Spruch:
Bauerngüter sind Unternehmen im Sinne des § 1409 ABGB. Die Haftung des Vermögensübernehmers erfaßt nicht auch die Kosten eines nach der Übergabe eingeleiteten Prozesses des Gläubigers gegen den Übergeber wegen einer Unternehmensschuld.
Entscheidung vom 11. November 1959, 1 Ob 332/59.
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:
Oberlandesgericht Wien.
Text
Die Klägerin war, in der Zeit von 1940 bis 1947 mit Unterbrechungen halb- und dann ganztägig in der Landwirtschaft ihrer Eltern Michael und Elisabeth H. in L. Nr. 29 wie eine Magd tätig, wofür sie nur Verpflegung. Wohnung und einige Naturalleistungen anderer Art bekommen hat. Mit Rücksicht darauf, daß die Landwirtschaft von den Eltern entgegen ihrer Zusage nicht der Klägerin, sondern mit dem Übergabsvertrag vom 7. Jänner 1949 ihren Geschwistern, den beiden Beklagten, übergeben wurde, verlangte sie von ihren Eltern die Zahlung des angemessenen Arbeitslohnes von 6820 S, welcher Betrag ihr mit den Urteilen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. September 1953 und des Oberlandesgerichtes Wien vom 26. Jänner 1954 zugesprochen wurde. Unter Berufung auf § 1409 ABGB. begehrt jetzt die Klägerin von den beiden Beklagten als Übernehmern der Liegenschaft die Zahlung des angeführten Betrages von 6820 S zuzüglich der Kosten des Vorprozesses von 3582 S 21 g und 475 S 11
g.
Das Erstgericht sprach der Klägerin einen Entgeltsbetrag von 6720 S zu und wies das weitere Entgeltsbegehren von 100 S und das Begehren auf Ersatz der Kosten des Vorprozesses ab. Es wäre - so führt das Erstgericht aus - gemäß § 187 III. TN. Sache der Beklagten als naher Angehöriger der Übergeber der Liegenschaft gewesen, nachzuweisen, daß ihnen die Lohnschuld an die Klägerin weder bekannt gewesen sei noch habe bekannt sein müssen. Dieser Beweis sei ihnen nicht gelungen. Mit Rücksicht darauf, daß die Beklagten trotz der Rechtskraft der Urteile im Vorprozeß gegen die Eltern der Streitteile die Angemessenheit der Forderung der Klägerin bestritten hätten, sei darüber ein Sachverständiger vernommen worden, der von denselben Sätzen wie im Vorprozeß ausgegangen, aber für die in Frage kommende Zeit vom 1. Oktober 1940 bis 31. Oktober 1947 nur zu einem Gesamtbetrag von 6720 S (statt 6820 S im Vorprozeß) gekommen sei. Dieser Betrag gebühre der Klägerin gegen die Beklagten, die durch die Übernahme der Landwirtschaft der Eltern den Tatbestand des § 1409 ABGB. hergestellt hätten: Die Naturalzuwendungen der Eltern an die Klägerin seien mit deren Arbeitsleistung nicht im Zusammenhang gestanden. Die Kosten des Vorprozesses, der am 2. Juli 1949 begonnen worden sei, hätten jedoch nicht zugesprochen werden können, da sie erst lange nach der Errichtung des Übergabsvertrages vom 7. Jänner 1949 entstanden seien und die Beklagten nur für Schulden hafteten, die im Zeitpunkt der Übergabe auf dem Vermögen gelastet hätten. Auch die Zinsen hätten erst vom Klagstag an zugesprochen werden können, da nicht hervorgekommen sei, daß die Arbeitslohnforderung der Klägerin den Beklagten in ziffernmäßiger Höhe schon früher bekanntgegeben worden sei.
Infolge Berufung beider Parteien änderte das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es der Klägerin den Klagsbetrag abzüglich 100 S, deren Zuspruch vom Erstgericht rechtskräftig aberkannt worden war, samt Zinsen seit 2. Juli 1949 zuerkannte. Es falle - so führt das Berufungsgericht aus - nicht entscheidend ins Gewicht, daß anläßlich der Ankündigung der Klägerin, eine Entlohnung für ihre Arbeit geltend zu machen, keine ziffernmäßige Höhe genannt worden sei. Denn bei Arbeitsleistungen gebühre, wenn die Höhe der Entlohnung nicht vereinbart sei, ein angemessenes Entgelt. Dies gelte nicht, wie die Beklagten meinten, nur dann, wenn die Dienstleistung als solche ausdrücklich vereinbart worden sei, sondern immer, wenn überhaupt ein Anspruch auf Entlohnung bestehe, also auch dann, wenn, wie im vorliegenden Fall, im Hinblick auf die besonderen Umstände ein Kind für die Arbeit im elterlichen Betrieb eine Entlohnung beanspruchen könne. Wie das Erstgericht richtig erkannt habe, hätten die Beklagten als Geschwister der Klägerin von den Umständen Kenntnis gehabt oder bei gehöriger Aufmerksamkeit haben müssen, welche die Klägerin berechtigten, eine Entlohnung von ihren Eltern zu begehren. Sie hätten auch erkennen können, daß die Klägerin gewillt sei, ihren Lohnanspruch geltend zu machen. Daß im Wohnort der Beteiligten bisher noch kein derartiger Fall einer Entlohnung vorgekommen sei, falle nicht entscheidend ins Gewicht, weil die Beklagten mit Rücksicht auf die Erklärung der Klägerin bei der Zusammenkunft in der Kanzlei des Dr. K. allen Anlaß gehabt hätten, sich bei rechtskundigen Personen darüber belehren zu lassen, ob unter den Umständen, wie sie hier vorlägen, ein Kind von seinen Eltern eine Entlohnung für seine Arbeit verlangen könne. Für die Haftung nach § 1409 ABGB. genüge es, wenn die Schuld wenigstens dem Gründe nach bei der tatsächlichen Übergabe als zugehörig vorhanden sei. Wenn die Beklagten die Klägerin wegen der bestehenden Feindschaft, nicht hätten fragen wollen, hätten sie sich an deren Rechtsanwalt wenden können. Das Vorbringen der Beklagten in der Berufungsschrift, die Forderung der Klägerin sei nach § 1486 Z. 5 ABGB. verjährt, sei unbeachtlich, weil in der ersten Instanz die Einrede der Verjährung nicht erhoben worden sei. Was die Höhe der Entlohnung betreffe, sei das im Vorprozeß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien gegen die Eltern ergangene Urteil für den Anspruch nach § 1409 ABGB. nicht bindend. Allein das vorliegende Verfahren habe keine wesentlich neuen Gesichtspunkte gebracht, die zu einer anderen Beurteilung hätten führen können. Die Ansicht des Erstgerichtes, daß die Beklagten als Übernehmer nach § 1409 ABGB. für die Kosten des Vorprozesses und für die vor der Einbringung der vorliegenden Klage aufgelaufenen Zinsen nicht hafteten, sei hingegen abzulehnen. Die Beklagten seien nämlich auch für die im Vorprozeß zugesprochenen Kosten und Zinsen haftbar, weil es sich dabei um Nebengebühren der Hauptschuld im Sinne des § 912 ABGB. handle.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten teilweise Folge und änderte das Urteil des Berufungsgerichtes dahin ab, daß der Klägerin 6720 S zugesprochen wurden und das Mehrbegehren von 4157 S 32 g abgewiesen wurde.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Beklagten vertreten die Rechtsansicht, daß die Kleinlandwirtschaft, die sie mit dem Übergabsvertrag vom 7. Jänner 1949 von ihren und der Klägerin Eltern erlangt haben, weder als Vermögen noch als Unternehmen im Sinne des § 1409 ABGB. angesehen werden könne. Es handle sich nämlich nur um eine Liegenschaft und um ein Haus. Dieser Meinung vermag der Oberste Gerichtshof nicht beizupflichten. Bauerngüter sind, auch wenn sie klein sind und keine umfangreichen landwirtschaftlichen Grundstücke umfassen, Einrichtungen, die der Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte und deren Verwertung dienen. Zu diesem Zweck müssen Geräte angeschafft, Arbeitskräfte eingesetzt und viele andere einschlägige Vorkehrungen getroffen werden, damit der Betrieb der Landwirtschaft aufrechterhalten, werden kann. Das Bauernhaus und die Liegenschaften sind die wesentliche Grundlage für diesen Betrieb, der als organisierte Erwerbsgelegenheit und daher auch als Unternehmen im Sinne des § 1409 ABGB. anzusehen ist (vgl. Wellacher, Die Schuldenhaftung des Übernehmers beim Übergange von Vermögen und Unternehmungen, S. 44, 54 Anm. 199; Klang, § 1409 ABGB. in der Rechtsübung, JBl. 1948 S. 437; SZ. XVI 108). Dadurch, daß die Beklagten die Kleinlandwirtschaft ihrer Eltern übernommen haben, ist das bestehende Unternehmen auf sie übertragen worden, und sie haften nach § 1409 ABGB. den Gläubigern ihrer Eltern, soweit die Forderungen, wie etwa die der Klägerin, zum landwirtschaftlichen Betrieb gehören.
Nach den Feststellungen der Untergerichte wurde ein Jahr vor der Errichtung des Übergabsvertrages vom 7. Jänner 1949 in der Kanzlei des Rechtsanwaltes Dr. K. zwischen dem Vater der Streitteile und dem Erstbeklagten sowie dem Gatten der Zweitbeklagten über die Zuhaltung der Übergabe der Landwirtschaft an die Klägerin, und für den Fall der Verweigerung über die Geltendmachung von Lohnansprüchen der Klägerin gesprochen. Es wurde von den Untergerichten auch als unzweifelhaft angesehen, daß der Zweitbeklagten von ihrem Gatten über das Ergebnis der Besprechung berichtet wurde. Die Beklagten waren daher noch vor dem Abschluß des Übergabsvertrages in Kenntnis, daß die Klägerin für ihre Arbeit auf dem elterlichen Hof Ansprüche stellen werde. Davon, daß die Forderung der Klägerin nach den Umständen nicht ernst zu nehmen gewesen sei, kann nicht die Rede sein.
Wenn sich die Beklagten nicht im klaren waren, mit welcher Forderung sie zu rechnen hätten, konnten sie sich beim Rechtsanwalt oder etwa beim Bürgermeister erkundigen, welcher Geldlohn für eine Magd in Frage kam. Der Umstand, daß in der Kriegs- und Nachkriegszeit die Naturalleistungen bei der Lohnzahlung eine besondere Rolle gespielt haben mögen, war kein Hindernis, den annähernden Wert dieser Leistungen in Geld auszudrücken.
Die Beklagten halten für besonders bedeutungsvoll, daß die Eltern - wie sie meinen - triftige Gründe gehabt hätten, die Landwirtschaft nicht der Klägerin, sondern den Beklagten zu übergeben. Die Eltern seien nämlich von der Klägerin ständig beschimpft, bedroht, mißhandelt und mit Klagen verfolgt worden, so daß ihr Ausgedinge bei der Klägerin nicht gesichert gewesen wäre. Die Frage indessen, welche Gründe die Eltern der Streitteile bewogen haben, von ihrem früheren Plan abzugehen und die Liegenschaft den Beklagten zu übergeben, braucht nicht erörtert zu werden. Selbst wenn nämlich die Klägerin zum Widerruf der elterlichen Zusage Anlaß gegeben haben sollte, hätte sie dadurch zwar ihren Anspruch auf Übergabe verwirkt, sie könnte sich aber trotzdem darauf berufen, daß sie nur im Hinblick auf die versprochene Übergabe jahrelang die Dienste einer Magd auf dem elterlichen Anwesen verrichtet habe und dafür ebenso wie ein aus seinem Verschulden entlassener Dienstnehmer entlohnt werden müsse.
Was die angebliche Verjährung der Forderung der Klägerin gegen ihre Eltern betrifft, könnten sich die Beklagten auf sie nur dann berufen, wenn sie die Einrede bis zum Schluß der Verhandlung erster Instanz erhoben hätten. Die Möglichkeit, die Verjährung von Amts wegen zu berücksichtigen, schließt § 1501 ABGB. in jeder Hinsicht aus. Auch wenn es richtig ist, wie Wellacher a. a. O. S. 28 annimmt, daß die Verjährung zugunsten des Übernehmers selbst dann wirke, wenn der Übergeber die Einrede der Verjährung unterlassen haben sollte, wäre jedenfalls Voraussetzung, daß der Übernehmer seinerseits die Einrede rechtzeitig erhoben hat. Dies haben die Beklagten aber unterlassen. Die Forderung der Klägerin ist übrigens erst mit dem Eintritt der Unmöglichkeit einer Übergabe an sie, somit im Zeitpunkt, als der Übergabsvertrag mit den Beklagten am 7. Jänner 1949 zustandegekommen ist, wenn auch mit rückwirkender Kraft, existent geworden. Es ist nicht abzusehen, warum sie verjährt sein sollte, obwohl die Klägerin ihre Klage gegen die Eltern bereits am 2. Juli 1949 eingebracht hat. Im Vorprozeß hat die Einrede der Verjährung auch nicht zum Erfolg geführt.
Aus den angestellten rechtlichen Erwägungen ergibt sich, daß die Beklagten grundsätzlich verpflichtet sind, den Lohnanspruch der Klägerin zu befriedigen. Er beläuft sich nach den Feststellungen der Untergerichte auf Grund der Beweisergebnisse auf 6720 S. Dieser Betrag ist ebenso wie die Zinsen ab 2. Juli 1949 der Klägerin mit Recht zuerkannt worden. Gegen den Zinsenzuspruch wenden die Beklagten ein, daß die Zinsen zwar Nebengebühre der Hauptschuld, zur Zeit der Errichtung des Übergabsvertrages aber noch nicht entstanden gewesen seien. Es ist zwar richtig, daß die Klägerin den Rechtsstreit gegen ihre Eltern erst ein halbes Jahr nach der Übergabe am 2. Juli 1949 begonnen hat und daß ihr die Zinsen ab 2. Juli 1949 nebst dem Kapital erst mit den Urteilen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. September 1953 und des Oberlandesgerichtes Wien vom 26. Jänner 1954 zugesprochen worden sind. Der Zinsenanspruch ist aber nicht erst durch die Urteile entstanden, sondern durch sie bloß in seinem Bestand festgestellt worden. Mit der Fälligkeit des Lohnanspruches der Klägerin am Tag der Übergabe der Liegenschaft an die Beklagten ist die Verzinsungsverpflichtung der Eltern kraft Gesetzes (§ 1333 ABGB.) entstanden und nach § 1409 ABGB. auf die Beklagten, die auch ihrerseits die Zahlung in Kenntnis der ungefähren Höhe unterlassen haben, übergegangen.
Anders steht es nur hinsichtlich der Kosten des Vorprozesses. Zur Zeit des Abschlusses des Übergabsvertrages vom 7. Jänner 1949 bestand eine Kostenforderung der Klägerin gegen die Übergeber der Liegenschaft noch nicht. Das Argument des Berufungsgerichtes, Kosten seien Nebengebühren der Hauptschuld und müßten daher nach § 912 ABGB. auch bei der Haftung nach § 1409 ABGB. berücksichtigt werden, scheint dem Obersten Gerichtshof nicht überzeugend zu sein. Mit dem Entstehen der Verpflichtung der Beklagten nach § 1409 ABGB. ist nämlich die bis dahin nur die Übergeber treffende Schuld in eine Solidarschuld der Übergeber und der Übernehmer umgewandelt worden, die in ihrem weiteren Schicksal insofern nicht gleichlaufend ist, als Veränderungen der Schuld, die sich nur in der Person des einen Solidarschuldners ereignen, auf den anderen keine Wirkung haben. Ähnlich wie etwa der Bürge, abgesehen vom Fall der Einrede der Vorausklage gegen den Hauptschuldner, für die gegen diesen auflaufenden Prozeßkosten nicht haftet (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. II/1 S. 116; Klang 2. Aufl. VI 220), kann gewöhnlich auch der Solidarschuldner zum Ersatz der nur den Mitschuldner betreffenden Prozeßkosten nicht herangezogen werden (a. M. anscheinend Wellacher a. a. O. S. 60). In der Entscheidung ZBl. 1928 Nr. 265 handelte es sich um den Fall, daß zur Zeit der Übernahme des Unternehmens die übernommene Forderung bereits streitverfangen war und daher immerhin gesagt werden konnte, die übernommene Forderung sei schon mit dem Prozeßkostenrisiko belastet gewesen. Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu, und der Solidarschuldner kann dafür, daß nicht er vom Gläubiger in Anspruch genommen worden ist und im Rechtsstreit gegen den anderen Kosten aufgelaufen sind, nicht schlechter gestellt werden, als er es zur Zeit der Übergabe war (§ 1407 ABGB.; vgl. Wolff in Klang 2. Aufl. VI 351, 356). Die gegen den anderen Solidarschuldner aufgelaufenen Prozeßkosten können nur als Nebengebühren der Solidarverpflichtung dieses Schuldners angesehen werden (vgl. GlUNF. 2775).
Das Berufungsgericht hätte daher - und nur in dieser Hinsicht erweist sich die Rechtsrüge der Beklagten als gerechtfertigt - der Klägerin die erst- und zweitinstanzlichen Kosten des Vorprozesses in der Höhe von 4057 S 32 g nicht zusprechen dürfen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)