European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00037.08K.0916.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Die Kläger verkauften der Beklagten ein Haus. Infolge Boden- und Mauerfeuchte hatte sich schon einige Jahre davor ein echter Hausschwamm in einigen hölzernen Türrahmen des Kaufobjekts angesiedelt, welchen die Kläger (unsachgemäß) bekämpften. Der Erstkläger verstellte die infolge Hausschwammbefall schadhaften Stellen mit einem Holzbrett bzw überklebte sie mit Plastikfolien. Anlässlich der Besichtigung durch die Beklagte behauptete der auf diese Stellen angesprochene Erstkläger fälschlich Feuchtigkeitsschäden und verschwieg den Hausschwammbefall, um den Vertragsabschluss nicht zu gefährden. Nach Vertragsabschluss auf den Verdacht einer Schwammbildung angesprochen, bejahte dies der Erstkläger und gab auch zu, wie und in welchem Ausmaß er den Schwamm bekämpft hatte. Die Beklagte forderte daraufhin die Kläger auf, wegen der festgestellten Schwammbildung der Aufhebung des Kaufvertrags und der Rückzahlung des beim Treuhänder erlegten Kaufpreises zuzustimmen. Hätte der Erstkläger die Beklagte anlässlich der vor dem Kaufvertragsabschluss stattgefundenen Besichtigung auf den Hausschwammbefall und die seinerzeitige eigene Bekämpfung aufmerksam gemacht, hätte diese fachlichen Rat durch bestimmte Personen eingeholt, was zur Einstufung als erheblicher Schaden geführt hätte. Deswegen hätte die Beklagte von einem Kaufvertragsabschluss Abstand genommen. Wäre der Beklagten hingegen damals das durch den Hausschwammbefall bedingte wahre - insgesamt nur geringe - Schadensausmaß bekannt gewesen, hätte sie dessen ungeachtet den Kaufvertrag mit den Klägern zu denselben Bedingungen abgeschlossen.
Die Kläger begehrten kurz gefasst den Ausspruch, die Beklagte sei schuldig, den Treuhänder anzuweisen, den auf seinem Treuhandkonto erliegenden Kaufpreis zur Lastenfreistellung der Liegenschaft zu verwenden.
Die Beklagte erklärte Vertragsanfechtung wegen Arglist und Irrtum, begehrte Wandlung wegen des Vorhandenseins wesentlicher und unbehebbarer Mängel, und machte Verletzung über die Hälfte des wahren Werts geltend.
Das Erstgericht wies die Klage ab, wobei es die Vertragsanfechtung wegen Arglist als berechtigt erkannte.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der vom Erstkläger verursachte Willensmangel der Beklagten liege darin, dass sie dadurch gehindert worden sei, die Erforderlichkeit, die Erfolgsaussichten, die mit der Sanierung verbundenen Unannehmlichkeiten und den hiefür erforderlichen Aufwand an Zeit und Geld in ihre Entscheidung einzubeziehen. Selbst wenn die Beklagte hiedurch nur einem unwesentlichen Irrtum unterlegen wäre, stünde dies der Vertragsanfechtung nicht entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Kläger ist nicht zulässig.
1. Die Kläger stützen ihre Zulassungsbeschwerde unter anderem darauf, dass es zur Frage, ob die Verwertung eines „gesetzwidrig erlangten Tonbands" als Verfahrensmangel zu qualifizieren sei, keine höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.
Dem ist einerseits entgegenzuhalten, dass das Berufungsgericht diesen - angeblichen - Verfahrensmangel erster Instanz verneinte, sodass er nach ständiger Rechtsprechung im Revisionsverfahren nicht neuerlich geltend gemacht werden kann (RIS‑Justiz RS0106371), und andererseits führte bereits das Berufungsgericht zutreffend aus, dass die Verwertung der Bestätigung der Richtigkeit des Tonbandprotokolls im Zuge der Parteienvernehmung des Erstklägers jedenfalls zulässig ist.
2. Wann die Aufklärungspflicht des Vertragspartners nach der Übung des redlichen Verkehrs besteht, ergibt sich jeweils aus den Umständen des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0111165). Daher stellt auch die Frage, wie weit Aufklärungspflichten bei einem Hausschwammbefall in einem gemauerten Haus gehen, keine erhebliche Rechtsfrage dar.
3. Die Revisionswerber rügen den Umstand, dass das Berufungsgericht in der Berufungsverhandlung den Beschluss fasste, das Ersturteil aufzuheben und anschließend nur die im Akt erliegenden Urkunden, nicht aber die Protokolle und den übrigen Akteninhalt verlesen habe, und sodann ohne Begründung der Urteilsaufhebung das Ersturteil bestätigt habe, als wesentlichen Verfahrensmangel im Sinn des § 503 Z 2 ZPO. Dabei übersehen sie jedoch die Ausführungen des Berufungsgerichts auf den Seiten 12‑14 seiner Entscheidung, worin die Notwendigkeit der Ergänzung der Verhandlung erläutert wird.
Die Fassung eines Aufhebungsbeschlusses vor Verhandlungsergänzung nach § 496 Abs 3 ZPO entspricht jedenfalls der Rechtsprechung (vgl 1 Ob 623/86). Der Umstand der „Nichtverlesung" von Aktenteilen begründet keinen (wesentlichen) Verfahrensmangel, weil sich die Aufhebung gemäß § 496 ZPO von jener wegen Nichtigkeit usw dadurch unterscheidet, dass wohl die aufgehobene Entscheidung durch den Aufhebungsbeschluss wirkungslos wird, aber das vorangegangene Verfahren und die Verfahrensgrundlagen benützbar bleiben, soweit sie nicht ausdrücklich gemäß § 496 Abs 1 Z 2 ZPO wegen eines im Aufhebungsbeschluss bezeichneten Mangels, umfänglich genau bezeichnet, unbeachtlich werden (Pimmer in Fasching/Konecny2 § 496 ZPO Rz 65).
4. Zu der von den Klägern behaupteten mangelnden Kausalität der Arglist für den Vertragsabschluss ist auszuführen, dass es für die Beurteilung der listigen Irreführung keine Rolle spielt, ob die Nachteile tatsächlich eingetreten sind, denen sich der irregeführte Vertragspartner mit dem Abschluss des Vertrags ausgesetzt hat. Maßgebend ist allein, dass der listig irregeführte Vertragspartner den Vertrag nicht geschlossen hätte, hätte er den wahren Sachverhalt gekannt (RIS‑Justiz RS0115485). Es kommt primär auf den hypothetischen Parteiwillen, sekundär auf eine objektive Würdigung des Sachverhalts, an (Bollenberger in KBB2 § 870 ABGB Rz 2).
Im vorliegenden Fall hätte der hypothetische Wille der Beklagten im Falle des Unterbleibens der arglistigen Irreführung durch den Erstkläger - wie festgestellt ‑ dazu geführt, dass die Beklagte von einem Kaufvertragsabschluss Abstand genommen hätte. Das aus einer objektiven Würdigung resultierende (geringe) Schadensausmaß tritt demgegenüber in den Hintergrund. Von einer Rechtsmissbräuchlichkeit der Vertragsanfechtung kann keine Rede sein. Schließlich soll niemand in seinem Entschluss, ein Rechtsgeschäft überhaupt oder doch mit einem bestimmten Inhalt vorzunehmen, durch eine mittels Vorspiegelung falscher oder Verschweigung wahrer Tatsachen von seinem Geschäftspartner gewollte Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums bewusst mit dem Ziel beeinträchtigt werden, dass dadurch sein rechtsgeschäftlicher Wille beeinflusst wird oder doch beeinflusst werden könnte (RIS‑Justiz RS0014789).
Die Beurteilung der Vorinstanzen ist im Licht der obigen Ausführungen jedenfalls vertretbar und stellt keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende (krasse) Fehlbeurteilung dar. Die Revisionsausführungen der Kläger werfen keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Dies führt zur Zurückweisung der außerordentlichen Revision.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)