OGH 1Ob255/09w

OGH1Ob255/09w29.1.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** Gas/Wärme GmbH für Erdgas- und Wärmeversorgung, *****, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle, Dr. Rudolf Mitterlehner, Dr. Klaus Oberndorfer und Dr. Paul Oberndorfer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen 2.823.721,70 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 2.194.250 EUR sA), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. November 2009, GZ 14 R 154/09h-30, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 25. Mai 2009, GZ 33 Cg 8/07z-26, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Energie-Control Kommission (ECK) erließ in den Jahren 2002 bis 2005 drei Gas-Systemnutzungstarife-Verordnungen, welche die an die Gemeinden abzuführende Gebrauchsabgabe im Sinn des oberösterreichischen Gebrauchsabgabengesetzes nicht als Kostenbestandteil der Systemnutzungstarife anerkannten. Der Verfassungsgerichtshof hob in seinem Erkenntnis vom 12. Juni 2008 die damit in Zusammenhang stehenden Bestimmungen der Verordnungen als gesetzwidrig auf. Er verwies auf sein Erkenntnis vom 1. März 2006, das vergleichbare Teile der Stromsystemnutzungstarife-Verordnung 2003 betraf. Nach diesem Erkenntnis sei die Gebrauchsabgabe, auch wenn sie wirtschaftlich den Charakter eines sogenannten „Gewinnpräzipuums" an die Gemeinden habe, jedenfalls auch zum Teil als Entgelt für die Benützung öffentlichen Grundes anzusehen. Soweit der Gebrauchsabgabe Entgeltcharakter zukomme, sei es gleichheitswidrig, ein privatrechtlich vereinbartes Entgelt für die Benutzung fremden Grund und Bodens durch den Netzbetreiber als Kosten des Netzbetriebs anzuerkennen, öffentlich-rechtliche Entgelte für die Benützung öffentlichen Gemeindegrundes hingegen nicht.

Das klagende Energieversorgungsunternehmen begehrte in seiner Amtshaftungsklage - soweit hier relevant - aufgrund der rechtswidrig und schuldhaft unterbliebenen Berücksichtigung der Gebrauchsabgabe einen Schadensbetrag von 2.194.250 EUR.

Die Vorinstanzen werteten die Vorgangsweise der ECK bei Erlassung der rechtswidrigen Bestimmungen der Verordnungen als vertretbar und wiesen das Klagebegehren deshalb ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1. Trotz des erhöhten Sorgfaltsmaßstabs, der für die Beurteilung des Verschuldens von Organen am Erlass rechtswidriger Verordnungen gilt (RIS-Justiz RS0049935; Schragel, AHG³ Rz 69), hat das Berufungsgericht die einzelfallbezogene (RIS-Justiz RS0110837) Frage nach der Vertretbarkeit der Rechtsauffassung in einer Weise gelöst, die keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung darstellt. Die Rechtsauffassung der ECK, die Gebrauchsabgabe als steuerbegünstigte Entnahme (Gewinnpräzipuum) zu werten, wurde durch ein noch vor Erlassung der ersten Verordnung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit in Auftrag gegebenes Gutachten zweier Universitätsprofessoren zur Berechnung der Tarife für die Systemnutzung im Bereich öffentlicher Abgasnetze unterstützt. Auch der Verfassungsgerichtshof billigte der Gebrauchsabgabe wirtschaftlich den Charakter eines sogenannten Gewinnpräzipuums zu. Das Argument der klagenden Partei, die Behörde habe trotz Erkennens des (teilweisen) Entgeltcharakters Nachforschungen zu dessen Höhe unterlassen, vernachlässigt den festgestellten Zeitdruck, dessen Fehlen nach der Judikatur den strengen Sorgfaltsmaßstab bei Erlassung von Verordnungen rechtfertigt (1 Ob 407/97b = SZ 71/79). Unabhängig davon ließ sich dem erstinstanzlichen Vorbringen der klagenden Partei nicht entnehmen, in welchem Ausmaß sie der Gebrauchsabgabe für den Schadenszeitraum Entgeltcharakter zubilligte und welchen konkreten Schaden daher die vorgeworfene unterlassene Ermittlung des Entgeltanteils verursacht haben soll.

2. Ob Feststellungen, die der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden, durch das Sachvorbringen der Parteien gedeckt sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0042828). Auch in diesem Punkt ist dem Berufungsgericht keine, vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung vorzuwerfen, waren doch Hauptargumente der beklagten Partei der geltend gemachte Charakter der Gebrauchsabgabe als Gewinnpräzipuum und die Erlassung der Verordnung auf Basis des eingeholten Gutachtens.

3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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