OGH 1Ob347/51

OGH1Ob347/5130.6.1951

SZ 24/178

Normen

ABGB §833
ABGB §863
ZPO §273
ABGB §833
ABGB §863
ZPO §273

 

Spruch:

Das Gebrauchsrecht des einzelnen Miteigentümers bezieht sich grundsätzlich auf die ganze im Miteigentum stehende Sache und findet nur im Mitgebrauch der übrigen Miteigentümer seine Schranke. Wenn einer der Miteigentümer ohne Widerspruch der anderen die Sache über das ihm zustehende Maß in Gebrauch nimmt oder die ganze Sache in Benützung oder sie einem Dritten gegen Entgelt zum Gebrauche überläßt, ist gemäß § 863 ABGB. die Zustimmung der anderen anzunehmen. Die anderen Miteigentümer können dann für die Vergangenheit keine Vergütung fordern.

Entscheidung vom 30. Juni 1951, 1 Ob 347/51.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht gab der auf Zahlung eines Betrages von restlich 2200 S für Vermietung der im gemeinsamen Eigentum der Streitteile stehenden Möbel teilweise statt. Es sprach dem Kläger einen Betrag von 915 S zu und wies das restliche Begehren von 1285 S ab. Die Ehe der Streitteile sei am 1. Juni 1946 geschieden worden und die gemeinsamen Möbel seien in der Benützung der Beklagten verblieben. Diese habe die Fahrnisse in der Zeit zwischen Oktober 1947 und September 1949 zusammen mit einem Raum der Wohnung gegen einen monatlichen Mietzins von 350 S in Unterbestand gegeben. Auf den Gebrauch der Möbel entfalle in der Zeit bis zur Einbringung der Klage ein Teilbetrag von 1830 S (§ 273 ZPO.), von dem dem Kläger die Hälfte von 915 S gebühre, da er Miteigentümer der Möbel sei.

Infolge Berufung der Beklagten änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil, das im Zuspruch eines Teilbetrages von 60.38 S als nicht angefochten unberührt blieb, dahin ab, daß die Klage im übrigen abgewiesen wurde. Wenngleich die Beklagte den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht ausdrücklich geltend gemacht habe, ergebe sich aus den Berufungsausführungen, daß sie diesen Berufungsgrund habe heranziehen wollen. Das Berufungsgericht sei deshalb befugt, die rechtliche Beurteilung ungeachtet des Umfanges der Anfechtung nach jeder Richtung zu überprüfen. Da der Kläger der Beklagten die uneingeschränkte Benützung der Möbel eingeräumt habe, könne er von ihr kein Benützungsentgelt verlangen. Er könne aber auch keinen Anteil an dem Erlös der Untervermietung begehren, weil die Überlassung der gemeinsamen Sache an Dritte zum Gebrauch gegen Entgelt nur eine Maßnahme der der Beklagten zustehenden ordentlichen Verwaltung sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

In der die beiden Revisionsgrunde nicht auseinanderhaltenden Revision macht der Kläger geltend, daß die Beklagte in ihrer Berufungsschrift den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung nicht geltend gemacht habe und daß das Berufungsgericht deshalb nicht befugt gewesen sei, die Rechtslage in jeder Richtung zu prüfen. Es ist allerdings richtig, daß der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung in der Berufungsschrift der Beklagten nicht ausdrücklich angeführt wurde. Die Beklagte hat aber die Bemessung der Höhe des klägerischen Anspruches durch den Erstrichter angefochten, der sich nicht nur auf Beweisergebnisse, sondern insbesondere auch auf § 273 ZPO. berufen hat. Die Festsetzung der Höhe eines Anspruches nach § 273 ZPO. gehört nach der ständigen Rechtssprechung (z. B. 3 Ob 510/50, Rsp. 1936 Nr. 201, RZ. 1933, S. 122 u. a.) in das Gebiet der rechtlichen Beurteilung. Dadurch, daß die Beklagte das erstgerichtliche Urteil in dieser Richtung bekämpft hat, ist von ihr in Wahrheit auch der Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung herangezogen worden und das Berufungsgericht war dementsprechend befugt, die gesamte rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes zu überprüfen, ohne an die Anfechtungspunkte rechtlicher Art gebunden zu sein.

Das Berufungsgericht ist der Begründung der Entscheidung SZ. XII/39 (hiezu Klang, JBl. 1931, S. 27), gefolgt, die späterhin auch von der Entscheidung JBl. 1933, S. 367, übernommen worden ist. Nach diesen Entscheidungen bezieht sich das Gebrauchsrecht des einzelnen Miteigentümers grundsätzlich auf die ganze im Miteigentum stehende Sache und findet nur im Mitgebrauch der übrigen Miteigentümer seine Schranke. Wenn einer der Miteigentümer ohne Widerspruch der anderen die Sache über das ihm zustehende Maß in Gebrauch nimmt, ist gemäß § 863 ABGB. die Zustimmung der anderen anzunehmen. Diese können für die Vergangenheit keine Vergütung fordern. Nicht anders ist es, wenn ein Miteigentümer die ganze Sache in Benützung hat und sie einem Dritten zum Gebrauch gegen Entgelt überläßt. Der Miteigentümer übt auch auf diese Weise den ihm von den anderen Miteigentümern eingeräumten Gebrauch aus und es kann nicht gesagt werden, daß es sich um eine Nutzung der gemeinsamen Sache handeln würde, auf die alle Miteigentümer gemäß § 839 ABGB. Anspruch hätten. Denn die Sache wird zum alleinigen Nutzen des einen Miteigentümers verwendet und das Erträgnis ist ebenso zu behandeln wie der Vorteil aus der Benützung der ganzen Sache durch den Miteigentümer selbst. Der Oberste Gerichtshof sieht keinen Grund, von dieser der jeweiligen Verteilung der Benützungsbefugnisse gerecht werdenden Auffassung abzugehen.

Der Kläger hat nach den Feststellungen der Untergerichte die Möbel nach der Scheidung der Beklagten in Benützung gelassen und erst am 26. November 1948 die Teilung gerichtlich begehrt. Daß er schon vorher der weiteren Benützung durch die Beklagte widersprochen hätte, ist nicht behauptet worden. Weiterer Beweiserhebungen bedurfte es in dieser Richtung nicht.

Das Berufungsgericht ist mit Recht zur Überzeugung gelangt, daß der Kläger für die Zeit bis zur Klage (26. November 1949) einen Ersatz für die Vermietung der Möbel von der Beklagten nicht verlangen kann. Davon, daß die Beklagte in diesem Verfahren den Klagsanspruch teilweise anerkannt hätte, wie der Revisionswerber behauptet, ist keine Rede.

Der Revision mußte der Erfolg versagt werden, da die geltend gemachten Revisionsgrunde nicht gegeben sind.

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