OGH 1Ob279/66

OGH1Ob279/6624.11.1966

SZ 39/198

Normen

ABGB §785
ABGB §788
ABGB §794
ABGB §785
ABGB §788
ABGB §794

 

Spruch:

Bei der Einrechnung eines in einem Liegenschaftsanteil bestehenden Vorausempfanges in den Pflichtteil (§ 788 ABGB.) ist die seit dem Vorausempfang eingetretene Verminderung des Geldwertes zu berücksichtigen (§ 794 ABGB.)

Entscheidung vom 24. November 1966, 1 Ob 279/66

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz

Text

Der Kläger begehrt von der beklagten Verlassenschaft nach seinem Vater die Zahlung einer Pflichtteilsforderung in der von ihm errechneten Höhe von 155.222.70 S s. A. Nach den Klagsangaben sei der Kläger neben seinen fünf Geschwistern nach seinem am 6. September 1960 verstorbenen Vater Matthias M. zu 1/12 des Nachlasses pflichtteilsberechtigt. Der Erblasser habe in seinem Testament Adolfine M. und Aloisia M. sowie die mj. Kinder Irene und Johann seines Sohnes Johann M. (Bruder des Klägers) zu Erben eingesetzt und das Verlassenschaftsgericht deren bedingte Erbserklärungen zu Gericht angenommen. In dem Testament habe der Erblasser darauf hingewiesen, daß der Pflichtteilsanspruch des Klägers durch den Vorausempfang eines Drittelanteiles des zum Nachlaß gehörenden Gutes "Bräuerhube" bereits abgedeckt sei, doch habe es sich hiebei weder um eine Schenkung noch um einen nach § 788 ABGB. anrechenbaren Vorausempfang, sondern um den gemeinsamen Erwerb dieser Liegenschaft (Einlagezahl 15 Katastralgemeinde St.) durch den Erblasser und den Kläger gehandelt; der Kläger habe damals von seinem Vater nur den auf seinen Drittelanteil entfallenden Kaufpreis von 15.000 S (Gesamtkaufpreis 45.000 S) darlehensweise erhalten. Unter Bedachtnahme auf den im Verlassenschaftsverfahren festgestellten Wert des reinen Nachlaßvermögens von 1.862.675.13 S sei das Klagebegehren gerechtfertigt.

Das Erstgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß der Erblasser dem Kläger im Jahre 1929 Eigentum an einem Drittel der Liegenschaften Einlagezahl 15 (Bräuerhube) und Einlagezahl 42 (Wannergrundstücke) der Katastralgemeinde St. überlassen habe und der Kläger sich diesen Vorausempfang im Sinne des § 788 ABGB. in den Pflichtteil einrechnen lassen müsse. Der Wert des reinen Nachlasses betrage 1.652.134.60 S, jener des dem Kläger zu Lebzeiten des Erblassers zugekommenen Liegenschaftsdrittels sei unter Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen Geldentwertung mit mindestens 646.500 S anzunehmen. Würden dem reinen Nachlaß der Vorausempfang des Klägers und der nach seinen Behauptungen der Aloisia M. zugekommene Vorausempfang in der Höhe von 300.000 S zugezählt, dann ergäbe sich eine Summe von 2.598.634.60 S, wovon der Kläger als Pflichtteilsberechtigter ein Zwölftel begehren könne, sich jedoch gleichzeitig den ihn betreffenden Vorausempfang in Abzug bringen lassen müsse; werde dies beachtet, dann zeige sich, daß der mit 646.500 S zu bewertende Vorausempfang erheblich größer als die 216.552.87 S (ein Zwölftel von 2.598.634.60 S) betragende Pflichtteilsforderung des Klägers sei.

Das Berufungsgericht hat - nach Beweiswiederholung und Beweisergänzung - das Urteil des Erstgerichtes bestätigt; es ist bei seiner Entscheidung von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgegangen:

Der Nachlaß des am 6. September 1960 unter Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung verstorbenen Erblassers Mathias M. bestehe im wesentlichen aus zwei Drittel Anteilen an den Liegenschaften Einlagezahl 15 und Einlagezahl 16 Katastralgemeinde St. und sei bei der Inventarerrichtung mit 1.820.494.23 S bewertet worden. Abzüglich der vorhandenen, die Pflichtteilsforderungen der Kinder des vorverstorbenen erblasserischen Sohnes Leopold M. sowie jene des Martin M. (60.000 S plus 50.731.39 S) enthaltenden Passiven von insgesamt 279.090.63 S belaufe sich der reine Nachlaß auf

1.541.403.60 S, der den erblasserischen Töchtern Adolfine M. und Aloisia M. zu je einem Drittel und den erblasserischen Enkelkindern mj. Johann und mj. Irene M. zu je einem Sechstel eingeantwortet worden sei. Die Liegenschaft EZ. 15 Katastralgemeinde St. habe ohne Einbeziehung der Fahrnisse und unter Bedachtnahme auf die gegegebenen Eigentumsverhältnisse derzeit einen Wert von 1.897.605 S, das im Eigentum des Klägers stehende Drittel dieser Liegenschaft sohin einen solchen von 632.535 S. Der Erblasser habe dem in Landwirtschaftsschulen ausgebildeten Kläger im Jahre 1929 diesen Drittelanteil unentgeltlich und zu dem Zwecke überlassen, ihm auf der Liegenschaft die Ausübung des erlernten Berufes (Landwirt) zu ermöglichen. Vom Herbst 1931 bis zum März 1938 habe der Kläger die Liegenschaft mit seiner Mutter und seinem Bruder Johann bewirtschaftet und während dieser Zeit die erforderlichen Arbeitsanweisungen erteilt. Für seine Arbeitsleistungen auf der "Bräuerhube" habe der Kläger von seinem Vater neben freier Station ein monatliches Taschengeld von 10 S erhalten; der Erblasser habe in dem genannten Zeitraum darüber hinaus seinem Sohn obliegende Unterhaltsleistungen in der Höhe von monatlich 30 S erbracht und damit dem Kläger den seinerzeit ortsüblichen Lohn eines Wirtschafters zukommen lassen.

In rechtlicher Hinsicht erblickte das Berufungsgericht gleich dem Erstgericht in der Überlassung des Drittelanteiles an den Kläger einen nach § 788 ABGB. in den Pflichtteil einzurechnenden Vorausempfang. Die Bewertung dieses Vorausempfanges müsse, um dem Erfordernis der Gleichheit des Wertmessers zu genügen (Klang[2] III 952), mit dem gleichen Maßstab erfolgen, der bei der Festsetzung des in der Hauptsache dieselbe Liegenschaft betreffenden Nachlaßwertes angelegt werde. Der Kläger sei nach einer mittlerweile erfolgten Realteilung noch immer Eigentümer des ihm seinerzeit überlassenen Liegenschaftsdrittels, sodaß es dem in den §§ 785 ff. ABGB. normierten Gleichstellungsgrundsatz der pflichtteilsberechtigten Kinder widersprechen würde, wollte man die in den Nachlaß fallenden (weiteren) zwei Drittel der Liegenschaft bei einer die seit dem Jahre 1929 eingetretenen Wertverschiebungen berücksichtigenden Berechnung des Pflichtteiles verhältnismäßig höher bewerten als das dem Kläger seinerzeit zugekommene Liegenschaftsdrittel. Bei Beobachtung dieser rechtlichen Gesichtspunkte zeige sich, daß der Pflichtteil des Klägers 153.450.30 S (ein Zwölftel von 1.841.403.60 S) betrage, der Wert des Vorausempfanges hingegen mit 632.535 S anzunehmen und demzufolge das Klagebegehren zu Recht abgewiesen worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Insoweit die Rechtsrüge darzutun versucht, daß der Kläger den Drittelanteil der Liegenschaft entgeltlich (käuflich) erworben und ihn vom Erblasser nicht zur Existenzgrundung erhalten habe, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie von den Feststellungen des Berufungsgerichtes abweicht und von einem Sachverhaltsbild ausgeht, dessen Feststellung der Kläger vergebens anstrebte; sie unternimmt es in diesem Zusammenhang überdies, die Beweiswürdigung der Vorinstanzen anzugreifen, deren Überprüfung dem Obersten Gerichtshof nach der Regelung des § 503 ZPO. verwehrt ist.

Die in der Rechtsrüge des Klägers gestellte Frage, ob und inwieweit bei der Festsetzung des nach § 794 ABGB. zu ermittelnden Wertes der vorausempfangenen Liegenschaft auf die seit dem Vorausempfang eingetretene Geldentwertung Rücksicht zu nehmen und eine auf den Zeitpunkt des Erbanfalles abgestellte Aufwertung zu rechtfertigen ist, wurde in der Judikatur nicht einheitlich beantwortet. Eine Reihe von Entscheidungen löste sie dahin, daß angesichts der im Gesetz (§§ 785 ff. ABGB.) angeordneten Gleichstellung aller Kinder die eingetretene Geldentwertung zu berücksichtigen sei (JBl. 1956 S. 403). Die Lehre stützt diese Auffassung und verweist darauf, daß der Maßstab für die Bestimmung des Wertes der anzurechnenden Zuwendung der gleiche sein müsse wie bei der Bestimmung des Nachlaßwertes, weil beide Werte zum Zwecke der Ausgleichung anzurechnen seien; daraus ergebe sich das Erfordernis der Gleichheit des Wertmessers (vgl. Weiß in Klang[2] III 952; Graschopf, NotZ. 1934 S. 199). Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 23. November 1955, JBl. 1956 S. 339, lehnt zwar die Annahme eines allgemeingültigen Rechtssatzes, demzufolge nach § 794 ABGB. zu behandelnde Vorausempfänge aufzuwerten sind, ab, hält eine solche Maßnahme jedoch im Hinblick auf die in den §§ 785 ff. ABGB. verordnete Gleichstellung der Kinder dann für gerechtfertigt, wenn die durch die Geldentwertung herbeigeführte Beeinträchtigung eines Kindes eine wesentliche ist. Diese Voraussetzung liegt im konkreten Fall vor, wobei die Beeinträchtigung der beklagten Partei auch dann keine wesentliche Minderung erfahren würde, wenn im Sinne der Revisionsausführungen der Verbraucherpreisindex als Aufwertungsbasis Verwendung fände, weil in diesem die Preise für Liegenschaften unberücksichtigt bleiben. Nun ist zwar im Regelfall zunächst der Verkehrswert festzustellen, den die als Vorausempfang anzurechnende Liegenschaft im Zeitpunkt ihrer Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten hatte (§ 794 ABGB.), und der sohin errechnete Geldbetrag mit Rücksicht auf die bis zum Erbanfall eingetretene Geldentwertung nach dem Zeitpunkt des Erbanfalles aufzuwerten. Das Berufungsgericht hat jedoch zutreffend erkannt, daß unter den gegebenen Umständen - der Kläger ist nach wie vor Eigentümer des ihm als Vorausempfang zugekommenen Liegenschaftsdrittels - diesmal durch die Übernahme des im Verlassenschaftsverfahren erhobenen und vom Kläger nicht bekämpften Schätzwertes der Gesamtliegenschaft ein brauchbares, dem im Gesetz verankerten Grundsatz der Gleichstellung der pflichtteilsberechtigten Kinder ebenso wie jenem der Billigkeit entsprechendes Aufwertungsergebnis zu erreichen war. Nach den Urteilsfeststellungen betrug der Wert des reinen Nachlasses

1.541.403.60 S. Im Sinne der bei einer Anrechnung nach § 788 ABGB. zu beachtenden Grundsätze (JB. 114) sind dieser Summe alle anzurechnenden Vorausempfänge, also der vom Kläger behauptete Vorausempfang seiner Schwester (300.000 S), aber auch - und das wurde vom Berufungsgericht, nicht aber vom Erstgericht übersehen - jener des Klägers (632.535 S) zuzuzählen, die Summe (2.473.938.60 S) sodann durch die Zahl der sechs Noterben (bzw. deren Stämme) zu teilen und der solcherart gewonnene Quotient (= 412.323.10 S) nochmals durch zwei zu teilen. Der solcherart mit 206.161.55 S errechnete Pflichtteil des Klägers bleibt sohin ziffernmäßig hinter dem ihm zugekommenen, anrechenbaren, vom Berufungsgericht ohne Rechtsirrtum aufgewerteten Vorausempfang zurück, sodaß der Revision ein Erfolg zu versagen war.

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