Spruch:
Die Verweigerung der Unterbrechung des Verfahrens nach § 11 AmtshaftungsG. ist mit Rekurs anfechtbar.
Entscheidung vom 16. Oktober 1957, 1 Ob 278/57.
I. Instanz: Landesgericht Linz; II. Instanz: Oberlandesgericht Linz.
Text
Das Erstgericht hat das Verfahren gemäß § 11 AmtshaftungsG. zwecks Vorlage der Akten an den Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung der vom Kläger behaupteten Rechtswidrigkeit des Bescheides der erstbeklagten Partei vom 24. August 1950 betreffend den Räumungsauftrag an den Kläger unterbrochen. Dabei ging es von folgenden Feststellungen aus:
Mit Bescheid der Erstbeklagten (Stadtgemeinde W.) erging an den Kläger der Auftrag, die im Hause W., E.-Straße 2, gelegenen, von ihm benützten Räume gemäß § 90 der Bauordnung von W. bis 26. August 1950 wegen Baufälligkeit zu räumen. Der vom Kläger ergriffenen Berufung gab der Gemeindeausschuß der Stadt W. keine Folge. Die dagegen erhobene Berufung des Klägers an das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung wies dieses wegen Unzulässigkeit mit Bescheid vom 12. März 1951 zurück, weil Mietern im Bauverfahren keine Parteistellung zukomme. Über Beschwerde des Klägers hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung wegen Gesetzwidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde auf, weil über die gegen den Bescheid des Gemeindeausschusses ergriffene Berufung die örtlich zuständige Bezirkshauptmannschaft hätte entscheiden müssen.
In der vorliegenden Klage behauptet der Kläger u. a. die Rechtswidrigkeit der Bescheide der Erstbeklagten vom 21. Juli 1950, vom 24. August 1950 und der Entscheidung der Oberösterreichischen Landesregierung vom 12. März 1951, weil durch diese Bescheide der ordentliche Rechtsweg und damit die Beobachtung der Bestimmungen des Mietengesetzes umgangen worden seien. Umstände, aus denen eine Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 21. Juli 1950 erschlossen werden könnte, vermochte das Erstgericht nicht zu erheben; denn bei voneinander abweichenden Gutachten der Sachverständigen und Berücksichtigung sonstiger Verfahrensergebnisse hatte die erstbeklagte Partei die Möglichkeit, sich im Wege freier Beweiswürdigung für den Demolierungsauftrag zu entscheiden.
Anders, so führt das Erstgericht in seinem Beschluß aus, verhalte es sich mit dem Räumungsauftrag vom 24. August 1950; denn diesbezüglich habe schon der Verwaltungsgerichtshof in den Gründen seines Erkenntnisses vom 10. Jänner 1955 bemerkt, daß der Mieter nur ein tatsächliches Interesse an der Erhaltung der von ihm in Bestand genommenen Objekte und daher im Bauverfahren weder ein rechtliches Interesse noch einen Rechtsanspruch habe, weil Gegenstand dieses Verfahrens nicht das nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechtes zu beurteilende Bestandverhältnis sei. Mit dem Bescheid vom 24. August 1950 habe die Erstbeklagte rechtswidrig in die Mietrechte des Klägers eingegriffen, indem ihm zu Unrecht die Verpflichtung zur Räumung der von ihm in Bestand genommenen Lokalitäten auferlegt worden sei. Unabhängig von der Frage der tatsächlichen Baufälligkeit oder Einsturzgefahr der Gebäude hätte sich der Bescheid vom 24. August 1950 nur gegen die Ehegatten R. als Hauseigentümer und nicht gegen den Kläger richten dürfen. Die Hauseigentümer wären dann verpflichtet gewesen, im Falle der Weigerung gegen den Kläger nach den Bestimmungen des § 1118 ABGB. vorzugehen. Da der Berufung des Klägers überdies die aufschiebende Wirkung aberkannt worden sei, sei dem Kläger der ordentliche Rechtsweg verschlossen worden. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 AmtshaftungsG. hinsichtlich des Bescheides vom 24. August 1950 habe die Unterbrechung des Verfahrens zur Überprüfung der behaupteten Rechtswidrigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof angeordnet werden müssen.
Das Rekursgericht änderte infolge des Rekurses der erstbeklagten Partei den erstgerichtlichen Beschluß, soweit er die Unterbrechung des Verfahrens gegen die erstbeklagte Partei anordnete, dahin ab, daß es den bezüglichen Unterbrechungsantrag des Klägers abwies und dem Erstgerichte auftrug, das Verfahren gegen die erstbeklagte Partei unter Abstandnahme von einer Unterbrechung nach § 11 AmtshaftungsG. fortzusetzen. Hinsichtlich der Unterbrechung des Verfahrens gegen das zweitbeklagte Land blieb der Beschluß des Erstgerichtes als nicht angefochten unberührt.
Das Erstgericht habe sich in seinem Beschluß nur mit der Frage der Rechtswidrigkeit der Bescheide der Erstbeklagten, nicht aber auch mit jener der Bescheide des Zweitbeklagten befaßt. Die Frage der Unterbrechung eines Verfahrens könne daher im Rekursverfahren nur in diesem Rahmen geprüft werden. Das Erstgericht halte nun von den beiden Bescheiden der Erstbeklagten nur den Räumungsauftrag vom 24. August 1950 für rechtswidrig, nicht aber den Demolierungsbescheid vom 21. Juli 1950, weshalb es auch das Verfahren nur zur Prüfung der Frage der Rechtswidrigkeit des Räumungsauftrages unterbrochen habe. Es erhebe sich die Frage, ob und in welcher Form durch die Zurückweisung der Berufung des Klägers gegen beide Bescheide durch die zweitbeklagte Partei Ersatzansprüche des Klägers im Hinblick auf die Bestimmung des § 2 Abs. 2 AmtshaftungsG. berührt werden, vor allem, ob schon die Tatsache allein, daß dem Kläger gegen die Bescheide der Erstbeklagten ein Rechtsmittel offen gestanden sei, seine Ersatzansprüche gegen die Erstbeklagte ausschließe. Dabei sei wieder zu klären, ob auch die Bestimmung des § 2 Abs. 2 AmtshaftungsG. im gleichen Sinne wie der seinerzeitige § 1 des aufgehobenen Syndikatsgesetzes RGBl. Nr. 112/1872 zu verstehen sei. Nach Meinung des Rekursgerichtes müsse diese Frage schon mit Rücksicht auf die Fassung "der Ersatzanspruch besteht nicht, wenn der Geschädigte den Schaden ... hätte abwenden können" verneint werden, weil damit gesagt sei, daß es nicht bloß auf die Möglichkeit der Erhebung eines Rechtsmittels zur Abwendung der Rechtsverletzung ankomme, sondern daß die Möglichkeit der Abwendung nach den konkreten Verhältnissen zu beurteilen sei. Nur die verschuldete Unterlassung eines Rechtsmittels schließe den Ersatzanspruch nach § 2 Abs. 2 AmtshaftungsG. aus.
Anders verhalte es sich mit der Frage, ob die Rechtswidrigkeit eines im Instanzenzuge bestätigten Bescheides noch zur Grundlage von Ersatzansprüchen gemacht werden könne. Führe ein im konkreten Fall mit Aussicht auf Erfolg erhobenes Rechtsmittel infolge Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides zu einem Mißerfolg, so werde dadurch eine neue Ursache für den Schaden gesetzt. Der Bescheid erster Instanz verliere im rechtlichen Sinne den Charakter einer Schadensursache. Nur die ohne Verschulden nicht behebbare Rechtswidrigkeit begrunde einen Ersatzanspruch. Die Rechtswidrigkeit des Bescheides der Erstbeklagten sei nur deshalb im Rechtsmittelverfahren nicht behoben worden, weil nach den Behauptungen des Klägers auch in diesem Verfahren Gesetze verletzt worden seien. Der Bescheid der Erstbeklagten vom 24. August 1950 habe daher nicht mehr zur Grundlage eines Ersatzanspruches gemacht werden können. Diese Rechtsansicht führe dazu, daß dem Kläger aus dem Gründe einer Rechtswidrigkeit des Räumungsauftrages der Erstbeklagten vom 24. August 1950 Ersatzansprüche gegen die Erstbeklagte nicht zu stehen könnten. Das Erstgericht habe wegen der angenommenen Rechtswidrigkeit des Bescheides der Erstbeklagten das Gesamtverfahren unterbrochen, die zweitbeklagte Partei dagegen kein Rechtsmittel erhoben, so daß die Verfügung gegen sie rechtskräftig geworden sei. Die Unterbrechung im Verhältnis zur zweitbeklagten Partei sei aber auch gerechtfertigt, da die Frage der Ursächlichkeit ihres Bescheides für den behaupteten Schaden davon abhänge, ob der Räumungsauftrag der Erstbeklagten rechtswidrig gewesen sei oder nicht. Im Falle der Verneinung der Rechtswidrigkeit habe die Zurückweisung des Rechtsmittels dem Kläger keinen Schaden verursachen können. Nur im gegenteiligen Fall habe durch die Berufungszurückweisung dem Kläger ein Schaden erwachsen können. Wenn das Erstgericht den Räumungsauftrag der Erstbeklagten vom 24. August 1950 für rechtswidrig halte, so sei es im Recht, denn nach dem schon bezogenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. April 1952 sei ein Auftrag an den Kläger bei Abgang einer Parteistellung im Bauverfahren nicht zu erlassen gewesen. Wenn dessen ungeachtet ein Auftrag erteilt worden sei, so habe ihm auch die Stellung einer Partei zur Bekämpfung des Auftrages eingeräumt werden müssen. Auch die Ursächlichkeit des Räumungsauftrages für den behaupteten Schaden sei zu bejahen. Nach § 90 der Bauordnung für Linz und Wels, LGBl. für Oberösterreich Nr. 22/1887, habe die Erstbeklagte vor der Demolierung die Räumung anzuordnen gehabt. Die Bezirkshauptmannschaft W. habe von der Erlassung eines Vollstreckungsbescheides gegen R. abgesehen, weil "R. zuerst zivilrechtlich die Voraussetzungen für eine Räumung schaffen müsse". Mit dem Demolierungsbescheid der Erstbeklagten vom 21. Juli 1950 allein habe also die Räumung der Bestandobjekte des Klägers nicht durchgesetzt werden können. Die Bezirkshauptmannschaft W. sei zur Durchführung der Räumung nur bereit gewesen, wenn ein entsprechender Titel dafür vorliege. Der Zweck des sodann erlassenen Räumungsauftrages vom 24. August 1950 sei nun der gewesen, die Räumung und Demolierung ungehindert durchführen zu können. Zur Beschleunigung des Verfahrens sei einer Berufung gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung aberkannt worden. Die Bezirkshauptmannschaft W. habe diese Verfügung in Ausübung des Aufsichtsrechtes dahin abgeändert, daß der Berufung des Klägers eine aufschiebende Wirkung doch zuerkannt worden sei. Der durch die Zurückweisung der Berufung seitens der Zweitbeklagten rechtskräftige Räumungsauftrag vom 24. August 1950 sei für die schließlich von der Bezirkshauptmannschaft W. angeordnete Räumung und Demolierung durchaus ursächlich gewesen. Die Räumung der Bestandobjekte des Klägers sei also nicht nur rechtlich, sondern auch faktisch von der Erlassung des fraglichen Räumungsauftrages abhängig gewesen. Daß nur das Verfahren gegen die Zweitbeklagte unterbrochen bleibe, bedeute keinen Widerspruch, weil es sich bei den beklagten Parteien nicht um eine einheitliche (unzertrennliche) Streitgenossenschaft handle. Es sei daher in Stattgebung des Rekurses der Erstbeklagten der erstgerichtliche Beschluß insofern abzuändern gewesen, als damit die Unterbrechung des Verfahrens gegen die Erstbeklagte ausgesprochen worden sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Klägers nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Soweit der Revisionsrekurs der klagenden Partei die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses anstrebt, ist er zulässig, obwohl die vom Erstgerichte verfügte Unterbrechung des Verfahrens gegen die erstbeklagte Partei durch das Rekursgericht abgelehnt wurde. Wenn auch in den §§ 11 bis 13 des Amtshaftungsgesetzes vom 18. Dezember 1948, BGBl. Nr. 20/1949, in der Fassung der Novellen 1952 und 1956, BGBl. Nr. 60/1952 und BGBl. Nr. 218/1956, eine von § 192 Abs. 2 ZPO. abweichende Vorschrift nicht enthalten ist, so ist der Rekurs auch gegen die Verweigerung der Unterbrechung im Sinne des § 11 AmtshaftungsG. als zulässig anzusehen, weil hier dieselben Erwägungen durchgreifen, die dem Spruche Nr. 22 neu (SZ. VII 407) zugrunde liegen. Im § 11 AmtshaftungsG. ist die Unterbrechung und die Einholung einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes unter bestimmten Voraussetzungen zwingend vorgeschrieben, während in den §§ 190 ff. ZPO. die Unterbrechung in das Belieben der Gerichte gestellt ist. Der somit zulässige Revisionsrekurs ist aber nicht begrundet.
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