Spruch:
War ein in Vollziehung der Gesetze schuldhaft handelndes Organ gleichzeitig für zwei Rechtsträger tätig, steht dem Rechtsträger, der dem Geschädigten den Schaden ersetzte, ein im Amtshaftungsverfahren geltend zu machender Ausgleichsanspruch gegen den anderen Rechtsträger zu
OGH 14. Dezember 1979, 1 Ob 28/79 (OLG Innsbruck 1 R 141/79; LG Innsbruck 6 Cg 139/78)
Text
Am 30. Juli 1972 stieß der am Heimweg von einer Patrouillenfahrt befindliche Gendarmeriebeamte Franz H als Angehöriger der Verkehrsgruppe L der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für das beklagte Bundesland mit einem für die klagende Republik zugelassenen Motorrad seinen mit einem ebensolchen Fahrzeug im gleichen Dienst befindlichen Kollegen Ferdinand M nieder und verletzte ihn schwer. Franz H wurde wegen dieses Verkehrsunfalls rechtskräftig verurteilt. Die Klägerin hat an den Verletzten und an die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) Ersatzleistungen erbracht und haftet überdies dem Verletzten für alle künftigen Schäden im Rahmen der Haftungssummen des EKHG. Beide Gendarmeriebeamte waren auf der Unfallsfahrt ohne besonderen Auftrag sowohl in Vollziehung von Landes- als auch Bundessachen tätig. Die Betriebskosten der Motorräder trug ausschließlich die Klägerin.
Die Klägerin begehrt im Sinne des § 1302 ABGB wegen Mithaftung der Beklagten sowohl nach dem EKHG als nach dem AHG den vollen Ersatz von 60 000 S an bisherigen Leistungen und die Feststellung der vollen Regreßpflicht des beklagten Bundeslandes mit der Begründung, daß das Schwergewicht der Tätigkeit des schuldtragenden Gendarmeriebeamten in der Landesvollziehung gelegen habe. Von diesem Begehren ist ein Zuspruch zur Hälfte und eine Teilabweisung von 20% bereits rechtskräftig; strittig ist die Differenz von weiteren 30% des Leistungs- und Feststellungsbegehrens.
Das Erstgericht gab auch diesem Teilbegehren statt. Nach seinen Feststellungen umfaßt der sachliche Wirkungsbereich der Verkehrsabteilung, der die beiden Gendarmeriebeamten angehörten, erstens die Handhabung der Verkehrspolizei, das ist die Überwachung der Einhaltung straßenpolizeilicher Vorschriften und die unmittelbare Regelung des Verkehrs, insbesondere durch Arm- oder Lichtzeichen; für diesen Wirkungsbereich ist das Landesgendarmeriekommando Hilfsorgan der Landesregierung; zweitens Maßnahmen im Dienste der Strafjustiz nach § 24 StPO, soweit sie im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen; in diesem Wirkungsbereich ist das Landesgendarmeriekommando Hilfsorgan der Sicherheitsdirektion, ebenso wie drittens zur Aufrechterhaltung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit auf den Straßen; viertens obliegt der Verkehrsabteilung die Besorgung sonstiger Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr, die kraft Gesetzes zur Vollziehung des Landeshauptmannes oder der Landesregierung zugewiesen sind und für deren Durchführung Organe der Bundesgendarmerie kraft Gesetzes herangezogen werden können; in diesem Wirkungsbereich ist das Landesgendarmeriekommando jeweils Hilfsorgan jener Behörde, die zur Vollziehung des Gesetzes berufen ist. Die beiden Gendarmeriebeamten hatten demnach am Unfallstag ohne besondere Anordnung mit ihren Motorrädern auf der vorgeschriebenen Strecke zu patrouillieren und in Fällen der Verletzung von Rechtsvorschriften, aber auch zur Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs einzuschreiten. Nach statistischen Erhebungen betrug das Verhältnis der von der Verkehrsgruppe Lienz von 1972 bis 1975 erlassenen Strafverfügungen nach der Straßenverkehrsordnung und nach dem Kraftfahrgesetz ungefähr 80 : 20 zugunsten jener nach der StVO. Am Unfallstag hatten die beiden Gendarmeriebeamten Abstrafungen beider Arten vorgenommen und dafür 300 S eingenommen, ohne daß sich das Verhältnis dieser Strafverfügungen zueinander klären ließ. Die Beamten der Verkehrsgruppe Lienz seien "daher zu 80% in Vollziehung von Landessachen und nur zu 20% in Vollziehung von Bundesangelegenheiten tätig gewesen".
Die Klägerin hatte die tatsächliche Verfügungsgewalt über die in ihrem Eigentum stehenden Fahrzeuge. Mit Rücksicht auf die Vollziehung sowohl von Bundes- als auch Landesagenden wurde die Patrouillenfahrt aber im wirtschaftlichen Interesse nicht nur der Klägerin, sondern auch des Beklagten vorgenommen. Dieses Interesse sei wieder im Verhältnis 80 : 20 mit dem Übergewicht des Beklagten aufzuteilen.
Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes hafteten beide Parteien den geschädigten Dritten gegenüber richtigerweise sowohl nach dem EKHG als auch nach dem AHG solidarisch. Im Innenverhältnis sei der festgestellte Schlüssel von 80 : 20 zuungunsten des Beklagten heranzuziehen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und änderte das Ersturteil im Sinne der Abweisung des nun strittigen 30% Teiles des Leistungs- und Feststellungsbegehrens ab. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, verneinte aber die Eigenschaft des beklagten Landes als auch nur Mithalter des den Schaden verursachenden Fahrzeuges und ebenso die rechtliche Möglichkeit eines Rückgriffes nach dem AHG unter mehreren Rechtsträgern für Schadensfälle, die die gleiche physische Person als Organ beider Rechtsträger verschuldet habe; in einem solchen Fall sei die Klägerin nicht Geschädigte nach dem AHG. Da jedoch der Geschädigte beide Streitteile nach diesem Gesetz in Anspruch nehmen hätten können, sei zur Vermeidung unlogischer Konsequenzen ein Regreßanspruch der Klägerin aus dem Gründe des § 1302 ABGB zu bejahen. Dieser interne Ausgleich habe nach dem zwischen den solidarisch Verpflichteten bestehenden besonderen Verhältnis, also zum Beispiel nach Verursachungs- oder Verschuldensanteilen zu erfolgen. Dabei sei aber nicht das Verhältnis der erlassenen Strafverfügungen nach der StVO und dem KFG maßgeblich, weil die Amtstätigkeit der Gendarmeriebeamten auch andere Belange wie etwa gerichtlich strafbare Handlungen betraf, die Tätigkeiten im Rahmen des KFG wie zum Beispiel die Prüfung des gesetzmäßigen Zustandes und der Ausrüstung der Kraftfahrzeuge in der Regel wesentlich mehr Zeit als die Tätigkeiten im Rahmen der StVO erforderten und auch das Ausmaß der verhängten Sanktionen nach den beiden Gesetzen keineswegs gleich sei. Ausgehend von der festgestellten statistischen Unterlage lasse sich nicht der Schluß ableiten, daß die Gendarmeriebeamten im vorliegenden Fall zu 80% in Vollziehung von Landessachen und nur zu 20% in Vollziehung von Bundesangelegenheiten tätig geworden seien. Diese Feststellung des Erstgerichtes werde vom Berufungsgericht nicht übernommen. Vielmehr müsse ausgehend von der vorliegenden Feststellungsgrundlage der Schluß gezogen werden, daß sich das Gewicht der Zurechnung der Tätigkeit des am Unfall schuldtragenden Gendarmeriebeamten auf die beiden Parteien nicht ermitteln lasse, so daß die Schadensteilung nach § 1302 ABGB im Zweifel mit 1 : 1 zu veranschlagen sei. Dieser Rückersatzanspruch unterliege erst der 30jährigen Verjährung.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Revisionsgegner bekämpft den noch strittigen Klagsanspruch in der Revisionsbeantwortung auch dem Gründe nach. Dies ist trotz des rechtskräftigen Teilzuspruches zulässig. Im Ergebnis ist aber die Rechtsansicht der Vorinstanzen zu billigen, daß der Klägerin ein Regreßanspruch gegen das beklagte Bundesland zusteht. Es bedarf allerdings nicht der Umwegkonstruktion der zweiten Instanz. Vielmehr ist auch der von ihr mit Recht bejahte Rückgriff nach § 1302 ABGB ein Amtshaftungsanspruch, wenn er mit der Behauptung eines schuldhaften Organverhaltens gegen einen Rechtsträger im Sinne des AHG gerichtet ist. Das ergibt sich schon daraus, daß es sonst an einem Rechtstitel für die Inanspruchnahme des Rechtsträgers statt des schadensstiftenden Organs überhaupt fehlen würde. Auch der Ausgleichsanspruch nach § 1302 ABGB ist also nach dem AHG zu beurteilen (vgl. Koziol, Haftpflichtrecht II, 302 und RZ 1976/81). Dabei kann es keine Rolle spielen, wenn ausnahmsweise ein und dasselbe Organ für zwei Rechtsträger tätig war. Konnte der Geschädigte beide Rechtsträger nach dem AHG in Anspruch nehmen, dann findet auch der Regreß nach § 1302 ABGB in gleicher Weise statt, wie wenn ein sonstiger solidarisch Mithaftender mehr als den ihm obliegenden Schadensanteil ersetzt hätte (vgl. SZ 46/128). Eine andere Rechtsansicht stunde mit dem Grundsatz im Widerspruch, daß mangels einer gegenteiligen Regelung des AHG auch auf die Amtshaftungsansprüche die Grundsätze des bürgerlichen Rechtes anzuwenden sind (JBl. 1973, 155 u. a.).
Der Revisionsgegner meint allerdings, daß das Verhalten eines Organs grundsätzlich nur einem Rechtsträger zugeordnet werden könne; wenn die schädigende Handlung unabhängig von einer bestimmten Dienstverrichtung erfolgte, müsse die dienstordnungsmäßige Zuteilung maßgeblich sein. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Da das Amtshaftungsgesetz in der Frage der Zuordnung des Organverschuldens bewußt nicht die organisatorische Zugehörigkeit zu einem bestimmten Rechtsträger für maßgeblich erklärt, sondern das Prinzip der funktionellen Zuordnung eingeführt hat (Loebenstein - Kaniak, Komm. z. AHG, 39), kann es nur auf diese funktionelle Stellung des Organs im Zeitpunkt der Schadenszufügung ankommen. Vom Standpunkt der Rechtslogik kann auch kein Einwand dagegen erhoben werden, daß eine Person bald als Organ der einen, bald als Organ einer anderen Körperschaft tätig ist (Loebenstein - Kaniak a. a. O.). Die genannten Autoren meinen zwar, daß für das Verhalten nur einer physischen Person nur ein Rechtsträger haftbar sein könne, weil es "kaum denkbar" sei, daß ein Verhalten als Organbehandlung mehreren Körperschaften zugerechnet werde. Gerade letzteres bietet sich aber im vorliegenden Fall als einzige Lösungsmöglichkeit an, wenn die Heimfahrt des schuldtragenden Gendarmeriebeamten im Anschluß an eine mehreren Zwecken dienende Patrouillenfahrt stattfand und für diese Heimfahrt keine besondere funktionelle Zuordnung möglich ist.
Auch dem weiteren, in der Revisionsbeantwortung hervorgehobenen Umstand, daß der verletzte Gendarmeriebeamte Ersatzansprüche gegen die Klägerin nur nach dem EKHG erhoben hatte, kommt entscheidende Bedeutung nicht zu. Der Regreß zwischen mehreren solidarisch Haftpflichtigen setzt entgegen der Meinung des Revisionsgegners nicht voraus, daß der Regreßpflichtige aus dem gleichen Rechtsgrund haftet wie der Zahlende. Vielmehr genügt die Tatsache der gemeinschaftlichen Schuld allein, um den Ersatz des für den Mitgenossen Gezahlten zu begehren (Ehrenzweig, II/1, 104; MietSkg. 21 098 u. a.). Für den Regreß genügt daher auch nach § 11 Abs. 1 letzter Satz EKHG eine Ersatzpflicht des Beklagten aus unerlaubter Handlung (SZ 39/6; JBl. 1979, 149), während nach § 1302 ABGB zusätzlich eine Haftung aus dem Vertrag in Betracht kommt (5 Ob 588/79). Bei dieser Rechtslage ist entgegen der Meinung der Revisionswerberin nicht mehr zu prüfen, ob für diesen Regreß auch auf die Haltereigenschaft des beklagten zweiten Rechtsträgers zurückgegriffen werden könnte. Denn nach dem EKHG haftet das beklagte Bundesland keinesfalls in einem größeren Maße als nach dem AHG, weil die Haltereigenschaft des Beklagten bloß aus den gleichen wirtschaftlichen Vorteilen abgeleitet werden könnte, die die teilweise Vollziehung von Landesangelegenheiten im Sinne des AHG mit sich brachte, und überdies die Haftung nach dem EKHG betragsmäßig beschränkt wäre.
Zur Höhe des Klagsanspruches tritt die Revisionswerberin der Ansicht der Vorinstanzen nicht entgegen, daß der Regreß nach § 1302, ABGB in Verbindung mit § 896 ABGB nur dann anders als im Zweifel gleichteilig bestimmt werden könnte, wenn das schuldhafte Verhalten des für beide Rechtsträger tätig gewordenen Organs infolge einer besonderen Verteilung der Vollziehungsaufgaben einem der beiden Rechtsträger in höherem Maße zugerechnet werden könnte. Die Klägerin will dafür vor allem Anlaß und Ziel der Amtshandlungen, die Anzahl der behandelten Rechtsverletzungen und den dem Gendarmeriebeamten erteilten Auftrag im Zusammenhang mit dem Schwergewicht der Vollzugsbereiche im Verhältnis zueinander heranziehen, ohne das Einschreiten des Organs in jenem Fall zu berücksichtigen, bei dessen Behandlung sodann der Unfall "zufälligerweise" geschah. Der Revisionsgegner meint dagegen, daß das Verhältnis der Tätigkeitsbereiche im Durchschnitt mehrere Jahre nicht in Betracht komme, sondern nur jenes der Kompetenzen auf der bestimmten Einzelfahrt. Auf diese verschiedenen Beurteilungsmöglichkeiten braucht im vorliegenden Fall nicht eingegangen werden. Auszugehen ist davon, daß ein besonderes Verhältnis im Sinne der §§ 896, 1302 ABGB, das einen weiteren als den bereits rechtskräftig zugesprochenen halben Regreß rechtfertigen könnte, von der Klägerin bewiesen werden müßte. Hiefür kommt, wenn ihr nicht schon die Unmöglichkeit einer Feststellung der Einzelheiten für die Unfallsfahrt oder den Unfallstag zugerechnet wird, höchstens der sonstige Durchschnitt des Verhältnisses der Vollziehung von Landes- und Bundesangelegenheiten bei solchen Patrouillenfahrten in Betracht. In dieser Beziehung hat zwar das Erstgericht aus dem als Schnitt von mehreren Jahren festgestellten Verhältnis der Zahl einerseits der nach der StVO und andererseits nach dem KFG erlassenen Strafverfügungen (80 : 20) den Schluß gezogen, daß die Beamten der Verkehrsgruppe L, zu der der schuldtragende Gendarmeriebeamte gehörte, in dem gleichen Verhältnis (auch sonst) in Vollziehung einerseits von Landes- und andererseits von Bundessachen tätig waren. Das Berufungsgericht hat aber diesen Schluß nicht gebilligt, sondern unter Berücksichtigung weiterer tatsächlicher Umstände angenommen, daß sich das wahre Gewicht der für die Zurechnung maßgeblichen Tätigkeiten für beide Rechtsträger nicht ermitteln lasse. Ob dieser Vorgang einer zusätzlichen Berücksichtigung offenkundiger Tatsachen im Sinne des § 269 ZPO zulässig war oder mangels Beweiswiederholung eine Verletzung des Unmittelbarkeitsprinzips darstellte, ist nicht zu prüfen, weil die Revisionswerberin eine solche Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nicht rügt. Dann muß aber bei der rechtlichen Beurteilung von diesen neuen Schlußfolgerungen des Berufungsgerichtes ausgegangen werden, die weder mit den Gesetzen der Logik und Erfahrung unvereinbar sind (RZ 1967, 105 u. v. a.) noch sonst als Akt der Beweiswürdigung einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegen (ZVR 1972/103 u. a.; vgl. auch JBl. 1974, 528). Die bloßinhaltliche Bekämpfung dieser weiteren Annahmen und Schlußfolgerungen des Berufungsgerichtes durch die Revisionswerberin stellt eine unzulässige Anfechtung von Tatsachenfeststellungen dar.
Auf dieser Grundlage muß die Rechtsrüge der Revisionswerberin versagen, daß ein besonderes Verhältnis der Schadenszufügung im Sinn des § 1302 ABGB in Verbindung mit § 896 ABGB hätte berücksichtigt werden müssen. Ein solches besonderes Verhältnis hat das Berufungsgericht als letzte Tatsacheninstanz eben nicht als erwiesen angenommen. Damit ist die Zuerkennung nur des halben Regresses für den vorliegenden Fall berechtigt; auf die Rechtsfrage, welches Verhältnis der Tätigkeiten von Gendarmeriebeamten in Vollziehung teils von Bundes- und teils von Landessachen sonst maßgeblich wäre, ist nicht mehr einzugehen.
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