Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben.
Text
Begründung
Die Minderjährige lebt seit 1996 im Haushalt der mütterlichen Großmutter, der auf Grund des zwischen den Eltern geschlossenen, pflegschaftsgerichtlich genehmigten Scheidungsfolgenvergleichs die Obsorge für das Kind zusteht (ON 41 iVm ON 90). Das Erstgericht bewilligte der Minderjährigen mit Beschluss vom 19. November 1998 (ON 74) einen an die Großmutter auszuzahlenden Unterhaltsvorschuss gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe von S 1.300,-- für die Zeit vom 1. Juni 1998 bis 31. Mai 2001. Die Großmutter bezieht seit 2. Oktober 1997 Verwandtenpflegegeld nach § 27 Abs 6 Wiener JugendwohlfahrtsG 1990 (WrJWG) in der Höhe von S 3.200,- -.
Das Erstgericht stellte deshalb mit Beschluss vom 12. Juli 1999 (ON 94) von Amts wegen die der Minderjährigen gewährten Unterhaltsvorschüsse ab Gewährungsbeginn, somit ab 1. 6. 1998, ein.
Das Rekursgericht bestätigte, den Erwägungen der Entscheidung EFSlg 69.396 folgend, diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.
Der Revisionsrekurs der durch ihren Unterhaltssachwalter vertretenen Minderjährigen ist iSd § 14 Abs 1 AußStrG zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
a) Gemäß § 2 Abs 2 Z 2 UVG besteht kein Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse, wenn das Kind auf Grund einer Maßnahme der Sozialhilfe oder der vollen Erziehung nach dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsrecht in einer Pflegefamilie, in einem Heim oder in einer sonstigen Einrichtung untergebracht ist. Diese Einschränkung soll nach den Materialien (JAB, 199 BlgNR XIV. GP, 5) sicherstellen, dass die Kosten der Unterbringung eines Kindes in einem Heim oder bei Pflegeeltern nicht vom Träger der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe, den diese Kosten nach der geltenden Rechtslage treffen, auf den Bund überwälzt werden, weil der Unterhalt des Kindes durch öffentlich-rechtliche Leistungen der Sozialhilfe oder der Jugendwohlfahrtspflege, die vom Unterhaltspflichtigen zu ersetzen sind, abgedeckt werden (RV, 172 BlgNR XVII. GP, 24), also das Kind aus öffentlichen Mitteln "voll versorgt wird" (Neumayr, Die neueste Rechtsprechung zum UVG in RpfSlgA 1999/2, 81 [83]). Grundlegende Voraussetzung für die Möglichkeit der Versagung von Unterhaltsvorschüssen nach dieser Bestimmung ist jedenfalls, dass die Unterbringung "auf Grund einer Maßnahme" der Jugendwohlfahrtspflege (oder Sozialhilfe), somit einer entsprechenden Anordnung mit Kostenfolgen erfolgt (Neumayr aaO). So genügt es nach der Rechtsprechung nicht, dass bloß die Obsorge für ein Pflegekind nach § 186a ABGB auf Pflegeeltern übertragen, eine Pflegebewilligung nach § 16 JWG erteilt und die Kosten aus Mitteln der Sozialhilfe getragen werden (ÖA 1991, 22), sofern nicht auch die Pflege und Erziehung eines Kindes in einer Pflegefamilie ausdrücklich als Maßnahme der vollen Erziehung statuiert und erfasst wird (so etwa § 14 Tir JWG LGBl 1991/18); (nur) in einem solchen Fall vermag dann konsequenter Weise auch die Unterlassung eines Antrags auf Pflegegeld den Unterhaltsvorschussanspruch nicht aufrecht zu erhalten (ÖA 1996, 127/UV 1991).
Wird jedoch die Obsorge - wie hier - von der Großmutter der Minderjährigen ausgeübt, dann liegt keine "Maßnahme der vollen Erziehung" nach dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsrecht vor. Einerseits ging die Initiative zu diesem Schritt nicht von der Jugendwohlfahrtsbehörde aus, andererseits liegen der Übertragung der Obsorge ersichtlich ausschließlich dem Wohl des Minderjährigen (§ 178a ABGB) entsprechende familienbezogene Erwägungen zu Grunde (ON 90). Die Übernahme der Minderjährigen in die Obsorge der Großmutter war daher keine "Maßnahme der vollen Erziehung", sollte doch eine solche durch die Belassung des Kindes innerhalb der Familie (im weiteren Sinn) geradezu vermieden werden. Die Minderjährige wurde somit nicht auf Grund einer Maßnahme der vollen Erziehung nach dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsrecht (§ 2 Abs 2 Z 2 UVG) untergebracht.
b) Entgegen der zu 7 Ob 5/99g vertretenen Auffassung liegt hier auch keine bescheidmäßige und damit der Rechtskraft fähige, einen Rechtsanspruch des Empfängers erledigende Pflegegeldzuerkennung vor. Während nämlich nach § 27 Abs 1 Wr JWG "Pflegeeltern" (Pflegepersonen) zur Durchführung der vollen Erziehung - eine solche liegt nicht vor - auf Antrag zur Erleichterung der mit der Pflege verbundenen Lasten Pflegegeld gebührt, diesen also ausdrücklich ein Rechtsanspruch zuerkannt wird (so auch die Materialien zum Wr JWG, § 27, S 57), statuiert § 27 Abs 6 Wr JWG, dass (sonstigen) Personen, die mit den von ihnen betreuten Kindern bis zum dritten Grad verwandt oder verschwägert sind - unter welchen Personenkreis auch die Großmutter des Kindes fällt - vom Magistrat unter Berücksichtigung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse Pflegegeld bis zur Höhe des - auf Grund des § 27 Abs 5 Wr JWG durch Verordnung der Wiener Landesregierung festzusetzenden - Richtsatzes gewährt werden kann, somit kein Rechtsanspruch besteht (Materialien zum Wr JWG zu § 27 Abs 6). Diese rechtliche Ausgestaltung als nicht bescheidmäßiger Gewährungsakt der Privatwirtschaftsverwaltung entspricht übrigens auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum BundespflegegeldG BGBl 1993/110, wonach die Zuerkennung von Pflegegeldern in der Zeit bis zum 30. Juni 1995 (BGBl 1995/131) über die Stufe 2 hinaus mittels bloßer Mitteilungen (der gewährenden Pflegegeldträger) ebenfalls ohne Bescheidcharakter erfolgten; derartige, über der Stufe 2 liegende Pflegegelder wurden daher vom zuständigen Sozialversicherungsträger bloß als Träger von Privatrechten im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gewährt (SSV-NF 10/110 uva).
Daraus folgt, dass den von den Ländern nach ihren jeweiligen Jugendwohlfahrtsgesetzen bloß auf Grund von "Kannbestimmungen" und damit ohne Rechtsanspruch gewährten Pflegegeldern kein bescheidmäßiger Zuweisungsakt zugrundeliegt. Die vom Rekursgericht zur Begründung herangezogene Entscheidung des erkennenden Senats EFSlg 69.396 ist nicht vergleichbar, weil der dort anzuwendende § 28 Abs 3 NÖ JWG eine rechtliche Verpflichtung des Landes zur Gewährung solcher Pflegegelder normiert. Ob diese Rechtsprechung aufrecht erhalten werden kann, muss daher nicht weiter geprüft werden. Bloß freiwillig gewährte Zuschüsse welcher Art immer treffen den Jugendwohlfahrtsträger jedenfalls nur wirtschaftlich, aber eben nicht "nach der Rechtslage". Die Gewährung eines Verwandtenpflegegeldzuschusses nach § 27 Abs 6 Wr JWG an die Großmutter der Minderjährigen stellt demnach keinen Einstellungsgrund für die dem Kind gewährten Unterhaltsvorschüsse nach § 2 Abs 2 Z 2 UVG dar. Die in der Entscheidung 7 Ob 5/99g vertretene gegenteilige Auffassung kann nicht aufrecht erhalten werden (vgl dazu auch 7 Ob 224/99p; 1 Ob 243/99p; 8 Ob 299/99z mwN ua).
In Stattgebung des Revisionsrekurses sind die Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos zu beheben.
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