Spruch:
Wer einem anderen eine Sache widerrechtlich entzogen hat, kann gegen die Klage auf Herausgabe dem Berechtigten nicht einwenden, daß er nicht wisse, wo sich die Sache befinde; lediglich die Unmöglichkeit der Rückstellung kann ihn befreien.
Entscheidung vom 23. April 1952, 1 Ob 298/52.
I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.
Text
Der Kläger behauptet, daß in seinem bei der Erstbeklagten gekauften Morris-Kraftwagen anläßlich einer Reparatur der ursprünglich mitverkaufte Motor MA 46-2.378 ausgebaut und durch einen anderen schlechter funktionierenden gleichartigen Motor mit der Nr. M 2.366 ersetzt worden sei. Er begehrt von der Beklagten die Zurückstellung des ursprünglich gekauften Motors in dem einwandfrei funktionierenden Zustand, in welchem er sich im Herbst 1949 befand durch Einbau in den Kraftwagen. Dem Beklagten wird freigestellt, sich von dieser Verpflichtung durch die Bezahlung eines Betrages von 15.000 S zu befreien. Das ursprünglich gestellte Eventualbegehren, die Beklagten seien für den Fall, als sie nicht in der Lage wären, dem Kläger den Motor zurückzustellen, schuldig, einen Betrag von 15.000 S samt 5% Zinsen vom Klagstag zu bezahlen, wurde im Laufe des Verfahrens fallen gelassen.
Das Erstgericht hat festgestellt, daß in der Werkstätte der Erstbeklagten ein Austausch des Motors stattgefunden hat. Es hat das Klagebegehren aber dennoch mit der Begründung abgewiesen, daß der ausgebaute Motor sich nicht mehr im Besitze der beklagten Partei befindet.
Das Berufungsgericht hat bestätigt. Es geht davon aus, daß zwar dann von einer Unmöglichkeit der Leistung nicht gesprochen werden könnte, wenn das Beweisverfahren ergeben hätte, daß der aus dem Wagen des Klägers ausgebaute Motor an einen bestimmten Dritten weiterveräußert worden ist, weil die Beklagten dann in der Lage gewesen wären, den Motor von dem Dritten wieder zurückzuverlangen. Der Verbleib des Motors sei aber nicht aufgeklärt. Damit sei die Unmöglichkeit der begehrten Leistung dargetan.
Der Oberste Gerichtshof hat der Revision des Klägers Folge gegeben und dem Berufungsgerichte die Sachentscheidung aufgetragen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Kläger begehrt, den Beklagten zu verurteilen, den im Betriebe des Beklagten widerrechtlich ausgebauten Motor zurückzustellen und in den Wagen wieder einzubauen, so daß dieser vollkommen betriebsfähig und einwandfrei funktioniert, wie im Herbst 1949. Die gegenständliche Klage ist weder eine Eigentumsklage, da sich die Klage nicht auf das Eigentum stützt, wenn es auch dasselbe erwähnt, da der Beklagte den widerrechtlich ausgebauten Motor auch dann wieder zurückzustellen und wieder einzubauen hätte, wenn er nicht Eigentum des Klägers wäre, noch eine Schadenersatzklage, da der Kläger weder einen gleichwertigen Motor noch Geld verlangt, sondern eine obligatorische Klage auf Herausgabe einer Sache, die sich der Beklagte widerrechtlich angeeignet hat, vergleichbar der actio furti des römischen Rechtes. Die unteren Instanzen übersehen, daß Rückstellungsklagen auf Grund widerrechtlicher Wegnahme einer Sache keine Eigentumsklagen sind, aber auch keine Ersatzklagen, sondern Klagen auf Herausgabe. Wer einem anderen eine Sache geliehen oder vermietet hat und Rückstellung begehrt, macht weder eine Eigentumsklage noch eine Schadenersatzklage geltend, sondern klagt aus dem Schuldverhältnis, das die Grundlage des Rückstellungsanspruches bildet; im vorliegenden Fall aus der quasideliktischen eigenmächtigen Wegnahme. Wer eine geraubte Sache mit der actio bonorum vi raptorum zurückverlangt, stützt sich nicht auf sein Eigentum, er verlangt keinen Schadenersatz, sondern begehrt einfach Rückgabe der ihm durch Delikt entzogenen Sache.
Wer eine Sache widerrechtlich weggenommen hat, der muß sie zurückgeben und kann nicht einwenden, derjenige, dem er die Sache weggenommen hat, sei nicht Eigentümer oder habe kein dingliches Recht an der Sache. Und das muß auch dann gelten, wenn der Beklagte oder seine Leute einen Motor aus einem Wagen des Klägers widerrechtlich ausgebaut haben. Selbst dann, wenn der Kläger den Motor einem Dritten entwendet hätte, also kein dingliches Recht geltend machen könnte, müßte der Beklagte, der den Motor widerrechtlich ausgebaut hat, den Motor wieder zurückgeben.
Von dieser Rückgabepflicht kann er sich auch nicht durch die Einwendung befreien, er wisse nicht, wo der Motor sei. Er hätte vielmehr behaupten und nachweisen müssen, daß der Motor nicht mehr existiere oder nicht mehr beschafft werden kann. Bloßes Nichtwissen hebt seine Verpflichtung zur Rückstellung nicht auf. Der Kläger kann daher, solange die Unmöglichkeit der Rückstellung nicht dargetan ist, Verurteilung zur Rückstellung begehren. Er trägt dann eben die Gefahr, daß seine Exekutionsführung ergebnislos bleibt und daß er dann noch einen zweiten Prozeß auf Leistung des Interesses wird führen müssen.
Die Begründung der Abweisung des Klagebegehrens durch die Berufungsinstanz ist daher unhaltbar. Da aber der Beklagte in der Berufungsmitteilung die tatsächlichen Feststellungen des Erstrichters angefochten hat und ihn der Umstand, daß er aus Rechtsgrunden den Prozeß in erster Instanz gewonnen hat, nicht von der Anfechtung der tatsächlichen Feststellungen der ersten Instanz ausschließen kann, so war der Klage nicht sofort stattzugeben, sondern das Urteil des Berufungsgerichtes aufzuheben und dem Berufungsgericht die Überprüfung der rechtlichen Beurteilung der tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichtes aufgetragen.
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