OGH 1Ob398/49

OGH1Ob398/4917.12.1949

SZ 22/203

Normen

ABGB §1118
ZPO §477 Abs1 Z6
ZPO §503 Z1
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z3
ABGB §1118
ZPO §477 Abs1 Z6
ZPO §503 Z1
ZPO §503 Z2
ZPO §503 Z3

 

Spruch:

Nach § 1118 ABGB. muß es sich um einen erheblich nachteiligen Gebrauch, also eines wesentlichen Teiles der verpachteten Landwirtschaft handeln.

Umfang der Befugnisse des Pachtamtes nach § 6 Reichspachtschutzordnung.

Entscheidung vom 17. Dezember 1949, 1 Ob 398/49.

I. Instanz: Bezirksgericht Völkermarkt; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.

Text

Der Kläger begrundete sein auf Räumung der dem Beklagten verpachteten Liegenschaft gerichtetes Begehren mit einem erheblich nachteiligen Gebrauch durch den Beklagten, indem dieser u. a. vertragswidrig die Obstbäume nicht entsprechend gepflegt, keine neuen Bäume gepflanzt und die Kälberhalt völlig verwahrlost habe, indem er weiters Dung von der gepachteten Wirtschaft an Nachbarn verkauft, Heu und Stroh weggeführt, sich um den Besitz nicht gekümmert und in dem dazugehörigen Wald unberechtigt Holz geschlagen habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zuerst mit Urteil vom 27. September 1946 ab. Dieses Urteil wurde mit Beschluß des Berufungsgerichtes vom 27. November 1946 aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Daraufhin wies das Erstgericht nach Ergänzung seines Verfahrens das Klagebegehren mit Urteil vom 20. September 1947 neuerlich mit der Begründung ab, daß der Verkauf von Dünger und das Wegführen von Heu und Stroh nicht erwiesen sei und, wenn der Beklagte Heu weggeführt habe, er dafür Stroh von seiner Wirtschaft hingeschafft habe, daß das Eingehen von Obstbäumen vom Beklagten nicht verschuldet sei, sondern es sich um alte ausgediente Bäume handle und daß Jungbäume zum Nachsetzen seit 1944 in Kärnten nicht zu bekommen seien, schließlich, daß die Kälberhalt zwar derart verwachsen sei, daß sie als Weide kaum in Frage komme, daß aber der Beklagte die Verpflichtung zur Entfernung des Unkrautes werde erfüllen müssen, da der Kläger ihn sonst auf Einhaltung dieser Verbindlichkeit klagen oder bei Pachtende Schadenersatz verlangen könne; hiebei handle es sich aber jedenfalls nicht um Verfehlungen, die eine vorzeitige Auflösung des Pachtverhältnisses rechtfertigen würden.

Das Berufungsgericht hat nach Vernehmung eines zweiten Sachverständigen sowie der Parteien mit dem angefochtenen Urteil in Abänderung des erstgerichtlichen Urteiles der Klage stattgegeben und seine Entscheidung damit begrundet, daß die arge Vernachlässigung der Pflege der Obstbäume und die Unterlassung der Nachpflanzung, die durch Einsetzen und Veredeln von Wildlingen geschehen konnte, und die besonders arge Vernachlässigung der Kälberhalt, die dadurch als Weide überhaupt nicht mehr in Betracht komme, einen erheblich nachteiligen Gebrauch im Sinne des § 1118 ABGB. darstelle, weil der durch die Verminderung der Obstbäume eingetretene Schaden sich durch viele Jahre auswirken werde und der Kläger auf die Kälberhalt angewiesen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei Folge, hob das zweitinstanzliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Revisionsgrund nach § 503 Z. 1 ZPO. soll deshalb vorliegen, weil nach § 6 ReichspachtschutzO. nur das Pachtamt einen Pachtvertrag vor Ablauf der Zeit auf Antrag aufheben könne, die Gerichte daher zur Entscheidung über eine derartige Räumungsklage nicht zuständig seien und deshalb der Nichtigkeitsgrund nach § 477 Z. 6 ZPO. vorliege. Diese Ausführungen zeigen, daß der Revisionswerber den Inhalt der Bestimmungen des § 6 Abs. 1 der ReichspachtschutzO. vom 30. Juli 1940, DRGBl. I S. 1065, mißverstanden hat. § 6 Abs. 1 lautet: "Das Pachtamt kann auf Antrag einen Landpachtvertrag vor der vereinbarten Zeit aufheben, wenn der Pächter zur Bewirtschaftung deutschen Bodens ungeeignet ist. Dasselbe gilt, wenn der Pächter einen mit dem Verpächter geschlossenen Arbeitsvertrag aufgelöst oder gebrochen oder durch sein vertragswidriges Verhalten den Verpächter zur Auflösung des Vertrages veranlaßt hat."

Daß dem Beklagten die Eignung zum Pächter fehle - hier käme nur die mangelnde Eignung zur Bewirtschaftung in Frage -, hat der Kläger überhaupt nicht behauptet. Der zweite Satz des § 6 Abs. 1 betrifft aber nicht die Verletzung des Pachtvertrages, sondern eines zwischen Verpächter und Pächter abgeschlossenen Arbeitsvertrages, z. B. eines Heuerlingsverhältnisses u. dgl. (vgl. Sauer - Weisser, Reichspachtschutzordnung, 2. Aufl., S. 119, Punkt 53, und S. 172, Punkt 12). Davon kann aber im vorliegenden Falle gar keine Rede sein. Daß die Reichspachtschutzordnung an der Zulässigkeit von Klagen im Sinne des § 1118 ABGB. und an der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über solche nichts geändert hat, ergibt sich aus Artikel 2 Z. 1 Abs. 2 und Z. 2 der Verordnung zur Einführung der Reichspachtschutzordnung vom 14. Oktober 1940, DRGBl. I S. 1369. Nach diesen Bestimmungen hat das Gericht, bei dem das Verfahren über eine Klage nach § 1118 ABGB. anhängig ist oder wird, die Rechtssache dem Pachtamt, wenn bei diesem ein Antrag nach § 3 Abs. 1 ReichspachtschutzO. gestellt wurde, auf dessen Verlangen abzutreten und bedarf es für ein Begehren des Verpächters nach § 1118 ABGB. der Zustimmung des Pachtamtes, wenn dieses eine Anordnung nach § 3 ReichspachtschutzO. getroffen hat. Daß das Pachtamt bereits angerufen worden ist und daß es die Abtretung der Rechtssache verlangt hätte, hat der Beklagte gar nicht behauptet und findet sich hiefür auch im Akt keinerlei Anhaltspunkt. Von der vom Beklagten behaupteten Unzulässigkeit des Rechtsweges kann demnach überhaupt nicht gesprochen werden, weshalb der Revisionsgrund des § 503 Z. 1 ZPO. nicht vorliegt.

Den Revisionsgrund des § 503 Z. 2 ZPO. erblickt der Beklagte darin, daß das Berufungsgericht sich allein auf das Gutachten des von ihm beigezogenen Sachverständigen Ing. K. gestützt und die Ergebnisse der vom Erstgericht durchgeführten Beweisaufnahmen, nämlich die Gutachten der Bezirksbauernkammer und des Ing. F. sowie die Aussagen der Zeugen und der in der Berufungsverhandlung vernommenen Parteien, nicht berücksichtigt habe, aber auch nicht beachtet habe, daß das Erstgericht selbst bei dem von ihm vorgenommenen Ortsaugenschein die Geringfügigkeit der Bemängelungen festgestellt habe. Der Revision ist dahin beizupflichten, daß es in der Regel nicht angeht, daß das Berufungsgericht nur einen Teil der Beweise aufnimmt, die weiteren vom Erstgericht aufgenommenen Beweise aber unberücksichtigt läßt und auf der so eingeengten Beweisgrundlage vom Erstgerichte abweichende Feststellungen trifft (vgl. Entsch. v. 11. März 1930, 1 Ob 206/30, JBl. 1931, S. 81). Jedoch betreffen die Aussagen der vernommenen Zeugen und das Gutachten der Bezirksbauernkammer in erster Linie die Frage, ob der Pächter die Liegenschaft des Klägers im allgemeinen ordentlich bewirtschaftet hat und ob er Dünger, Heu und Stroh weggeschafft hat. In dieser Hinsicht hat aber das Berufungsgericht keineswegs einen erheblich nachteiligen Gebrauch festgestellt. Lediglich bezüglich der Pflege der Obstbäume könnten die Angaben einzelner Zeugen relevant sein. Daß das Berufungsgericht diese Aussagen nicht berücksichtigt hat, stellt jedoch keinen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne des § 503 Z. 2 ZPO. dar, da das Rechtsmittelgericht mit Recht das Schwergewicht auf die Unterlassung des Einpflanzens junger Bäume als Ersatz für eingegangene Obstbäume und auf die Vernachlässigung der Kälberhalt gelegt hat. Bezüglich der Obstbäume ergibt sich aus dem Gutachten des Ing. F. in Übereinstimmung mit dem Ergebnis des vom Erstgericht durchgeführten Ortsaugenscheines und dem Befund des Sachverständigen Ing. K., daß es sich fast durchwegs um einen vom Kläger aus Wildlingen gezogenen Bestand, nicht aber um Edelobstbäume handelt und daß die Äpfel und Birnen Preßobst darstellen. Mag auch das Einsetzen und Veredeln von Wildlingen vom obstbautechnischen Standpunkt, wie der Sachverständige Ing. F. angab, gering zu bewerten sein, so hatte jedenfalls auch der Beklagte die Möglichkeit, eingegangene Obstbäume auf diese Weise zu ersetzen. Da ihn nur die vertragsmäßige Verpflichtung zum Ersatz der eingegangenen oder vernichteten Obstbäume trifft, muß er nur gleichwertige Jungbäume pflanzen, seine Verbindlichkeit erstreckt sich daher wohl überhaupt kaum ohne weiteres auf Edelobstbäume. Der Umstand, daß seit Jahren in den Baumschulen Kärntens keine Jungbäume zu haben waren, konnte den Beklagten daher von der Erfüllung seiner Verpflichtung, für eingegangene Bäume junge Obstbäume nachzusetzen, nicht befreien und ist es deshalb bedeutungslos, daß der Kläger angeblich eine Erklärung darüber verweigert haben soll, welche Art von Birn- und Apfelbäumen er nachgesetzt haben will.

Bezüglich der Kälberhalt rügt die Revision, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß der Kläger selbst die Halt für den Beklagten gegen Bezahlung geputzt habe, daß Beklagter die Halt in gleicher Weise gereinigt habe, wie er es vorgefunden habe, und daß der Ertrag der Halt überhaupt gering gewesen sei. Er bemängelt damit offensichtlich, daß das Berufungsgericht zu seiner Aussage als Partei nicht Stellung genommen hat. Er hat aber bei der Parteienvernehmung ausdrücklich angegeben, daß er lediglich im zweiten Pachtjahr (also 1940) die Halt den Kläger habe putzen lassen. Dieser Umstand ist daher völlig bedeutungslos. Die Revision ist aber darin im Recht, daß das Berufungsgericht keine hinreichenden Feststellungen über die Ertragsfähigkeit der Halt vorgenommen hat; denn nur daraus läßt sich entnehmen, welche Bedeutung dieser Halt für die Wirtschaft des Klägers zukommt und ob es sich daher überhaupt um einen erheblich nachteiligen Gebrauch handeln kann. Daß der Beklagte die Reinigung der Halt nur so vorgenommen haben soll, wie es der Kläger getan hat, ist aber bedeutungslos, wenn erst während der Pachtzeit der Bestand an Bäumchen und Erlenbüschen so zugenommen hat, daß dadurch das Grundstück die Eignung als Weide verloren hat. Daß die notwendigen Arbeiten größere Kosten verursachen, ist gleichfalls irrelevant, wenn sich der Beklagte ausdrücklich zur Erhaltung der Weide in einem Zustande, der die Haltung von zwei Kälbern im Sommer ermöglicht, verpflichtet hat. Was die Annahme des Pachtzinses anlangt, hat der Beklagte nicht vorgebracht, daß der Kläger den Pachtzins immer angenommen und dadurch stillschweigend erklärt hätte, daß er aus den Vertragsverletzungen des Beklagten keine Folgerungen ziehe, was übrigens kaum mit der Erklärung des Klägers nach dem Gedächtnisprotokoll des Notars zu vereinen wäre. Was der Beklagte sonst noch im Rahmen des Revisionsgrundes nach § 503 Z. 2 ZPO. ausführt, wird bei Prüfung der rechtlichen Beurteilung zu erörtern sein.

Das Vorliegen einer Aktenwidrigkeit im Sinne des § 503 Z. 3 ZPO. geht aus seinen Ausführungen zum Revisionsgrund nach § 503 Z. 2 ZPO., auf die er bloß verweist, überhaupt nicht hervor.

In rechtlicher Hinsicht ist zunächst zu bemerken, daß die Bestimmung des § 5 Abs. 3 des Pachtvertrages lediglich die Ersatzpflicht für nicht nachgepflanzte Bäume regelt, aber mit der Frage, ob eine Verletzung der Pflicht des Nachpflanzens in größerem Umfange den Kläger zur vorzeitigen Auflösung des Pachtvertrages im Sinne des § 1118 ABGB. berechtigt, nichts zu tun hat. § 16 des Pachtvertrages bezieht sich, wie aus dem ersten Satz seines Absatzes 1 klar hervorgeht ("außer in den gesetzlich festgelegten Gründen") nur auf die vorzeitige Kündigung aus den in § 16 angegebenen Gründen, nicht aber auf eine vorzeitige Auflösung nach § 1118 ABGB. Hievon abgesehen, hat der Beklagte das Fehlen der Voraussetzungen des § 16 des Pachtvertrages im erstinstanzlichen Verfahren gar nicht eingewendet. Was die Kälberhalt anlangt, hat der Beklagte im Nachhang zum Pachtvertrag die Verpflichtung übernommen, eine Waldweide von zirka 1 1/4 ha von Unkrautüberwucherung freizuhalten und Sorge zu tragen, daß die Fläche nach zehnjähriger Verpachtung wieder in diesem Zustande (2 Stück Kälber Sommerweidemöglichkeit) übergeben wird. Diese Vertragsbestimmung kann nur so verstanden werden, daß der Beklagte fortlaufend die Unkrautüberwucherung wenigstens in dem Ausmaße verhindert, daß die Weide nach Ablauf der Pachtzeit in dem gleichen Zustande, in dem sie sich bei Pachtbeginn befunden hat, übergeben wird. Es ist dies wohl schon deshalb selbstverständlich, weil aus dem Grundstück, wenn es zehn Jahre vernachlässigt wird, nicht einfach in kürzester Zeit durch Ausroden der inzwischen gewachsenen Bäume und Sträucher bei Beendigung der Pachtzeit eine Weide gemacht werden kann. Daß die Voraussetzungen des § 6 ReichspachtschutzO. hier nicht vorliegen, wurde bereits bei Behandlung des Revisionsgrundes nach § 503 Z. 1 ZPO. erörtert und ist daher die Behauptung des Beklagten, der Kläger hätte das eingeschriebene Kündigungsschreiben und den rechtskräftigen Beschluß des zuständigen Pachtamtes vorlegen müssen, vollkommen unzutreffend. Wenn der Beklagte weiters vorbringt, daß die Kälberhalt ohne wesentliche Bedeutung für die Liegenschaft des Klägers sei und das Unterlassen des Nachsetzens von Obstbäumen für den Pächter nur von geringem Nachteil sei, so ist es richtig, daß es im Sinne des § 1118 ABGB. darauf ankommt, ob es sich bei dem Obstbaumbestand und der Kälberhalt um einen wesentlichen Bestandteil der Wirtschaft des Klägers handelt und welche Zahl an eingegangenen Obstbäumen nicht ersetzt wurde. Das Berufungsgericht hat bloß bemerkt, daß der Kläger auf die Kälberhalt angewiesen sei. Daraus ergibt sich aber noch nicht, ob der Wegfall der Halt für die Wirtschaft des Klägers von wesentlicher Bedeutung ist und ob sich ihr Ertrag dadurch erheblich verändert. Das Berufungsgericht hat auch zur Frage der Bedeutung des Obstbaumbestandes für die klägerische Wirtschaft und dazu, wieviel Obstbäume nicht durch Nachpflanzen ersetzt worden sind, überhaupt nicht Stellung genommen, weil es offenbar jede nicht genügende Ausnützung des Pachtgegenstandes oder jede Verletzung vertraglicher Pflichten für einen Auflösungsgrund im Sinne des § 1118 ABGB. hielt. Dieser Meinung kann aber nicht beigepflichtet werden. Nach § 1118 ABGB. muß es sich um einen erheblich nachteiligen Gebrauch des Pachtgegenstandes, also eines wesentlichen Teiles desselben handeln. Der Obstbaumbestand müßte daher einen wichtigen Teil der Wirtschaft des Klägers bilden und müßte ein großer Teil der Bäume nicht ersetzt worden sein. Ebenso müßte auch die Kälberhalt oder sie zusammen mit dem Baumbestand für die klägerische Wirtschaft von entscheidender Bedeutung sein. Da das Berufungsgericht von seinem abweichenden Rechtsstandpunkt aus die Bedeutung des Obstbaumbestandes und der Kälberhalt sowie die Zahl der nachzupflanzenden Bäume nicht festgestellt hat, kann der Oberste Gerichtshof aus den Feststellungen des Berufungsgerichtes nicht beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 1118 ABGB. vorliegen. Es mußte daher der Revision Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

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