Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Urteilsfällung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerinnen sind Elektrizitätsunternehmen und betreiben in Niederösterreich Windkraftanlagen, die an das Netz der Beklagten angeschlossen sind. Für die Einspeisung des erzeugten Stroms schrieb die Beklagte den Klägerinnen seit 1. 1. 2009 unter anderem „Netzverlustentgelte“ vor, die von den Klägerinnen bis Dezember 2011 im Umfang der jeweiligen Klagebeträge unter ausdrücklichem Vorbehalt der Rückforderung gezahlt wurden.
Den vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien lagen die „Allgemeinen Bedingungen für den Zugang zum Verteilernetz der E***** GmbH“ (in der Folge: Allgemeine Bedingungen) zugrunde. Nach deren Punkt XXIII Z 3 hat die Beklagte im Fall der Aufhebung der amtlichen Regelung der Systemnutzungstarife dem Netzkunden jedenfalls den Netzzugang zu sachlichen und nichtdiskriminierenden Bedingungen und unter Zugrundelegung von an ihrem tatsächlichen Aufwand orientierten Kosten zu gewähren.
Die Klägerinnen begehrten nun die Rückzahlung der vorschreibungsgemäß geleisteten Netzverlustentgelte. Der Verfassungsgerichtshof habe die der Vorschreibung von Netzverlustentgelt zugrundeliegenden Rechtsgrundlagen - auch mit Wirkung für dieses Verfahren - aufgehoben.
Die Beklagte erhob die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, bestritt die behauptete Rechtsgrundlosigkeit der geleisteten Zahlungen und berief sich schließlich auf vertragliche Vereinbarungen, die einem Rückforderungsanspruch entgegenstünden. Die verlangten Entgelte entsprächen dem tatsächlich bei ihr aufgelaufenen Aufwand.
Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs und wies die Klagebegehren ab. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs habe der Gesetzgeber in § 25 ElWOG 1998 die dem Netzbetreiber im Rahmen der Systemnutzungstarife gebührenden Entgeltbestandteile abschließend regeln wollen. Sei nun die Komponente „Netzverlustentgelt“ weggefallen, könne die Beklagte sich nicht darauf berufen, sie habe einen - betragsmäßig gleich hohen - Anspruch auf Abgeltung der von ihr erbrachten Leistungen auf bereicherungsrechtlicher Basis und dürfe sich aus diesem Grund die als Netzverlustentgelte fakturierten Beträge behalten. Aufgrund der abschließenden Regelungen in § 25 ElWOG 1998 sei für Ansprüche auf eine angemessene Vergütung kein Raum und erschienen auch die Allgemeinen Bedingungen der Beklagten als gesetzwidrig und damit unwirksam.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Erstgericht habe die Zulässigkeit des Rechtswegs im Sinne des § 21 Abs 2 ElWOG 1998 zutreffend bejaht. Grundsätzliche Bedenken gegen die Anwendbarkeit der Allgemeinen Bedingungen der Beklagten bestünden nicht. Die einschlägigen Bestimmungen seien allerdings auszulegen, um die Frage zu beantworten, ob sie in der vorliegenden Konstellation anwendbar sind. Dabei ergebe sich, dass Punkt XXIII Abs 2 (richtig wohl: Z 3) der Bedingungen unanwendbar sei, weil die „amtliche Regelung der Systemnutzungstarife“ nicht aufgehoben worden sei. Vielmehr habe der Verfassungsgerichtshof nur bestimmte Teile des ElWOG aufgehoben, die öffentlich-rechtliche Bestimmung der Systemnutzungstarife aber grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Zu keiner Zeit hätten „amtliche Regelungen der Systemnutzungstarife“ gefehlt, zumal der Gesetzgeber mit dem ElWOG 2010 eine neue Rechtslage geschaffen habe, die bisher noch nicht in Frage gestellt worden sei. Damit gehe der Hinweis der Beklagten auf ihre Allgemeinen Bedingungen im vorliegenden Fall ins Leere, sodass sie dem Bereicherungsanspruch der Klägerinnen nichts entgegensetzen könne. Dass die Beklagte nicht verpflichtet sei, unentgeltlich tätig zu werden, sei unerheblich, habe doch auch die Änderung der Rechtslage durch die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs keine Unentgeltlichkeit der Tätigkeit der Beklagten mit sich gebracht. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob sich die Beklagte für das Behalten der als „Netzverlustentgelt“ gezahlten Beträge auf ihre Allgemeinen Bedingungen berufen könne.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Soweit die Revisionswerberin neuerlich versucht, die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs zum Entscheidungsgegenstand zu machen, übersieht sie offenbar, dass der Oberste Gerichtshof an die berufungsgerichtliche Entscheidung über die Rechtswegzulässigkeit gebunden ist, wenn dieses den eine solche bejahenden Beschluss des Erstgerichts bestätigt hat (RIS-Justiz RS0039799; vgl auch RS0114196).
Zur Frage der materiell-rechtlichen Auswirkung der von der Beklagten ins Treffen geführten Bestimmung in Punkt XXIII Z 3 ihrer Allgemeinen Bedingungen kann auf die dazu bereits gefällten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs verwiesen werden, die den Parteien bzw ihren Prozessvertretern schon bekannt sind (4 Ob 126/12a, 5 Ob 150/12p, 1 Ob 149/12m).
Zu betonen ist, dass der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis V 59/09 ua, mit dem er die auf den hier zu beurteilenden Zeitraum ursprünglich anzuwendenden Systemnutzungstarife-Verordnungen aufgehoben hat, ausdrücklich anordnete, dass die aufgehobenen Verordnungen unter anderem auch in dem beim Landesgericht Wiener Neustadt zu 28 Cg 110/09k anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden sind. Damit ist (auch) für dieses Verfahren zu unterstellen, die entsprechenden Verordnungen wären für die Parteien nie in Geltung gestanden, womit grundsätzlich eine Rückforderung in Betracht käme.
Einem Rückforderungsanspruch steht aber - worauf der Oberste Gerichtshof bereits in den angeführten zu diesem Problemkreis ergangenen Entscheidungen hingewiesen hat - die Bestimmung in Punkt XXIII Z 3 der Allgemeinen Bedingungen der Beklagten entgegen, deren Anwendung - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - nicht voraussetzt, dass die amtliche Regelung der Systemnutzungstarife endgültig beseitigt worden wäre. Vielmehr genügt es, dass die (damals formal gültigen) Systemnutzungstarife-Verordnungen für jenen Zeitraum, für den die Zahlungen geleistet wurden, im Verhältnis zwischen den Parteien für unanwendbar erklärt wurden. In der angeführten Vorjudikatur wurde bereits ausgesprochen, dass die Kompetenz zur Preisvereinbarung wieder den Vertragsparteien zufällt, wenn bei einem behördlichen Preisregelungssystem die preisfestsetzende Norm nachträglich unanwendbar wird, was ebenso gilt, wenn sogar schon vor Wegfall des behördlichen Preisregelungssystems eine entsprechende Entgeltver-einbarung - auch in Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen - getroffen wurde.
Offenkundiger Zweck der einschlägigen Bestimmung in den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten ist es, im Fall der Unanwendbarkeit der preisrechtlichen Tarifvorschriften sicherzustellen, dass einerseits dem Netzkunden weiterhin Netzzugang zu nicht willkürlichen Bedingungen gewährt wird, andererseits aber der Netzbetreiber als Gegenleistung hiefür den Ersatz von an seinem tatsächlichen Aufwand orientierten Netznutzungskosten verlangen darf. Das gegenteilige Verständnis führte zum wirtschaftlich unausgewogenen Ergebnis, dass der Netzbetreiber seinen Kunden zwar Zugang zum Netz gewähren müsste, dafür aber nicht jenen Kostenersatz vorschreiben dürfte, der seinen tatsächlichen Aufwand zur Gänze abdeckt. Punkt XXIII Z 3 der Allgemeinen Bedingungen kommt daher als vertraglicher Rechtsgrund für die von den Klägerinnen geleisteten Zahlungen von Netzverlustentgelten in Frage. Im fortgesetzten Verfahren wird daher die Behauptung der Beklagten, die vorgeschriebenen Beträge hätten jeweils ihrem tatsächlichen Aufwand entsprochen, auf Tatsachenebene zu klären sein.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.
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