OGH 1Ob35/22m

OGH1Ob35/22m23.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Univ.‑Prof. Dr. M*, vertreten durch die Gheneff‑Rami‑Sommer Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 35.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Dezember 2021, GZ 14 R 92/21h‑26, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 21. April 2021, GZ 30 Cg 6/19a‑22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00035.22M.0323.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Zweck der Feststellungsklage ist es, die Rechtslage zwischen den Prozessparteien – an und für sich und damit auch für alle künftig daraus abgeleiteten Leistungs- (oder Rechtsgestaltungs-)Ansprüche mit Rechtskraftwirkung (Frauenberger/Pfeiler in Fasching/Konecny³ § 228 ZPO Rz 4) – zu klären (vgl RIS‑Justiz RS0037422). Aufgrund der vom Urteil über eine Feststellungsklage zwischen den Parteien des Rechtsstreits bzw ihren Rechtsnachfolgern entfalteten Bindungswirkung kann die Frage des Bestands oder Nichtbestands des beurteilten Rechts oder Rechtsverhältnisses in einem (weiteren) Rechtsstreit zwischen denselben Parteien nicht neuerlich aufgerollt werden (vgl nur 1 Ob 142/17i mwN; siehe auch 8 ObA 24/20t; 5 Ob 21/20d; RS0039147; RS0039157). Zur vom Berufungsgericht angenommenen Bindungswirkung des im Vorprozess ergangenen Urteils (in dem neben dem auf Ersatz von entgangenem Sonderklassehonorar gerichteten Zahlungsbegehren des Klägers auch dessen Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden aus seiner „ungerechtfertigten Abberufung“ von bestimmten Leitungsfunktionen abgewiesen worden war) kann der Kläger keinen Korrekturbedarf aufzeigen:

[2] 2. Dazu bedurfte es der – von den Umständen des Einzelfalls abhängigen (RS0042828 [T3, T13, T24]) – Auslegung des Vorbringens des Klägers in beiden Prozessen. In der Auslegung des Parteivorbringens – und auch des Urteilsbegehrens (RS0042828 [T25]) – liegt aber im Regelfall (abgesehen von einer – hier nicht vorliegenden – korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung) keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042828 [T15, T23]).

[3] Der Kläger meint, es unterscheide sich der nun geltend gemachte „rechtserzeugende Sachverhalt“ von dem des Vorprozesses. Schon die von ihm dazu – unter Gegenüberstellung seines angeblichen Vorbringens in den beiden Verfahren – aufgestellte Behauptung, er habe damals vorgebracht, seine Abberufung sei „rechtswirksam, aber rechtswidrig“ erfolgt (während er sich nun darauf stütze, dass die Abberufung „nicht rechtswirksam“ gewesen sei), ist (in nicht unbedenklicher Weise) unrichtig; der behauptete Wortlaut stimmt mit keiner Passage seines tatsächlich erstatteten Vorbringens im Vorverfahren überein. Nach dem Inhalt des im Verfahren verlesenen – und daher vom Obersten Gerichtshof verwertbaren (vgl RS0121557 [T3, T4]) – Akts des Vorprozesses gebrauchte er im Zusammenhang mit der Abberufung damals zwar an mehreren Stellen den Ausdruck „rechtswidrig“, nicht aber das Wort „rechtswirksam“. Vor allem ist die Qualifikation der Abberufung als (nicht) rechtswirksam aber nicht „rechtserzeugender Sachverhalt“, sondern rechtliche Beurteilung der zur Abberufung vorgetragenen Tatsachen. Auch im Vorprozess sah er seinen (künftigen) Schaden darin, nach der Abberufungserklärung Privathonoraranteile nicht mehr lukrieren zu können; es werde ihm verwehrt, seine Tätigkeit fortzuführen. Abgesehen davon brachte er im Vorprozess nicht nur (wiederholt) vor, es sei die mittels eines Schreibens ausgesprochene Abberufung rechtswidrig und durch ein unzuständiges Organ erfolgt, sondern er legte zudem dar, dass diese nicht einmal die Formalerfordernisse erfüllt habe, nur mittels Bescheid hätte erfolgen dürfen und verwies nicht zuletzt darauf, dass ein Rechtsakt, der nur hoheitlich gesetzt werden dürfe, aber unter Anwendung privatrechtlicher Gestaltungsformen gesetzt worden sei, gegen ein gesetzliches Verbot verstoße und daher Nichtigkeit zur Folge habe. Warum angesichts dessen aus seinem Vorbringen abzuleiten wäre, er habe im Vorprozess behauptet, die Abberufung sei rechtswirksam erfolgt, erschließt sich nicht.

[4] 3. Entgegen der Auffassung des Klägers kann dem Urteil des Vorprozesses auch nicht entnommen werden, es sei im Vorprozess die „Vorfrage, ob die Abberufung des Klägers rechtswirksam erfolgte“, bejaht worden. Die Abweisung dieser Klage wurde mit der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten begründet.

[5] 4. Diejenigen Tatsachenbehauptungen, die für die Beurteilung der im Vorprozess vom Kläger begehrten Feststellung der Haftung der Beklagten (für zukünftige Schäden) entscheidungswesentlich waren, sind dieselben, wie sie auch nun (im Verfahren über seine Leistungsklage wegen Schadenersatz für weiteres entgangenes Sonderklassehonorar [für einen nach dem Vorprozess liegenden Zeitraum]) von zentraler Bedeutung sind, nämlich der von ihm nicht nur im nunmehrigen Verfahren, sondern schon damals vorgetragene Sachverhalt, er sei aufgrund des Abberufungsschreibens des Rektors daran gehindert worden, Sonderklassehonorar vereinbaren und vereinnahmen zu können. Zur Beurteilung des Berufungsgerichts, es mache keinen Unterschied, ob die faktische Hinderung des Klägers an der Wahrnehmung wirtschaftlicher Möglichkeiten Folge einer wirksamen oder unwirksamen (aber faktisch exekutierten) Abberufung war bzw ist, weswegen es für das nun geltend gemachte Zahlungsbegehren von der Bindungswirkung des Vorurteils ausging, kann der Kläger damit keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen, sodass seine Revision als nicht zulässig zurückzuweisen ist.

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