OGH 1Ob295/00i

OGH1Ob295/00i30.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Richard F*****, vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Getrude F*****, vertreten durch Dr. Hugo Haslwanter, Rechtsanwalt in Telfs, wegen 151.600 S sA infolge ordentlicher Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 123.250 S sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 19. September 2000, GZ 1 R 169/00p-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 5. Mai 2000, GZ 17 Cg 51/99p-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil - unter Einschluss seiner mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen und daher unberührt bleibenden Teile - insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Die Klageforderung besteht mit 151.600 S zu Recht.

Die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung von 100.000 S besteht nicht zu Recht.

Die beklagte Partei ist daher schuldig, der klagenden Partei 151.600 S samt 4 % Zinsen seit 3. 3.1999 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Dagegen wird das Klagemehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 8 % Zinsen aus 151.600 S vom 16. 11. 1998 bis 2. 3. 1999 und weitere 4 % Zinsen aus 151.600 S seit 3. 3. 1999 binnen 14 Tagen zu bezahlen, abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 47.759,16 S (darin 7.959,86 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Verfahren 1. und 2. Instanz binnen 14 Tagen zu bezahlen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 8.112 S (darin 1.352 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 23. 3. 1967 die Ehe, der fünf Kinder entsprossen. Diese Ehe wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 27. 8. 1992 aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers geschieden. Schon am 7. 11. 1990 hatte die Beklagte eine Unterhaltsklage gegen den Kläger mit dem Begehren auf Zahlung von 6.000 S monatlich eingebracht. Sie beantragte im Übrigen die Zuerkennung eines einstweiligen Unterhalts in gleicher Höhe bis zur Rechtskraft des Urteils über die Unterhaltsklage. Daraufhin wurden der Beklagten mit Beschluss vom 7. 10. 1991 zusätzlich zu einem schon mit Beschluss vom 31. 3. 1987 im Zusammenhang mit einer früheren Ehescheidungsklage bestimmten monatlichen Provisorialunterhalt von 2.500 S weitere 1.750 S monatlich zuerkannt. Schließlich wurden der Beklagten mit Beschluss vom 2. 4. 1992 noch weitere 680 S monatlich an einstweiligem Unterhalt zugesprochen.

Im Unterhaltsprozess kündigte der (dort beklagte nunmehrige) Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 11. 3. 1994 "ein umfangreiches Vorbringen in Zielrichtung Herabsetzung des Unterhalts, vor allem aber Verwirkung ... und Rückforderung für die Vergangenheit" an. Konkretes Vorbringen wurde sodann mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 9. 3. 1995 vorgetragenen Schriftsatz vom 6. 3. 1995 (Einlangen - ON 103) auch erstattet. Unter anderem wurde behauptet, dass eine anonyme Anzeige der nunmehrigen Beklagten bei der Finanzstrafbehörde gegen den Kläger "hochgradig wahrscheinlich" sei. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 18. 1. 1996 vorgetragenen Schriftsatz vom 11. 1. 1998 (Einlangen - ON 118) berief sich der Kläger zur behaupteten Unterhaltsverwirkung noch auf einen Vorfall am 3. 11. 1995 (vorsätzliche Körperverletzung durch die Beklagte). Die bisherigen Prozessbehauptungen diesem Thema wurden schließlich in der mündlichen Verhandlung vom 16. 10. 1996 (ON 136 S. 5) unter Schilderung eines Vorfalls im Jänner 1996 ("Fotodiebstahl") ergänzt und im Schriftsatz vom 7. 11. 1996 (Einlangen - ON 137) präzisiert. Darin wurde überdies zu Behauptungen der Beklagten im Zusammenhang mit einer Wohnbauförderung an den Kläger näher Stellung genommen.

Mit Urteil vom 29. 10. 1997 wurde der Kläger im Unterhaltsprozess verurteilt, der Beklagten einen monatlichen Unterhalt von 4.930 S vom 1. 12. 1990 bis einschließlich 30. 9. 1991 und von 5.760 S vom 1. 10. 1991 bis 31. 10. 1995 zu zahlen. Das Klagemehrbegehren für die zuvor bezeichneten Perioden (Differenzbeträge auf 6.000 S) und das gesamte Unterhaltsbegehren ab 1. 11. 1995 wurden abgewiesen. Die Klageabweisung für die Zeit ab 1. 11. 1995 wurde mit Anspruchsverwirkung begründet. Die Beklagte habe ihren geschiedenen Ehegatten in der zweiten Jahreshälfte 1993 wegen "Pfuscharbeiten" anonym bei der Finanzbehörde angezeigt, mit Schreiben an die Tiroler Landesregierung vom 28. 5. 1993 und vom 9. 6. 1993 die Gewährung einer Wohnbauförderung an ihn für eine neu erworbene Eigentumswohnung verhindern wollen, ihm am 3. 11. 1995 vorsätzlich eine Körperverletzung zugefügt und am 23. 1. 1996 zu Beweiszwecken angefertigte Lichtbilder entwendet. Die Körperverletzung rechtfertige in Verbindung mit den anderen Verfehlungen der Beklagten die Verwirkung deren Unterhaltsanspruchs.

Im Detail wurde festgestellt: Gegen den Kläger gingen in der zweiten Jahreshälfte 1993 bei der Finanzbehörde mehrere anonyme Anzeigen ein; zumindest eine davon stammte von der Beklagten. Ein daraufhin eingeleitetes Finanzstrafverfahren gegen den Kläger wurde im August 1996 eingestellt. Im Schreiben vom 28. 5. 1993 an die Tiroler Landesregierung beschwerte sich die Beklagte unter anderem darüber, dass "das Land Tirol Ehemännern und Familienvätern, welche ihre Frauen und Kinder wegen jüngeren Frauen verließen, durch Förderungen helfe, sich neue Liebesnester zu errichten ...". Im Schreiben vom 9. 6. 1993 monierte sie, dass "der Luxus einer Zweitwohnung gefördert werde". Die Körperverletzung vom 3. 11. 1995 fügte sie dem Kläger durch das heftige Zuschlagen einer Gartentür zu, obwohl der rechte Fuß des Klägers für sie "sichtbar ca. 13 cm innerhalb des Grundstückes war". Dabei erlitt der Kläger eine Absprengung des knöchernen Anteils des Würfelbeins der rechten Fußwurzel samt einer Hautabschürfung am rechten Fußrücken, was eine Gesundheitsschädigung in der Dauer von 3 bis 4 Wochen bewirkte. Über den Tatort fertigte der Kläger am 19. 1. 1996 für Zwecke der Beweisführung in dem gegen die Beklagte eingeleiteten Strafverfahren Lichtbilder an. Den belichteten Film ließ er in einem Geschäft ausarbeiten. Als Auftraggeberin gab er seine damalige Lebensgefährtin und nunmehrige Ehegattin an. Am 23. 1. 1996 suchte die Beklagte das Geschäft auf, entnahm dort aus der Fotolade die mit dem Namen der damaligen Lebensgefährtin des Klägers beschriftete Fototasche mit den Lichtbildern und bezahlte sie an der Kasse. Sie wollte damit verhindern, dass der Kläger die Lichtbilder als Beweismittel gegen sie verwenden kann.

Das Ersturteil im Unterhaltsprozess wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 27. 11. 1997 zugestellt. Die Berufungen beider Streitteile gegen das Unterhaltsurteil blieben erfolglos. Das Gericht zweiter Instanz sprach überdies aus, dass die ordentliche Revision unzulässig sei. Die mit ordentlichen Revisionen verbundenen Anträge beider Streitteile gemäß § 508 Abs 1 ZPO, die ordentliche Revision in Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit doch zuzulassen, und deren Revisionen wurden vom Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 4 ZPO zurückgewiesen. Die Beklagte ging im Unterhaltsprozess vom Erfolg ihrer Rechtsmittel aus, weil sie selbst keine Unterhaltsverwirkungstatbestände verwirklicht sah. Sie wurde darin von ihrem Prozessbevollmächtigten bestärkt und gelangte zu dieser Überzeugung insbesondere deshalb, weil das überwiegende Verschulden an der seinerzeitigen Ehescheidung den Kläger getroffen hatte.

Der Kläger leistete von Dezember 1990 bis einschließlich Februar 1999 4.930 S monatlich an Unterhalt. Die Zahlung für Februar 1999 überwies die Beklagte zurück. Da der Kläger vom Oktober 1991 bis einschließlich Oktober 1995 5.760 S monatlich hätte zahlen müssen, ergab sich für diesen Zeitraum ein Saldo von 40.670 S zugunsten der Beklagten. Die vom Kläger ab November 1995 ohne Unterhaltspflicht geleisteten Beträge ergaben eine Überzahlung von 192.270 S. Mit Schreiben vom 24. 2. 1999 forderte der Vertreter des Klägers den Bevollmächtigten der Beklagten zur Rückerstattung von 134.550,41 S (192.270 S minus 40.670 S an Unterhaltsrückstand und 17.049,59 S an Kosten) auf. Dieses Begehren lehnte der Vertreter der Beklagten in seiner Anwort vom 3. 3. 1999 mit der Begründung ab, die Beklagte habe die Unterhaltszahlungen bis einschließlich November 1998 gutgläubig verbraucht. Gegen den Rückzahlungsanspruch aufgrund der Leistungen für Dezember 1998 und Jänner 1999 werde mit Gegenforderungen aufgerechnet.

Der Kläger begehrte den Zuspruch von 151.600 S sA und brachte vor, ihm stehe infolge der Zahlungen an die Beklagte ohne Unterhaltspflicht ab dem 1. 11. 1995 ein Rückzahlungsanspruch in Höhe des Klagebetrags zu. Dieser sei mit Schreiben vom 24. 2. 1999 fällig gestellt worden. Die Behauptung der Beklagten, sie habe den ohne Unterhaltspflicht gezahlten Betrag gutgläubig verbraucht, sei unzutreffend, habe sie doch jedenfalls schon seit 1994, als im Unterhaltsprozess Verwirkungstatbestände geltend gemacht worden seien, an der Rechtmäßigkeit des einstweiligen Unterhalts zweifeln müssen. Mit Zustellung des Ersturteils im Unterhaltsprozess vom 29. 10. 1997 am 27. 11. 1997 sei jedoch die Berufung auf gutgläubigen Verbrauch der geleisteten Zahlungen gänzlich ausgeschlossen.

Die Beklagte wendete ein, sie habe die Zahlungen des Klägers ohne Unterhaltspflicht gutgläubig verbraucht und die geltend gemachten Verwirkungstatbestände bestritten. Sie habe im Übrigen mit einem Erfolg ihrer Beweisrüge rechnen dürfen und auf eine Abänderung des Ersturteils vertraut. Soweit jedoch der Klageanspruch zu Recht bestehen sollte, werde eine Gegenforderung von 100.000 S an Schmerzengeld aufrechnungsweise eingewendet. Dieser Anspruch beruhe auf jenen Schmerzen, die sie wegen der ihr vom Kläger anlässlich einer körperlichen Misshandlung am 30. 10. 1990 zugefügten Verletzungen erlitten habe.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung mit 28.350 S zu Recht, die aufrechnungsweise eingewendete Gegenforderung dagegen nicht zu Recht bestehe. Es verurteilte daher die Beklagte zur Zahlung von 28.350 S samt 4 % Zinsen seit 3. 3. 1999 und wies das Kapitalmehrbegehren von 123.250 S sA und ein Zinsenmehrbegehren ab. Die Beklagte hätte ab Zustellung des Ersturteils im Unterhaltsprozess am 27. 11. 1997 bei objektiver Betrachtungsweise an der Rechtsmäßigkeit des Empfangs von Unterhaltsleistungen seit dem 1. 11. 1995 zweifeln müssen. Sie habe daher die ab 1. 12. 1997 empfangenen Leistungen gemäß § 1435 ABGB zurückzuzahlen. Daraus ergebe sich unter Abzug eines Unterhaltsrückstands von 40.670 S ein Rückforderungsanspruch von 28.350 S. Zwischen der eingewendeten Gegenforderung und der Klageforderung habe niemals eine Aufrechnungslage bestanden, weil der eingewendete Schmerzengeldanspruch schon vor Entstehen des eingeklagten Rückforderungsanspruchs verjährt gewesen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, aufgrund des rechtskräftigen Urteils im Unterhaltsprozess stehe bindend fest, dass die Beklagte ab 1. 11. 1995 zufolge Verwirkung keinen Unterhaltsanspruch mehr gehabt habe. Dem zuerkannten Provisiorialunterhalt sei daher ab diesem Zeitpunkt die Rechtsgrundlage entzogen worden. Der geltend gemachte Rückforderungsanspruch beruhe auf § 1431 und § 1437 ABGB. Danach sei nur zu Unrecht bezogener, jedoch gutgläubig verbrauchter Unterhalt nicht erstattungsfähig. Der Gesetzgeber befürworte jedoch seit Inkrafttreten des § 399b EO und des § 22 Abs 1 UVG Billigkeitserwägungen als Maßstab für die Beurteilung der Durchsetzbarkeit des Rückzahlungsanspruchs. Daher könne dem Erstattungspflichtigen - entgegen einer bislang überwiegend vertretenen Ansicht - Schlechtgläubigkeit ab Zustellung einer Klage oder eines Antrags auf Enthebung von der Unterhaltspflicht oder - wie im Anlassfall - nach Bestreitung des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs nicht schon von vornherein unterstellt werden. Maßgebend sei vielmehr das Wissen oder Wissenmüssen, dass der Schuldner zu Leistungen in der festgesetzten Höhe in Wahrheit nicht verpflichtet sei. Dabei seien an den Gläubiger, um nicht dessen Existenzbedrohung heraufzubeschwören, keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Bei Beurteilung der Schlechtgläubigkeit des Empfängers könne es "nicht - wie bislang - nur auf objektive Kriterien" ankommen, entscheidend seien vielmehr wegen der "dem Gericht aufgetragenen Billigkeitsentscheidung" auch subjektive Gesichtspunkte. Der Zeitpunkt, ab dem Verwirkung eingetreten sei, sei daher für die Frage nach dem gutgläubigen Verbrauch der seither empfangenen Beträge nicht maßgebend. Der Beklagten sei nicht zumutbar, "ohne eine gerichtliche Feststellung" auf einen Verwirkungszeitpunkt zu schließen. Zufolge des rechtskräftigen Ersturteils im Unterhaltsprozess habe letztlich erst die Körperverletzung des Klägers "in Zusammenschau mit den übrigen Ereignissen" den Verwirkungstatbestand erfüllt. Die Beklagte habe aber nicht schon wegen jenes Delikts an der Rechtmäßigkeit des Empfangs der vom Kläger weiterhin gezahlten Beträge zweifeln müssen. Die Beweislast für deren Unredlichkeit treffe den Kläger. Die Redlichkeit des Empfängers beziehe sich auf die Frage nach der Existenz eines Kondiktionsanspruchs. Die bisherige Rechtsprechung verneine die Gutgläubigkeit des Bereicherten, wenn er "nicht nach subjektivem Wissen, sondern nach objektiven Kriterien" an der Rechtmäßigkeit der empfangenen Beträge hätte zweifeln müssen. Dementgegen sei die Beklagte nicht zur Rückzahlung der zwischen November 1995 und November 1997 empfangenen Leistungen zu verurteilen, weil deren Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit des Empfangs unter Heranziehung der in § 399b EO niedergelegten Billigkeitsgrundsätze bis zur Zustellung des Urteils erster Instanz schutzwürdig sei. Dem Kläger sei es nach solchen Erwägungen zumutbar, "auf die Rückforderung des ... noch streitverfangenen Betrages zu verzichten". Er habe Unterhalt nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten leisten können, während die Beklagte unterhaltsbedürftig gewesen sei. Die für die Unterhaltsverwirkung ins Treffen geführten und vom Erstgericht im Unterhaltsprozess festgestellten Tatsachen seien nicht so gravierend, dass der Beklagten für die empfangenen und verbrauchten Beträge ab November 1995 eine "ebenso ins Gewicht fallende subjektive Gutgläubigkeit nicht mehr zugebilligt werden könnte". Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Empfangs habe die Beklagte erst ab Zustellung des Ersturteils im Unterhaltsprozess hegen müssen. Die Revision sei zulässig, weil es zu den Billigkeitserwägungen des Berufungsgerichts an einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung fehle.

Die Revision des Klägers ist, weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abwich, zulässig; sie ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann ohne Rechtsgrundlage gezahlter Unterhalt nur dann mangels echter Bereicherung nicht zurückgefordert werden, wenn er gutgläubig verbraucht wurde. Soweit es auf die Unredlichkeit der Beklagten beim Verbrauch ankommt, hat diese der kondizierende Kläger zu behaupten und unter Beweis zu stellen. Die Redlichkeit bezieht sich auf die Frage nach der Existenz eines Kondiktionsanspruchs, wobei jedoch bereits Fahrlässigkeit schadet und daher Zweifel an der Rechtmäßigkeit die Redlichkeit ausschließen. Die Redlichkeit des Empfängers fehlt nicht erst bei auffallender Sorglosigkeit oder gar bei Vorsatz, sondern schon dann, wenn er zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, wohl aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit der ihm rechtsgrundlos ausgezahlten Beträge auch nur zweifeln hätte müssen (1 Ob 35/00d; 4 Ob 217/99m je mwN).

2. Die soeben dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung werden im Schrifttum teilweise gebilligt, teilweise wird hingegen die Ansicht vertreten, der Rückforderungsanspruch nach Leistung einstweiligen Unterhalts ohne Unterhaltspflicht finde keine Schranke im gutgläubigen Verbrauch, weil der Anspruch auf der verschuldensunabhängigen Haftung gemäß § 394 EO fuße. Es wurde aber auch die Auffassung vertreten, dem Verfügungsgegner einen Rückforderungsanspruch in Analogie zu § 399b Abs 1 EO nur nach Billigkeit zu gewähren (s zum Meinungsstand Kodek in Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung, § 382 Rz 50 ff; König, Einstweilige Verfügungen im Zivilverfahren2 Rz 2/138 ff; Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, § 382 Rz 8).

3. Der erkennende Senat hält die Ansicht Gitschthalers (ÖJZ 1995, 652), auf die sich das Berufungsgericht stützte, nicht für überzeugend. § 399b Abs 1 EO bezieht sich auf den vorläufigen Unterhalt von Minderjährigen gemäß § 382a EO. Diese Regelung ist gleichfalls Ausdruck jenes Rechtsfürsorgedenkens, das alle Bestimmungen über den vorläufigen Unterhalt an Minderjährige trägt (s Zechner aaO § 382a Rz 1). Solche Erwägungen sind auf das Rechtsverhältnis zwischen Erwachsenen nicht übertragbar. Solche Personen nehmen die aus ihren Rechtsbeziehungen als geschiedene Ehegatten entspringenden Rechte und Pflichten eigenverantwortlich wahr und haben dabei (auch) die durch das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme bestimmten Verhaltensgrenzen zu respektieren. Nicht zu Unrecht wird daher im Schrifttum bezweifelt, ob sich § 399b Abs 1 EO als allgemeiner Maßstab für die Rückforderbarkeit anspruchslos gezahlten Unterhalts eignet (Kodek aaO § 382 Rz 51), und davon abgeraten, die Rechtsunsicherheit reiner Billigkeitsentscheidungen als Leitgedanken für die Rückforderbarkeit einstweiligen Unterhalts zu übernehmen und so eine Verschärfung der Voraussetzungen für Ersatzansprüche in Kauf zu nehmen (Zechner aaO § 382 Rz 8 iVm §§ 399a, 399b Rz 2). Es geht aber auch nicht an, die Rückforderbarkeit solcher Leistungen ohne Unterhaltspflicht nur nach § 394 EO zu beurteilen (so zuletzt wieder König aaO Rz 2/138; das bezweifelnd dagegen Kodek aaO § 382 Rz 51) und den Empfänger mit dem Einwand eines gutgläubigen Verbrauchs nicht zu hören (Zechner aaO § 382 Rz 8). Das erklärt sich daraus, dass sich § 382 Z 8 lit a EO nicht bruchlos in das vom Gesetzgeber sonst geschaffene System der einstweiligen Verfügung einfügt (Zechner aaO § 382 Rz 8 iVm Vor § 378 Rz 2 mN aus der Rsp; idS auch Kodek aaO § 382 Rz 51 iVm Rz 28 ff unter Verweis auf die rechtlichen Besonderheiten einstweiligen Unterhalts). Andernfalls blieben jene besonderen familienrechtlichen Wertungen auf der Strecke, die für die unter 1. referierte Rechtsprechung bestimmend sind (Zechner aaO § 382 Rz 8). Der erkennende Senat sieht sich deshalb - anders als das Gericht zweiter Instanz - nicht veranlasst, den hier maßgebenden Rückforderungsanspruch in Abkehr von einer gefestigten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auf dem Boden der Lehrmeinung Gitschthalers (aaO) nur nach Billigkeitserwägungen zu beurteilen. Dass sich im Übrigen § 22 Abs 1 UVG noch weniger als § 399b Abs 1 EO eignet, das vom Berufungsgericht verfochtene Ergebnis zu stützen, wird schon von Gitschthaler (ÖJZ 1995, 655) erläutert. Vermag aber schon § 399b Abs 1 EO den Prozessstandpunkt der Beklagten mangels analoger Anwendbarkeit dieser Norm nicht zu rechtfertigen, so kann eine solche Rechtfertigung vor dem Hintergrund des § 22 Abs 1 UVG umso weniger gelingen.

4. Da nach den voranstehenden Erwägungen an der bisherigen Rechtsprechung zur Rückforderbarkeit von einstweiligen Leistungen ohne Unterhaltspflicht festzuhalten ist, ist streitentscheidend, ab welchem Zeitpunkt die Beklagte im Lichte der unter 1. dargestellten Grundsätze Zweifel an der Rechtmäßigkeit der rechtsgrundlos empfangenen Beträge haben musste. Nach diesen Grundsätzen enfällt die Redlichkeit des Empfangs - wie schon erwähnt - aber nicht erst bei auffallender Sorglosigkeit oder gar bei Vorsatz, sondern schon dann, wenn der Empfänger zwar nicht nach seinem subjektiven Wissen, wohl aber bei objektiver Beurteilung an der Rechtmäßigkeit der rechtsgrundlos ausgezahlten Beträge auch nur zweifeln hätte müssen.

Der geltend gemachte Rückforderungsanspruch hat Leistungen ab dem 1. 11. 1995 zum Gegenstand, er bezieht sich also auf den Zeitraum, in dem die Beklagte zufolge Verwirkung keinen Unterhaltsanspruch mehr hatte. Der Kläger berief sich in seinen Einwendungen als Beklagter des Unterhaltsprozesses schon Monate vorher auf Gründe, aus denen eine Unterhaltsverwirkung nach seiner Ansicht abzuleiten war. Das musste der Beklagten zumindest als Warnung dienen, die Grenzen des trotz der nachehelichen Pflichten Erlaubten im Umgang mit dem Kläger als Unterhaltsschuldner nicht zu überschreiten. Dennoch ließ sie sich schließlich sogar zu einem vorsätzlichen Angriff auf die körperliche Integrität des Klägers und zur Beseitigung von Lichtbildern hinreissen, die der Kläger zu Beweiszwecken angefertigt hatte. Bei solchem Verhalten musste der Beklagten nicht nur dessen Rechtswidrigkeit, sondern auch die Tatsache bewusst sein, dass der Kläger solche Vorfälle im Unterhaltsprozess höchstwahrscheinlich als weitere Verwirkungsgründe geltend machen werde. Schon deshalb durfte sie sich auch nicht mehr darauf verlassen, dass der Verwirkungseinwand ihres geschiedenen Ehegatten erfolglos bleiben werde. Insbesondere war ihre Ansicht unvertretbar, dass derartige Verhaltensweisen keine Gefahr für den Fortbestand ihres Unterhaltsanspruchs heraufbeschwören könnten, weil ihre Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers geschieden worden war. Es ist deshalb zusammenfassend festzuhalten, dass die Beklagte bei objektiver Beurteilung der Gesamtsituation jedenfalls ab der am Kläger verübten vorsätzlichen Körperverletzung an der weiteren Rechtmäßigkeit des einstweiligen Unterhalts zumindest zweifeln hätte müssen.

4. 1. Die Beklagte übernimmt in ihrer Revisionsbeantwortung die vom erkennenden Senat nicht gebilligte Rechtsansicht des Berufungsgerichts. Nach ihrer Meinung darf zwischen der Rückforderbarkeit von Provisorialunterhalt an einen Minderjährigen einerseits und an einen geschiedenen Ehegatten andererseits nicht unterschieden werden, weil Unterhaltszahlungen unabhängig von der Person des Empfängers der Sicherung dessen wirtschaftlichen Existenz dienen. Sie verkennt dabei die im Kern auf Rechtsfürsorgegedanken beruhenden Motive des Gesetzgebers für die rechtliche Sonderstellung der Minderjährigen.

Die Beklagte ist ferner der Ansicht, nicht sie, sondern das Erstgericht habe im Unterhaltsprozess die Frage nach der Verwirklichung eines Unterhaltsverwirkungstatbestands zu prüfen gehabt. Sie habe das im Unterhaltsprozess gefällte Urteil nicht vorhersehen und somit nicht wissen können, dass das Gericht eine Unterhaltsverwirkung ab 1. 11. 1995 annehmen werde. Dem ist zu entgegnen, dass nicht erst positives Wissen von der Verwirklichung eines Verwirkungstatbestands den Rückforderungsanspruch entstehen lässt. Ausschlaggebend ist nach den voranstehenden Gründen vielmehr, dass der Empfänger an der weiteren Rechtmäßigkeit des einstweiligen Unterhalts nach objektiven Gesichtspunkten zumindest hätte zweifeln müssen. Die Beklagte durfte daher nicht bis zur Zustellung des erstinzanzlichen Urteils im Unterhaltsprozess als Anstoß für eine entsprechende Bewusstseinsbildung warten, sondern musste Scheitern ihrer Unterhaltsklage für die Zeit ab dem 1. 11. 1995 schon viel früher in Erwägung ziehen müssen. Eine solche Befürchtung legte bereits die allgemeine Lebenserfahrung nahe, dass man sich nach einer Ehescheidung als Unterhaltsgläubiger gegenüber dem Unterhaltsschuldner nicht "alles leisten" könne, ohne sich der Gefahr einer Unterhaltsverwirkung auszusetzen. Dabei muss auch nicht der Leistungsempfänger die genaue Grenze zwischen dem von der Rechtsprechung gerade noch und dem nicht mehr tolerierten Verhalten ziehen, sondern muss sich unter Heranziehung eines objektiven Beurteilungsmaßstabs nur des Umstands bewusst sein, dass sich die richterliche Beurteilung zu seinem Nachteil auswirken könnte: Schon dieses Bewusstsein entkleidet den weiteren Leistungsempfang seiner Redlichkeit.

Soweit die Beklagte hervorhebt, es sei ihr - mangels Einkommens - "objektiv gesehen ... sicherlich nicht zumutbar", den für die "nötigsten Lebensbedürfnisse" verbrauchten Unterhalt zurückzuzahlen, lässt sie unbeachtet, dass die Bedürftigkeit für sich allein den infolge unredlichen Verbrauchs rechtsgrundloser Leistungen ausgelösten Rückforderungsanspruch nicht beseitigen kann.

5. Aus all diesen Erwägungen erweist sich die Revision des Klägers als erfolgreich. Sein Rückforderungsanspruch bezieht sich entgegen der Ansicht der Vorinstanzen auch auf die rechtsgrundlos erbrachten Leistungen vom 1. 11. 1995 bis zum 30. 11. 1997. Wie schon in zweiter Instanz bekämpfte der Kläger auch in dritter Instanz den klageabweisenden Teil zur Gänze und beantragte "dem gesamten Klagebegehren vollinhaltlich" stattzugeben. Diesem Rechtsmittelantrag fügte er im Revisionsverfahren bloß die Einschränkung bei, die begehrte Abänderung möge "unter Einbeziehung des bereits rechtskräftigen Teilzuspruchs" erfolgen. Schon im Berufungsverfahren äußerte er sich allerdings mit keiner Silbe zu den erstrichterlichen Gründen für die Abweisung eines Teils seines Zinsenbegehrens. Auch die Revision enthält keinerlei Ausführungen zu diesem Thema. Bereits deshalb musste es bei der Abweisung dieses Teils des Klagebegehrens verbleiben. Als Zeitpunkt für den Beginn des Verzugszinsenlaufs ist somit der 3. 3.1999 maßgebend. In Ermangelung von Berufungsausführungen zur Zinsenfrage bestand schon für das Gericht zweiter Instanz, wie dieses zutreffend anmerkte, kein Anlass für eine Auseinandersetzung mit der Zinsenentscheidung des Erstgerichts.

6. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 43 Abs 2 iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Kläger ist nur mit einem geringfügigen Teil seines Anspruchs unterlegen, dessen Geltendmachung keine besonderen Kosten veranlasste. Es sind ihm daher die gesamten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zuzuerkennen. Dabei ist der im Verfahren erst Instanz erstattete Schriftsatz vom 9. 11. 1999 (Einlangen - ON 8) nicht wie verzeichnet nach TP 2 RATG, sondern gemäß TP 1 I. lit c) RATG zu honorieren.

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