OGH 1Ob2/96

OGH1Ob2/9611.3.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Karl B*****, und 2. Veronika B*****, beide ***** vertreten durch Dr.Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 300.000,-- sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 16.November 1995, GZ 1 R 234/95-12, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Wels vom 11.September 1995, GZ 4 Cg 47/95-8, aufgehoben und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Prozeßkosten.

Text

Begründung

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer mehrerer an die T***** grenzender Grundstücke. Mit Bescheid vom 18.7.1952 erteilte die oberösterreichische Landesregierung der Landesstraßenverwaltung die Bewilligung zum Neubau der B***** Landesstraße, Baulos "B*****", unter der Bedingung, daß bestimmte in einer Niederschrift festgehaltene amtliche Vorschreibungen erfüllt werden. Mit Bescheid vom 28.7.1952 erteilte die Bezirkshauptmannschaft G***** über Ansuchen der Landesbaudirektion des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung die wasserrechtliche Bewilligung zum Neubau einer Brücke über die T***** im Zuge der Neuerrichtung der B***** Landesstraße. Die Bewilligung wurde mit der Auflage erteilt, daß bestimmte im amtstechnischen Gutachten enthaltene Bedingungen erfüllt werden. Die daraufhin vom Land Oberösterreich errichtete Straße wurde samt der Brücke in späterer Folge mittels Bundesgesetzes zur Bundesstraße erklärt.

Mit Bescheid vom 4.5.1987 stellte die Bezirkshauptmannschaft G***** als Wasserrechtsbehörde fest, daß die T*****brücke und der Straßendamm im Hochwasserabflußbereich der T***** im Zuge der W***** Bundesstraße nicht entsprechend der Bewilligung vom 28.7.1952 ausgeführt worden sei und trug der Republik Österreich-Bundesstraßenverwaltung als Bewilligungsinhaberin auf, die T*****brücke und die Hochwasserdurchlässe im Zuge des Straßendamms so auszuführen, daß die Hochwässer ohne Rückstau abgeführt werden können. Dieser Bescheid wurde unter anderem aufgrund einer Berufung der beklagten Partei vom Landeshauptmann mit Bescheid vom 19.11.1987 behoben und die Angelegenheit zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und neuerlichen Bescheiderlassung an die Behörde erster Instanz zurückverwiesen. Ein weiterer Bescheid wurde von der Behörde erster Instanz bisher nicht erlassen.

Die Kläger begehrten die Verurteilung der beklagten Partei zum Ersatz ihres mit S 300.000,-- bezifferten Schadens und brachten vor, im Frühjahr 1994 sei die Hochwasser führende T***** aus ihren Ufern getreten, habe die Grundstücke der Kläger überschwemmt und dabei den geltend gemachten Schaden angerichtet. Als Ursache für die Überschwemmung sei der "mangelnde Hochwasserabfluß" anzusehen, weil "die T*****brücke und der Straßendamm im Hochwasserabflußbereich der T***** nicht entsprechend der Bewilligung der Bezirkshauptmannschaft G***** vom 28.7.1952 ausgeführt" worden seien. Die beklagte Partei sei als Eigentümerin der Brücke und des Straßendammes im Hochwasserabflußbereich sowie als Inhaberin der wasserrechtlichen Bewilligung vom 28.7.1952 für die ordnungsgemäße Ausführung der Brücke und der Hochwasserdurchlässe im Straßendamm verantwortlich und verpflichtet, den Bau so auszuführen, daß die Hochwässer rückstaufrei abgeführt werden könnten. Sie habe die ihr mit Bescheid vom 28.7.1952 auferlegten Bedingungen (Herstellung entsprechender Durchlässe) nicht erfüllt. Darauf habe die Bezirkshauptmannschaft G***** im Bescheid vom 4.5.1987 ausdrücklich hingewiesen. Bei der von der Bezirksverwaltungsbehörde am 16.4.1987 durchgeführten Verhandlung habe die Marktgemeinde W***** vorgebracht, daß seit dem Bau der Straße bei Hochwässern ein starker Rückstau entstehe. Von der Wasserrechtsbehörde sei mittels Aktenvermerks festgehalten worden, daß der Straßendamm nicht entsprechend den Auflagen des Bewilligungsbescheides ausgeführt worden sei. Der Bau der Brücke sei gegenüber den Einreichplänen um 52 cm zu niedrig ausgeführt worden. Durch die Nichteinhaltung der ihr obliegenden Verpflichtungen habe die beklagte Partei im Jahre 1994 rechtswidrig und schuldhaft den dadurch den Klägern entstandenen Schaden verursacht.

Die beklagte Partei wendete ein, ihren mit Bescheid vom 28.7.1952 auferlegten Verpflichtungen nachgekommen zu sein. Selbst bei Verletzung dieser Pflichten habe sie die Schäden der Kläger aber nicht schuldhaft veranlaßt. Die Hochwasserabflußverhältnisse seien im fraglichen Bereich durch Einbauten Dritter beeinflußt worden. Die seit Jahrzehnten gleichartige Hochwassersituation sei den Klägern seit vielen Jahren bekannt, und die von ihnen nunmehr geltend gemachten Schäden seien daher ebenfalls seit vielen Jahren voraussehbar gewesen. Mangels Sicherung ihres Ersatzanspruches mittels Feststellungsklage sei der geltend gemachte Anspruch verjährt, es sei aber auch die absolute Verjährungszeit abgelaufen, weil der hier relevante Bescheid bereits aus dem Jahre 1952 stamme. Die beklagte Partei sei nicht passiv klagslegitimiert, weil sie die T*****brücke nicht errichtet habe; die Auflagen des Bescheids vom 28.7.1952 seien nur für den Errichter dieser Brücke verbindlich.

Dagegen replizierten die Kläger, daß die beklagte Partei als Rechtsnachfolgerin des seinerzeitigen Bewilligungswerbers verpflichtet sei, die Auflagen einzuhalten bzw. zu erfüllen. Sie habe sohin auch eine mangelhafte Haltung und Nutzung der das Hochwasser verursachenden Baulichkeiten zu verantworten.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die beklagte Partei habe die Brücke nicht errichtet und es bestehe kein rechtsgültiger Bescheid, der sie als Rechtsnachfolgerin des Landes Oberösterreich verpflichtet, erteilte bzw. nicht eingehaltene Auflagen zu erfüllen. Überdies sei zum Bescheid vom 28.7.1952 die absolute Verjährungszeit bereits abgelaufen.

Das Gericht zweiter Instanz gab der von den Klägern erhobenen Berufung Folge, hob das Urteil erster Instanz auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof wurde für zulässig erklärt. Auf den Haftungstatbestand nach § 1319a ABGB könnten die Kläger ihr Begehren nicht stützen; ob eine nachbarrechtliche Haftung der beklagten Partei im Sinne der §§ 364 f ABGB bestehe, könne mangels Relevierung dieser Frage auf sich beruhen. T*****brücke und Straßendamm stünden im Eigentum der beklagten Partei, weshalb deren passive Klagslegitimation zu bejahen sei. Die T*****brücke stelle eine Wasseranlage dar, zu deren Instandhaltung die beklagte Partei gemäß § 50 WRG verpflichtet sei. Die Wasserberechtigten hätten nämlich, sofern keine rechtsgültigen Verpflichtungen anderer bestehen, ihre Wasserbenutzungsanlagen einschließlich der dazugehörigen Kanäle, künstlichen Gerinne, Wasseransammlungen sowie sonstigen Vorrichtungen in dem der Bewilligung entsprechenden Zustand und, wenn dieser nicht erweislich ist, derart zu erhalten und zu bedienen, daß keine Verletzung öffentlicher Interessen oder fremder Rechte stattfinde. Nach den Behauptungen der Kläger seien die im Bescheid aus dem Jahre 1952 enthaltenen Bedingungen bei der Herstellung der Brücke bisher nicht erfüllt worden. Bei Richtigkeit dieser Behauptungen hätte die beklagte Partei ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB übertreten und sei ihre Haftung für allfällige Schäden der Kläger zu bejahen. Die Ansprüche der Kläger seien nicht verjährt. Das Schadensereignis (und damit die Kenntnis des Schadens) sei erst im Frühjahr 1994 eingetreten, die Klage sei im März 1995 und damit innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist überreicht worden. Die kurze Verjährung nach § 1489 erster Satz ABGB werde nicht vor Eintritt des Schadens in Gang gesetzt. Das Erstgericht werde deshalb im fortgesetzten Verfahren die angebotenen Beweise aufzunehmen und Feststellungen über das behauptete schuldhaft rechtswidrige Verhalten von Organen der beklagten Partei zu treffen haben.

Der Rekurs der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerberin ist entgegen ihrem Standpunkt passiv legitimiert: Zwar findet auf Bewilligungen zur Errichtung und Abänderung von Brücken gemäß § 38 WRG die Bestimmung des § 22 WRG, nach der bei allen anderen Wasserbenutzungsrechten als den nicht ortsfesten Wasserbenutzungsanlagen Wasserberechtigter der jeweilige Eigentümer der Betriebsanlage oder Liegenschaft, mit der diese Rechte verbunden sind (arg. "Wasserbenutzungsrechte"), keine Anwendung, Bewilligungen gemäß § 38 WRG sind aber schon nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen "als dingliche Bewilligungen" zu behandeln; dementsprechend treten - kraft Erstreckung der subjektiven Grenzen der Rechtskraft - auf der Seite des Bewilligungsinhabers (sowie auch der Mitbeteiligten) die jeweiligen Rechtsnachfolger in die jeweils gegebene Rechtsstellung ein (Raschauer, WRG § 22 Rz 5). Demnach hat die beklagte Partei als nunmehrige Eigentümerin der Brücke bzw des Dammes für die Einhaltung der Auflagen, die ihrem Rechtsvorgänger im Zusammenhang mit der Bewilligung der Errichtung dieser Wasseranlagen auferlegt wurden, einzustehen.

Nach den Behauptungen der Kläger wurden die Brücke sowie die Hochwasserdurchlässe im Straßendamm nicht in Entsprechung des Bescheids vom 28.7.1952 ausgeführt, seien doch die dort enthaltenen Auflagen und Bedingungen nicht eingehalten worden. Die Brücke sei niedriger als geplant gebaut worden; auch seien ursprünglich vorgefundene Ufersicherungen nicht mehr vorhanden. Mit diesem Vorbringen kamen die Kläger ihrer Pflicht zur Behauptung eines Sachverhalts, aus dem pflichtwidrige Unterlassungen der beklagten Partei abgeleitet werden können, in ausreichendem Maß nach. Sie haben damit vorgebracht, worin sie das schuldhaft rechtswidrige Verhalten der Organe des beklagten Rechtsträgers erblicken. Ob diesen ein solches Verhalten in der Tat vorgeworfen werden kann, wird erst nach Abführung des Beweisverfahrens geklärt werden können.

Wohl trifft die beklagte Partei keine Pflicht zur Erhaltung und Bedienung der Brücke und des Damms gemäß § 50 Abs.1 WRG, weil diese nicht als Wasserbenutzungs-, sondern als sonstige Wasseranlagen zu beurteilen sind; es geht auch nicht darum, inwieweit die beklagte Partei eine Pflicht zur Erhaltung dieser Anlagen (im Sinne des § 50 Abs.6 WRG) trifft, sondern um die Behauptung der Kläger, daß diese Wasseranlagen nicht bescheidkonform errichtet worden seien. Da es sich bei der Bewilligung des Brücken- und Straßenbaudamms - wie schon ausgeführt - um eine "dingliche Bewilligung" handelt, trifft die beklagte Partei als Rechtsnachfolgerin im Eigentum der Grundstücke bzw. Anlagen, auf die sich die Bewilligungen beziehen, die Verpflichtung, diese Wasseranlagen dem Bescheid gemäß auszugestalten, sofern diese vom Rechtsvorgänger nicht ordnungsgemäß hergestellt worden sein sollten. Die beklagte Partei ist somit im vorliegenden Fall nicht etwa nur auf die Verpflichtung zur Verhinderung von Schäden, die durch den Verfall der Anlage entstehen können (§ 50 Abs.6 WRG), beschränkt.

Soweit die beklagte Partei auf ihrem Standpunkt beharrt, das Recht der Kläger sei absolut (also offenbar im Sinne des § 1489 zweiter Satz ABGB) verjährt, weil der Bescheid mit den hier maßgeblichen Auflagen aus dem Jahre 1952 stamme, ist ihr zunächst einmal entgegenzuhalten, daß sich die privatrechtlichen Verjährungsbestimmungen nicht ohne weiteres auf das öffentliche Recht übertragen lassen. Nur soweit in öffentlich-rechtlichen Vorschriften Verjährungsbestimmungen ausdrücklich vorgesehen sind, könnte nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unter Bedachtnahme auf § 7 ABGB auf die Verjährungsvorschriften des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches zurückgegriffen werden (VwSlg 8537 A/1974; 7134 A/1967; 6173 A/1963 uva; Schubert in Rummel, ABGB2 § 1451 Rz 3; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, 451; Gassner in Ermacora/Winkler/Koja/Rill/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht, 146). Für bescheidmäßige Auflagen wasserrechtlicher Art läßt sich die mangelnde Verjährung der Verpflichtung des Bewilligungsinhabers zur Beachtung der darin erteilten Auflagen zwanglos auch aus § 137 Abs.9 WRG ableiten, nach dem bei Errichtung oder Änderung einer Wasseranlage ohne wasserrechtliche Bewilligung die Verjährung von Übertretungen des Wasserrechtsgesetzes erst nach Beendigung des konsenslosen Zustands in Gang gesetzt wird. Dem muß wohl gleichgehalten werden, daß zwar die Bewilligung erteilt, den dabei erteilten Auflagen aber nicht entsprochen wurde (vgl dazu auch Raschauer aaO § 137 Rz 14). Beginnt bei solchen Sachverhalten selbst die Verjährung von Verwaltungsübertretungen erst damit, muß das - soweit Verjährung überhaupt in Betracht käme - wohl umso mehr für die Verpflichtung zur Erfüllung von Auflagen und Bedingungen für die Errichtung der Anlage, die nicht zuletzt dem Schutz der Gesundheit und des Eigentums dienen, gelten. Sollte demnach - was im fortgesetzten Verfahren zu klären sein wird - die beklagte Partei ihrer Verpflichtung zur Beachtung der bescheidmäßigen Bedingungen bzw Auflagen nicht nachgekommen sein, dann ist darin ein fortgesetzes Verhalten und somit ein Dauerdelikt zu erblicken, bei dem mit jeder Schadenszufügung eine neue Verjährung in dem Zeitpunkt in Gang gesetzt wird, in dem diese dem Geschädigten zur Kenntnis gelangt (1 Ob 41, 42/94 ua; Schubert aaO § 1489 Rz 3). Den Feststellungen zufolge ist der Schaden der Kläger im Jahre 1994 eingetreten und deren am 20.3.1995 klageweise geltend gemachter Ersatzanspruch somit nicht verjährt, weil die kurze Verjährung von Ersatzansprüchen nicht vor dem tatsächlichen Eintritt des (Primär-)Schadens zu laufen beginnt (EvBl 1996/11 = ecolex 1996, 91). Das Vorbringen, die Kläger hätten schon 1987 behauptet, daß eine Überschwemmung im Jahre 1982 auf die Nichteinhaltung der Auflagen zurückzuführen sei, ist eine unbeachtliche Neuerung. Da es sich - wie schon ausgeführt - nach den Klagsbehauptungen um eine fortgesetzte Schädigung handelt, ist der Beginn der Verjährungsfrist tatsächlich erst mit dem Schadenseintritt im Jahre 1994 anzusetzen.

Dem Rekurs der beklagten Partei ist nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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