OGH 1Ob297/55

OGH1Ob297/5514.9.1955

SZ 28/200

Normen

ABGB §36
ABGB §37
ABGB §870
ABGB §871
ABGB §36
ABGB §37
ABGB §870
ABGB §871

 

Spruch:

Auf Verträge, durch die bestehende Schuldverhältnisse abgeändert werden, ist dasselbe Recht anzuwenden wie auf das bestehende Schuldverhältnis.

Auf die Anfechtung von Verträgen wegen List und ungerechtfertigter Furcht ist dasselbe Recht anzuwenden wie auf das zugrunde liegende Schuldverhältnis.

Entscheidung vom 14. September 1955, 1 Ob 297/55.

I. Instanz: Handelsgericht Wien; II. Instanz: Oberlandesgericht Wien.

Text

Das Erstgericht hat das Klagebegehren, das darauf gestützt wurde, daß der am 31. Oktober 1951 in Istanbul abgeschlossene Vergleich, mit dem der Vertretungsvertrag vom 1. Jänner 1948 aufgelöst worden sei, wegen Zwang und Irreführung nichtig sei, abgewiesen und folgenden Sachverhalt als erwiesen angenommen:

Die klagende Partei, eine in der Türkei im Handelsregister eingetragene Firma, schloß mit der beklagten Partei am 1. Jänner 1948 in Wien einen Generalvertretungsvertrag ab, nach welchem der Klägerin für das gesamte Gebiet der Türkei die Vertretung der Erzeugnisse der beklagten Partei, nämlich Pumpen jeder Art, übertragen wurde und sie die Verpflichtung übernommen hat, keinerlei Konkurrenzfabrikate irgendwelcher Art zu vertreten und zu vertreiben. Die Nichteinhaltung dieser Vereinbarung berechtigte den anderen Vertragspartner, das Vertragsverhältnis sofort aufzulösen. Im Juni oder Juli 1951 hat die beklagte Partei aus Kundenkreisen gerüchteweise erfahren, daß die klagende Partei in Verletzung des obgenannten Konkurrenzverbotes auch die Vertretung der Pumpenfabrik "R. und Sch." in Sch.-G. (Deutschland) seit August 1950 übernommen habe, die ein großes Konkurrenzunternehmen der Beklagten ist. Von den seitens der beklagten Partei nunmehr durchgeführten Erhebungen erfuhr auch die klagende Partei, die daraufhin am 24. August 1951, als sie bereits über ein Jahr die Vertretung der Fa. R. und Sch. übertragen erhalten hatte, der beklagten Partei mitteilte, daß eine angeblich selbständige Abteilung ihrer Firma, die die Bezeichnung Burkhard G. & Co., technische Abteilung, führe, ohne Wissen der klagenden Partei mit der Firma Gebrüder R. und Sch. einen Vertretungsvertrag abgeschlossen habe. In einem Brief versuchte die klagende Partei die beklagte Partei zu überzeugen, daß deren Interesse durch die Übernahme der neuen Vertretung keinen Abbruch erleide; das Schreiben schließt mit dem Ausdruck der Hoffnung, daß die Übernahme der Vertretung einer Konkurrenzfabrik seitens ihrer technischen Abteilung den Interessen der beklagten Partei nicht zuwiderlaufe.

Die beklagte Partei nahm aber die durch die Verletzung des Konkurrenzverbotes geschaffene Lage nicht hin, sondern verlangte mit dem Schreiben vom 3. September 1951, daß die Klägerin ihr Vertretungsverhältnis mit der Firma Gebrüder R. und Sch. sofort fristlos löse, widrigenfalls sie genötigt wäre, das Vertretungsverhältnis ihrerseits sofort zur Auflösung zu bringen. Sie behielt sich die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen und die Einbehaltung von Provisionen vor und erklärte weiters, daß sie sich in diesem Falle auch verpflichtet fühle, die österreichischen Behörden und die Außenstellen in der Türkei, Fachverbände und Firmen, denen vorher Auskünfte über die klagende Partei erteilt wurden, von dem erfolgten Vertragsbruch zu verständigen.

Als mit dem Schreiben vom 3. Oktober 1951 die klagende Partei mitteilte, daß ihre technische Abteilung mit großen Aufträgen für Bewässerungspumpen an die Firma Gebrüder R. und Sch. gebunden und festgestellt worden sei, daß die Pumpen der beklagten Partei sich für den Anschluß an die von der klagenden Partei vertretenen Ferguson-Traktoren nicht so gut eignen, weshalb gebeten werde, die Vertretung auf die Firma Alfred P. zu übertragen, hat dies die beklagte Partei abgelehnt.

Um diese Zustimmung ersuchte die klagende Partei, obwohl sie kurz vorher mit Schreiben vom 11. September 1951 gegenüber der beklagten Partei zur Kenntnis genommen hatte, daß diese mit ihrem Bewässerungsprogramm bald fertig sei. Es lag somit ein schwerer Vertragsbruch auf Seiten der klagenden Partei vor, der die beklagte Partei berechtigt hätte, den Vertrag zur sofortigen Auflösung zu bringen und Schadenersatz zu begehren.

Trotzdem kam es in freundschaftlicher Weise zum Abschluß eines Vergleiches, der in der Notiz vom 31. Oktober 1951 seinen Niederschlag fand.

Darnach wurde der Vertretungsvertrag vom 1. Jänner 1948 mit rückwirkender Kraft in freundschaftlichem Einvernehmen aufgelöst; die noch ausstehenden Provisionen waren von der beklagten Partei nicht zu entrichten, und die klagende Partei verpflichtete sich, der beklagten Partei für die entstandenen Reisespesen und Kosten einen Betrag von 5600 türk. Pfund zu bezahlen. Beiderseits wurde auf jeden wie immer gearteten Schadenersatz verzichtet und erklärt, daß von keiner Seite kreditschädigende Aktionen unternommen würden und man sich im Wettbewerb jeder unfreundlichen Haltung und Äußerung enthalten werde.

Der von der klagenden Partei gesetzte Vertragsbruch und ihre Treulosigkeit gegenüber der beklagten Partei ergibt sich auch aus den Schreiben vom 5. Juli und 14. August 1951, die die klagende Partei an die Firma Gebrüder R. und Sch. gerichtet hat. In dieser Korrespondenz teilte die klagende Partei nicht mit, daß sie einen Generalvertretungsvertrag mit der beklagten Partei abgeschlossen habe, sondern erklärte nur, im Wege der Warenkompensation gelegentlich Geschäfte mit der beklagten Partei abgewickelt zu haben, ja sie bezeichnete in diesem Schreiben die beklagte Partei als ihre Konkurrenz und erwähnte, daß sie Vorschläge der beklagten Partei zur Weiterführung der Geschäfte abgelehnt habe, während in Wahrheit bereits seit 1. Jänner 1948 ein Generalvertretungsvertrag bestand. In dem zweiten Schreiben vom 14. August 1951 brachte die klagende Partei ihre Betrübnis zum Ausdruck, daß die beklagte Partei in einer österreichischen Zeitschrift die klagende Partei als ihre Vertreterin in der Türkei namhaft gemacht habe.

Aus dieser Korrespondenz ergibt sich, daß nicht eine zweite Abteilung der klagenden Firma ohne Wissen der anderen Abteilung einen Vertrag mit der Firma R. und Sch. abgeschlossen hatte und dies dann später loyalerweise mitgeteilt wurde, sondern daß die Klägerin offenbar hoffte, ihre Doppelvertretung weiter treiben zu können.

Bei diesem Doppelspiel und der Treulosigkeit der klagenden Partei hatte die Beklagte das Recht und die Pflicht, die amtlichen Stellen und Fachverbände über diese Unzukömmlichkeiten zu informieren.

Daß die klagende Partei in Kenntnis ihrer Vertragsbrüchigkeit war und sich bemühte, ihr Doppelspiel zu verbergen, geht auch daraus hervor, daß der Direktor der klagenden Partei namens B. anläßlich des Erscheines eines Vertreters der beklagten Partei den Zeugen Franz P. und zwei Kunden ersuchte, in Gesprächen mit dem Vertreter der beklagten Partei über die Firma Gebrüder R. und Sch. zu schweigen.

Tatsächlich hatte die klagende Partei seit 1950 mit der Firma R. und Sch. Umsätze in bedeuten dem Umfang getätigt, die sich auch auf Pumpen bezogen haben, die die beklagte Partei erzeugte, also nicht nur auf Bewässerungspumpen. Die klagende Partei hatte nämlich in ihrem Vertrag mit der Firma R. und Sch. die Vertretung nicht nur von Bewässerungspumpen, sondern von Pumpen ganz allgemeiner Art übernommen.

Daß die beklagte Partei mit der Vertretung hinsichtlich der Bewässerungspumpen einverstanden gewesen sei, sei nach den Feststellungen des Erstgerichtes eine von der klagenden Partei erfundene Behauptung.

Die klagende Partei sei somit weder durch ungerechte und gegrundete Furcht im Sinne des § 870 ABGB. noch durch eine widerrechtliche Drohung zum Abschluß des Vergleiches vom 31. Oktober 1951 veranlaßt worden.

Wenn die beklagte Partei, als sie von dem Doppelspiel der klagenden Partei erfahren habe, die Lösung des Vertretungsverhältnisses mit der Firma R. und Sch. begehrt und bei dieser Gelegenheit mitgeteilt habe, sie würde sich verpflichtet fühlen, die österreichischen Behörden und deren Außenstellen in der Türkei, weiters die Fachverbände und die gesamte Industrie und jene Firmen, über die sie Auskunft gegeben hatte, über das Vorgehen der klagenden Partei zu unterrichten, so liege darin keine rechtswidrige Drohung, da diese Drohung nichts anderes bezwecke, als den anderen Teil zum Ablassen von der Rechtsverletzung und zur Gutmachung des Schadens zu veranlassen.

Was schließlich die Irreführung anlange, die darin gelegen sein solle, daß die Beklagte nach Auflösung des Vertretungsvertrages beabsichtigte, die Vertretung dem damals noch in den Diensten der klagenden Partei stehenden Zeugen Franz P. zu übertragen, so sei auch eine solche Irreführung nicht gegeben. Auf Grund des Beweisverfahrens stehe fest, daß sich der Zeuge Franz P. erst nach Abschluß des Vergleiches vom 31. Oktober 1951 um diese Stelle bei der beklagten Partei beworben habe und weder vor noch bei Abschluß des Vergleiches beabsichtigt war, die Vertretung dem Franz P. zu übertragen.

Der Berufung der klagenden Partei gab das Berufungsgericht Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz.

Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und führte hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung folgendes aus:

Was zunächst die behauptete Arglist anlange, die darin gelegen sein solle, daß die beklagte Partei bei Abschluß des Vergleiches verschwiegen habe, den Sachbearbeiter der Klägerin Franz P. aus Konkurrenzgrunden zur Lösung seines Dienstverhältnisses bei der Klägerin und zur Übernahme der Generalvertretung der beklagten Partei veranlaßt zu haben, werde die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes geteilt, da auf Grund der Feststellungen erwiesen sei, daß weder vor noch bei Abschluß des Vergleiches die Übertragung der Vertretung an Franz P. beabsichtigt gewesen sei und sich dieser erst nach Abschluß des Vergleiches um diese Stelle beworben habe.

Begrundet sei aber die Berufung hinsichtlich des behaupteten Zwanges.

Für die Frage, ob der Vergleich vom 31. Oktober 1951 unter Zwang zustandegekommen sei, müsse zunächst entschieden werden, ob österreichisches oder türkisches Recht zur Anwendung zu kommen habe. Eine Drohung sei nach österreichischem Recht und der Rechtsprechung keine widerrechtliche, wenn durch die Drohung mit einem Übel der Drohende seine berechtigten Interessen wahre. Sei aber die Zufügung eines angedrohten Übels nicht geeignet, den Interessen des Drohenden zu dienen, und solle mit dem Übel ein wirklicher oder vermeintlicher Anspruch nicht durchgesetzt werden, dann liege eine Widerrechtlichkeit der Drohung vor.

Die Durchsetzung des angedrohten Übels, nämlich die Bekanntgabe des Vertragsbruches in den Fachkreisen, sei aber nicht das geeignete Mittel gewesen, um Schadenersatzansprüche durchzusetzen. Möge auch die Beklage berechtigt gewesen sein, den Vertragsbruch den von ihr genannten Stellen mitzuteilen, habe sie jedenfalls das Unterlassen dieser beabsichtigten Maßnahme nicht von einer, auch berechtigten, Gegenleistung abhängig machen dürfen. Nach österreichischem Recht wäre also die Drohung widerrechtlich gewesen.

Demgegenüber bestimme das türkische Recht (übereinstimmend mit dem schweizerischen Obligationenrecht), daß die Furcht vor der Geltendmachung eines Rechtes nur dann berücksichtigt werde, wenn die Notlage des Bedrohten benützt worden sei, um ihm die Einräumung eines übermäßigen Vorteiles abzunötigen. Nach türkischem Recht sei daher in derartigen Fällen der Zwang unbeachtlich, wenn die Summe das Geschuldete nicht erheblich übersteige. Die Frage, ob nun österreichisches oder türkisches Recht zur Anwendung zu kommen habe, müsse in ersterem Sinne bejaht werden.

Möge auch bei den Schuldverhältnissen das Ortsstatut durch das in Österreich anerkannte Wirkungsstatut modifiziert sein, so könne dies nicht für den Fall des § 36 ABGB. gelten.

Wenn ein Ausländer in Österreich ein wechselseitig verbindliches Geschäft mit einem Staatsbürger eingehe, so werde es ohne Ausnahme nach diesem Gesetz beurteilt. Für solche Verträge gelte daher das österreichische Recht. Ausländisches Recht sei nach § 36 ABGB. nur dann zu berücksichtigen, wenn ausdrücklich eine Vertragsbestimmung vereinbart worden sei, die einem ausländischem Recht entspreche, was aber im vorliegenden Falle nicht zutreffe. Es gelte daher für die Beurteilung des Vertretungsvertrages vom 1. Jänner 1948 das österreichische Recht.

Was weiters den Vergleich vom 31. Oktober 1951 anlange, der zwischen den Streitteilen in der Türkei abgeschlossen worden sei, so müsse davon ausgegangen werden, daß das Ortsstatut dann zurücktrete, wenn es sich um eine Änderung bestehender Schuldverhältnisse handle. Sofern sich aus den Absichten der Parteien nichts anderes ergebe, sei ein Vertrag, durch den ein bestehendes Schuldverhältnis abgeändert werde, nach demselben Recht zu beurteilen wie das bestehende Schuldverhältnis. Es habe daher auch in diesem Punkte österreichisches Recht zur Anwendung zu kommen.

Im übrigen müsse geklärt werden, ob der Vertreter der beklagten Partei im Zuge der zum Vergleich vom 31. Oktober 1951 führenden Besprechungen die Vertreter der klagenden Partei zum Abschluß des Vergleiches mit Drohung veranlaßt habe.

Weiters sei das Verfahren insofern mangelhaft geblieben, als nicht erörtert worden sei, ob der Zweck der Drohung der war, den Vertrag mit der Firma R. und Sch. aufzulösen, oder ob dadurch der Vergleich vom 31. Oktober 1951 zustandekommen sollte.

Im ersteren Falle wäre die Drohung nicht ursächlich, weil der Vertretungsvertrag mit R. und Sch. nicht aufgelöst worden sei. Würde sich die Drohung nicht auf den Vergleich vom 31. Oktober 1951 beziehen, dann könnte dem Klagebegehren auch in diesem Belange kein Erfolg beschieden sein.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurse der beklagten Partei nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Klage ist darauf gestützt, daß durch den Inhalt des Briefes vom 3. September 1951, womit für den Fall der Nichtlösung des Vertretungsverhältnisses mit der Firma R. und Sch. die beklagte Partei die Lösung des mit der klagenden Partei bestehenden Vertragsverhältnisses androhte und in Aussicht stellte, daß sie sich verpflichtet fühle, in diesem Falle nicht nur die österreichischen Behörden und Außenstellen in der Türkei, sondern auch die Fachverbände in Österreich und die übrigen Firmen, denen die beklagte Partei Auskunft über die klagende Partei erteilt hatte, vom Vorgehen der klagenden Partei zu unterrichten, es zum Abschluß des Vergleiches gekommen sei, wobei noch anläßlich dieses Abschlusses die obgenannte Drohung neuerlich gebraucht worden sei.

Weiters wurde die Klage darauf gegrundet, daß die beklagte Partei arglistig verschwiegen habe, daß sie den Sachbearbeiter der klagenden Partei Franz P. aus Konkurrenzgrunden zur Lösung des Dienstverhältnisses bei der klagenden Partei und zur Übernahme der Generalvertretung der beklagten Partei veranlaßt habe.

Da nach den Feststellungen der unteren Instanzen erwiesen ist, daß von einer Arglist keine Rede sein kann und es zur Übertragung der Generalvertretung an Franz P. erst nach dem Vergleich vom 31. Oktober 1951 gekommen ist, wird die rechtliche Beurteilung der unteren Instanzen, daß die Klage auf diesen Grund nicht mit Erfolg gestützt werden kann, geteilt.

Hinsichtlich des ersten Klagsgrundes ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, daß eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorliegt, da wohl die Absendung des Briefes vom 3. September 1951 und die darin enthaltene Drohung, wenn die klagende Partei ihren Vertretungsvertrag mit der Firma R. und Sch. nicht löse, geklärt wurde, aber nicht der Umstand, ob anläßlich des Abschlusses des Vergleiches vom 31. Oktober 1951 die Drohung neuerlich gebraucht wurde und es nur unter dieser Drohung zum Abschluß des Vergleiches gekommen ist.

Was die Frage anlangt, ob die im Wortlaut außer Streit stehende Drohung an sich überhaupt widerrechtlich ist, steht der Oberste Gerichtshof in Übereinstimmung mit den Ausführungen Gschnitzers in Klang 2. Aufl. IV 104 ff. auf dem Standpunkt, daß eine Drohung mit einem Übel, durch dessen an sich erlaubte Zufügung der Drohende seine Interessen wahrt, sich als keine ungerechte darstellt.

Eine Widerrechtlichkeit der Drohung ist aber dann gegeben, wenn durch die Zufügung eines an sich erlaubten Mittels nicht die eigenen Interessen gewahrt werden, sondern in Wahrheit bloß mit einem Übel gedroht wird, um den anderen Teil in seinen Interessen zu verletzen.

Werden diese Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt, dann kann die Klage in diesem Punkt, der sich darauf stützt, daß mit der Drohung der Zweck verfolgt wurde, daß die Klägerin den Vertretungsvertrag mit der Firma R. und Sch. löse, kein Erfolg beschieden sein, da abgesehen von dem Fehlen der Ursächlichkeit der Drohung und dem Umstand, daß der Vertrag tatsächlich nicht aufgelöst wurde, die Beklagte mit ihrer Drohung ihre berechtigten Interessen, nämlich die Einhaltung des Konkurrenzverbotes, wahrte.

Wenn die Drohung allein für den Abschluß des Vergleiches vom 31. Oktober 1951 maßgebend war, so erübrigt sich eine rechtliche Stellungnahme, da das Berufungsgericht mit Recht bemängelt hat, daß noch nicht geklärt worden sei, zu welchem Zweck die außer Streit stehende Äußerung gebraucht worden ist. Denn diese Drohung lautet doch dahin, daß von dem Vertragsbruch alle Firmen und Stellen verständigt würden, wenn die Klägerin nicht zu ihrem mit der beklagten Partei abgeschlossenen Vertretungsvertrag stehe und den Vertretungsvertrag mit der Firma R. und Sch. löse. Wie so diese Drohung, wenn sie bei Abschluß des Vergleiches vom 31. Oktober 1951 gefallen sein sollte, die Klägerin zur Auflösung des mit der beklagten Partei bestehenden Vertrages, zum Verzicht auf die Provision und zur Zahlung einer Reisekostenvergütung veranlaßt hätte, wird erst im ergänzenden Verfahren zu klären sein.

Wenn die Rekurswerberin in diesem Zusammenhang rügt, daß das Berufungsgericht gegen die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung das erstrichterliche Urteil deshalb aufgehoben habe, weil der Kläger es unterlassen habe, in diesem Punkt Tatsachen vorzubringen, so kommt auch diesem Vorwurf Berechtigung nicht zu. Daß die Drohung auch bei Abschluß des Vergleiches vom 31. Oktober 1951 gebraucht wurde, behauptete die Klägerin schon in der Klage; es wäre daher Pflicht des Erstgerichtes gewesen, die näheren Umstände im Beweisverfahren zu prüfen.

Hinsichtlich der Frage des anzuwendenden Rechtes vertrat das Berufungsgericht den Standpunkt, daß nach der bisherigen Aktenlage auf den vorliegenden Rechtsstreit österreichisches Recht zur Anwendung zu kommen habe. Diese rechtliche Beurteilung wird geteilt.

Gemäß § 36 ABGB. gilt für wechselseitig verbindliche Verträge, die in Österreich von einem Österreicher mit einem Ausländer abgeschlossen werden, das österreichische Recht (Walker, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. S. 407 ff., Klang 2. Aufl. I 237 ff.), zumal die Parteien nicht behauptet und erwiesen haben, daß sie Bestimmungen des ausländischen Rechtes dem Vertrage zugrunde gelegt haben.

Es wird aber auch in Übereinstimmung mit Walker, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. S. 496 ff., und Raape, Internationales Privatrecht, 3. Aufl. S. 308, der Ansicht des Berufungsgerichtes zugestimmt, daß auch hinsichtlich des Vergleiches vom 31. Oktober 1951, auch wenn die Änderung des Vertretungsvertrages in Istanbul durch eine Drohung veranlaßt wurde, österreichisches Recht zur Anwendung zu kommen hat, da nach herrschender Meinung und Lehre grundsätzlich auf Verträge, durch die bestehende Schuldverhältnisse abgeändert werden, dasselbe Recht anzuwenden ist wie auf das bestehende Schuldverhältnis.

Der von der Rekurswerberin eingenommene Standpunkt, daß in diesem Fall türkisches Recht für die Beurteilung der Nichtigkeit des Vertrages maßgebend sei, kann nicht geteilt werden. Die Unrichtigkeit der Ansicht der Rekurswerberin ergibt sich aus dem Umstand, daß sie die Anfechtung aus der Bestimmung des § 870 ABGB. als einen Anspruch auf Grund einer Deliktsobligation ansieht, was aber unrichtig ist. Denn nach Lehre und Rechtsprechung (Klang 2. Aufl. IV 101) betreffen die Begriffe List und ungerechte Furcht keine deliktische Handlung, sondern stellen sich nur als ein Mangel in der Willenserklärung dar, so daß auf eine unter Zwang zustandegekommene Abänderung eines Vertrages nach internationalem Privatrecht dasselbe Recht anzuwenden ist wie auf das bestehende Schuldverhältnis.

Aus diesen Erwägungen war daher dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte