OGH 1Ob359/99x

OGH1Ob359/99x25.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Friedrich H. Knöbl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Prettenhofer & Jandl Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,912.448 sA infolge der Revisionen a) der klagenden Partei gegen das Teilurteil und b) der beklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. September 1999, GZ 4 R 75/99z-40, womit das Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom 12. Jänner 1999, GZ 13 Cg 255/95t-36, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt bzw beschlossen:

 

Spruch:

I. Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Das Teilurteil des Berufungsgerichts (Abweisung des Begehrens auf Zahlung von S 243.282,48 samt 10 % Zinsen seit 1. 8. 1995) wird bestätigt.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

II. Der Revision der beklagten Partei wird Folge gegeben.

Das Teilzwischenurteil des Gerichts zweiter Instanz und der hiedurch bestätigte Teil des erstinstanzlichen Zwischenurteils werden aufgehoben; die Rechtssache wird insoweit (S 1,669.165,52 sA) zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte S 1,912.448 sA, wobei S 349.804,70 Zug um Zug gegen Ausfolgung der Ersatzteile gemäß Inventurliste vom 11. 9. 1996 und bestimmten Originalwerkzeugs sowie eines Modems gezahlt werden sollten. Seit 1972 sei sie Vertragspartnerin der beklagten Partei gewesen und seit 1979 habe sie als Direkthändler der von dieser vertriebenen Autos fungiert. 1985 seien der Verkauf und das Werkstättengeschäft getrennt worden; dieses habe seither eine "unternehmerisch verwobene" Gesellschaft mbH betrieben. Der Kundendienst- und der Händlervertrag seien unter der Voraussetzung des wechselseitigen aufrechten Bestands als wirtschaftliche Einheit abgeschlossen worden. Die das Werkstättengeschäft betreffenden Klagsansprüche seien der klagenden Partei zediert worden. Mit Schreiben vom 31. 8. 1994 habe die beklagte Partei die Verträge zum 31. 12. 1994 vorzeitig gekündigt. Infolge Einbindung in das Vertriebsnetz der beklagten Partei stünden der klagenden Partei und der das Werkstättengeschäft betreibenden Gesellschaft mbH Ansprüche in Analogie zu § 24 HVertrG 1993 zu. Der den Neuwagenverkauf betreffende Ausgleichsanspruch sei anerkannt und bezahlt worden; für das Ersatzteilgeschäft hafte der mit S 243.282,48 bezifferte Ausgleichsanspruch unberichtigt aus. Die klagende Partei sei vertraglich verpflichtet gewesen, ein umfangreiches Ersatzteil- und Zubehörlager zu halten. Auf Grund der Vertragskündigung sei sie nicht mehr in der Lage, diese Lagerbestände zu verwerten. Die beklagte Partei sei zur Rücknahme der Vertragsware gegen Zahlung von S 283.333,11 verpflichtet. Weiters habe die klagende Partei bei ihrer Vertragspartnerin Spezialwerkzeuge einkaufen müssen, die ausschließlich für die Reparatur der von der beklagten Partei vertriebenen Fahrzeuge benötigt würden. Zur Rücknahme dieser Originalwerkzeuge und eines Modems sei die beklagte Partei gegen Zahlung von S 66.471,60 verpflichtet. Die beklagte Partei habe die 12-monatige Kündigungsfrist nicht eingehalten, weshalb sie der klagenden Partei den Verdienstentgang für die Dauer von acht Monaten aus dem Ersatzteil- und Neuwagengeschäft von insgesamt S 1,319.360,82 schulde. Die klagende Partei sei an der Vertragsauflösung schuldlos. Sie habe sich auch stets bemüht, die vorgegebenen Verkaufsziele zu erreichen.

Die beklagte Partei bestritt das Vorliegen einer Zession der Ansprüche aus dem Werkstättengeschäft. Ein Ausgleichsanspruch für das Ersatzteilgeschäft sei nicht berechtigt, weil diese Ansprüche schon bei den Ausgleichsansprüchen für die Neuwagenverkäufe berücksichtigt worden seien. Im Übrigen habe die klagende Partei beim Ersatzteilhandel eine dermaßen hohe Provision bezogen, dass ein Ausgleich nicht mehr in Frage käme. Die beklagte Partei sei zur Rücknahme von Ersatzteilen oder Spezialwerkzeugen nicht verpflichtet. Das Schadenersatzbegehren sei nicht gerechtfertigt, weil die beklagte Partei den Vertrag vorzeitig aus wichtigem Grund aufgelöst habe. Ein solches außerordentliches Kündigungsrecht sei sowohl vertraglich wie auch in der Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) Kfz 1985 vorgesehen. Die klagende Partei habe trotz Gewährung einer dreimonatigen Nachfrist beharrlich nicht zumindest 80 % ihres Verkaufsziels erfüllt. Sie habe zu Beginn des Jahres 1995 den Vertrieb einer anderen Kfz-Marke aufgenommen und auf diesem Weg Provisionen verdient, die den von ihr behaupteten Verlust überstiegen hätten. Schließlich habe der Geschäftsführer der klagenden Partei erklärt, nicht mehr für die beklagte Partei tätig sein zu wollen, und habe die klagende Partei dem vereinbarten Konkurrenzverbot zuwidergehandelt.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die Gesellschaft mbH, die das Werkstättengeschäft betrieben habe, habe ihre Schadenersatzansprüche an die klagende Partei zediert. Die beklagte Partei habe den Händler- und den Kundendienstvertrag in rechtswidriger Weise vorzeitig aufgelöst. Sie wäre auf Grund der Verträge verpflichtet gewesen, der klagenden Partei zur Erreichung des Verkaufsziels eine Nachfrist von zumindest sechs Monaten zu gewähren; dies sei nicht der Fall gewesen. Die Auflösungserklärung habe nur eine Frist von vier Monaten vorgesehen, sodass die beklagte Partei Schadenersatz für die Dauer von acht Monaten, also bis zum Ablauf der vertraglich vorgesehenen 12-monatigen Kündigungsfrist, zu leisten habe. Die klagende Partei habe Anspruch auf entgangene Provision aus dem Ersatzteil- und dem Neuwagenverkauf. Ihr stehe nicht nur für den Neuwagen- - sondern auch für den Ersatzteilumsatz ein Ausgleichsanspruch analog § 24 HVertrG - zu. Auch bei Fehlen einer ausdrücklichen Rücknahmevereinbarung sei die beklagte Partei auf Grund nachvertraglicher Treuepflicht (oder bei schuldhafter vorzeitiger Vertragsbeendigung im Rahmen des Schadenersatzes) verpflichtet, die bei der klagenden Partei lagernden Ersatzteile und Originalwerkzeuge zurückzunehmen, seien diese doch auf Veranlassung der beklagten Partei angeschafft bzw angelegt worden. Einen Verstoß gegen das Konkurrenzverbot habe die beklagte Partei gar nicht konkret behauptet. Der Abschluss eines Vertrags mit einem anderen Kraftfahrzeughändler durch die klagende Partei könne keinesfalls als Verstoß gegen das Konkurrenzverbot gewertet werden, zumal die Vertragsanbahnung erst nach Auflösung des Vertrags durch die beklagte Partei eingesetzt habe. Die klagende Partei habe die Erbringung der ihr vertraglich auferlegten Leistungen nie verweigert, insbesondere habe ihr Geschäftsführer keine Erklärung in dieser Richtung abgegeben. Zur Höhe der Klagsansprüche sei noch ein Beweisverfahren abzuführen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Zwischenurteil des Erstgerichts teilweise (S 1,669.165,52 sA, hievon S 349.804,70 im Rahmen einer Zug-um-Zug-Verpflichtung) mit Teilzwischenurteil und wies mit Teilurteil das restliche Klagebegehren (S 243.282,48 sA) ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Äußerung des Geschäftsführers der klagenden Partei, er gehe lieber mit dem Hund spazieren als schlechte Geschäfte zu machen, sei - im Zusammenhang gesehen - als Ausdruck seines Unmuts zu werten und nicht als beharrliche Weigerung, die vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Ein Markenwechsel sei damals noch nicht beabsichtigt gewesen, weil es erst nach Auflösung des Vertrags durch die beklagte Partei zu Kontakten mit einem anderen Autohändler gekommen sei. Die GVO Kfz 1985 sei ebenso wie die GVO Kfz 1995 im vorliegenden Rechtsstreit nicht anzuwenden, weil der Vertrag zwischen den Streitteilen vor Inkrafttreten der maßgeblichen inländischen Verordnungen bereits aufgelöst worden sei. Die klagende Partei habe das vertraglich vereinbarte Konkurrenzverbot nicht verletzt. Es sei ihr eine zu kurze Nachfrist für die Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen gesetzt worden, weshalb die vorzeitige Auflösung der Verträge vertragswidrig erfolgt sei. Aus dem Titel des Schadenersatzes stehe der klagenden Partei dem Grunde nach demnach Verdienstentgang sowohl für den Neuwagenverkauf wie auch für den Ersatzteilverkauf (für den Zeitraum von acht Monaten) zu. Im Rahmen des Ersatzteilgeschäfts gebühre der klagenden Partei aber kein Ausgleichsanspruch, weil die Verkäufe von Ersatzteilen keine Ausgleichsberechtigung zur Folge hätten, handle es sich doch dabei nicht um das Ergebnis einer werbenden Tätigkeit, sondern um ein Nebenprodukt des Werkstättenbetriebs. Die klagende Partei sei verpflichtet gewesen, ständig einen bestimmten Bestand an Originalersatzteilen und Originalzubehör für die von der beklagten Partei vertriebenen Fahrzeuge zu halten, sie habe auch nur Originalersatzteile zur Instandsetzung solcher Fahrzeuge verwenden dürfen. Durch die (rechtswidrige) Aufkündigung des Vertrags sei sie daran gehindert worden, ihre Lagerbestände zu verwerten. Die beklagte Partei sei daher verpflichtet, ihre Originalware und das ungenutzte Spezialwerkzeug sowie das benutzte Spezialwerkzeug im Ausmaß der noch nicht erfolgten Amortisation zurückzunehmen, weil sie das Risiko der erschwerten bzw überhaupt unmöglichen Verwertung des Warenlagers infolge unbegründeter Auflösung des Vertrags - also aus dem Titel des Schadenersatzes - zu tragen habe.

Rechtliche Beurteilung

A. Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die klagende Partei bekämpft die Abweisung ihres Begehrens auf Zuerkennung eines Ausgleichsanspruchs im Bereich des Ersatzteil- und Zubehörgeschäfts. Sie verweist auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 9 Ob 2065/96h, mit der dem gekündigten Vertragshändler auch für das entgangene Ersatzteilgeschäft ein Ausgleichsanspruch zuerkannt worden sei. Der erkennende Senat schließt sich aber der in der jüngst ergangenen Entscheidung 4 Ob 79/99t vertretenen Ansicht an, nach der im Bereich des Ersatzteilgeschäfts ein auf § 24 HVertrG gestützter Ausgleichsanspruch schon dem Grunde nach nicht in Betracht komme. Der Oberste Gerichtshof nahm in dieser Entscheidung zu der von der klagenden Partei zitierten und mehrfach (unter anderem in EvBl 1998/104) veröffentlichten Entscheidung 9 Ob 2065/96h Stellung und vertrat die Ansicht, dass durch das Handelsvertretergesetz 1993 eine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten sei; der Entscheidung des 9. Senats sei noch ein Anspruch nach § 25 HVG 1921 zugrunde gelegen. Mit der Neufassung des Handelsvertreterrechts sei eine EG-Richtlinie umgesetzt worden, die den Mitgliedsstaaten für die Regelung der Ansprüche des Handelsvertreters nach Beendigung des Vertragsverhältnisses die Wahl zwischen dem an § 89b dHGB angelehnten Ausgleichssystem und dem Entschädigungssystem des französischen Rechts eröffnet habe. Der österreichische Gesetzgeber habe sich für das deutsche Vorbild entschieden. Nach deutscher Judikatur zu § 89b dHGB seien aber Verkäufe von Ersatzteilen nicht ausgleichsberechtigt, weil es sich dabei nicht um das Ergebnis einer werbenden Tätigkeit, sondern um ein Nebenprodukt des Werkstättenbetriebs handle. Seien aber die Wertungen des § 89b dHGB in die Fassung des § 24 HVertrG eingeflossen, nach der die werbende Tätigkeit des Handelsvertreters viel mehr im Vordergrund stehe als nach der alten Rechtslage in Österreich, so sei bei der Auslegung der neuen Bestimmung den in der deutschen Rechtsprechung vertretenen Grundsätzen zu folgen. Beim Ersatzteilgeschäft als bloßem Nebenprodukt des Werkstättenbetriebs sei demnach regelmäßig nicht zu erwarten, dass der Unternehmer auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses zu einem in sein Werkstättennetz eingegliederten Händler erhebliche Vorteile im Sinne des § 24 Abs 1 Z 2 HVertrG ziehen könne, weshalb dieser Geschäftsbereich in die Berechnung eines Ausgleichsanspruchs nach § 24 HVertrG nicht einzubeziehen sei. Diese Erwägungen sind stichhältig, sodass der erkennende Senat der vom 4. Senat vertretenen Ansicht beitritt; soweit dem die klagende Partei die dazu in der Entscheidung 9 Ob 2065/96h geäußerte Auffassung entgegenhält, übersieht sie, dass dieser Entscheidung noch die durch § 25 HVG bestimmte frühere Rechtslage zugrunde lag. Soweit aus dem Zurückweisungsbeschluss des erkennenden Senats 1 Ob 369/98s die Meinung erschlossen werden könnte, die Ansicht des 9. Senats sei auf die Ausgleichsberechtigung gemäß § 24 HVertrG auch im Bereich des Ersatzteilgeschäfts zu übertragen, kann diese Ansicht nicht fortgeschrieben werden. Ordnet man somit - wie der 4. Senat - den Verkauf von Ersatzteilen dem Werkstättenbetrieb zu, so verbleibt der sich aus dem geworbenen Kundenstock ergebende Vorteil nicht dem Importeur (= beklagte Partei), sondern anderen Werkstättenunternehmen. Damit ist aber auch kein Raum für einen aus dem Ersatzteilgeschäft abgeleiteten Ausgleichsanspruch.

Eine überraschende Rechtsansicht des Gerichts zweiter Instanz ist zu verneinen, weil dieses in seinem Aufhebungsbeschluss vom 18. 9. 1998 zwar ausdrücklich auf die Grundsätze der Entscheidung 9 Ob 2065/96h hingewiesen, aber auch ausgeführt hat, strittig sei indes die Frage, ob bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs auch auf Einnahmen aus dem Ersatzteil- und Zubehörgeschäft Bedacht zu nehmen sei; dazu hat es ausdrücklich auf die Erörterungen Wollmanns in ecolex 1998, 489 [491] verwiesen, der den Gegensatz zwischen der Entscheidung des 9. Senats und der deutschen Judikatur deutlich herausstreicht und seine Bemerkungen zu dieser Frage mit dem Hinweis beschließt, dass in der Frage der Ausgleichspflicht von Ersatzteilverkäufen "wohl noch nicht das letzte Wort gesprochen" sei (492).

Der Revision der klagenden Partei ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.

B. Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.

Der Einwand der klagenden Partei, die Revision der beklagten Partei sei zum Teil eine außerordentliche Revision, ist nicht stichhältig, weil die Revision, wird das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO bejaht, nicht allein auf die Lösung dieser Fragen beschränkt ist (zumal § 503 Abs 2 ZPO idF der ZVN 1983 durch die WGN 1989 aufgehoben wurde).

Für den Streitausgang ist es - wie vorweg festzuhalten ist - ohne Bedeutung, ob im vorliegenden Rechtsstreit die GVO Kfz 1985, die GVO Kfz 1995 oder keine von beiden (so aber das Gericht zweiter Instanz) anzuwenden ist. Strittig ist auch nicht die Frage, ob die ordentliche Aufkündigung des Direkthändler- bzw des Kundendienstvertrags nur unter Einhaltung einer Frist von 12 Monaten möglich wäre; diese Frist sehen sowohl die beiden Verträge wie auch die GVO Kfz 1985 und die GVO Kfz 1995 vor. Strittig ist vielmehr, worauf die beklagte Partei in ihrer Revision zutreffend hinweist, die Frage, ob die vorzeitige Auflösung des Händler- bzw des Kundendienstvertrags wegen Nichterreichens des Verkaufsziels ohne Einhaltung von Nachfristen zulässig war und ob der Importeur bei vorzeitiger Vertragsauflösung zur Rücknahme der Ersatzteile und Originalwerkzeuge verpflichtet ist. Gemäß Art 5 Abs 4 der GVO Kfz 1985 war eine "außerordentliche Kündigung" der Vereinbarung - ohne Einhaltung irgendwelcher Fristen - möglich; ebenso ist die vorzeitige Vertragsauflösung "aus wichtigem Grund" sowohl im Direkt-Händlervertrag (Beilage F) wie auch im Kundendienst-Vertrag (Beilage E) in den Punkten 18 bzw 15 vorgesehen. Zu prüfen ist also, ob die Voraussetzungen für die vorzeitige Auflösung der zwischen den Streitteilen geschlossenen Verträge vorlagen und ob allfällig vereinbarten Fristen eingehalten wurden:

Der erkennende Senat teilt die Ansicht der Vorinstanzen, die beklagte Partei wäre zur Setzung einer Nachfrist von mindestens sechs Monaten verpflichtet gewesen, um das Nichterreichen des Verkaufsziels als Grund für die vorzeitige Vertragsauflösung geltend machen zu können, nicht: Nach Punkt 6.3 des Direkthändlervertrags (Beilage F) kann der Importeur vom Direkthändler die Beseitigung des Missstands des Nichterreichens des Verkaufsziels verlangen, wenn die Zulassungen oder Verkäufe des Direkthändlers in seinem Vertragsgebiet im Durchschnitt dreier aufeinanderfolgender Monate um mehr als 20 % unter den Bundesdurchschnitt oder unter das Verkaufsziel gesunken sind. Demnach kann der Importeur ein dem Vertrag entsprechendes Verhalten des Direkthändlers schon nach Beobachtung eines relativ geringen Zeitraums (drei Monate) einfordern und das Verfehlen des Verkaufsziels mag nach Ablauf von sechs Monaten deshalb ein Grund zur vorzeitigen Vertragsauflösung gemäß Punkt 18.2.10 des Direkthändlervertrags sein, weil der Direkthändler seine vertraglichen Verpflichtungen trotz schriftlicher Aufforderung und Gewährung einer Nachfrist von (weiteren) drei Monaten zur Herstellung des vereinbarten Zustands beharrlich nicht erfüllt hätte. Das Recht nach Punkt 6.3 des Direkthändlervertrags, das Erreichen des Verkaufsziels verlangen zu können, entzieht dem Importeur aber nicht das Recht zur vorzeitigen Vertragsauflösung nach Punkt 18.2.8 des genannten Vertrags, nach dem der Vertrag vorzeitig dann aufgelöst werden kann, wenn der Direkthändler nicht mindestens 80 % seines jährlichen Verkaufsziels gemäß Punkt 6.1 erfüllte (vgl RdW 1998, 674): Diese Bestimmung des Direkthändlervertrags stellt nicht auf einen dreimonatigen Beobachtungszeitraum ab, sondern auf das jährliche Verkaufsziel. Demnach werden die Vorinstanzen - dem Verlangen der beklagten Partei entsprechend - zu überprüfen haben, ob die klagende Partei Anlass zur vorzeitigen Vertragsauflösung im Sinne des Punktes 18.2.8 des Direkthändlervertrags gab und bejahendenfalls, ob ihr allenfalls Entlastungsgründe gemäß Punkt 19.1 des Vertrags zu Gute kommen. Nur wenn die beklagte Partei keinen Grund zur vorzeitigen Vertragsauflösung mit Erfolg ins Treffen führen könnte, erwiesen sich die Ansprüche der klagenden Partei aus dem Titel des Verdienstentgangs sowohl für den Neuwagenverkauf wie auch für den Ersatzteilverkauf im Sinne der Ausführungen des Gerichts zweiter Instanz dem Grunde nach als berechtigt.

Die Äußerung des Geschäftsführers der klagenden Partei, er gehe lieber mit dem Hund spazieren, als schlechte Geschäfte zu machen, haben die Vorinstanzen zu Recht als bloße Unmutsäußerung gewertet. Zur Wertung dieser Äußerung hat das Berufungsgericht ausführlich Stellung genommen und rechtlich einwandfrei dargelegt, dass diese Äußerung bei richtigem Verständnis noch nicht als beharrliche Verweigerung der Erfüllung vertraglicher Pflichten im Sinne von Punkt 18.2.10 des Direkthändlervertrags beurteilt werden könne.

Auf die von ihr behauptete Verletzung des Konkurrenzverbots kommt die beklagte Partei in ihrer Revision nicht mehr zurück, weshalb es mit dem Hinweis auf die insoweit rechtlich einwandfreien Ausführungen des Gerichts zweiter Instanz sein Bewenden haben kann.

Auch die Verpflichtung der beklagten Partei, Ersatzteile und Spezialwerkzeug zurückzunehmen, hängt nach Ansicht des erkennenden Senats davon ab, ob die beklagte Partei zur vorzeitigen Vertragsauflösung berechtigt war; zur Lösung dieser Rechtsfragen kann, da die Rechtslage in jeder Hinsicht vergleichbar ist, auch auf die Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs zurückgegriffen werden:

Die klagende Partei war vertraglich verpflichtet, ständig ein ausreichendes Lager an Originalersatzteilen zu halten sowie Spezialwerkzeuge der beklagten Partei anzuschaffen und zu verwenden. Hat die beklagte Partei das Vertragsverhältnis zu Unrecht vorzeitig beendet, so ist sie grundsätzlich schon aus dem Titel des Schadenersatzes zur Rücknahme der Ersatzteile und Werkzeuge, die der Vertragshändler vertragsgemäß auf Lagern zu legen bzw anzuschaffen hatte, verpflichtet. Eine solche Verpflichtung könnte aber auch aus der nachvertraglichen Treuepflicht des Importeurs dem Vertragshändler gegenüber abzuleiten sein (BGHZ 128, 67, 70 f; BGHZ 54, 338, 346), doch könnte jenem diese Verpflichtung nur dann aufgegeben werden, wenn er zur vorzeitigen Auflösung des Vertrags nicht berechtigt war, liegt doch in einer rechtmäßigen Kündigung - sei es unter Einhaltung der 12-monatigen Kündigungsfrist oder unter Berufung auf einen berechtigten Grund zur vorzeitigen Vertragslösung - keine Vertragsuntreue, sondern bloß die Ausübung eines vertraglichen Rechts (vgl BGHZ 128, 67, 71). Hat der Vertragshändler die Beendigung des Vertragsverhältnisses selbst verschuldet, wäre also die vorzeitige Auflösung des Vertragsverhältnisses im vorliegenden Fall durch die beklagte Partei vertragskonform und somit rechtmäßig erfolgt, so wäre deren Verpflichtung zur Rücknahme von Ersatzteilen oder von Werkzeug zu verneinen. Der Vertragshändler, der sich selbst nicht vertragstreu verhält, kann sich nicht mit Erfolg auf die Verletzung einer von ihm behaupteten Treuepflicht des Importeurs (Herstellers) berufen. Kann er das Warenlager bzw die Spezialwerkzeuge nicht verwerten, so liegt das in dem von ihm selbst geschaffenen Gefahrenbereich. Die Rücknahmepflicht entfällt deshalb, wenn der Vertragshändler die Auflösung des Vertrags verschuldet hat, weil dem Importeur (Hersteller) in diesem Fall eine Mitwirkung bei der Abwicklung der Vertragsfolgen billigerweise nicht zugemutet werden kann (BGHZ 54, 338, 347). Die Ansicht der beklagten Partei, sie träfe das Risiko der Verwertung der zurückzunehmenden Gegenstände viel härter als den ausgeschiedenen Vertragshändler, der die Gegenstände in seinem Betrieb verwenden könne, entbehrt der Stichhältigkeit. Zweifellos verlieren die Spezialwerkzeuge und auch die Ersatzteile für den Vertragshändler nach Vertragsende erheblich an Wert bzw sind sie nur noch beschränkt absetzbar, weil er insbesondere den Kundendienst nicht mehr im erforderlichen Ausmaß gewährleisten kann. Für den Importeur ist die Rücknahme der Ersatzteile und der Werkzeuge aber meist nur mit geringen Belastungen verbunden, weil er die Möglichkeit hat, sie anderen für ihn tätigen Vertragshändlern zu überlassen oder sie in der eigenen Verkaufsorganisation zu veräußern. Das Risiko der erschwerten Verwertung eines auf Veranlassung des Lieferanten angelegten Ersatzteillagers und angeschaffter Spezialwerkzeuge ist grundsätzlich von demjenigen zu tragen, der die Vertragsbeendigung zu vertreten hat (vgl NJW-RR 1988, 1077 [1081]; BGHZ 54, 338, 347).

Auch die allfällige Verpflichtung der beklagten Partei zur Rücknahme des Modems ist nach diesen Grundsätzen zu beurteilen, doch wird auch deren Einwand zu beachten sein, dass dieses Gerät als Computerzubehör bereits wertlos geworden sei.

Da es an Feststellungen darüber mangelt, ob die klagende Partei zumindest 80 % ihres jährlichen Verkaufsziels erreichte, lässt sich nicht beurteilen, ob die vorzeitige Vertragsauflösung durch die beklagte Partei gemäß Punkt 18.28 des Direkthändlervertrags berechtigt war. Davon hängt aber im Wesentlichen die Entscheidung über die Ansprüche der klagenden Partei ab. Demnach sind die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit aufzuheben; das Erstgericht wird das Verfahren im aufgezeigten Sinn zu ergänzen und die erforderlichen Feststellungen nachzutragen haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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