Spruch:
Spruchrepertorium Nr. 40 neu.
Die Geltendmachung einer Gegenforderung zur Kompensation begrundet nicht Streitanhängigkeit.
Entscheidung vom 2. Februar 1955, 1 Ob 387/54.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger hat Pachtzinsraten ursprünglich im Betrage von 43.784 S 09 g eingeklagt. Die Beklagten haben Zahlungen, die zum Teil erst nach Klagseinbringung erfolgten, eingewendet, aber auch Gegenforderungen aus von ihnen durchgeführten Gebäudereparaturen im Gesamtbetrage von 6176 S. Nach wiederholten Klagseinschränkungen infolge von Zahlungen und Klagsausdehnungen nach der Fälligkeit neuer Pachtzinsraten blieb die Klage nur mehr hinsichtlich des Betrages von 6176 S anhängig und nur die Frage strittig, ob die genannte Forderung aus Gebäudereparaturen auf die Pachtzinsforderung aufgerechnet werden könne. Die Beklagten haben wegen dieser Gebäudeinstandsetzungen auch eine Widerklage erhoben, in der sie die Verurteilung des Klägers zur Zahlung des Betrages von 6176 S beantragt haben. Der Widerklage gegenüber hat der Kläger prozessual Streitanhängigkeit eingewendet, materiellrechtlich aber, daß nach dem Pachtvertrage Forderungen aus Gebäudereparaturen erst nach Beendigung des Pachtverhältnisses erhoben werden dürfen.
Das Erstgericht hat die Einrede der Streitanhängigkeit zurückgewiesen und ausgesprochen, daß sowohl die Pachtzinsforderung als auch die mit Widerklage geltend gemachte Gegenforderung zu Recht bestehen. Es hat die beiden Forderungen gegenseitig aufgehoben und damit wohl auch ausgesprochen, daß sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen werden. Es hat die klagende Partei zur Zahlung eines geringfügigen Kostenanteiles verurteilt.
Das Berufungsgericht hat der Einrede der Streitanhängigkeit Folge gegeben, das Verfahren über die Widerklage aufgehoben und die Widerklage kostenpflichtig zurückgewiesen. Im übrigen wurde das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und das Verfahren ohne Rechtskraftvorbehalt an die erste Instanz zurückverwiesen. Das Berufungsgericht hat in der Begründung ausgesprochen, daß nach dem Pachtvertrag Gegenforderungen gegen die Pachtzinsforderungen nur aufgerechnet werden können, wenn für sie ein Exekutionstitel besteht, daß aber überdies Ersatzansprüche wegen Gebäudereparaturen erst nach Beendigung des Pachtverhältnisses abgerechnet werden sollen. Die Aufhebung erfolgte nur, weil für die Frage des Kostenersatzes maßgebende Umstände noch nicht geklärt sind.
Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs (richtig Rekurs) gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes, womit das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Rechtssache ohne Rechtskraftvorbehalt an die erste Instanz zurückverwiesen wurde, zurück.
Im übrigen gab er dem Revisionsrekurs Folge. Er änderte den zweitinstanzlichen Beschluß in dem die Einrede der Streitanhängigkeit betreffenden Teile dahin ab, daß diese Einrede verworfen wurde. Er hob diesen Beschluß, insoweit das Verfahren über die Widerklage aufgehoben und die Widerklage kostenpflichtig zurückgewiesen wurde, aber auch die die Widerklage betreffende erstgerichtliche Entscheidung auf und verwies die Rechtssache auch hinsichtlich der Widerklage an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Frage, ob der hinsichtlich einer Forderung, die zuerst zur Aufrechnung eingewendet wurde, nachträglich erhobenen Leistungsklage und ob umgekehrt bei bereits eingeklagter Gegenforderung der Aufrechnungseinrede Streitanhängigkeit entgegenstehe, ist strittig.
Das Gesetz (§§ 188, 232, 391 Abs. 3. 411 Abs. 1 Satz 2 ZPO.) beantwortet sie nicht. Franz Klein, Vorlesungen über die Praxis des Zivilprozesses, Wien 1900, S. 217 f., meint dazu, es werde "mit der Berufung auf die Gegenforderung in Ansehung ihrer die Streitanhängigkeit eintreten, und zwar von dem Augenblicke, als sie in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht wird (§ 232 Abs. 2). Was das Institut der Streitanhängigkeit verhüten will (§ 233 Abs. 1), wäre sonst jedesmal bei einredeweiser Geltendmachung der Gegenforderung zu befürchten." Zum gleichen Ergebnis kommen Friedländer, zur Casuistik des Zwischenantrages auf Feststellung, GZ. 1900 S. 135; Ott, das Teilurteil nach § 391 Abs. 3 ZPO., GZ. 1900 S. 397; Pollak, System des österreichischen Zivilprozeßrechtes,
1. Aufl. S. 375, 2. Aufl. S. 21 (und auch schon zur AGO. in dem Aufsatz: Form und Rechtskraft des Zivilurteiles, Grünhuts Zeitschrift 22 S. 512); Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, S. 291 f.; Wolff, Grundriß des Zivilprozeßrechtes, 2. Aufl. S. 265, 283. und neuerdings Novak, zur prozessualen Aufrechnungseinrede des österreichischen Rechts, JBl. 1951 S. 508 ff. Der Oberste Gerichtshof hat dagegen schon in den Entscheidungen vom 26. September 1871, GlU. 4265, und vom 30. Juni 1887, GlU. 11655, ausgesprochen, daß ein im Kompensationsweg geltend gemachter Anspruch während des hierüber schwebenden Prozesses auch selbständig eingeklagt werden könne. Die gleiche Auffassung wird in der bereits zur ZPO. ergangenen Entscheidung vom 22. Juli 1898, AmtlSlg. 10 = GlUNF. 261, mit der Begründung vertreten, daß die einredeweise Berufung auf eine kompensable Gegenforderung nicht zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Bestand der Gegenforderung führen müsse. Dieser Anschauung des Obersten Gerichtshofes folgt Schrutka, die Richtigkeit der Forderungen, Wien 1900. S. 22 (siehe auch GerZ. 1900 S. 138). Die Frage Beantwortung des Justizministeriums zu § 232 ZPO. geht dahin, daß Streitanhängigkeit in Ansehung der Gegenforderung nur bei Geltendmachung des Anspruches durch Widerklage oder Zwischenantrag auf Feststellung eintrete. Im wesentlichen mit der gleichen Begründung wie die Entscheidung vom 22. Juli 1898, GlUNF. 261, und ihr folgend Schrutka verneinen die Streitanhängigkeit; Neumann, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen,
4. Aufl. 11 S. 899; Mayr, Lehrbuch des bürgerlichen Rechtes, 3. Buch
S. 161; Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 343. Zu demselben Ergebnis kommen auch Karplus, über Compensation vollstreckbarer Forderungen, Jßl. 1902 S. 325, und Jahoda, die Liquidität der zur Kompensation gestellten Forderungen als Voraussetzung der Kompensation im österreichischen Recht, GerZ. 1903 S. 266. Melichar, die Geltendmachung von Gegenforderungen im österreichischen Zivilprozeß- und Exekutionsrecht, JBl. 1946 S. 49 ff., und Gschnitzer in Klang 2. Aufl. VI 497 (ebenso auch schon Bettelheim in der 1. Aufl. IV 507) lehnen Streitanhängigkeit hinsichtlich der zur Aufrechnung eingewendeten Gegenforderung deswegen ab, weil die Frage des Bestandes der Gegenforderung nur eine Vorfrage darstelle. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist überwiegend bei der in den bereits zitierten Entscheidungen vertretenen Auffassung geblieben. In der Entscheidung vom 13. August 1912, AmtlSlg. 1511 = GlUNF. 6017, wird die Meinung, daß die Geltendmachung einer Kompensationsforderung keine Streitanhängigkeit begrunde, damit gerechtfertigt, daß eine solche Einwendung auch ohne Zustimmung des Gegners zurückgenommen werden könne, daß der Kläger wohl bei der Klage, nicht aber der Beklagte bei der Gegenforderung die Entscheidung über den Anspruch erzwingen könne und daß eben durch die Einwendung der Kompensation nicht ein Anspruch erhoben, sondern lediglich gegen erhobene Ansprüche eine Einrede geltend gemacht werde. Der letzterwähnte Grund wird insbesondere in der Entscheidung vom 20. März 1917, AmtlSlg. 1836, betont. In der Entscheidung vom 10. Oktober 1928, ZBl. 1929 Nr. 44, wird dargelegt, daß geradeso wie der Beklagte eine bereits urteilsmäßig zuerkannte Forderung zur Aufrechnung einwenden könne, ihm auch nicht verwehrt werden dürfe, sich auf eine bereits eingeklagte Forderung zu berufen. Die Möglichkeit, auch eine eingeklagte Forderung zur Aufrechnung einwenden zu können, sei für den Beklagten vor allem aus Kostengrunden wichtig. Auch nach der Entscheidung vom 15. September 1933, ZBl. 1934 Nr. 55 = SZ. XV 186, hat die Erhebung der Einrede der Gegenforderung nicht die Wirkungen der Streitanhängigkeit. Daß die Einwendung einer Gegenforderung und ihre Einklagung gegenseitig nicht Streitanhängigkeit begrunden, ist unter Hinweis auf den oben angeführten Aufsatz von Melichar in der Entscheidung vom 24. Mai 1950, SZ. XXIII 168, ausgesprochen. Ohne die damals bereits vorgelegene reiche gegenteilige Rechtsprechung anzuführen, kommt die Entscheidung vom 12. Juli 1937, RiZ. 1937 S. 547, unter Anführung von Klein, Pollak und Sperl zu dem Ergebnis, daß die aufrechnungsweise geltend gemachte Gegenforderung Streitanhängigkeit begrunde, weil es nicht angehe, daß über den Bestand einer und derselben Forderung zwei Urteile erfließen. Die zuletzt in dieser Frage ergangene Entscheidung vom 26. November 1952, JBl. 1953 S. 187, bejaht, diesmal bloß unter Hinweis auf den oben bezeichneten Aufsatz von Novak, die Streitanhängigkeit. Abschließend ist auch noch auf die Plenarentscheidung des Obersten Gerichtshofes Brünn vom 23. März 1928, Präs. 760/27, Sammlung Schüller Nr. 858, hinzuweisen, wonach in Ansehung der aufrechnungsweise geltend gemachten Gegenforderung die Wirkung der Streitanhängigkeit bis zur Höhe des Klageanspruches eintritt und die Streitanhängigkeit der eingeklagten Gegenforderung dem entgegensteht, daß sie mittels Einrede zur Aufrechnung eingewendet werde.
Im deutschen Recht geht die einhellige Rechtsprechung - vor- und nach der Zivilprozeßnovelle 1898 - dahin, daß die aufrechnungsweise Einwendung und die klageweise Geltendmachung einer Gegenforderung Rechtshängigkeit im gegenseitigen Verhältnis nicht begrunden (RG. 16. Mai 1882, RGZ. 6, 420; 11. Mai 1886, RGZ. 16, 371; 20. Mai 1887, RGZ. 18, 408; KG. 4. Juni 1918, JW. 1918 S. 570). Daß aus den Motiven zur alten deutschen Zivilprozeßordnung für die Gegenmeinung nichts gewonnen werden kann, ist in RGZ. 16, 377 überzeugend dargelegt. Die gleiche Meinung wie das Reichsgericht vertritt auch schon unter Geltung des dem § 411 Abs. 1 Satz 2 ÖZPO. völlig entsprechenden § 293 Abs. 2 DZPO. 1877 mit Nachdruck das Schrifttum (siehe vor allem Petersen, ZZP. 1 Band S. 93 ff.; 4. Band S. 293 ff.; Grüchots Beiträge, XXX. S. 14 ff., S. 746; XXXI. S. 535 ff.). "Ganz herrschend" (so Baumbach - Lauterbach ZPO. 23. Aufl. S. 277) wird diese Auffassung, nachdem § 322 Abs. 2 DZPO. durch die Zivilprozeß-Novelle 1898 dahin geändert wurde, daß nur die Entscheidung über den Nichtbestand der Gegenforderung rechtskräftig wird, ohne daß aber aus der Gesetzänderung für diese Meinung Entscheidendes abgeleitet würde (siehe etwa Oertmann, die Aufrechnung im deutschen Zivilprozeßrecht, 1916, S. 143 ff.; Stein - Jonas - Schönke, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 17. Aufl. und auch schon die früheren Auflagen zu § 145 VI 3 a; Baumbach - Lauterbach a. a. O.; Schönke, Lehrbuch des Zivilprozeßrechtes, 7. Aufl. S. 203; Nikisch, Zivilprozeßrecht, 2. Aufl. S. 269; Dietz - Nikisch, Arbeitsgerichtsgesetz, 1954, § 2 Anm. 18). Neuerdings hat allerdings Bettermann, Rechtshängigkeit und Rechtsschutzform, 1949, S. 84 ff., die Rechtshängigkeit im Falle einer zur Aufrechnung eingewendeten Gegenförderung im wesentlichen damit zu begrunden versucht, daß die Gefahr widersprechender Entscheidungen auf jeden Fall vermieden werden müsse. Gegen diese Auffassung sind vor allem von Kraemer, ZZP. 64. Band S. 90 ff., beachtliche Bedenken in der Richtung angemeldet worden, daß die Rechtssicherheit gegenüber dem Rechtsschutzbedürfnis zu sehr in den Vordergrund gerückt werde. Rosenberg hat die Auffassung Bettermanns in die 6. Aufl. seines Lehrbuches, S. 476, ohne eigene Stellungnahme übernommen.
Bei der Untersuchung der oben formulierten Frage muß davon ausgegangen werden, daß das Gesetz zwar ausdrücklich die Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand einer vom Beklagten zur Kompensation geltend gemachten Gegenforderung bis zur Höhe des Betrages, mit dem aufgerechnet werden soll, der Rechtskraft teilhaft werden läßt (§ 411 Abs. 1 Satz 2 ZPO.), daß aber eine parallele Bestimmung hinsichtlich der Streitanhängigkeit fehlt. Wenn daraus auch sicherlich nicht ohne weiteres der Umkehrschluß auf das Fehlen der Streitanhängigkeit in einem solchen Falle gezogen werden kann, so ist es doch auch die gegenteilige Annahme, daß der Rechtskraft Streitanhängigkeit vorangehen müsse, nicht haltbar (siehe insbesondere Oertmann, S. 146, und sogar Bettermann, S. 10, worauf Kraemer verweist) und vor allem aus dem Gesetz nicht zu begrunden. Die Ausführungen Kleins vermögen schon deswegen nicht zu überzeugen, weil ihnen gerade in dem hier untersuchten Fragenkreis die spätere Entwicklung in mehrfacher Beziehung nicht gefolgt ist, so etwa darin, daß auch bei gänzlich abweisendem Teilurteil über die Gegenforderung zu verhandeln und mit Endurteil zu entscheiden ist. Die die Rechtssicherheit bedrohende Gefahr widersprechender Entscheidungen kann je nach Lage der Sache durch Verbindung der beiden Rechtsstreite oder durch Unterbrechung eines Rechtsstreites weitgehend gebannt werden. Werden aber ausnahmsweise die Prozesse bei verschiedenen Gerichten gleichzeitig durchgeführt, so wird es Sache der Parteien sein, die Art des Ausganges des einen in dem anderen Prozeß vorzubringen, damit dort darauf gebührend Bedacht genommen wird. Für Ausnahmefälle bleibt auch noch die Vollstreckungsgegenklage. Keinesfalls ist die Rechtssicherheit so sehr bedroht, daß ihr ohne gesetzliche Grundlage das Rechtsschutzbedürfnis des Beklagten aufgeopfert werden müßte.
Folgt somit aus der Rechtskraft der Entscheidung über die zur Kompensation geltend gemachte Gegenforderung nicht die Streitanhängigkeit dieses Anspruches, so steht ihr vor allem aber entgegen, daß es sich bei der Aufrechnungseinrede und der Klage auf Zahlung der zur Aufrechnung eingewendeten Gegenforderung um verschiedene Begehren handelt. Im Falle der Aufrechnungseinrede soll der Klagsanspruch abgewehrt, die Aufrechnung durch das Gericht, sei es festgestellt, sei es vollzogen werden; ob die Gegenforderung besteht oder bestanden hat, allenfalls nicht besteht oder nicht bestanden hat, bildet bloß eine Vorfrage für die Aufrechnung. Bei der Zahlungsklage will der als Kläger auftretende Gläubiger der Gegenforderung etwas anderes, nämlich die Verurteilung zur Zahlung, erreichen, was ihm die Aufrechnungseinrede nie verschaffen kann. Die Verschiedenheit der Begehren und der Rechtsschutzziele schließt aber die Streitanhängigkeit aus. Daß deswegen, weil die Vorfrage des Bestandes oder Nichtbestandes der Gegenforderung zufolge der ausdrücklichen Vorschrift des § 411 Abs. 1 Satz 2 ZPO. gegebenenfalls mit Rechtskraftwirkung gelöst wird, nicht auf vorangegangene Streitanhängigkeit zu schließen ist, wurde bereits oben dargetan.
Nicht überzeugend ist auch das vom Obersten Gerichtshof Brünn beigebrachte und von Novak übernommene gesetzestechnische Argument, daß dann, wenn in der Geltendmachung einer Gegenforderung zur Kompensation ein bloßes Verteidigungsmittel läge dieser Fall bereits in § 189 ZPO. mitenthalten und nicht in § 188 ZPO. noch eigens auszusprechen gewesen wäre, daß eine getrennte Verhandlung über die vom Beklagten geltend gemachten Gegenforderungen angeordnet werden könne. So scharfsinnig die Erwägung ist, wird dabei übersehen, daß es nahelag, gerade für den wichtigen Fall der eingewendeten Gegenforderung auf die Möglichkeit der getrennten Verhandlung ausdrücklich hinzuweisen, und daß auch sonst dem Gesetzgeber viel offenliegendere Doppelregelungen unterlaufen. Als Beispiel sei bloß aus einem ganz anderen Gebiet etwa Art. 47 Abs. 1 und Abs. 2 erster Halbsatz WG. herausgegriffen.
Versagen einerseits die Gründe, die von den Verfechtern der Streitanhängigkeit im Falle der Aufrechnungseinrede beigebracht werden, so bestehen andererseits gegen diese Auffassung alle die Bedenken, die besonders die österreichische Rechtsprechung herausgearbeitet hat. Es trifft zu, daß die Aufrechnungseinrede nicht zu einer Entscheidung über den Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung führen muß und wohl auch in der Mehrzahl der Fälle nicht führt. Daß eine solche Entscheidung ergeht, hängt nicht nur davon ab, daß die Klageforderung begrundet, sondern auch weiter noch davon, daß die Aufrechnung zulässig ist. Die Aussicht für den Beklagten, einen rechtskräftigen Spruch über Bestand oder Nichtbestand einer Gegenforderung zu erhalten, ist daher durchaus ungewiß und insbesondere auch von Umständen abhängig, die mit dem Bestand oder Nichtbestand der Gegenforderung nichts zu tun haben. Über eine streitanhängige Klageforderung muß aber immer, wenn dies der Kläger will, Urteil ergehen. Ferner kann der Beklagte die Aufrechnungseinrede jederzeit bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz zurücknehmen, was dem Kläger versagt ist. In beiden Richtungen bestehen daher auffällige Unterschiede gegenüber einer streitanhängigen Klageforderung. Richtig ist auch, daß mit einer rechtskräftig festgestellten Gegenforderung aufgerechnet werden kann und daß in diesem Fall Streitanhängigkeit hinsichtlich des Bestandes oder Nichtbestandes der Gegenforderung nicht eintreten kann, sie vielmehr nur hinsichtlich des Aufrechnungsbegehrens in Betracht käme. Gerade dieser Fall macht die Verschiedenheit zwischen Aufrechnungseinrede und Verurteilungsbegehren sinnfällig. Die Unzulässigkeit der Einwendung einer vollstreckbaren Gegenforderung zur Aufrechnung - wie dies Novak erwägt - läßt sich aus dem Gesetz nicht begrunden. Warum sollte sich auch der Beklagte durch eine solche Aufrechnung nicht vor der Verurteilung und den damit verbundenen Kostenfolgen schützen können, obwohl er dies bei der nicht rechtskräftig zugesprochenen Gegenforderung tun könnte? Daß eine vielleicht unbegrundete Gegenforderung in mehreren Rechtsstreitigkeiten zur Aufrechnung eingewendet wird, muß hingenommen werden. Mißbräuchen kann durch Teilurteil gesteuert werden, zumal dieselbe Gegenforderung nicht mit mehreren verschiedenen Klageforderungen im rechtlichen Zusammenhang stehen wird (§ 391 ZPO.).
Die vorstehenden Ausführungen ergeben, daß der Oberste Gerichtshof an der bisher nur in zwei vereinzelten Entscheidungen verlassenen Auffassung festhält, daß die Einrede einer Gegenforderung und ihre Einklagung gegenseitig nicht Streitanhängigkeit begrunden.
Geht man hievon aus, so beschwert sich im vorliegenden Fall der Revisionsrekurswerber mit Recht dagegen, daß die Widerklage wegen Streitanhängigkeit zurückgewiesen wurde. Es mußte der Beschluß der zweiten Instanz in seinem diesbezüglichen Teil dahin abgeändert werden, daß die Einrede der Streitanhängigkeit zurückgewiesen wird. In seinen folgenden Absätzen mußte die Entscheidung des Berufungsgerichtes aufgehoben werden. In Anbetracht der Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung über die Klage durch das Berufungsgericht war es angezeigt, auch das Urteil des Erstgerichtes, soweit durch dasselbe die Widerklage erledigt ist, aufzuheben und auch die Entscheidung über die Widerklage an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Im übrigen hat das Berufungsgericht das Verfahren über die Klage an die erste Instanz ohne Rechtskraftvorbehalt zurückverwiesen. Soweit der Rekurs diesen Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes anficht und sich mit der im Aufhebungsbeschluß dem Erstgericht überbundenen Rechtsmeinung befaßt, war er nach § 519 Z. 3 ZPO. unzulässig. Er mußte also zurückgewiesen werden.
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