben vom 31. Dezember 1960, das an mehrere Personen gerichtet wurde, angeblich bewußt wahrheitswidrig aufgestellten Behauptungen, er sei nicht berechtigt gewesen, ein Pfandrecht auf die zu seinen, des Beklagten, Gunsten ob der EZ. 136 GB. G. einverleibten Forderung zu begrunden, er sei vielmehr beauftragt gewesen, die Forderung im Grundbuch zu löschen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, es liege keine "Verbreitung", d. h. keine Weitergabe einer fremden Behauptung, sondern nur die eigene Behauptung einer Tatsache vor.

Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Vorbehalt der Rechtskraft auf. Die vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung SZ. XXV 169 ausgesprochene und vom Erstgericht vertretene Ansicht sei in den Entscheidungen GR. 1958 S. 22, GR. 1957 S. 73, GR. 1955 S. 3 bereits aufgegeben worden. In diesen Entscheidungen werde nämlich nicht unterschieden, ob die unwahre Behauptung von dem Beklagten selbst aufgestellt oder von ihm nur weitergegeben wurde. Nach § 7 UWG. und § 824 DBGB. genüge es zur Verwirklichung der Tatbestände, daß der Urheber einer unwahren Behauptung sie auch nur einer einzigen Person gegenüber aufgestellt habe. Daraus, daß im § 1330 Abs. 2 ABGB. das Wort "behauptet" fehle, gehe hervor, daß die Rechtsfolgen erst mit dem "Verbreiten" einer unwahren Tatsache eintreten sollten. Das besage aber noch nicht, daß das Aufstellen unwahrer kreditschädigender Behauptungen, sofern sie mindestens einer Person mitgeteilt wurden und mit einer Weitergabe zu rechnen war, nicht den Tatbestand des § 1330 Abs. 2 ABGB. erfülle. Denn "Verbreiten" heiße, etwas anderen Personen mitzuteilen, wobei es nicht zum Begriff des Wortes gehöre, daß es sich um eine von einem anderen übernommene Behauptung handle. Es müsse daher geprüft werden, ob die übrigen Tatbestandsmerkmale des § 1330 Abs. 2 ABGB. vorliegen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Oberste Gerichtshof schließt sich der Rechtsansicht des angefochtenen Beschlusses an. Wie bereits darin zutreffend ausgeführt wird, hat der Oberste Gerichtshof in späteren Entscheidungen, so auch in den Entscheidungen 1 Ob 778/52 und 1 Ob 208/57, die Unterscheidung zwischen der Mitteilung eigener Überzeugung (Behauptung) und der Mitteilung fremder Behauptungen (Verbreitung) nicht aufrechterhalten. Die Entscheidung SZ. XXV 169 ist demnach vereinzelt geblieben. Auch die Entstehungsgeschichte zwingt nicht zu dieser Unterscheidung. Die Bestimmung des § 1330 Abs. 2 ABGB. wurde mit der dritten Teilnovelle im Anschluß an § 824 DBGB. neu gefaßt. Noch im Herrenhausentwurf waren in Übereinstimmung mit der deutschen Gesetzesbestimmung die Worte "behauptet und" enthalten. Sie wurden dann ohne erkennbaren Grund gestrichen. Die Ansicht Ehrenzweigs (2. Aufl. II/1 S. 659), daß dies nur der Kürze halber geschah, ist deshalb sehr einleuchtend. Ehrenzweig vertritt daher die Ansicht, daß Verbreitung jede Mitteilung ist, mag sie als eigene Überzeugung hingestellt werden oder als bloße Weitergabe einer fremden Behauptung auftreten. Auch Wolff in Klang 2. Aufl. VI 162 ff. macht zwischen beiden Möglichkeiten keinen Unterschied. Aus der Anführung der Beispiele ist ferner zu entnehmen, daß er sie für nicht wesentlich hält.

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