OGH 1Ob397/51

OGH1Ob397/5127.6.1951

SZ 24/170

Normen

ABGB §877
ABGB §878
ABGB §879
EO §35
EO §36
EO §40
EO §368
ABGB §877
ABGB §878
ABGB §879
EO §35
EO §36
EO §40
EO §368

 

Spruch:

Sind in einem Vertrag verbotene und erlaubte Leistungen vereinbart, so ist bei Absonderungsmöglichkeit der Vertrag nur hinsichtlich des Verbotenen nichtig. Der Schuldner muß dem Gläubiger die ihm durch das Entfallen der verbotenen Leistungen entstandene Bereicherung herausgeben.

Die Herausgabe der Bereicherung kann auch mit Klage nach § 368 EO. verlangt werden.

Entscheidung vom 27. Juni 1951, 1 Ob 397/51.

I. Instanz: Bezirksgericht Waidhofen a. d. Ybbs; II. Instanz:

Kreisgericht St. Pölten.

Text

Die beiden Streitteile schlossen am 14. Oktober 1947 einen gerichtlichen Vergleich, um die Rivalität aus der Welt zu schaffen, in welche sie durch das beiderseitige Bestreben geraten waren, das Eigentum an den Liegenschaften G. und P. zu erlangen. In 19 Punkten wurden die gegenseitigen Leistungen ausgeführt, vor allem aber die Leistungen, zu denen die Beklagten sich für den Verzicht der Kläger auf diese Liegenschaft verpflichteten, darunter die Verpflichtung zur Lieferung von Kartoffeln und von Kuhvollmilch.

Das Erstgericht hat den Klägern auf Grund ihrer nach erfolgloser Exekution zur Hereinbringung der letzteren Leistungen nach § 368 EO. beim Exekutionsgericht eingebrachten Klage als Interesse für die Nichterfüllung dieser Verpflichtung die Beträge vom 740 S und 2476.80 S zuerkannt und ausgesprochen, daß die geltend gemachten Gegenforderungen nicht zu Recht bestehen.

Das Berufungsgericht hat das Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abgeändert. Es ging davon aus, daß in dem maßgebenden Zeitraum Erdäpfel und Milch nur gegen Marken abgegeben werden durften und ein Zuwiderhandeln für beide Teile strafbar war. Der Vergleich sei daher in den Punkten, in welchen sich die Beklagten zur Lieferung dieser Lebensmittel verpflichteten, gemäß § 879 ABGB. nichtig. Für ein nichtiges Grundgeschäft könne aber bei Nichterfüllung auch nicht das Interesse gefordert werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, hob das Urteil des Berufungsgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an dieses zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nicht der ganze zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vergleich widerspricht dem gesetzlichen Verbot. Aus dem Komplex der vereinbarten gegenseitigen Leistungen stellen sich nur einzelne Leistungen als verboten dar und dies nur dann, wenn die Kläger nicht nach den Verteilungsvorschriften Anspruch auf die Lieferung der entsprechenden Lebensmittelmenge besaßen. Feststellungen darüber, auf welche Mengen Lebensmittel die Kläger für sich und ihren Haushalt oder als Produzenten Anspruch hatten und ob sie nach den Verteilungsvorschriften sich auch von den Beklagten unmittelbar hätten beliefern lassen können, fehlen im erstgerichtlichen Verfahren, weil das Erstgericht sich auf den Standpunkt gestellt hatte, die Frage sei im vorliegenden Prozeß, der nur die Leistung des Interesses zum Gegenstand habe, nicht von Bedeutung. Die Beklagten haben selbst hinsichtlich der Milchlieferung nur eingewendet, der klägerische Haushalt hätte nicht so viel Köpfe gezählt, daß er die Bewilligung zum Bezug der bedungenen Milchmenge hätte erlangen können, und die Beklagten hätten sich zur Bezahlung der über die den Klägern gebührende Menge hinausgehenden Milchmenge in Geld nicht verpflichtet. Es kann also zunächst überhaupt nicht mit Sicherheit festgestellt werden, daß die von den Klägern in Anspruch genommenen Leistungen zur Gänze verboten gewesen sind. Aber selbst wenn man davon ausgeht, daß ein Teil und insbesondere die Leistungen, für welche die Kläger nun das Interesse in Anspruch nehmen, verboten gewesen sind, so ist zur Beurteilung der Wirkungen dieser teilweisen Verbotswidrigkeit des Vergleiches der Grundsatz des § 878 ABGB. heranzuziehen. Da nun zweifellos aus dem Vergleiche hervorgeht, daß die strittigen Leistungen von den Hauptleistungen abgesondert werden können und daß mit der rechtlichen Unmöglichkeit und der Verbotswidrigkeit einzelner Leistungen nicht der gesamte Vergleich zu Fall kommen muß, bleibt der Vertrag in seinem übrigen Umfang in Kraft. Er ist nur insoweit ungültig, als verbotene Leistungen vereinbart waren. Dadurch wird allerdings das von den Parteien vereinbarte Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung gestört. Wenn sich ein Teil der Leistungen der Kläger ermitteln ließe, der den verbotenen Leistungen der Beklagten entspricht, so ließe sich der Gedanke des § 877 ABGB. unmittelbar anwenden und die Kläger hätten den Anspruch auf Rückstellung dieser ihrer Leistungen. Da jedoch eine solche Relation zwischen den verbotenen Leistungen der Beklagten und irgendwelchen einzelnen Leistungen der Kläger nicht besteht, die Leistungen der Kläger zum Teil an sich nicht rückgängig gemacht werden können und die Beklagten sich auch gar nicht zur Rückstellung erbötig machen, so ergibt sich aus dem Grundsatz des § 877 ABGB., daß die Beklagten den Klägern als Äquivalent für die von ihnen nicht zu erbringenden Leistungen die Bereicherung herauszugeben haben, die sie durch den Wegfall der Leistungen erfahren. Wenn also auch die ursprünglichen Leistungen nicht erlaubt gewesen sein mögen und zu ihrer Hereinbringung eine Exekution nicht geführt hätte werden sollen, so besteht doch für die Beklagten die Verpflichtung, den Klägern ein Äquivalent für die entfallenen Leistungen zu erbringen, und sie werden nicht von jeder Leistungspflicht befreit. War die ursprüngliche Leistung wirklich verboten, so kann dieser Umstand nur für die Höhe des Anspruches auf Leistung des Interesses insofern maßgebend sein, als die Kläger den Ersatz des Wertes, der ihnen durch den Entfall der Leistungen entgangen ist, nur in dem Rahmen der Bereicherung fordern können, die den Beklagten zugute gekommen ist.

Die Kläger sind zur Geltendmachung ihres Anspruches aber auch im Rahmen einer beim Exekutionsgericht eingebrachten Klage nach § 368 EO. befugt. Diese Bestimmung ist im wesentlichen eine Zuständigkeitsbestimmung. Solange das Exekutionsverfahren weder zur Befriedigung des Gläubigers geführt hat noch als unzulässig eingestellt wurde, kann das Äquivalent für die zu erzwingenden Leistungen beim Exekutionsgericht eingeklagt werden. Die hier angebrachte Klage ist ihrer Natur nach keine andere Klage als die beim sonst zuständigen Gericht eingebrachte Interessenklage. Es können also bei der Verhandlung über diese Klage Einwendungen gegen den Anspruch, die sonst nach §§ 40, 35 oder 36 EO. zu behandeln gewesen wären, vorgebracht werden. Anderseits führt aber auch die Einwendung, es bestehe der ursprünglich vollstreckbare Anspruch nicht mehr zu Recht, nur dann zur Abweisung der Klage, wenn mit dem Anspruch auf die ursprüngliche Leistung auch der Anspruch auf Leistung des Interesses erloschen ist. Besteht nur der erstere Anspruch nicht zu Recht, so ist die Einwendung, die wohl der Exekution auf die ursprünglichen Leistung entgegengesetzt werden könnte, doch nicht geeignet, die beim Exekutionsgericht eingebrachte Interessenklage zu Fall zu bringen.

Das Berufungsgericht hat also die Klage aus einem Gründe abgewiesen, welcher nach der Rechtsmeinung des Obersten Gerichtshofes keinesfalls zur Abweisung der Klage führen konnte. Da jedoch das Berufungsgericht die sonst geltend gemachten Berufungsgrunde nicht geprüft hat, konnte nicht in der Sache selbst entschieden werden, es mußte die Sache vielmehr zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

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