European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2005:0010OB00296.04T.0315.000
Spruch:
Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.
Text
Begründung
Zur Revision der Beklagten:
Rechtliche Beurteilung
1) Die Ansicht des Berufungsgerichts, es liege kein Verstoß gegen § 405 ZPO vor, da sich schon aus der Klagserzählung die Geltendmachung einer Werklohnforderung ergebe (S 21 der Berufungsentscheidung), ist richtig, stellt aber jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung dar. Die Beurteilung eines Vorbringens dahin, auf welchen Rechtstitel Klagsansprüche gestützt werden, ist grundsätzlich für sich allein keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (9 ObA 291/00k; RIS‑Justiz RS0113563).
2) Mit Schreiben des Beklagtenvertreters vom 14. 8. 2001 (Beilage ./E) hat dieser „auf den Einwand der Verjährung bis drei Monate nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens 2 Cg 150/99y des Landesgerichts Wels verzichtet." Aus der Vorkorrespondenz (Beilage ./D) ergibt sich, dass die Streitteile infolge Aufrechnung des Schadenersatzanspruchs der Beklagten mit der Werklohnforderung der Klägerin und „Weiterverrechnung" durch Aufrechnung seitens der Klägerin mit dem Werklohn deren Erfüllungsgehilfin (H***** GmbH) offenbar davon ausgingen, dass damit zunächst die jeweiligen Ansprüche auf Werklohn getilgt worden seien. Sie gingen ferner davon aus, dass - sollte das Verfahren vor dem Landesgericht Wels eine andere Verschuldensteilung erbringen und die Aufrechnung sich (teilweise) als ungerechtfertigt herausstellen - die unberichtigt gebliebene Werklohnforderung einen „Regressanspruch" darstelle, weil der „weiterverrechnete" Schadenersatzanspruch wieder „zurückzuverrechnen" sei. Die unberichtigt gebliebene Forderung der Klägerin - wie auch immer sie von den Parteien bezeichnet wurde - sollte also auch nach dem Ende des Verfahrens noch eingefordert werden können (S 22 und 23 der Berufungsentscheidung, S 23 des Ersturteils). Die Annahme eines Verjährungsverzichts hinsichtlich (sämtlicher) restlicher Werklohnforderungen durch das Berufungsgericht ist damit zumindest vertretbar. Auch insofern wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufgezeigt (ÖA 1986,50 ua).
3) Im Vorprozess der H***** GmbH als Klägerin und der M***** GmbH & Co KG als Beklagte (im Folgenden nur „M***** GmbH & Co KG") war die hier Beklagte L***** GmbH Nebenintervenientin auf Seiten der M***** GmbH & Co KG.
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass eine Bindungswirkung für die L***** GmbH hinsichtlich jener sie belastenden Tatsachen, eintritt, die der im Vorprozess vorgenommenen Verschuldensaufteilung zu Grunde lagen, ist in der im Vorprozess ergangenen Entscheidung 6 Ob 276/02k begründet. In dieser Entscheidung wird ausgeführt, dass nach den dortigen Feststellungen die L***** GmbH zwei Drittel an Mitverschulden treffe (S 21 dieser Entscheidung). Wenngleich diese Aufteilung im Verhältnis zwischen der M***** GmbH & Co KG und deren Erfüllungsgehilfin (der H***** GmbH) erfolgte, ist sie zugleich für das Mitverschulden der L***** GmbH (und deren Erfüllungsgehilfen Ing. F*****) gegenüber jenem der M***** GmbH & Co KG maßgebend. Zu diesem Ergebnis gelangte die Entscheidung 6 Ob 276/02k nämlich deshalb, weil ein eigenes Verschulden der M***** GmbH & Co KG am Schadenseintritt nicht vorlag, sondern sich deren Haftung allein aus der mangelhaften Leistung deren Erfüllungsgehilfin (der H***** GmbH) ableitete, an welche sie den Auftrag zur Gänze weiter gegeben hatte (S 15, 18 der Entscheidung 6 Ob 276/02k). Da somit nur zufolge des § 1313a ABGB eine Haftung auf die M***** GmbH & Co KG überbunden wurde, resultiert ungeachtet der Verschiedenheit des materiellen Rechtsverhältnisses eine Bindungswirkung an die der Verschuldensaufteilung zu Grunde liegenden Tatsachen (SZ 70/200, siehe SZ 70/60).
Zu prüfen ist aber weiters, ob die im Vorprozess vorgenommene Verschuldensteilung infolge der Einwendungen der Beklagten aus dem zwischen ihr und der Klägerin bestehenden Werkvertrag abgeändert werden kann, bzw ob sich allenfalls infolge dieser Einwendungen eine Alleinhaftung der Klägerin ergeben könnte.
Vorerst ist festzuhalten, dass diese Einwendungen aus dem Werkvertrag zulässig sind: Zwar besteht der Grundsatz, dass im Folgeprozess derjenige, dem der Streit verkündet worden ist, demjenigen, der den Streit verkündet hat, Einwendungen nicht mehr entgegensetzen darf, die schon im Vorprozess erhoben hätten werden können und die dort für die Entscheidung wesentlich waren (SZ 67/145). Um derartige, im Vorprozess mögliche Einwendungen handelt es sich aber bei jenen aus dem Werkvertrag nicht. Vielmehr hätten diese im Vorprozess „Einwendungen eigenen Rechts" dargestellt, da sie nicht das Verhältnis zwischen den dortigen Hauptparteien (H***** GmbH und M***** GmbH & Co KG) betroffen hätten. Solche Einwendungen waren aber für den Nebenintervenienten ausgeschlossen (Fasching II/12 Rz 4 zu § 19 ZPO mwN). Sie können daher im vorliegenden Prozess erhoben werden.
Die Auslegung der von der Beklagten ins Treffen geführten Punkte 2.01 und 4.01 des Werkvertrags durch das Berufungsgericht (siehe S 24 der Berufungsentscheidung) ist zumindest vertretbar:
Der Vertragspunkt 2.01, der die Überschrift „Allgemeine Auftragsbedingungen" trägt, ist im Zusammenhang mit den übrigen Vertragspunkten nur so zu verstehen, dass der Auftragnehmer bestätigt, sich vor Beginn der beauftragten Arbeiten an Ort und Stelle über deren Art und Umfang sowie eventuelle Besonderheiten ausreichend informiert zu haben, sodass er „aus diesem Titel" - also offenbar bei etwaigen Irrtümern über Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen - keine Forderungen gegen den Auftraggeber erheben kann. Entgegen der Meinung der Revisionswerberin begründet diese Vertragsbestimmung aber keine besondere „Pflicht zur Reaktion" hinsichtlich der konsenslosen Entlüftung. Es bleiben somit die Feststellungen des Vorprozesses maßgeblich, wonach die M***** GmbH & Co KG, die in die Planung und Errichtung der neuen Verteileranlage nicht miteinbezogen war, über die konsenslose Entlüftung nicht informiert sein konnte (siehe S 15 der Entscheidung 6 Ob 276/02k).
Auch der Punkt 4.01 des Werkvertrags (Text siehe Beilage ./1 bzw Seite 15 f des Ersturteils) begründet keine verschuldensunabhängige Haftung für die Folgen des Tausches der Ölpumpe:
Der Tausch der Ölpumpe war vom (ersten) Werkauftrag nicht umfasst; die Ölpumpe wurde erst nach Beendigung und Abnahme dieser Arbeiten - ohne jeden Zusammenhang mit diesen - schadhaft. Nur der erste Werkauftrag war aber Gegenstand der Garantieerklärung; für den Austausch der Ölpumpe gab die Klägerin keine weitere Garantieerklärung ab. Sie war anlässlich dieser geringfügigen Reparatur auch nicht zu einer Überprüfung gesamten Heizungsanlage verpflichtet. Dem Umstand, dass bei der Subunternehmerin der Klägerin (der H***** GmbH) bei der Erfüllung des ersten Werkauftrags die weiteren schadensverursachenden Faktoren, nämlich der deaktivierte Niveauschalter und die konsenslose Entlüftung, hätte auffallen müssen, wird ohnedies dadurch Rechnung getragen, dass sich die Klägerin das diesbezügliche Mitverschulden der H***** GmbH zurechnen lassen muss.
Auch aus Punkt 4.01 des Werkvertrags lässt sich also keine verschuldensunabhängige Haftung der Klägerin für sämtliche Folgen „des Ölschadens" ableiten. Eine krasse Fehlbeurteilung der in diesem Sinn erfolgten Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht liegt nicht vor.
Somit bleiben im „direkten" Verhältnis zwischen den Streitteilen die Tatsachenfeststellungen des Vorprozesses bindend und hat es bei der vom Obersten Gerichtshof auf deren Grundlage vorgenommenen Verschuldensteilung von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten zu bleiben.
Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist infolge Einzelfallbezogenheit der Vertragsauslegung zu verneinen (Kodek in Rechberger, ZPO2, Rz 4 zu § 502 mwN).
zu 4) Das Berufungsgericht hat - nach Erledigung der diesbezüglichen Tatsachenrüge beider Parteien - seiner Entscheidung zu Grunde gelegt, dass die Klägerin von ihrem offenen restlichen Werklohn in Höhe von S 2,391.544,71 bereits den von der H***** GmbH zu tragenden Schadensanteil in Höhe von S 779.762,90 in Abzug gebracht hat (siehe S 12 und 13 der Berufungsentscheidung). Dies übersieht die Revisionswerberin, wenn sie vermeint, dass von den eingeklagten EUR 164.578,94 nochmals ein „Mitverschuldensabzug" von einem Drittel (= EUR 54.859,64) vorzunehmen wäre und sich der Verjährungsverzicht nur auf die dann noch verbleibende Forderung in Höhe von EUR 109.719,29 beziehen könnte.
Zusammenfassend zeigt die Revision der Beklagten keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.
Zur Revision der Klägerin:
1) Ein Schadenersatzanspruch wegen Verletzung einer vorprozessualen Mitwirkungspflicht an der Schadensfeststellung durch die Beklagte steht nicht zu. Da die Streitteile wechselseitig Ansprüche behaupteten, kann nicht verlangt werden, dass die Beklagte unter Zurückstellung eigener Interessen der Klägerin Informationen zur Verfügung stellte, soweit diese ihre Rechtsposition gegen die Beklagte und im Vorprozess Nebenintervenientin verbessern könnte. Sie trifft daher keine Verpflichtung, sich an den Kosten des beigezogen Sachverständigen zu beteiligen. Ebensowenig war sie verpflichtet, an Vergleichsgesprächen teilzunehmen oder gar einen Vergleich zu schließen.
Was den Vorwurf betrifft, die Beklagte hätte auch im Vorprozess nicht den Standpunkt einnehmen dürfen, es treffe sie kein Verschulden, ist auszuführen, dass sie in diesem Verfahren als Nebenintervenientin einen identen Rechtsstandpunkt wie die Hauptpartei (hier: Klägerin) vertrat. Dies führte übrigens dazu, dass in erster Instanz die Klage zunächst abgewiesen wurde. Entgegen dem Prozessvorbringen der Hauptpartei hätte die Beklagte in diesem Rechtsstreit als Nebenintervenientin kein Verschulden anerkennen können (Fasching, Lehrbuch2, Rz 404). Die Vernachlässigung der prozessualen Beistandspflicht hätte außerdem Schadenersatzansprüche und einen Einwendungsausschluss im Folgeprozess nach sich ziehen können (5 Ob 214/01h = RdW 2003, 407).
Den Revisionsausführungen ist zudem entgegenzuhalten, dass grundsätzlich nur der Regresspflichtige, der der Aufforderung zur Nebenintervention nicht Folge leistet und damit dem im Vorverfahren belangten Mitschuldner die Klärung des gegen beide Schuldner bestehenden Anspruchs des Geschädigten überlässt, den seinem Mitschuldner entstandenen Prozesskostenaufwand zu ersetzen hat (JBl 2000, 36; RIS‑Justiz RS0109200). Dieser Grundsatz wurde nicht nur in den Fällen des Rückgriffs eines Solidarschuldners, sondern auch auf den Rückgriff eines im Vorprozess Haftpflichtigen gegen seinen Erfüllungsgehilfen angewendet (ecolex 2000, 102). Keine dieser beiden Konstellationen liegt jedoch vor, vielmehr standen die nunmehrigen Streitteile einander von Anfang an im Verhältnis Auftraggeber und Generalunternehmer gegenüber. Außerdem ist die hier Beklagte im Vorprozess als Nebenintervenientin beigetreten, sodass die Prozesskosten eben nicht als typische Folge der unterlassenen Streithilfe zu qualifizieren sind (siehe SZ 70/200; SZ 70/241; EvBl 2001/111).
Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe weder in ihrem vorprozessualen noch in ihrem prozessualen Verhalten rechtswidrige Handlungen gesetzt, weswegen ein Schadenersatzanspruch weder für vorprozessuale noch für Verfahrenskosten zustehe, steht mit der Rechtsprechung im Einklang. Es hat grundsätzlich jeder selbst zu entscheiden, ob er bereit ist, ein Prozesskostenrisiko einzugehen (vgl 1 Ob 218/04x).
2) Grundsätzlich kann die Klägerin den Prozesskostenaufwand, der nicht von der Solidarschuld umfasst ist, aus dem Rechtsgrund des § 1037 ABGB geltend machen (RdW 1999,790). Diese Anspruchsgrundlage scheidet aber aus, wenn der für die Verfolgung fremder Interessen gemachte Aufwand von der eigenen Sphäre des Geschäftsführers nicht trennbar ist (RdW 2003, 259).
Soweit die Klägerin vorbringt, sie habe den Vorprozess im Interesse der Beklagten geführt, übersieht sie, dass für sie der Vorprozess vor allem den wesentlichen Nutzen hatte, eigene Ansprüche aus einem gesonderten und direkt zur Beklagten bestehenden Rechtsverhältnis (Werklohnvereinbarung) auf gesicherter Basis durchsetzen zu können. Im Vorverfahren konnte die Klägerin sie betreffende strittige Forderungen klären. Allein die sich aufgrund des Vorverfahrens ergebende Bindungswirkung kann den für die Anwendung des § 1037 ABGB erforderlichen klaren und überwiegenden Vorteil nicht begründen (vgl RdW 2003, 259; 3 Ob 313/01b = RdW 2003, 433).
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der (auch) in Verfolgung der Interessen der Klägerin getätigte Aufwand von deren eigenen Sphäre nicht trennbar sei, weswegen die Anspruchsgrundlage nach § 1037 ABGB ausscheide, ist logisch einwandfrei. Eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist nicht erkennbar.
Auch die Revision der Klägerin ist mangels Vorliegens der Vorraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.
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