Spruch:
Auch der Verrechnungsscheck ist ein zum Umlauf bestimmtes Wertpapier. Der Inhaber kann den Scheck einem Dritten verkaufen und sich dadurch den Gegenwert in bar verschaffen. Das Verrechnungsgebot richtet sich nur an die bezogene Bank,nicht aber an einen Zwischenpartner
"Irgendwie abhanden gekommen" (Art. 21 SchG) ist nur ein Scheck, der unfreiwillig oder zumindest doch ohne rechtswirksamen Begebungsvertrag in andere Hände gelangte
OGH 27. Feber 1974, 1 Ob 31/74 (OLG Wien 1 R 150/73; HG Wien 38 Cg 613/72)
Text
Um den 20. November 1971 übergab die beklagte Partei an Jakob S einen Verrechnungsscheck über 40.000 S, Bezogener war die L-Bank, Zweigstelle Wien-K. Am 29. November 1971 veranlaßte der Geschaftsführer der beklagten Partei Ing. Wolfgang H die Sperre dieses Schecks bei der angewiesenen Bank.
Seit etwa eineinhalb Jahren unterhielt Jakob S damals bei der Zweigstelle Wien-S der E-Sparkasse, bei der er schon seit vielen Jahren Kunde war, ein Kreditkonto, das um den 1. Dezember 1971 einen sich innerhalb des ihm eingeräumten Kreditrahmens bewegenden Debetsaldo von etwa 20.000 S aufwies Auf dieses Konto gingen damals als Einnahmen im wesentlichen nur die Opferfürsorgerenten des Jakob S ein. Am 1. Dezember 1971 reichte Jakob S den von der beklagten Partei ausgestellten Verrechnungsscheck bei der Zweigstelle Wien-S der E-Sparkasse ein und ersuchte sowohl um Gutschrift der Schecksumme auf seinem Kreditkonto als auch um die Erlaubnis, die Schecksumme sofort wieder abheben zu dürfen. Diesem Ersuchen kam der Vorstand der Zweigstelle S Gerhard N nach, ohne sich beim angewiesenen Bankinstitut zu vergewissern, ob dieses den Scheck tatsächlich einlösen werde. Die L-Bank bestätigte am 2. Dezember 1971 auf dem Scheck, daß er an diesem Tag vorgelegt und nicht bezahlt wurde. Sie hat auch in der Folge jegliche Art der Einlösung des Schecks, auch eine solche durch Verrechnung, abgelehnt. Der Kläger hat allfällige Ansprüche der E-Sparkasse aus dem Scheck gemäß § 1422 ABGB eingelöst.
Der Kläger begehrt von der beklagten Partei als Ausstellerin des Schecks (Art. 12, 40 SchG) die Bezahlung von 40.000 S samt Anhang. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach dem zwischen den österreichischen Kreditunternehmungen bestehenden Handelsbrauch sei es üblich, über telephonische Anfrage eines Institutes, dem ein Scheck zur Einlösung übergeben werde, eine verbindliche Erklärung des bezogenen Institutes über die Deckung abzugeben und gegebenenfalls den Gegenwert bis zum Einlangen des Schecks zu sperren. Es bestehe aber kein Handelsbrauch, daß ein Kreditinstitut bei Einlangen eines Verrechnungsschecks bei dem bezogenen Geldinstitut über eine bestehende Deckung nachfrage. Nach den in Wien gepflogenen Bankusancen würden Inhaberschecks mit Verrechnungsklauseln, wenn die Ausstellerunterschrift in Ordnung befunden werde und der Einreicher von einer gewissen Bonität sei, nicht zum Inkasso hereingenommen, sondern angekauft und unter Vorbehalt des Einganges gutgeschrieben. Der Kläger müsse sich gemäß § 1422 ABGB alle Einwendungen, die die beklagte Partei der E-Sparkasse gegenüber vorbringen könne, gefallen lassen. Jeder, der einen Verrechnungsscheck erwerbe, müsse die Berechtigung des Veräußerers ,oberflächlich" prüfen. Ein mit einer Verrechnungsklausel versehener Scheck zeige an, daß er in eine Gefahrenzone gelangt sei. Für den Nehmer eines Verrechnungsschecks bestehe daher Erkündigungspflicht. Die Gutschrift der Schecksumme durch die E-Sparkasse habe eine Kreditgewährung zugunsten des Einreichers des Inhaberschecks dargestellt. Es gehe nicht an, daß ein Kreditinstitut dem Bezieher einer Opferfürsorgerente einen weit über den bestehenden Kreditrahmen hinausreichenden weiteren Kredit mehr oder minder nur auf dem Rücken des Ausstellers des eingereichten Verrechnungsschecks gewähre, ohne bei der bezogenen Bank eine Rückfrage über die Fortdauer der Deckung durchzuführen.
Das Berufungsgericht änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Die Haftung des Ausstellers werde nur durch Art. 21 und 22 SchG eingeschränkt. Art. 38 und 39 SchG enthielten nämlich für einen Verrechnungsscheck nur Vorschriften bezüglich der Art ihrer Einlösung, nicht aber Vorschriften bezüglich einer Prüfungspflicht, die über die Pflicht zur Prüfung bei einem anderen Scheck hinausgehe. Art. 21 SchG sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da beim Einreicher kein fehlerhafter Erwerbsakt vorgelegen sei. Daß die E-Sparkasse bewußt zum Nachteil der beklagten Partei (Art. 22 SchG) gehandelt habe, sei aber nicht einmal behauptet worden. Die L-Bank habe unmißverständlich zu erkennen gegeben, jeglicher Art der Einlösung des Schecks, auch durch Verrechnung, abzulehnen. Jakob S habe nicht bezahlt. Die E-Sparkasse könne daher Rückgriff gegen die beklagte Partei nehmen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der beklagten Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Gemäß Art. 38 Abs 1 SchG kann der Aussteller sowie jeder Inhaber eines Schecks durch den quer über die Vorderseite gesetzten Vermerk "nur zur Verrechnung" oder durch einen gleichbedeutenden Vermerk untersagen, daß der Scheck bar bezahlt wird. Ebenso wie der normale Scheck ist auch der Verrechnungsscheck ein zum Umlauf bestimmtes Wertpapier; der Inhaber ist daher nicht genötigt, den Scheck nur dem Bezogenen zur Einlösung durch Verrechnung vorzulegen. Er kann vielmehr den Scheck auch einem Dritten verkaufen und sich dadurch den Gegenwert in bar verschaffen. Dem steht auch Art. 38 Abs. 4 SchG nicht entgegen, denn das Verrechnungsgebot richtet sich nur an die bezogene Bank (Baumbach - Hefermehl, Wechselgesetz und Scheckgesetz[10], 434 Anm. 8; in diesem Sinne auch SZ 14/99), aber nicht an einen Zwischenerwerber (BGH BGHZ 26, 268). Durch die Beschränkung der Einlösungsart auf den Weg der Gutschrift soll der Gefahr, daß ein Unbefugter den Scheck mißbräuchlich verwendet, vorgebeugt werden. Da aber der Aussteller oder der Inhaber des Schecks dem Zwischenerwerber nichts untersagen kann, ist der Verrechnungsscheck nur ein schwaches Mittel, um den Scheckmißbrauch zu verhüten. Der Nichtberechtigte braucht den Scheck nur an einen Dritten zu verkaufen, der beim Bezogenen ein Konto hat, um das Verrechnungsgebot praktisch bedeutungslos zu machen (Baumbach - Hefermehl a. a. O., 431 Anm. 2; SZ 14/99; Kapfer, Wechsel und Scheck[5], 264 Anm. 6 zu Art. 38 SchG; vgl. Schinnerer, Bankverträge[2] I, Nachtrag 55). Der E-Sparkasse war es also nicht etwa nach Art. 38 SchG verboten, den auf die L-Bank gezogenen Verrechnungsscheck gegen Barzahlung anzukaufen. Wie schon das Erstgericht feststellte, besteht auch kein Handelsbrauch oder Handelsgewohnheitsrecht, daß der Gegenwert eines Verrechnungsschecks überhaupt nicht bar ausgezahlt werden dürfe (BGH BGHZ 26, 268; RG JW 1921, 1365). Selbst beim Bezogenen kann der Inhaber die Schecksumme nach der Gutschrift jederzeit abheben (Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, 129). Der Zweck des Verrechnungsschecks liegt nur darin, einen nichtberechtigten Inhaber leicht feststellbar und daher belangbar zu machen, was den Unredlichen veranlassen soll, den Erwerb solcher Schecks zu unterlassen (Jacobi, Wechsel- und Scheckrecht, 189).
Art. 38 Abs. 1 SchG stellt, wie das Berufungsgericht bereits richtig ausführte, keine besonderen Vorschriften für die Prüfung eines Verrechnungsschecks auf. Es gelten daher auch für den Verrechnungsscheck die Vorschriften der Art. 21 und 22 SchG; es wird nur die Auffassung vertreten, daß man allenfalls schärfere Anforderungen an den gutgläubigen Erwerb stellen müsse (Baumbach - Hefermehl, 431 Anm. 2). Der Ankauf eines Verrechnungsschecks gegen Barzahlung wird als ungewöhnliches Geschäft angesehen, das den Erwerber zur eingehenden Prüfung der Persönlichkeit und der Berechtigung des Veräußerers verpflichtet (BGH BGHZ 26, 268, vgl. auch BGHZ 5.285 und Baumbach - Hefermehl,434 Anm. 8). es ist nur bei der Beurteilung ob grobe Fahrlässigkeit vorliege, den Erfordernissen des Bank- und Scheckverkehrs Rechnung zu tragen (Baumbach - Hefermehl, a. a. O., 437, Anm. 11; Schinnerer, Bankverträge). Eine Prüfungspflicht, deren Verletzung der Ankäufer des Schecks bei grober Fahrlässigkeit zu vertreten hätte, besteht allerdings, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, nur in der Richtung, ob der Scheck dem früheren Inhaber "irgendwie abhanden gekommen" (Art. 21 SchG) sein könnte, denn nur unter dieser Voraussetzung ist grobe Fahrlässigkeit von Bedeutung (Baumbach - Hefermehl, 436, Anm. 10). Das Ungewöhnliche des Geschäftes muß in der Person des Veräußerers liegen (BGH NJW 1952, 819). "Irgendwie abhanden gekommen" ist also nur ein Scheck, der unfreiwillig oder zumindest doch ohne rechtswirksamen Begebungsvertrag in andere Hände gelangte (Baumbach - Hefermehl, 403, Anm. 3), so etwa auch dann, wenn das Veräußerungsgeschäft an dem Mangel der Vertretungsmacht dessen leidet, der das Geschäft vornimmt (BGH BGHZ 26, 268; NJW 1951, 402).
Im vorliegenden Fall war Jakob S, der den Verrechnungsscheck der E-Sparkasse übergab, nun aber derjenige, dem der Verrechnungsscheck von der beklagten Partei als Ausstellerin selbst übergeben worden war. Jakob S war also nicht unrechtmäßig in den Besitz des Schecks gelangt, sondern hätte ihn nach dem bestehenden Innenverhaltnis zur beklagten Partei nur deswegen nicht einlösen dürfen, weil ihn die beklagte Partei in der Folge gesperrt hatte. Auch bei weitester Auslegung des Begriffes kann nun aber unter diesen Voraussetzungen wirklich nicht gesagt werden, der Scheck wäre dem berechtigten Inhaber "irgendwie abhanden gekommen". Diese Meinung vertritt entgegen der Auffassung des Erstgerichtes und der Revision auch Jacobi (192, 198) nicht, der seine zitierten Ausführungen vielmehr unter der Kapitelüberschrift "Schutz gegen Gefahren durch Scheckverlust" macht. Auch er vertritt demgemäß die Auffassung, daß der Aussteller durch den Verrechnungsvermerk nur auf die Möglichkeit aufmerksam mache, daß er durch Übergabe an Dritte in eine Gefahrenzone gebracht wird oder gebracht werden könne. Auch nach Jacobi deutet der Aussteller dem Bezogenen mit dem Verrechnungsvermerk nur an, daß er nicht rücksichtslos dem bloß durch die Innehabung des Schecks Legitimierten leisten, sondern wenigstens oberflächlich dessen Berechtigung prüfen soll. Selbst als Jacobi später die umstrittene und insbesondere auch von der österreichischen Judikatur (SZ 14/99) abgelehnte Anwendung des Art. 38 Abs. 4 SchG, also der Bestimmung über die Haftung des den Vorschriften des Art. 38 Abs. 1 SchG zuwiderhandelnden Bezogenen für entstandene Schäden, auch auf den dritten Erwerber ausdehnen will, meint er noch, daß im Vordergrund der Prüfung nur dessen Identität und Vertrauenswürdigkeit mit dem Ziel, seine Persönlichkeit auch in Zukunft ermitteln zu können, zu stehen habe (187). Jacobi bezeichnet sein Ergebnis dem nach Art. 21 SchG ähnlich und will mit seiner These nur zusätzlich ereichen, daß der Erwerber des Verrechnungsschecks Auskunft darüber geben können muß, von wem er den Verrechnungsscheck erworben habe (198). Die E-Sparkasse wußte aber ohnehin, daß sie von Jakob S, der bei ihr auch ein Konto besaß, erworben hatte.
Liegen demnach die Voraussetzungen für eine Anwendung des Art. 21 SchG nicht vor, hat, wie das Berufungsgericht richtig darlegte, Art. 22 SchG zu gelten, wonach derjenige, der aus dem Scheck in Anspruch genommen wird, dem Inhaber keine Einwendungen entgegensetzen kann, die sich auf seine unmittelbaren Beziehungen zu einem früheren Inhaber grunden, es sei denn, daß der Inhaber beim Erwerb bewußt zum Nachteil des Schuldners gehandelt hat. Die Beklagte Partei hat ein solches Handeln gar nicht behauptet und führt auch die Revision nur dahin aus, der E-Sparkasse sei grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Da eine solche aber nicht ausreicht, um den Rückgriffsanspruch des Klägers aus der Haftung der beklagten Partei als Ausstellerin des Schecks wegen dessen Nichtzahlung abwehren zu können, hat das Berufungsgericht, zumal auch, wie sich aus dem im Akt liegenden Scheck ergibt, die Voraussetzungen des Art. 40 SchG gegeben sind, mit Recht dem Klagebegehren stattgegeben.
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